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Das Tiefe im Flachen

Wie CH Media die Welt verstehen will.

Die Welt ist bekanntlich rund, bunt und kompliziert. Das zeigt sich insbesondere in der Ukraine. Nun nähert sich der Tag, an dem Russland unter Bruch aller Versprechen der Wahrung der territorialen Integrität der Ex-Sowjetrepublik in das Land der korrupten Oligarchen einfiel, die sich einen Präsidenten gekauft hatten.

Dazu muss natürlich Hinz und Kunz, also Lohnschreiber und schreibender Operetten-Chefredaktor, etwas Tiefsinniges absondern, weil sich der Tag der Invasion jährt. Und Jahrestage sind immer Leitlinien für die Medien, oftmals Leidlinien für die Leser.

Das «Tagblatt» aus dem Hause Wanner, also Mitglied des CH-Media-Imperiums, macht da keine Ausnahme. Zunächst einmal darf Raffael Schuppisser das Wort ergreifen: «Ein Jahr Krieg in der Ukraine: Die Generäle, Putin und wir – alle haben sich getäuscht».

Das macht ja nix, von dieser Ausgangsbasis her kann man doch weiterschreiben. Schuppisser bringt für seine Ukraine-Analyse beste Vorraussetzungen mit. Er hat an den Universitäten Basel und Zürich Philosophie studiert. Er ist laut LinkedIn «Redaktor Digital & Wissen Schweiz am Sonntag», zudem «Ressortleiter Leben & Wissen Schweiz am Sonntag» und zeitgleich «Stv. Chefredaktor| Leiter Kultur & Leben/Wissen». Vielleicht darf man ihn auf den Irrtum aufmerksam machen, dass es die «Schweiz am Sonntag» schon ein Weilchen nicht mehr gibt.

Aber gut, das alles hindert ihn nicht daran, über die Ukraine nachzudenken. Weiss ein Philosoph, wie die Zukunft aussieht? Nein, Schuppisser hält sich da mehr an Sokrates, in der Version von Platon, überliefert von Cicero: «Wie geht es weiter? Die ehrliche Antwort ist: Keiner weiss es.»

Aber das ist nun zu viel Nichtwissen, Schuppisser muss hinzufügen: «Denn dieser Krieg – in dem es nicht zuletzt um die Verteidigung der demokratischen Werte geht – darf nicht mit einer Niederlage der Ukraine enden.» Es ist immer wieder erstaunlich, dass es in einem korrupten Oligarchensystem in einem Staat, der erst seit rund 30 Jahren in die Unabhängigkeit taumelt, dessen Präsident sehr rustikal mit Opponenten umgeht, in dem eine Zensur wie in Russland herrscht, dass es ausgerechnet hier um die «Verteidigung demokratischer Werte» gehen soll. Aber vielleicht muss man das philosophisch sehen.

Nun schüttet das «Tagblatt» zum Jahrestag ein ganzes Füllhorn von Artikeln und Kommentaren zum Thema Ukraine aus. «Eine Ukrainerin aus dem Thurgau näht Kriegsmaterial für die Heimat – aber der Export aus der Schweiz ist verboten». Aber es wird dennoch genäht und verschickt; nicht nur Bekleidung, weiss das «Tagblatt»: «Nebst Tarnanzügen basteln die Ukrainerinnen Grabkerzen, die gerade in den klirrekalten Nächten die Soldaten wärmen, die sich für ihre Heimat einsetzten.» Wärmende Grabkerzen? Sachen gibt’s.

Aus dem fernen Peking meldet sich der Jungspund Fabian Kretschmer mit wie immer spekulativen Wackel-News: «Im Westen versucht sich die Volksrepublik als Vermittlerin im Ukraine-Krieg zu positionieren, doch gegenüber Russland gibt sie sich loyal. Die US-Regierung glaubt, Peking könnte bald eine rote Linie überschreiten.»

Fabian Hock hat eine glasklare Meinung über die Stippvisite des US-Präsidenten: «Bidens Besuch in Kiew ist jedoch nicht nur eine Ohrfeige für den Kriegstreiber im Kreml. Es ist auch eine glasklare Botschaft an die Ukraine. Sie lautet: «Die USA stehen hinter euch.» Davon kann Biden nun nicht mehr abrücken. Sein persönliches Erscheinen in Kiew ist die ultimative Zusicherung von Unterstützung

Gleich zwei Korrespondenten braucht es, um dem Leser einen Blick in den innersten Machtzirkel der USA zu erlauben, wo Renzo Ruf sich unter dem Schreibtisch Bidens verstecken durfte: «Die Entscheidung fiel am Freitag im Oval Office des Weissen Hauses. Umgeben von seinen engsten Beraterinnen und Beratern beschloss der amerikanische Präsident, vor seiner anstehenden Reise nach Polen auch einen Abstecher nach Kiew zu machen.»

Launig berichtet dagegen Inna Hartwich aus Moskau: «Socken stricken für Russlands Helden». Dort ist natürlich alles manipuliert, Propanda, Fake, den aber die Korrespondentin glasklar durchschaut: «Der Krieg ist nah, das Mädchen strahlt in die Kamera. Sie fährt fort mit dem auswendig gelernten Gedicht, mit dem sie sich in den Dienst von Russlands Kriegspropaganda stellt und sich ausstellen lässt

Für die militärische Einschätzung ist dann Armeechef Thomas Süssli zuständig. Er teilt mit dem Leser seine Learnings: «Was wir aus dem Ukrainekrieg lernen: Man hat nie genügend Munition.»

Stefan Bühler mahnt Leistungen an, die er persönlich erbringen will. Ach, nein, eine Milliarde sollen alle Steuerzahler und andere aufwerfen: «Es ist unerlässlich, dass sich auch Private am Wiederaufbau des kriegsversehrten Landes beteiligen. So viel Solidarität mit der Ukraine muss sich die Schweiz leisten – trotz angespannter Bundesfinanzen

«Muss sich die Schweiz leisten», das sind Sätze, mit denen einer allen ins Portemonnaie greifen will.

Da fehlt doch nur noch die Meinung des Chefredaktors Stefan Schmid zu diesem Jahrestag. Aber leider Fehlanzeige,  er kümmert sich um das Lokale: «Kommentar zum Schlussspurt in den St. Galler Ständeratswahlen: Die einzige Chance gegen Esther Friedli».

Irgendwie beruhigend, dass wenigstens einer Lösungsvorschläge für lokale Bedrohungen hat.

Wumms: Stefan Schmid

Früher hatte das «Tagblatt» noch Niveau. Heute hat es Stefan Schmid.

Als das St. Galler «Tagblatt» noch der NZZ gehörte, legte man Wert auf ein gewisses Niveau. Seit es zu CH Media gehört, amtiert zwar immer noch der gleiche Chefredaktor. Aber der ist längst zum Mann am Fenster runtergestuft; die Inhalte (ausser Lokales) kommen von der Zentralredaktion in Aarau. Das Einzige, was zur Frustbekämpfung bleibt, ist der Kommentar.

Bundesrat Ueli Maurer ist einer der Lieblingsfeinde von Schmid, und der hat sich doch tatsächlich zur SVP Ausserrhoden begeben, also ins Terrain von Schmid. Das muss der natürlich verbellen und verbeissen. Gnädig kanzelt Schmid den Bundesrat ab, denn dessen «Lageanalyse, die in den Grundzügen zwar nicht falsch» sei, «in der Substanz aber keineswegs in Einklang mit der Aussenpolitik des Bundesrats ist». Logische Folgerung: dann ist die Aussenpolitik des Bundesrats in den Grundlagen und in der Substanz falsch. Aber Schmid und Logik, wahrscheinlich bei Geburt getrennt.

Ginge es nach Schmid, «Maurer wäre seinen Posten im Kabinett wohl längst los». Leider geht es aber nirgendwo mehr nach Schmid, obwohl der doch die ganze Welt ordnen könnte. Maurer sehe im Ukrainekrieg nur einen «Stellvertreterkrieg», wo es doch in Wirklichkeit «ein gefährlicher Angriff auf eine europäische Ordnung» sei, «der im Kern auch einen Kleinstaat wie die Schweiz bedroht».

Wie steht es denn um die guten Dienste des Kleinstaats, nach Schmid? «Es scheint, vorsichtig formuliert, naiv, dem skrupellosen Zyniker Putin ein Schutzmachtmandat in der Ukraine anzubieten. Das gab diesem bloss die Gelegenheit, der Schweiz genüsslich einen vermeintlichen Neutralitätsbruch wegen der Übernahme der EU-Sanktionen vorzuhalten.»

Frechheit aber auch von Putin, die folgsame Übernahme ohne Prüfung von EU-Sanktionen ist doch kein Neutralitätsbruch. Überhaupt: «Schutzmachtmandate, also die Vertretung konsularischer Interessen anderer Staaten, sind wie andere gute Dienste schön und nett.» Aber eigentlich «von untergeordneter Bedeutung», urteilt Weltenkenner Schmid wegwerfend.

Vergesst Russland, rät er, denn: «Die Schweiz muss sich stattdessen im Grundsatz neu positionieren. Der Elefant im Raum ist der Umgang mit China.» Diesen Elefanten meint nur Schmid zu sehen, daher hat er noch weitere Ratschläge parat: «Neutralität gegenüber autokratischen Herrschern ist weder in unserem Interesse, noch liegt sie realpolitisch drin.»  Hurra, wir haben eine Neudefinition der Schweizer Neutralität. Erfunden von Schmid.

Zum Schluss hat er einen geschmackvollen Vorschlag auf Lager: «Ja, wir werden auch den Chinesen den Finger zeigen müssen.»

Wie gut, dass niemand auf Schmid hört und der so unbedeutend ist, dass man ihm nicht mal den Stinkfinger zeigen mag.

Keiner zu klein, Kommentator zu sein

Inhalt war gestern. Einordnende Analyse, fakenbasiert, war vorgestern. Heute ist Meinung.

Freier Journalist? Die wenigen noch frei herumlaufenden Exemplare sollte man unter Artenschutz stellen. Festangestellter Journalist? Selbst beim Zwangsgebührenbetrieb SRG ist das keine feste Sicherheit bis zur Pensionierung mehr.

Ganz zu schweigen von den privaten Medienkonzernen. Als Manager ist man (noch) sicher, unabhängig davon, wie viele Fehlentscheide man trifft oder wie viel Geld man verröstet. Unabhängig davon, dass einem seit vielen Jahren nichts einfällt, wie man mit dem Internet umgehen könnte, ohne sich von Google, Facebook & Co. die Butter vom Brot nehmen zu lassen und nur ein paar Krümel aufzusaugen.

Blick auf die Teppichetage eines Medienkonzerns.

Ausser gelegentlich mit staatstragenden Kommentaren um Staatshilfe zu betteln. Denn die exorbitanten Gehälter wollen ja finanziert sein. Aber das ist ja das Fettauge auf der faden Suppe des modernen Journalimus. Steigen wir ein paar Etagen hinunter. Dort, wo die überlebenden Journalisten mit angezogenen Ellenbogen (sonst hat ihn der Nachbar im Auge) ihr Tagewerk verrichten.

Meistens eher freudlos. Denn das meiste, was den Beruf früher attraktiv und spannend machte, ist im Früher zurückgeblieben. Rausgehen, Feldforschung? Ach ja, schön wär’s. Zeit für vertiefte Recherche haben? Ja, ja, das waren noch Zeiten. Beim Widerstreit der Meinungen mitboxen? Tja, als noch gestritten wurde, weil es am Platz mehr als eine Monopolzeitung gab.

Das Karussell hat nur noch wenige Pferdchen im Journalismus

Ab einem gewissen Punkt sagen: das trage ich nicht mehr mit, ich gehe zur Konkurrenz? Tja, von Ringier zu Tamedia, zu CH Media – und wieder zurück. Da ist nicht mehr wirklich Auswahl. Von NZZ und «Weltwoche» träumen viele, dorthin schaffen es aber nur wenige. Schliesslich bliebe noch SRF, aber seit Nathalie Wappler dort wappelt, auch keine wirkliche Alternative mehr.

Gibt es denn keinen Lichtblick, keinen Trost, versüsst nichts den bitteren Alltag, hilft nur schönsaufen, bis die Leber den Regenschirm aufspannt?

Fast. Ein Ventil gibt es: den Kommentar. Der Redaktor zeigt’s allen. Sagt, wo’s langgehen sollte. Kritisiert, lobt, jammert, gibt seinen Senf zum Weltgeschehen. Sonnt sich im Gefühl, dass er dadurch ganz bedeutend wird. Biden, Putin, China, Venezuela, ganz Afrika; ein strenger Verweis, und schon geht man dort in sich, bereut, ändert den Kurs. Die Welt ist wieder ein Stückchen besser geworden.

So stellt’s sich der Redaktor gerne vor, der Traumtänzer. Nehmen wir als konkretes Beispiel das St. Galler «Tagblatt». Einstmals nicht der journalistische Nabel der Schweiz, aber doch eine anerkannte Stimme aus der zweiten Liga. Wie schaut’s denn dort heute mit den Kommentaren aus?

Wir profitieren zudem davon, dass Pascal Hollenstein, die publizistische Leiter nach unten bei CH Media, gerade mal wieder Pause macht. Wir hoffen, bis mindestens im Spätherbst. Aber seine Lücke füllen andere. Fokussieren wir einen zufällig gewählten Zustand der Kommentare beim «Tagblatt».

Das sind längst nicht alle, aber ZACKBUM will unsere Leser nicht strapazieren.

Nehmen wir noch diese Latte dazu:

Genügend Stoff beisammen. Sven Altermatt will erklären, «warum SP-Mann Fabian Molina reif fürs Museum» sei. Hat irgendwas mit Jean Ziegler zu tun, scheint’s. Aber interessiert einen ein solchen Lockendreher auf der Glatze wirklich? Wirklich nicht. Der Oberchefredaktor Patrik Müller himself widmet sich der Frage:

«Der Schweiz wurde der Abstieg zum Armenhaus Europas prophezeit. Nun ist sie die weltweite Nummer 1. Was ist passiert?»

Die einfache Antwort: Fehlprognose. Aber damit füllt man natürlich nicht den «Wochenkommentar». Also sagt Müller «Fehlprognose». Nur mit ziemlich viel Wörtern mehr. Der nächste Kommentar muss einen als Mann natürlich interessieren:

«Meine Frau ist unzufrieden, was soll ich tun

Maria Brehmer schreibt angeblich «über alles, was das Leben schöner macht – und manchmal auch schwieriger». Unbestreitbar: nörgelnde Frauen machen das Leben nicht schöner.

Wie kann man das ändern? Hilft vielleicht der Satz «kauf dir was Schönes»? Oder: «nein, meine Assistentin ist lesbisch»? Nein, so einfach macht es Brehmer uns Männern nicht. Gleich vier Tipps hat sie auf Lager, der Höhepunkt ist: «Warten Sie nicht, bis Sie etwas tun «müssen». Wenn Ihre Frau Kritik übt, haben Sie den Moment verpasst, wo Sie es hätten tun «können». Wenn Sie etwas freiwillig tun – oder sogar mehr tun, als Sie «müssen» – werden Sie Ihre Frau augenblicklich zufriedener sehen. Versprochen.»

Könnte natürlich auch sein, dass man gar nichts tun müsste, weil Frau einfach klimakterisch oder sonstwie kratzig gelaunt ist. Aber das wäre natürlich schon fast Sexismus. Der «Tagblatt»-Chefredaktor Stefan Schmid muss sich natürlich auch etwas mit Bedeutung aufpumpen und erklärt der Landesregierung:

«Der Bundesrat auf Instagram? Diese Inszenierung geht zu weit»

Stimmt eigentlich, es gibt schon mehr als genug Journalisten, die sich auf Instagram inszenieren. «Lockerungen des Bundesrates sind mutig und richtig», kommentiert Jérôme Martinu. Da ist der Bundesrat aber froh. Schliesslich überrascht Annika Bangerter die Welt mit der Erkenntnis: «Frauen sind nicht dauerschwanger». Muss nun irgend eine Geschichte umgeschrieben werden? Die der Frauenbewegung? Oder muss das Thema Menstruation ganz anders gesehen werden? Keine Ahnung, interessiert auch überhaupt nicht.

Zufall oder Absicht neben dem Kommentar von Bangerter?

Das wären nun insgesamt 15 Kommentare, mit denen das «Tagblatt», teilweise gleich Gesamt-CH-Media, seine Leser in den vergangenen 7 Tagen erfreut hat. Auf jeden Fall ein guter Tipp vom Master of Wine Philipp Schwander. Man braucht mindestens 4 trinkreife Bordeaux, um sich von diesen Kommentaren wieder zu erholen. Also her damit!

Ex-Press XXI

Blasen aus dem Mediensumpf.

 

Eine Stilkritik am Tages-Anzeiger

Da soll noch einer sagen, das Wort sei nicht mächtig. Nach unseren mehrfachen Ordnungsrufen hat Tamedia kräftig Gegensteuer gegeben und gleich mehrfach antifeministische, machomässige, Frauen auf ihr Äusseres oder gar ihr Hinterteil reduzierende Artikel veröffentlicht.

Das haben wir natürlich nicht gewollt und sind entsetzt. Durchaus begrüssen können wir hingegen eine andere Veränderung. Salome Müller, die Sprachvergewaltigerin mit dem Gender-Sternchen, die jeden zweiten Morgen die männlichen Leser von Tamedia-Produkten ärgert, hat ein neues Autorenfoto platziert. Pardon, natürlich ein Autor*innen*Foto*In:

So beginnt ein schöner, feministischer Morgen.

Bravo, weg ist der merkwürdige Dutt oberhalb des Haupthaars, jetzt ist es brav gescheitelt, in einem Zopf gebändigt (man trägt links, natürlich), und man meint sogar, einen Hauch vom Make-up zu bemerken.

Wie bitte? Das sei ein typisch männlicher Scheiss, eine Reduktion einer Frau auf Äusserlichkeiten, wie es niemandem bei ihrem Mitautor Edgar Schuler einfiele? Form statt Inhalt, verdammte Macho-Saurerei.

Aber nein, ich halte zu Gnaden: Genauso hat ein (weiblicher) Autor die neue Frauenriege im Weissen Haus sogar einer ganzen «Stilkritik» unterzogen. Wer das hier nachahmen möchte, bitte:

Das Bildzitat: Edgar Schuler (links), Salome Müller.

Allen die Meinung geigen bei CH Media

Den immer noch existierenden Unterchefredaktoren, Kleinchefredaktoren, Noch-Chefredaktoren bei CH Media bleibt hingegen – wie ihren Kollegen bei Tamedia – von früherem Glanz eigentlich nur noch das Privileg, zu allem etwas sagen zu dürfen. Also einen Kommentar zu schreiben.

Das nützt auch Stefan* Schmid vom St. Galler «Tagblatt» aus. Nachdem er von der «Republik» ans Kreuz genagelt worden war, will er aber nichts mehr falsch machen. Er entscheidet sich für den Klassiker: einerseits, andererseits.

Einerseits wollen sich anscheinend viele Insassen von Altersheimen nicht impfen lassen. Dazu bemerkt Schmid altersmild: «Es liegt nicht an uns Jüngeren, darüber zu urteilen. Wer sterben will, darf sterben.»

Andererseits scheint das auch bei vielen Pflegekräften der Fall zu sein. So nicht, donnert Schmid:

«Sind das nicht jene Frauen und Männer, für die wir im Frühling auf dem Balkon geklatscht haben?»

Genau, und nach dieser gewaltigen Aktion der kostenlosen Solidarität, die schon damals bei den Pflegenden nicht wirklich auf Sympathie stiess, forderten die auch noch höhere Löhne als Ausdruck gesellschaftlicher Realität. Dann nehmt das: «Wer Solidarität einfordert, sollte umgekehrt auch solidarisch handeln.» Allerdings: Weder die Klatscher noch die Arbeitgeber haben bislang Solidarität gezeigt.

Die Sicht eines Balkonklatschers, Warmduschers und Miniatur-Chefredaktors.

 

Mimosen bei persoenlich.com

Wir schaffen es nie, beim «Online-Magazin für Entscheider und Meinungsführer» den richtigen Ton zu finden. Der Chef vom Ganzen, Matthias Ackeret, findet immer wieder unseren «Ton nicht angemessen». Das tut uns Leid; der letzte Sensibilisierungskurs für verbale Integration und Umarmung war offenbar rausgeschmissenes Geld.

Ackeret erregte sich etwas darüber, dass wir uns etwas erregten, dass persoenlich.com haargenau eine Woche später das gleiche Thema mit dem gleichen Resultat wie ZACKBUM.ch beackerte. Welche Auswirkungen hatte der Total-Lockdown am Sonntag auf die Sonntagsmedien. Reiner Zufall, sagte Ackeret, meine Idee gewesen.

Gut, wir sind ja ausgesprochen konfliktscheu, also wollten wir es darauf beruhen lassen.  Aber der Frömmste usw. Als wir uns eigentlich schon neuen Themen zuwenden wollten, meldete sich dann noch die Redaktionsleiterin Online bei uns.

Sie fand es unerhört, dass wir die Berichterstattung darüber mit «Original kopieren» betitelt hatten. Da wir, im Gegensatz zu vielen Kollegen, weder beratungsresistent noch rechthaberisch sind, gestanden wir zu, dass wir den Titel des Anstosses dann halt ändern. Kein Problem.

Das entwickelte sich dann aber leider zu einem typischen «das hat man davon». Denn nach einem knappen «Danke» forderte die Leiterin nun, dass auch noch dieses und jenes im Lauftext geändert werden «müsste».

Das führte dann zu einer kleinen Schubumkehr und ihr wurde bedeutet, dass sie es nicht übertreiben solle. Nachdem wir schon, was persoenlich.com noch nie tat, aus reiner Kulanz einen Titel änderten, sollte man es dann mal gut sein lassen. Mit einem «ich nehme das so zur Kenntnis» endete dann der kleine Meinungsaustausch.

 

Koryphäenwechsel bei der «Blick»-Familie

Jetzt werden wir kurz persönlich. Der USA-Korrespondent Nicola Imfeld, der zuletzt an einem angeblich «harten» Checkpoint scheiterte und über die Biden-Inauguration aus ca. 25 km Entfernung berichten musste, ist ein Opfer der Altersguillotine geworden. Nach drei Jahren Fernbeobachtung aus San Diego ist er mit 25 einfach nicht mehr rüstig genug.

Diese nicht ganz unwichtige Stelle übernimmt Celina Euchner, ebenfalls aus dem sehr zentral gelegenen San Diego. Sie bringt die besten Voraussetzungen mit. Gerade die Ringier Journalistenschule abgeschlossen, vorher im People-Ressort gearbeitet, vorher Praktikum bei der «Auto Bild». «Bild», Biden, fast kein Unterschied. Zudem übernimmt sie gleich noch den «Nachtdienst» für die «Blick»-Gruppe. Frau, Multitasking, sehr gut. Bedenklich stimmt nur ihr Alter: Sie ist bereits 24.

 

Verschwörungstheorie bei der NZZ

Das Organ der gehobenen Nachdenke hat manchmal auch Schwächeanfälle. Auf den Spuren der «Republik» (um ähnlich polemisch wie die Autorin zu beginnen), geht sie auf fast 23’000 Anschlägen der Frage nach, wie es denn im «Universum seiner Fans» aussähe. Die Rede ist natürlich von Daniele Ganser.

Der war nämlich «lange Zeit ein renommierter Friedensforscher», schreibt die etwas weniger renommierte Autorin Ruth Fulterer. Das Buch «Imperium USA», ein Bestseller, gefüllte Säle, wenn Ganser auf Vortragstournee geht, sein «ständiger Subtext: Die Bevölkerung wird manipuliert.»

Das versucht auch Fulterer mit ihrem Artikel, nur entschieden weniger sublim. Sie startet bei ihrer Reise mit den «Wohlfühltagen» in Luzern vom vergangenen Februar. Esoteriker, Lichttherapie, Steinchen, das Übliche. Und ein Vortrag von Ganser. Inhaltlich objektive Beschreibung: «Der Abend hat die Dynamik eines Rockkonzerts, die Fans können die Hits beinahe auswendig.»

Die «Fans» bilden eine lange Schlange vor dem Signiertisch. Die Journalistin schleicht sich an, aber, wenn sie sich so outet, «will keiner reden». Typisch. Als sie das unterlässt, bestätigen ihr doch die meisten, dass sie alle etwas eint: «Sie glauben Ganser und seinen Thesen.»

Das Universum der Verschwörungstheorien und seine Propheten

Dann zieht die Autorin einen schönen Bogen von der Ermordung John. F. Kennedys, bis heute Spielfeld für viele Verschwörungstheorien, zu dem Ausbruch der Coronapandemie, «die Geburtsstunde einer ganzen Familie neuer Verschwörungstheorien. Auch viele von Gansers Jüngern werden ihnen glauben. Weil sie bei Ganser bereits eingestimmt wurden.»

Womit? Mit genauso üblen Verschwörungstheorien bezüglich Pearl Harbor, 9/11 und überhaupt Kritik an herrschenden Meinungen. «Vieles ist interessant, vieles belegt», ringt sich Fulterer über die Bücher von Ganser ab. Er habe sich auch bei Corona nicht auf eine Verschwörungstheorie festgelegt, warne aber davor, abweichende Meinungen «zu diffamieren». Man hört förmlich das Bedauern.

Im Universum der Fans gibt es dann noch den «Anti-Amerikaner, den enttäuschten Altlinken, den Einzelkämpfer, die Verunsicherten» und schliesslich den «Schattenkämpfer» himself, mit dem sich die Autorin tatsächlich öffentlich sehen lässt, obwohl ihr das bei der Lektüre seines Buchs peinlich war.

Obwohl sie im Gespräch im Zug tapfer darauf hinweist, dass Gansers Buch «so mittel» sei, «historisch nicht ganz sauber». Worin äussert sich das? Einerseits im Zitieren von «Verschwörungstheorien» (allerdings ohne denen zuzustimmen), und auch – erwischt –, der 14-Punkte-Friedensplan von Präsident Wilson nach dem Ersten Weltkrieg fehle. Weil er Ganser «nicht ins Narrativ» passe, dass die USA Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hätten. Während sich die Autorin immerhin noch dunkel aus ihrer Schulzeit daran erinnert.

Dazu gäbe es nun einiges zu sagen, aber lassen wir das. Bei der – offenbar nicht sehr langen – Begegnung in einem vegetarischen Lokal mit Ganser arbeitet sich Fulterer dann zum Finale con tutti hoch. Leider findet sie keine Gegenargumente zu seinen Erwiderungen, also haut sie ihn über Umwege in die Pfanne. Er sei schon bei Demonstrationen gesehen worden, wo auch Reichsflaggen geschwenkt worden seien. Dann «tritt er in der deutschen Ausgabe des russischen Staatssenders Russia Today auf». Oder gar bei Ken Jebsen. Statt in den deutschen Staatsmedien.

Leider kann Ganser auch darauf erwidern, dass er dort zumindest anständig behandelt werde, nicht wie beim Schweizer Staatsfernsehen, Pardon, Gebührensender.

Disqualifizierung durchs Umfeld

Bei Ken Jebsen war ich auch schon zu Gast, bevor er ins Schräge abschwirrte. Ich glaube nicht, dass mich das disqualifiziert. Über mich wurden auch schon Verleumdungen in Wikipedia reingeschrieben, die ich erst mit massiver Intervention wieder wegkriegte. Und ich spreche nicht von kleinen Fehlern, wie dass ich ein deutscher Journalist in der Schweiz sei.

Ich bin der festen Meinung: eine solche Hinrichtung mit unlauteren Mitteln, ohne erkennbares Bedürfnis, sich inhaltlich mit Ganser auseinanderzusetzen – und wenn, dann oberschwach –, ihn durch Einordnung, durch seine Fans, durch seine Auftritte unglaubwürdig zu machen, ist untere Schublade.

Fulterer zielt auf seine Gesinnung, seine Haltung, seine Umgebung, auf die Multiplikatoren, die er verwendet. Sie zielt auf den Mensch Ganser. Weil sie nicht in der Lage ist, ihn argumentativ zu widerlegen. Schade, dass die NZZ gelegentlich ihr Niveau deutlich nach unten unterschreitet.

Als mildernde Umstände hilft weder das jugendliche Alter der Autorin, noch ihr auch in ähnlichen Organen geschätzter Gesinnungsjournalismus. Für «Meine These: Ganser bewirtschaftet finanziell erfolgreich Verschwörungstheorien», hätte man nicht Tausende von Buchstaben verrösten müssen.

 

*Einem aufmerksamen Leser ist aufgefallen, das hier zuerst falsch Thomas Schmid stand. Wir entschuldigen uns.