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Zwei Arten von Journalismus

Schmiere von Tamedia, Porträt von der «Weltwoche».

«Ein Insider rechnet mit dem Schweizer Fernsehen ab», so der Titel eines «Weltwoche»-Artikels vom 28. Juli 2022. Er thematisiert das Buch von Martin Hasler, der nach jahrzehntelanger Tätigkeit für die SRG im Bundeshaus im Herbst 2021 ausstieg. Die Berichterstattung über Corona hatte ihn zweifeln, dann verzweifeln lassen.

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WeWo-Mitarbeiter Stefan Millius beschreibt den entscheidenden Moment: «Nie in fast vier Jahrzehnten habe er (Hasler, Red.) das Bedürfnis verspürt, sich in den journalistischen Bereich einzumischen. Aber als Daniel Koch, der damalige «Mister Corona» im Bundesamt für Gesundheit, ein düsteres Bild der Lage in den Intensivstationen zeichnete, konnte Hasler nicht mehr anders.»

Er begann Fragen zu stellen, zu zweifeln, er konstatierte Einseitigkeit und Betriebsblindheit – und stieg aus, bzw. liess sich frühpensionieren. Inzwischen widmet er sich der Auslieferung seines im Eigenverlag erschienenen Buchs, das zu einer kleinen Erfolgsgeschichte geworden ist. All das beschreibt Millius mit der nötigen Distanz und der Genauigkeit, die entsteht, wenn man sich auf einen Menschen einlässt, ihm Raum gibt, ihn verstehen, nicht aburteilen will. Ohne deswegen seine Meinungen übernehmen zu wollen.

Am 10. August greift die Allzweckwaffe von Tamedia in die Tasten:

«Buch begeistert Service-Public-Gegner: Der SRG-Insider der «Weltwoche» ist Verschwörungstheorien verfallen»,

so betitelt Andreas Tobler seinen Verriss über den gleichen Autor und das gleiche Buch. Schon in der Unterzeile macht er alles klar: «Ein früherer Mitarbeiter wirft dem Schweizer Fernsehen in einem Buch Manipulation vor. Wer es liest, kommt zu einem anderen Schluss.»

Jeder, der das Buch liest? Nein, einer. Aber Tobler arbeitet in der Rechthaber- und Gesinnungsjournalismusbranche, wo man die Weisheit und Wahrheit mit Löffeln gefressen hat und es keineswegs als Aufgabe sieht, dem Leser Denkanstösse zu vermitteln. Sondern die Aufgabe ist, im Sinne des Wahren und Guten Grossinquisitor zu spielen, auch wenn man dafür das intellektuelle Rüstzeug nicht hat. Meinung ersetzt Kenntnis, Polemik Recherche, Demagogie eine der Wirklichkeit verpflichtete Darstellung.

Nach einer kurzen, unvollständigen Zusammenfassung des Inhalts wird eingeordnet. Nicht etwa die Aussagen des Buchs. Es wird vielmehr durch seine Resonanz verortet: «Neben der «Weltwoche» sieht auch das neue Internetradio Kontrafunk in Haslers Buch einen Beleg dafür, dass öffentlich-rechtliche Medien als «Instrument zur Indoktrination und Ablenkung» gelten können.» Devise: Was WeWo und «Kontrafunk»* gut finden, muss schlecht sein.

Was ist denn nur mit diesem Hasler los? Dafür hat Tobler eine einfache Erklärung parat: «Anfang 2021 suchte Martin Hasler einen Psychiater auf: Als «Sklave der Hintermänner» habe er die «seelische Vergewaltigung» während der Arbeit für die SRG nicht mehr ausgehalten, schreibt Hasler in seinem Buch.» Es hat eine lange, aber unselige Tradition, Abweichler vom Mainstream, wie man das heute nennt, als psychisch angeschlagen abzuqualifizieren.

Logisch, dass Tobler zu einem vernichtenden Urteil kommt: ««Im Hexenkessel» ist also nicht der Enthüllungsbericht eines Insiders. Sondern letztlich das Dokument eines langjährigen Mitarbeiters, der Verschwörungstheorien verfiel und damit aneckte

Immerhin gibt Tobler gegen Ende Hasler kurz Gelegenheit, sich gegen solche Diffamierungen zu wehren: «Als Verschwörungstheoretiker möchte Hasler nicht bezeichnet werden. «Verschwörungstheoretiker ist ein Diffamierungsbegriff, der von jemandem verwendet wird, der nicht bereit ist, alle Fakten auf den Tisch zu bringen und zu diskutieren», sagt Hasler.»

Es gibt allerdings einen bezeichnenden Unterschied zwischen Tobler und Hasler. Der angeblich Verschwörungstheorien Verfallene war bereit, mit Tobler zu sprechen und auf dessen Fragen zu antworten. Das ist allerdings meistens ein Fehler, wie schon der Chefredaktor der NZZaS feststellen musste. Diesen Fehler will Tobler selbst nicht begehen. Er antwortet prinzipiell nicht auf journalistische Anfragen. Ob man sich daher um seinen Geisteszustand Sorgen machen sollte?

*Packungsbeilage: Der Autor schreibt gelegentlich für die «Weltwoche», «Die Ostschweiz» und spricht im «Kontrafunk».

Sie ist eine Echse!

Die «Republik» glaubt an Science Fiction.

Man sieht doch das Böse im Gesicht dieser Frau. Oder nicht? Angeblich soll es sich um die Schauspielerin Jane Badler handeln. Offenbar erinnern sich einige Mitarbeiter der «Republik» an die SciFi-Serie «V – die ausserirdischen Besucher kommen». In den 1980er-Jahren erschreckte dieses Weltraummärchen so manchen Zuschauer.

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Die Story: über der Erde erscheint eine Flotte von UFOs. Die Besatzung behauptet, man käme in friedlicher Absicht. Das humanoide Aussehen der Ausserirdischen täuscht aber. In Wirklichkeit haben sich eklige Reptilien so verkleidet, und diese Kommandantin Badler wird dabei beobachtet, wie sie gelegentlich eine Maus verspeist – die sie mit ihrer gespaltenen Reptilienzunge fängt. Brr.

Badler, immer noch mit Maske, im Jahr 2014.

Ein Redaktor der «Frankfurter Rundschau» erinnert sich schreckensbleich an sein TV-Erlebnis als Jugendlicher: «Die Aliens im feschen Dress verstehen sich gut auf das Manipulieren der Medien, gründen gar eine Jugendorganisation, reißen immer mehr Menschen in ihren Bann, die die Besucher und ihr Symbol frenetisch feiern.»

Aber glücklicherweise entsteht auf der Erde tapferer Widerstand, ihr an Hauswände gespraytes «V» für Victory wird zum Symbol der menschlichen Resilienz gegen solche Verführung.

Daran haben sich offensichtlich die Verschwörungstheoretiker von der «Republik» erinnert. Das Organ zur Rettung der Demokratie eröffnet nochmals den Kampf gegen Raubreptilien. Genauer gegen Menschen, die an solche Reptilien glauben. Und gegen Menschen, die sie daran glauben lassen wollen. Vielleicht wird diesmal der Buchstabe R an Wände gesprayt. R wie Reptilien. Wie Resilienz. Wie «Republik».

Das ist die dialektische Weiterentwicklung des Serien-Plots. Dank der «Republik» wissen wir nun, dass finstere Verschwörer wie Roger Köppel, Markus Somm oder Stefan Millius den Glauben an solche Echsenmenschen befördern. Nicht etwa jeder für sich. Sondern alle zusammen ziehen da am gleichen, nun ja, Echsenschwanz.

Am Schluss dieser abstrusen Behauptung will die «Republik» noch einen Funken Hoffnung versprühen, nachdem sie den schreckensbleichen Leser auf eine zweiteiligen «Reise ans Ende der Demokratie» mitgenommen hat. Aber immerhin, Echsen müssten sich gelegentlich häuten, weiss die «Republik». Lasst uns also Ausschau halten nach Reptilienhäuten in der Umgebung dieser Verschwörer.

Allerdings hat das Hauptquartier der Reptilienrecherche für den riesenlangen Riemen über angeblich konspirierende «Infokrieger» zwar rund 30 namentlich genannte Reptilien-Verführer und ein gutes Dutzend ihrer Organe denunziert, dafür aber lediglich mit einem einzigen solchen Krieger gesprochen.

Wieso wiederholen wir das? Ganz einfach: damit hat die «Republik» die Reise ans Ende des Journalismus absolviert. Ihre früheren, geplatzten Versuche, mit angeblichen Skandalen Aufmerksamkeit zu erregen, ihre Drohungen mit Selbstmord, das ist alles Pipifax im Vergleich zu diesem brüllenden Wahnsinn.

Journalismus hat als Fundament Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Das erwirbt man sich, indem man anständig, so faktentreu und so akkurat wie möglich berichtet. Dabei sorgfältig auf eine Trennung von Faktenbeschrieb und Kommentar achtet. Zum Anstand gehört auch, namentlich Kritisierten und Denunzierten die Möglichkeit zur Replik zu geben.

Wer all das nicht tut, hat sich von der Welt des ernstzunehmenden Journalismus verabschiedet. Damit wurden schon wieder viele Millionen zum Fenster rausgeschmissen. Damit ist die «Republik» zu einem Sektenorgan für gläubige Haltungsmenschen verkommen, die keine «Expeditionen in die Wirklichkeit» lesen wollen, sondern fiktionale Märchenerzählungen, wo die Welt hinter Wille und Wahn verschwindet.

Kein Anlass für Frohlocken, denn das ist ein Trauerspiel.

Die Echsenmenschen und ich

Die «Republik» weiss mehr. Mehr über alles. Und mehr über alle. Auch über mich.

Von Stefan Millius*

Endlich erfahre ich, dass ich an Ausserirdische glaube.

Und so klingt eine Ferndiagnose der Journalismus-Neuerfinder in einem der letzten Newsletter der «Republik»:

«Am Ende warten die Echsenmenschen. Das sagt Ihnen nichts? Es geht da um die Theorie, dass Ausser­irdische auf der Erde schon lange die Macht übernommen haben. (…) Klingt abstrus – klar. Aber viele Menschen glauben daran. (…) Die meisten davon nicht, weil sie durch­geknallt sind, sondern weil sie irgendwann im Strudel von Falsch­meldungen, materieller Verzweiflung oder Angst den Faden verloren haben. Und weil es Profis gibt, die davon leben, genau diese Menschen immer tiefer in den Kaninchen­bau zu locken. (…) Im Zweiteiler «Die Infokrieger» haben wir Ihnen diese Profis letzte Woche vorgestellt.»

Im besagten Zweiteiler geht es um Medienschaffende und Medien, die sich erdreisten, politisch eher rechts statt links positioniert zu sein. Darunter befindet sich meine Wenigkeit. Meinen Mitverschwörern und mir wird unterstellt (beziehungsweise natürlich nachgewiesen), dass wir Staat und Demokratie unterwandern wollen. Diesem Thema hat die «Republik» das übliche Binge-Writing gewidmet, ZACKBUM hat darüber berichtet.

Viele Behauptungen, keine Belege

Über die dünne Story, wobei nur schon dieses Wort Überwindung kostet, muss man nicht mehr viel sagen. Sehr zu meinem Leidwesen. Denn selbst als aktiver Beteiligter des hinterhältigen Plans hätten mich Details brennend interessiert, die leider fehlen, um die These des «Infokriegs» und seiner Söldner zu stützen.

Wo ist der inkriminierende, überaus geheime Mailaustausch zwischen uns Staatsfeinden, gnadenlos publiziert von der «Republik»? Wo erfahre ich als Leser mehr als das, was ich sowieso weiss, wenn ich Zeitung lese – dass «Weltwoche», «Nebelspalter» und «Die Ostschweiz» in einigen Fragen dieselbe Haltung vertreten und einige Autoren für mehrere dieser Titel arbeiten? An welchem Punkt ist die «Reportage» (auch dieses Wort fällt mir schwer) über eine angebliche Verschwörung mehr als selbst eine reine Verschwörungstheorie?

Haltlose Übertreibungen

Da wird eine journalistische Zuckerwatte, die es beim geringsten Luftzug verbläst, per Illusion zu einer 5-Kilo-Toblerone gemacht. Darüber könnte man ja noch hinwegsehen. Aber regelrecht standeswidrig für jedes Medium wird es, wenn die «Republik» in ihrem Newsletter zu abstrusen Übertreibungen und falschen Bildern greift, um den Erguss zu verkaufen.

Echsenmenschen? Ich bezweifle, dass Roger Köppel, Markus Somm, Milosz Matuschek, Joyce Küng oder irgendeiner der anderen an der Verschwörung beteiligten Personen glauben, unter der Haut von Klaus Schwab, Bill Gates, Hillary Clinton oder Alain Berset verberge sich ein ausserirdisches Schuppenmonster. Entsprechend versucht auch keiner von uns, diese Theorie den Lesern zu verkaufen.

Aber genau das behauptet die «Republik». In dem «Kaninchenbau», den wir offenbar als Falle für unmündige Medienkonsumenten gegraben haben, möchten wir diesen die Legende von den Reptiloiden andrehen. Steht jedenfalls im Newsletter.

Schluss mit «Happy Hour», liebe «Republik»

Bei unserer Arbeit geht es also nicht darum, die Verhältnismässigkeit der Coronamassnahmen zu überprüfen, den Krieg in der Ukraine aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten oder ganz banal die Arbeit von Regierung und Parlament zu kontrollieren, weil das ja sonst längst keine Zeitung mehr macht.

Nein, am Ende des Regenbogens wartet unsere eigentliche Mission – endlich allen klarzumachen, dass wir von Echsenmenschen beherrscht werden.

Gäbe es die «Republik» nicht, würde ich nicht einmal selbst wissen, dass ich an Echsen aus dem All in Menschengestalt glaube. Und gäbe es im Zürcher «Rothaus», dem Sitz der Redaktion, keinen frei zugänglichen Alkohol, hätte es wohl auch diesen Zweiteiler über die «Infokrieger» nie gegeben.

*Stefan Millius ist Chefredaktor «Die Ostschweiz» und publiziert auch in anderen Medien. Unter anderen im Reptilienorgan ZACKBUM.

Alte, weisse Männer

Eigenlob stinkt. Eigenwerbung riecht gut.

ZACKBUM-Autor René Zeyer publiziert auch auf «Die Ostschweiz». Das hat gleich drei Gründe. Die Einschaltquote dieser munteren Online-Plattform hat bereits diejenige des alteingesessenen St. Galler «Tagblatts» mit all seinen Kopfblättern überholt. Es ist, im Gegensatz zu kläglichen, von reichen Erben gesponserten Produkten, erfolgreich, selbsttragend, kosten-, aber nicht werbefrei.

Der zweite Grund besteht darin, dass «Die Ostschweiz» keine Zensur ausübt, sich als Plattform versteht, auf der alle Meinungen Platz haben, die sich im Rahmen des rechtlich Erlaubten und weit gefassten moralisch Anständigen bewegen. Daher wird sie mit Missachtung und Missvergnügen in den Mainstream-Medien abgestraft. Vor allem, seit es einem kleinen Komitee aus dem Umfeld des Online-Magazins gelang, den reichen Medienclans eine Milliarde Steuergelder vorzuenthalten.

Über diesen Verlust kann beispielsweise den Coninxclan nur mühsam ein Superprofit von 830 Millionen im letzten Geschäftsjahr hinwegtrösten.

Der dritte Grund besteht natürlich darin, dass hier auch Platz für Selbstdarstellung ist. Denn es wurde eine neue Talkshow ins Leben gerufen. Bevor es die Kritiker rufen, wurde sie gleich selbstkritisch «Alte weisse Männer» genannt.

Es treten an: Stefan Millius (Mitte), Chefredaktor «Die Ostschweiz», Ralph Weibel (r.), Redaktionsleiter «Nebelspalter» Print, und René Zeyer. Als ob das nicht schlimm genug wäre: Die Show wird, dank guter Einschaltquote, monatlich fortgesetzt. Mit Überraschungsgästen. Immer kantig, kritisch, auch hämisch, dafür aber vergnüglich, unterhaltsam, lehrreich, ein «Must See».

 

 

 

Mit Fakten verwirren statt Fakten checken

Faktenchecker nehmen für sich in Anspruch, Täuschungen aufzudecken.

Von Stefan Millius*

Was sie aber in Wirklichkeit oft tun: Dinge «widerlegen», die gar nicht behauptet wurden, um eine Quelle zu diskreditieren.

Es klingt überaus praktisch. Man liest in einer Zeitung oder in den sozialen Medien etwas, findet es ziemlich bemerkenswert, weiss aber nicht so recht, ob es denn stimmen kann. Aber hurra, dafür gibt es ja die Faktenchecker. Das ist weder ein staatlich geprüfter Beruf noch ein sonst überprüfbarer Ausweis für irgendetwas. Faktenchecker ist man, sobald man sich als solcher bezeichnet. Und natürlich ist man selbst immer der Beste seines Standes.

Wie aber checkt ein Faktenchecker die Fakten? Weiss er alles? Einfach so. Nein, natürlich nicht. Er vergleicht das, was zu überprüfen ist – beispielsweise eine Studie –, mit den Quellen seines eigenen Vertrauens. Stimmen die beiden nicht überein, dann ist die Studie eine pure Lüge, fertig.

Das wäre fragwürdig genug. Denn wer checkt die Fakten der Quelle, die für den Faktenchecker das Nonplusultra ist?

Wenn die Fakten stimmen, aber nicht genehm sind, was dann?

Aber es kommt noch besser: Wenn der Faktencheck ergibt, dass alles stimmt, es aber nicht stimmen darf, weil es nicht ins Konzept passt, dann muss ein anderes Instrumentarium her. Das zeigt ein aktuelles Beispiel, von dem unter anderem «Die Ostschweiz» betroffen war.

Es geht um eine Studie aus Harvard, die wir hier vorgestellt haben. Thematisiert wurde sie nicht nur hier, sondern auch auf anderen Portalen wie «Inside Paradeplatz» Zackbum.ch und dem «Nebelspalter», letzteres durch den hier Schreibenden. Die Arbeit eines Professors und seines Teams war ziemlich aufsehenerregend. Sie zeigte auf der Grundlage von Untersuchungen in 68 Ländern, dass zwischen der Höhe der Impfquote und der Zahl der Ansteckungen an Corona kein Zusammenhang besteht.

Das wollten die meisten Zeitungen ausser den erwähnten nicht herausposaunen, weil es nicht zur Impfoffensive passt. Aber siehe da, nachdem die Studie doch eine gewisse Öffentlichkeit erreicht hatte, befand der «Tages-Anzeiger», er müsse sie nun doch thematisieren. Aber nicht etwa aufgrund ihrer Kernaussage, sondern um die genannten Zeitungen zu belehren, sie lägen völlig falsch. Auch eine Faktenchecker-Seite nahm Berichterstattungen rund um die Studie aufs Korn und kam zum selben Schluss:

Alles Käse, die Arbeit aus Harvard wird missbraucht für Falschaussagen.

Nur dass das nicht stimmt. Die Studie ist eindeutig. Das einleitende «Summary», also eine Kurzzusammenfassung der wesentlichsten Erkenntnisse, ist an Eindeutigkeit nicht zu überbieten: Möglichst viele Impfungen bringen nichts in Bezug auf Reduktion der Ansteckungen. Und das ist zugleich auch die Schlüsselaussage der ganzen Arbeit, ansonsten hätte sie es kaum in den Titel der Studie geschafft, der da heisst:

«Increases in COVID-19 are unrelated to levels of vaccination across 68 countries and 2947 counties in the United States»

Basta und aus.

Der «Tages-Anzeiger» hätte nun gerne in der Tradition wahrer Faktenchecker das, was in «Die Ostschweiz» und anderen Zeitungen stand, widerlegt, nur war das leider nicht möglich. Die Autoren der Studie sind unangreifbar und können nicht mal schnell zu «umstritten» degradiert werden, wie das aktuell Mode ist, und an den Erkenntnissen kann man ebenfalls nicht rütteln.

Die einfachste Methode der Faktenchecker, ohne gross hinzuschauen einfach den Absender zu diskreditieren – das ging hier nicht.

Dem Fakteningeniör ist nichts zu schwör

Also wählte man einen anderen Weg. Der Mann beim «Tages-Anzeiger» las die Studie (löblich, das haben wir auch gemacht), griff einen anderen Satz heraus und machte ihn zum Kronzeugen des Faktenchecks. Der Harvard-Professor habe keineswegs etwas gegen Impfungen gesagt, hiess es sinngemäss, das sei eine unzulässige Verdrehung, denn, Zitat:

«Die mangelnde Korrelation zwischen Impfung und Fallzahlen zeigt für ihn einfach, dass es neben der Impfung noch andere Massnahmen braucht.»

Der Satz ist völlig korrekt. Er ist aber auch völlig irrelevant. Denn keine der wenigen Zeitungen, die die Studie thematisierten, hat das Gegenteil davon behauptet. Niemand hat geschrieben, der Professor lege sich gegen Impfungen ins Zeug und empfehle, sie einzustellen. Niemand hat behauptet, dass die «mangelnde Korrelation» die einzige Aussage in der Studie war.  Die Studie ist relativ umfangreich und zeigt sehr viele Sachverhalte auf. Keiner davon ändert aber etwas an der Kernaussage: Die Ausbreitung von Covid-19 steht nicht in Zusammenhang mit der Impfquote.

Ob die Harvard-Leute finden, man müsse neben der Impfung noch anderes tun, ist unerheblich. Der «Tages-Anzeiger» selbst schreibt ja von der «mangelnden Korrelation zwischen Impfung und Fallzahlen», bestätigt also das, was wir und andere geschrieben haben. Aber weil diese Botschaft unerwünscht ist, versucht man, sie zu schwächen, indem man auf weitere Erkenntnisse der Studie hinweist und so tut, als würden die etwas am Kern der Sache ändern.

Etwas lückenlos Belegtes soll in Zweifel gezogen werden, indem man von etwas ganz anderem spricht, das ebenfalls belegt ist. Es ist ein bisschen so, wie wenn man sagen würde, die Gleichung «1 + 1 = 2» sei falsch, weil ja bekanntlich zugleich die Schwerkraft existiert.

Das klingt verrückt. Aber es nennt sich Faktencheck.

*Stefan Millius ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz», wo dieser Artikel zuerst erschien. René Zeyer schreibt regelmässig auf dieser Plattform.

Boost it, baby!

Unsere Medienlandschaft erinnert wirklich immer mehr an die DDR. Neu mit alternativen Fakten.

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Natürlich ist es Verschwörungstheorie, dass in einem Hinterzimmer zu Bern die tägliche Befehlsausgabe stattfindet, was unsere überlebenden drei Medienkonzerne plus Beiboot (Tamedia, CH Media, Springer-Ringier plus NZZ) zum Thema Corona zu schreiben haben.

Aber wenn man verfolgt, wie das Thema Booster-Impfung Schrittchen für Schrittchen dem geneigten und auch dem nicht geneigten Leser nähergebracht wird, dann wird’s einem schon anders.

Dass der Nicht-Geimpfte ein verantwortungsloser, dummer, sich selbst und andere gefährdender Idiot ist, daran haben wir uns gewöhnt. Dass Widerworte gegen die offizielle Corona-Politik, welche absonderlichen Wendungen und Widersprüchlichkeiten die auch beinhaltet, immer Ausdruck einer hetzerischen, unwissenschaftlichen, absurden Geisteshaltung sind, wissen wir inzwischen auch.

Dass man unserer Regierung wenn schon nur vorwerfen kann, dass sie nicht genügend Zwang, nicht genügend Druck auf die völlige Durchimpfung der Gesellschaft ausübt, dass wiederum das Impfen der einzige Königsweg aus der Pandemie sei, auch das ist bis zum Erbrechen wiederholt und bekannt.

Einmal impfen, zweimal impfen, nun neu bald einmal dreimal impfen. Die sogenannte «Booster»-Impfung. Die schiebt sich langsam, aber sicher von «ach nö, muss nicht sein» über «nun ja, vielleicht für Hochrisikogruppen» zu «also eigentlich schon, anderswo wird das bereits gemacht» zu «sollte kommen, kommt, muss sein».

Als wär’s ein Stück aus der Staatspresse

Exemplarisch dafür der Online-Auftritt des «Blick».

Piks, piks, piks. Heute die USA, morgen die Schweiz?

Wie wirksam? SEHR wirksam, welche Überraschung.

Abteilung Scherz lass nach: wenn «watson» Analyse sagt, darf laut gelacht werden.

Tamedia ist hingegen für freiwilligen Zwang.

Auf Seiten Tamedia sorgt der «Leiter Faktchecker-Team» zudem dafür, Zweifler an der Korrelation zwischen Impfquote und Neuinfektionen einzutopfen. Yannick Wiget nimmt sich dafür Stefan Millius*, «der als Corona-Massnahmenkritiker bekannt» sei, zur Brust. Der behaupte, dass durch die bekannte Harvard Studie von SV Subramanian, Professor für Bevölkerungsgesundheit und Geografie, erwiesen sei, dass es eine solche positive Korrelation nicht gebe, die Wirksamkeit der Impfung sei begrenzt.

«Die Aussage von Milius (!), die Eindämmung von Covid-19 durch die Impfung sei eine Mär, ist falsch.

Auf den ersten Blick sieht es zwar so aus, als würde die Studie zeigen, dass Impfungen unwirksam sind. Doch der Autor selbst widerspricht dieser Interpretation vehement. Die mangelnde Korrelation zwischen Impfung und Fallzahlen zeigt für ihn einfach, dass es neben der Impfung noch andere Massnahmen braucht.»

Wenn das die Qualitätsstufe des Leiters des Faktenchecker-Teams ist, dann muss man mit den Fakten – und dem Team – tiefempfundendes Mitleid haben. Denn wer eine faktische Aussage, die an Klarheit nicht zu überbieten ist, dermassen umbiegt, sollte es mal als Leiter eines Märchenerzählerteams probieren. Nebenbei: wer es als Oberfaktenchecker nicht mal schafft, den Namen Millius zweimal richtig zu schreiben, hat sowieso den Beruf verfehlt.

Ergebnisse referieren, dann umbiegen

Zunächst referiert Wiget noch einigermassen korrekt die Ergebnisse: «Die Forscher kommen zum Schluss, dass es keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen dem Anteil der vollständig geimpften Bevölkerung und der Entwicklung der Fallzahlen gibt. Sie stellen sogar einen geringfügigen gegenteiligen Effekt fest.»

Dann schreibt Wiget fast wortwörtlich einen Gegenartikel im US-Magazin «Mother Jones» ab. Dort wird der Professor damit zitiert, dass er mit seiner Studie nicht grundsätzlich etwas gegen Impfungen gesagt habe, er halte sie im Gegenteil – neben anderen Massnahmen – für durchaus sinnvoll.

Was Faktenchecker Wiget dem Leser unterschlägt: Der Autor des Artikels ist ein vehementer Befürworter von Impfungen (warum die kritische Haltung von Millius erwähnen, das aber unterschlagen?). Was ebenfalls stehenbleibt, ist die Grundaussage der Untersuchung: Es gibt KEINE erkennbare Korrelation zwischen Impfquote und Ansteckungsquote. Sagt die Studie, sagt der Autor, davon nimmt er keinen Millimeter zurück.

Darum herumzukurven, um einen angeblichen «Corona-Massnahmenkritiker» zu desavouieren, ist schon mal unterste Schublade. Aber es geht noch tiefer. Das schafft man, wenn man den «Sozialwissenschaftler Marko Kovic» zitiert, den Entdecker des deutschen Ablegers des «Intellectual Darkweb». Das verbreite sich so, weiss Verschwörungstheoretiker Kovic: «Von «alternativen» Kanälen wie YouTube und Podcasts über quasi-journalistische Meinungspublikationen wie die «Weltwoche» oder den «Schweizer Monat» bis hin zur Neuen Zürcher Zeitung.»

Ein Faktechecker zitiert einen üblen Demagogen

Wer die NZZ als «quasi-journalistische Meinungspublikation» denunziert, hat jeden Anspruch verloren, ernst genommen zu werden. Schlimmer noch, Kovic ist ein übler Demagoge, der alle Fachmeinungen, die nicht in sein Weltbild passen, argumentenfrei niedermachen möchte: Kovic will diese Stimmen einer Gruppe zuordnen, diese Gruppe in eine gemeinsame Geisteshaltung pressen, die lächerlich machen und denunzieren. In «quasi-journalistischen» Organen äusserten die unwissenschaftlichen Stuss und beschwerten sich öffentlich darüber, dass man sie öffentlich nicht genügend wahrnehme. Ein Trottelhaufen, mit anderen Worten. Lächerlich, aber gefährlich.

Das schrieben wir schon über ihn:

«Gemach, lieber Herr Kovic, das eignete sich vielleicht als Selbstdiagnose. Nur: gefährlich, das sind Sie wirklich nicht.»

Dem «Faktenchecker» kommt der Herr aber wie gerufen: «Sozialwissenschaftler Marko Kovic entlarvt ihre Strategie in den sozialen Medien: «Massnahmengegner finden die Wissenschaft schlecht, wenn sie nicht in ihr Weltbild passt – und zelebrieren die Wissenschaft, wenn ihre vorgefassten Meinungen vermeintlich bestätigt werden. Das Kleingedruckte interessiert sie dabei nicht.»

Faktencheck als Märchenstunde mit Demagogen-Zitat.

Wiget merkt seinerseits nicht, dass das ebenfalls eine gute Selbstdiagnose sein könnte, so wie er mit der Harvard-Studie umgeht. Nur interessiert ihn das grossgedruckte nicht. Wir ernennen ihn zum Mitglied eines Tamedia-Trio-Infernal: Corona-Kreische Marc Brupbacher, Antidemokrat Denis von Burg und nun noch Fakten-Faker Yannick Wiget.

Es stellt sich wieder die Frage, wieso das auch nur einen Rappen Steuersubvention wert sein soll …

 

*Packungsbeilage: Stefan Millius ist Chefredaktor «Die Ostschweiz», wo René Zeyer regelmässig publiziert.

Freude herrscht: Die Ostschweiz lebt

Medial gute Nachrichten. Wenn nur dieser Dialekt nicht wäre.

Zunächst die Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer schreibt auch für «Die Ostschweiz».

Höchstwahrscheinlich liegt es daran, dass das muntere Online-Magazin gerade vermeldet hat:

«Mehr als eine Million Leser oder «unique user» haben unsere Seite in diesem Monat besucht.»

Und der Monat September ist noch relativ jung.

Diese gute Nachricht wurde am 20. veröffentlicht, das bedeutet, dass es wohl bis Ende Monat locker 1,5 Millionen werden können.

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Das ist ohne Zweifel eine Erfolgsgeschichte. Im April 2018 gestartet,  bald einmal konnten 20’000 Leser pro Monat vermeldet werden. Pipifax, im Vergleich zu den aktuellen Zahlen. Diese Million ist aus mehreren Gründen bemerkenswert.

Hoch die Flaschen!

Wenig Mittel, grosser Erfolg

«Die Ostschweiz» konzentriert sich (fast) ausschliesslich auf die Ostschweiz. Lokales, Lokales, Lokales, bis hinunter zu Polizeimeldungen über Unfälle und Verbrechen. Insgesamt arbeitet nur eine Handvoll Leute mit, der Inhalt wird im Wesentlichen von Chefredaktor Stefan Millius plus ein, zwei, Mitarbeitern abgefüllt.

Mit Vorsicht, aber beharrlich wurden sogenannte Extension Lines ausgefahren, so ein Printprodukt. Von Anfang an verstand sich die «Ostschweiz» als Forum, eine Lieblingsidee am Anfang war, möglichst viele Kolumnisten, meinungsstarke Autoren zu versammeln. Eine geplante Diskussionsreihe fiel (bislang) der Pandemie zum Opfer.

Nachdem einige konservative Stimmen diese Gelegenheit ergriffen hatten, verabschiedeten sich dann leider – aber nicht untypisch – diverse linke Meinungsträger, da wollten sie nicht teilhaben. Dahinter stand sicher auch die Überlegung, dass das St. Galler «Tagblatt» der Platzhirsch in der Ostschweiz sei und bleibe. Die «Ostschweiz» hingegen ein Randphänomen.

Den langjährigen Platzhirsch bereits hinter sich gelassen

So kann man sich täuschen. Online hat die «Ostschweiz» das «Tagblatt» bereits überrundet, und die Eingemeindung ins CH Media-Reich mitsamt in Aarau hergestellter Einheitssosse, hat dem «Tagblatt» auch nicht viel Sympathie eingebracht. Tiefflieger wie die publizistische Leiter nach unten Pascal Hollenstein oder ein einseitig meinungsstarker Chefredaktor (wovon eigentlich?), der Verzicht auf jeglichen Anspruch, gerade in der Frage der Corona-Massnahmen ein Forum für divergierende Meinungen zu sein, hat dem «Tagblatt» weiter geschadet.

Nicht zuletzt ist der Unterschied auch: Die «Ostschweiz» ist gratis, das Tagblatt kostet rund 500 Franken im Jahr. Auch der Chefredaktor der «Ostschweiz» macht aus seiner (dezidiert kritischen) Meinung zur Coronapolitik des Bundesrats kein Hehl. Da er aber nicht nur eine Meinung hat, sondern auch Ahnung und seine Artikel meinungsstark, aber faktenbasiert sind, konnte sich die «Ostschweiz» auch als Plattform für abweichende Ansichten profilieren – über die Ostschweiz hinaus.

Als Sahnehäubchen ist es seit einiger Zeit so, dass das «Tagblatt» kaum eine Gelegenheit auslässt, an der «Ostschweiz» rumzumäkeln. Nicht nur ein schwerer strategischer Fehler, denn der «Tagblatt»-Abonnement fragt sich natürlich, warum er für die Darstellung dieser Fehde einen Haufen Geld abdrücken soll. Das Gezeter bedeutet auch, dass die «Ostschweiz» zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz geworden ist.

Es gibt Leben im Internet – und Ziele

Sicher, bis zu den rund 140 Millionen monatlichen Online-Lesern von «20 Minuten» ist’s noch ein Wegstückchen hin. Aber wer weiss …

Unabhängig von persönlichen Präferenzen von ZACKBUM ist es einfach so, dass diese Plattform beweist, dass es Leben im Internet gibt – jenseits von Google, Facebook und dem Gejammer der grossen Medienclans der Schweiz, die sich eine weitere Milliarde Steuergelder als Subventionen einverleiben möchten.

«Die Ostschweiz» als Gratisangebot würde dabei – wie auch ZACKBUM – leer ausgehen. Auch das macht diese Subvention so fragwürdig. Versagen wird belohnt, Erfolg bestraft.

Aber unabhängig davon zeigt die «Ostschweiz» – und das ist der Aufsteller – dass es möglich ist. Von null auf eine Million, eher 1,5 Millionen in dreieinhalb Jahren, das ist ein starkes Stück. Erfolgsgeheimnis?

Keinerlei Erfolgsgeheimnis

Überhaupt kein Geheimnis. Harte Arbeit, das Einhalten journalistischer Minimalstandards, Meldung und Meinung schön austariert, klare USP – Ostschweiz, immer Ostschweiz, abgesehen von ein paar Pausenclowns wie Zeyer –, Kontinuität, Professionalität und einen guten Sprutz Herzblut.

Dem normalen Medienmanager eines der drei Grossverlage oder der NZZ ist es letztlich egal, welche journalistische Leistung sein Konzern erbringt. Die Kohle fliesst sowieso schon durch andere Aktivitäten als Journalismus rein. Das Gehalt ist üppig und kommt pünktlich, geht was in die Hose, kräht man nach Hilfe von Vater Staat.

Das ist bei der «Ostschweiz» alles anders, und genau deshalb ist sie erfolgreich. Das Modell ist sicherlich exportierbar – auch in Gegenden ohne diesen Akzent. Es belegt die in sich ruhende Lahmarschigkeit der Medienmanager, dass sie seit Jahren keine einzige eigene Idee produzierten. Alles Neuere wie «20 Minuten» oder die meisten Handelsplattformen: eingekauft. Zukaufen, Zusammenlegen, Runtersparen aufs Skelett. Damit wird’s natürlich nichts mit erfolgreichem Journalismus.

«Die Ostschweiz» beweist, dass das kein Naturgesetz ist.

Eine gute Nachricht aus dem Osten

Ostschweizer Medien AG baut aus und lanciert neue Produkte.

Macht ZACKBUM selten bis nie, aber da wir dort auch publizieren, machen wir gerne auf die Medienmitteilung voller Good News von «Die Ostschweiz» aufmerksam.

Die erfolgreiche Online-Plattform «Die Ostschweiz» mit aktuell pro Monat über 700’000 Unique Clients und weit über einer Million Seitenzugriffe erweitert ihr Redaktionsteam und setzt verstärkt auf Videoformate und Podcasts. Zudem werden Verlag und Redaktion in eigenständige Tochtergesellschaften ausgelagert. Unter dem Dach der Ostschweizer Medien AG werden neu die Ostschweizer Verlags GmbH und die Ostschweizer Redaktions GmbH gebildet, da mit zunehmender Vernetzung auch Projekte und Mandate für Drittkunden abgewickelt werden. Zudem vereinfacht die neue Struktur die Zusammenarbeit mit Partnern und Kooperationen.
Das erfolgreiche Print-Magazin «Die Ostschweiz» wird weitergeführt und weiterentwickelt, verknüpft mit Events, Trends und Sonderthemen sowie ergänzt mit neuen digitalen Formaten. Auch die neuen Produkte wie Videoformate/Podcasts werden in passender Form integriert beziehungsweise kombiniert.
Mittelfristig plant die Ostschweizer Medien AG weitere Tochtergesellschaften, die sich auf spezielle Dienstleistungen und Marktsegmente konzentrieren. In Planung stehen vorerst eine Ostschweizer Event GmbH und eine Ostschweizer Sport GmbH.
Im August 2021 hat die Onlineausgabe unter www.ostschweiz.ch mit über 788’000 einzelnen Leserinnen und Lesern einen neuen Spitzenwert erreicht. Gleichzeitig ist die Zahl der Abonnenten der gedruckten Ausgabe stark gestiegen, und der Gönnerclub, dessen Mitglieder die Zeitung mit einem Jahresbeitrag finanziell unterstützen, ist ebenfalls markant gewachsen.

«Die Ostschweiz» in neuem Kleid

Da müssen wir drunterschauen. Wir lernen von Hartmeier: ein Bravo ohne Tritt.

Natürlich, wir sind da Partei, absolut. Der Chefredaktor von «Die Ostschweiz» beehrt uns gelegentlich mit seinen Texten, René Zeyer schreibt eher häufiger – wie es halt seine Unart ist – in der «Ostschweiz». Nur: im Gegensatz zu vielen anderen Medien fliesst hier kein Geld für ein Lob.

Denn «Die Ostschweiz» gibt es nun knapp drei Jahre, und nach dieser Ewigkeit im Internet war es langsam Zeit für ein Refresh, einen Relaunch, ein Redesign. Oder auf Deutsch: formale Verbesserungen. Denn das Internet hat – neben vielen Nachteilen – den Vorteil, dass das Userverhalten so gnadenlos gemessen werden kann, wie das bei Print bis heute nicht möglich ist.

Im Prinzip könnte jeder Plattformbetreiber harmlose Leser mit einem Anruf erschrecken: «Sagen Sie mal, Herr Müller, wieso sind Sie nach der Hälfte des Artikels gerade ausgestiegen? Sonst interessiert Sie doch das Thema «neue Rotlichtbars» noch mehr als Pierin Vincenz?»

Schlimmer oder besser: in diesem Fall eindeutig

Auf jeden Fall muss man gelegentlich die Ergebnisse von Google Analytics und anderen Messfühlern zusammenstellen und sich überlegen, wie man sie umsetzt. Das kann fürchterlich in die Hose gehen – oder rundum gelingen. Letzteres ist eher selten, deshalb hat sich die «Ostschweiz»-Crew damit schon das erste Lob verdient.

Im Vergleich zu vorher kommt die Homepage, und da entscheidet sich ja die Schlacht um die Aufmerksamkeit der User, aufgeräumter, ruhiger, edler, besser strukturiert und deutlicher auf Eigenleistungen fokussiert daher. Auch das Problem, dass Illustration und Bebilderung eine Kunst für sich ist, wurde viel besser gelöst als vorher. Denn aktuelle und gute Bilder kosten etwas, Gratis-Symbolbilder können funktionieren, müssen aber nicht.

Dem Desktöppler, Grafiker, Art Director, Internetdesigner oder wie das bei der «Ostschweiz» immer heisst, muss ein Extra-Kränzlein gewunden werden. Denn nicht allzu selten neigen diese Kreativen, vor allem, wenn sie inklusive Unterwäsche nur schwarz gekleidet sind, zu künstlerischem Anspruch, die vom Art Directors Club gerade als rattenscharf erklärte Schrift oder Flips wie Senkrechte Titel, wackelige Lead-Zeilen oder merkwürdige Bildausschnitte als unverzichtbar zu erklären.

Die Form folgt der Funktion

Hier wurde aber strikt der guten, alten Regel nachgelebt: form follows function. Oder wie sagte Helmut Markwort so richtig, der mit «Focus» die erste gelungene Konkurrenz zum «Spiegel» auf die Rampe schob: «Fakten, Fakten, Fakten. Und an den Leser denken.» Natürlich sah er das als in der Wolle gefärbter CSU-Anhänger mit den Fakten nicht ganz so streng. Aber Leserfreundlichkeit war sein Erfolgsrezept, als andere Organe noch meinten: Wenn das der Leser nicht kapiert, dann ist er halt zu blöd und soll erst mal die Matur nachholen.

Und, nicht ganz unwichtig, der Inhalt der gelifteten, aber nicht mit Botox behandelten «Ostschweiz»? Da muss der Lobsänger etwas zurückhaltend werden, denn Eigenlob ist ihm nicht nur peinlich, sondern auch unangenehm. Aber Stefan Millius, der zusammen mit Marcel Baumgartner die Ostschweizer Medien AG und «Die Ostschweiz» schmeisst, dabei auf eine ganz, ganz schlanke Infrastruktur und ganz, ganz wenige Mitarbeiter zählend, hat bewiesen, dass er nicht ein Meister der Kurzstrecke ist. Sondern ein Marathonläufer.

Beide haben bewiesen, dass die Idee, angesichts der Einheitssosse aus dem Hause CH Media verträgt es sicherlich eine zweite Newsquelle, ein Volltreffer ist. Strenge Fokussierung auf die Ostschweiz und das Lokale, weitgehender Verzicht auf die Schweiz, Europa oder gleich die Welt einordnende Kommentare (ich darf das ein wenig, aber einen Hofnarren verträgt’s überall), schnellste Reflexe, wenn etwas passiert, eine gute Portion Humor und Schreibkraft, dazu der ehrliche Wunsch, «Die Ostschweiz» zu dem zu machen, was die grossen Konzerne nur behaupten: eine Plattform für divergierende Meinungen, das ist das ganze Erfolgsgeheimnis.

Dazu keine Gesinnungsbettelei nach der Devise «wir schreiben doch, was Euch gefällt, also gebt uns Batzeli dafür», der Mut, gegen den Strom und auch mal am Rande der rechtlichen Todeszone zu schwimmen, das macht die Sache rund.

Daraus entwickelte sich ein Luxusproblem

Das – und Corona – hat der «Ostschweiz» allerdings ein Luxusproblem eingebrockt. Sie wird schon längst nicht mehr nur in der Ostschweiz gelesen. Sie wird längst nicht mehr als unbedeutend und vernachlässigbar diskriminiert.

Woran man das merkt? Nun, eine persönliche Anekdote zum Abschluss des Jubels: das merkt man zum Beispiel daran, wenn man einen etwas unfreundlichen Vergleich zwischen Raiffeisen, Vincenz, UBS und Axel Weber publiziert – und anschliessend drei Anwälte auf der Matte stehen. Am Schluss sogar Markus Diethelm, der grosse Chief Legal der Grossbank, das amtsälteste GL-Mitglied, der sich aktuell darum kümmert, in Frankreich vielleicht doch noch eine Strafzahlung von 4,5 Milliarden Euro gegen die UBS abzuwenden.

Dafür hat er auch Zeit, nachdem er höchstpersönlich und telefonisch eine Übereinkunft erzielte, was aus der ursprünglichen Fassung des Artikels unbedingt raus müsse. Er weiss halt, wie man Prioritäten setzt.

Schreibt so weiter, da merkt man den Dialekt nicht

Den Machern der «Ostschweiz», und damit natürlich auch der ganzen Ostschweiz, wünscht man weiter viel Kraft, Spass und quirliges Wirbeln. Damit sie weiterhin jeden Tag beweisen, dass mehr als hundert Mitarbeiter – wie noch beim «Tagblatt», und nicht nur dort – bloss quantitativ die Nase vorne haben. Qualitativ aber unter «ferner liefen» auftauchen.

Ach, übrigens: «Die Ostschweiz» erfreut sich im Monat an rund 400’000 Single Visitors und so etwa 600’000 Visits. Damit ist ihre Einschaltquote bereits knapp halb so hoch wie beim «Tagblatt». Von 0 auf 50 in nur drei Jahren. Chapeau.