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Das Ende mit Ansage

Feigheit zahlt sich nie aus, am wenigsten im Journalismus.

Zugegeben, dem Ende der «Ostschweiz» ging der Abgang von ZACKBUM-Redaktor René Zeyer voraus. Der deshalb selbstverständlich annimmt, dass dieses Ereignis der Todesstoss war.

Aber im Ernst. Es gab zwei Phasen der «Ostschweiz». Die erste war geprägt vom Tausendsassa Stefan Millius. Er gehörte zu den Gründern und hatte die gute Idee, ein lokal verankertes Online-Magazin als Alternative zum Einheitsbrei aus dem Hause CH Media anzubieten. Zudem war die Idee, eine Plattform für (fast) alle zu bieten, ein Jekami, das das Angebot bereichern sollte. So wurde eine grosse Autorenschar generiert und eine beachtliche Reichweite erzielt. Zudem gab es «Die Ostschweiz» auch noch als gepflegtes Print-Magazin.

Millius ist ein flotter Schreiber, der alleine einen ähnlichen Ausstoss entfaltete wie die Schnarchsäcke des St. Galler «Tagblatt» zusammen. Zudem zeichnet ihn etwas aus: er ist mutig. Als das «Tagblatt» auf leichten Druck des reichen Sherkati Clans eine Story über deren Imperium – notabene ohne den Autor zu informieren – einfach löschte, brachte sie «Die Ostschweiz» nochmal. Und natürlich passierte nichts.

Das Magazin wurde während der Pandemie schweizweit bekannt, weil hier auch kritische Stimmen zur offiziellen Corona-Politik staatlicher Stellen publiziert wurden. Das hätte der Anfang des Aufbaus eines kleinen Imperiums werden können. Aber dann übernahmen die Weichspüler, Bedenkenträger und Höseler das Zepter.  Corona wurde für beendet erklärt, diese USP mutwillig und leichtfertig verspielt. Millius verliess das windelweiche Magazin, Zeyer hielt es noch etwas länger aus.

Bis dann im September 2023 zum zweiten Mal ein Artikel von ihm – notabene ohne den Autor zu informieren – bei «Die Ostschweiz» gelöscht wurde. Man hatte den haltlosen Drohungen einer einschlägig bekannten Anwältin nachgegeben und war eingeknickt. Das Prozessrisiko, furchtbar, es habe schnell entschieden werden müssen.

Als Zeyer ultimativ das Wiederaufschalten des Artikels forderte, was dann nicht geschah, war diese Zusammenarbeit beendet. Der Artikel erschien dann nochmal auf ZACKBUM – natürlich passierte überhaupt nichts.

Ausser, dass der Weg nach unten immer steiler wurde. Denn mit seichtem Gesäusel hält man keine Leserschaft bei der Stange, kann man auch kein Geld generieren. Typisch zu diesem Auftreten ist die Ankündigung des Endes. Statt klarer Worte Geschwafel:

««Die Ostschweiz» nimmt Online-Plattform aus dem Markt. Die 2019 gegründete Ostschweizer Medien AG richtet sich neu aus. Die Newsplattform www.dieostschweiz.ch wird nicht mehr weitergeführt.»

Nimmt aus dem Markt, führt nicht mehr weiter, richtet sich neu aus? Stecker raus, in den Sand gesetzt, an der eigenen Unfähigkeit gescheitert. Was nebenbei mit den verbliebenen Mitarbeitern geschieht, das ist den aktuellen Besitzern dermassen schnurz, dass es nicht mal der Erwähnung wert ist.

Stattdessen:

«Die Onlineplattform www.dieostschweiz.ch wird im Verlauf des Monats September zurückgefahren und abgestellt

Diese Formulierung ist nicht ganz richtig. Sie wurde gegen die Wand gefahren. Nun will aber niemand mehr dafür verantwortlich sein. Wo sich vorher die beiden Redaktionsmitglieder und der stolze Verwaltungsrat zeigten, kommt nur noch:

Abschleichen durch die Hintertür, das passt ins Bild.

Einen Tag lang Radio LoRa

Ich fordere Schmerzensgeld.

Von Stefan Millius*

Radio LoRa hat eine staatliche Konzession und bezieht Gebührengelder vom Bund. Mit diesen Mitteln wird Gewalt verherrlicht, Terrorismus unterstützt und die Demokratie bekämpft.

Die Schlagzeile: «Ein Radiosender, der Terroristen verherrlicht, darf nicht auch noch mit öffentlichen Geldern belohnt werden» (NZZ vom 29.5.24)

Der erste Gedanke: Es soll keiner sagen, ich würde als Kolumnist nicht bis an die Grenzen des Äussersten und des Erträglichen gehen. Animiert von einem wundervollen Kommentar in der NZZ, oben verlinkt, habe ich mich einen Tag lang mit dem Zürcher Radio LoRa befasst. Es war eine Grenzerfahrung. Einerseits musikalisch, wobei das Geschmacksache ist, andererseits inhaltlich. Wäre Lora der erste offizielle Satire-Radiosender der Schweiz: Es würde Preise regnen. Aber die meinen das alles völlig ernst.

Die Analyse: Im bewussten NZZ-Kommentar wird die Frage aufgeworfen, warum ein Privatsender eine Konzession hat und öffentliche Gelder erhält, wenn er gleichzeitig Terrorismus verharmlost bis verherrlicht und munter antisemitische Parolen verbreitet. Ein paar Auszüge:

«So setzt sich Radio Lora nicht für eine gewaltfreie Gesellschaft ein, sondern verliest Rechtfertigungen für Attacken auf Polizisten und für bewaffnete Terrorangriffe auf Zivilisten.»

«Die Sendungsmacher verherrlichen RAF-Mitglieder und Flugzeugentführerinnen und spielen Musik, die als antisemitisch gilt. Statt Vielfalt und kontroverse Debatten gibt es linken bis linksextremen Einheitsbrei.»

«Man stelle sich vor, in Zürich gäbe es einen staatlich finanzierten Radiosender, der tagein, tagaus ein knallhartes ultrakonservatives christliches Weltbild mit starken sektiererischen Zügen verbreitete: Abtreibungen gehören verboten, Kinder soll man züchtigen, Homosexualität ist eine Verwirrung, die korrigiert werden muss. Der Aufstand wäre gewaltig.»

So weit, so korrekt. Ich wollte es aber selbst wissen und habe mich in den Livestream geklickt. Das Problem: Viele der Gesprächsinhalte verstand ich gar nicht erst. Nicht intellektuell, sondern sprachlich. Das Zürcher Radio LoRa ist ein babylonisches Sprachgewirr im Äther.

Vermutlich wissen selbst die Senderverantwortlichen nicht immer, was da gesagt wird. Man könnte problemlos mal kurz irgendwelche islamistischen Schläfer über den Sender aktivieren, ohne dass es jemand merkt.

Aber zum Glück gibt es die Zeitung «LoRainfo», die periodisch über das Programm informiert. Da bekommt man schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das, was einen im Programm erwartet:

«Unser Ziel: Raus aus der patriarchalen, kolonialen und kapitalistischen Logik!»

«Unsere internationalistische Einstellung erlaubt es uns, über unsere geografischen Grenzen hinaus Kämpfe zu verbinden.»

«Unsere Handlungen gelten einem globalen Kampf, welcher aus feministischer Perspektive ausgetragen wird, denn wir sind der Überzeugung; Wenn unsere Compañeras und Compañeres nicht frei sind, werden wir es auch nicht sein.»

«Gleichzeitig werden durch dieselben Medienhäuser Neofaschist*innen lediglich als ‹rechts› eingeordnet, die Hufeisentheorie ausgepackt und Parlamente und Regierungen als demokratisch abgestempelt, die dadurch weiterhin legitimiert und institutionalisiert werden.»

Fassen wir zusammen: In unseren Parlamenten sitzen Neofaschisten, und unsere Demokratie ist gar keine. Was die Macher von Radio LoRa natürlich nicht daran hindert, jährlich rund 740’000 Franken vom Bund aus den Gebührengeldern zu erhalten. Das ist schon fast genial: Den Feind um Geld erleichtern, um ihn damit zu bekämpfen.

Nun zum Programm. Es ist ein wahrer Ohrenschmaus:

Angekündigt wird die neue Sendung «Kulturbruch». Die poetische Umschreibung des Inhalts: «Kulturbruch ist von der Bewegung für die Bewegung: Kämpferischer Widerstand muss schön, bewegend und inspirierend sein, damit er uns nachhaltig verbindet, tröstet und stark macht

Die Sendung «Rosarotz» wird eingestellt. Die «feministische Redaktion» gibt den Sendeplatz frei für Leute, die auch mal Radio machen wollen. Ausstrahlung: «Jeden 5. Mittwoch im Monat». Das wäre etwas für mich als ewiger Faulpelz, da einige Monate nicht mal fünf Mittwoche haben.

Oder wie wäre es mit «DENGÎ JINA – JINAS STIMME»? Zu hören: «Die Stimme von und für alle kurdischen Frauen (Kurdisch Sorani & Deutsch)»

Als roten Faden zwischen den Sendeformaten gibt es ganz viel «Free Palestine». Wer im Nahostkonflikt Israel unterstützt, betreibt laut Radio LoRa eine «Täter-Opfer-Umkehr». Weil die Hamas in Wahrheit natürlich aus lauter Spielgruppen-Erzieherinnen besteht.

Übrigens kann man bei LoRa auch das Radiohandwerk lernen. Es werden verschiedene Kurse angeboten. Vermutlich erfährt man in zehn Minuten die Handhabung des Mikrofons, bevor man acht Stunden lang hirngewaschen wird.

Der Ausblick: Ich verbuche meinen Ausflug als Hörer von Radio LoRa unter «neue Erfahrung». Das umschreibt die Höllenqualen positiv. Gleichzeitig bitte ich die Leute, die Konzessionen und Gebührengelder vergeben, es mir nachzumachen. Wenn sie dann immer noch finden, dieser Sender habe einen Platz und Geld verdient: Mich erstaunt mittlerweile gar nichts mehr.

PS: Wenn es um Coronakritiker oder Rechte geht, liest man dauernd von einem Paralleluniversum, in dem diese Leute leben. Man darf mir glauben: Wer ein echtes Paralleluniversum sucht, muss Radio LoRa hören.

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*Die tägliche Medienkritik von Stefan Millius «Wo Medien wieder irren» erscheint auf nebelspalter.ch, wo diese zuerst erschienen ist. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Somm und der Relaunch

Seine Relaunchs sind nicht lustig.

Es ist eine inzwischen zweieinhalbjährige Leidensgeschichte. Im März 2021 erschien der «Nebelspalter» online ganz anders und ganz neu. Markus Somm hatte 100 Investoren dazu überredet, auf seine unternehmerischen Fähigkeiten zu vertrauen und je 100’000 Franken zu investieren. Selbst legte er noch einiges mehr drauf.

Damit wurde der «Nebelspalter» gekauft, das älteste Schweizer Satiremagazin, gegründet 1875. Seit vielen Jahren ist es aus einem anständigen Wartezimmer nicht wegzudenken. Seit vielen Jahren ist es nicht so, dass seine Witze und Witzchen auf dem Niveau von «Titanic» spielen. Aber witzig wollte Somm gar nicht sein, er wollte eine klar liberale neue Plattform neben der «Weltwoche» aufbauen.

Dafür den Namen «Nebelspalter» zu kaufen, das Heft weiter im alten Geist erscheinen zu lassen, im Internet auf einen untauglichen Geschäftsführer zu bauen, der ein proprietäres CMS bastelte, das untauglicher war als jede Open-Source-Lösung (dafür aber entschieden teurer), werbefrei erscheinen, obwohl man um Werbekunden buhlte – das war wohl der brutalste Fehlstart der jüngeren Pressegeschichte.

Aber noch viel schlimmer: Es wurde mit grosser Kelle angerichtet; edle Redaktionsräume in Zürich, Mitarbeiter satt, teure Videoformate, dazu aber eine absolute Bezahlschranke. Kein Versucherli, kein Teaser, zahl – oder lass es. Damit verkrachte sich Somm dann noch mit einem kompetenten Internet-Macher, der diesen Wahnsinn nicht mittragen konnte.

Am schlimmsten aber: der dürftige Inhalt spielte sich weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab. Transparenz war Somms Sache nicht, eisern schwieg er sich über Abozahlen, Einnahmen, Ausgaben aus. Bis ZACKBUM enthüllte, dass die Online-Plattform erst schlappe 4000 zahlende Gäste zählte. Neuerdings sollen es 4500 sein, das sei alles soweit im Businessplan, behauptet Somm.

Dann das übliche Geruder, wenn einer seine Lernkurve am lebenden Objekt abbildet. Nach Fehlstart sparen. Das grosse Rausschmeissen, neues CMS, Geschäftsführer weg, die meisten Mitarbeiter eingespart (nicht selten auf eher ruppige Art), neuer Auftritt, Wiedererkennungswert zum Anfang null. Die Bezahlschranke wurde gesenkt, durchlöchert, nun buhlt der «Nebelspalter» wie alle anderen auch mit Sonderangeboten und Teasern um neue zahlende Leser.

Dann der nächste Knall: von heute auf morgen schmeisst Somm den verdienten und solidarischen Chefredaktor des Print-«Nebelspalter» raus. Nächste Kehrtwende: während Somm viele Monate erzählt hatte, dass es gar kein Problem sei, im Internet bürgerlich-politisch zu sein, im Print aber klassisch-altväterlich satirisch, sollen nun Internet und Print «zusammengeführt» werden.

Der nächste Flop, denn mitsamt dem Chefredaktor verliessen aus Protest einige Mitarbeiter den Nebi, obwohl Karikaturist in der Schweiz ein hartes Pflaster ist. Aber macht ja nix, dachte sich Somm, der offensichtlich über ein strahlendes Selbstbewusstsein verfügt und die unablässige Reihe von Fehleinschätzungen, Flops und herben Niederlagen auf der Einnahmefront einfach an sich abperlen lässt.

Wobei seine Financiers erstaunlicherweise weiterhin ruhig halten, obwohl absehbar ist, wann das Startkapital verbrannt sein wird und auch der Nebi das übliche Klagelied zum Abschied anstimmen wird: widriges Marktumfeld, gute Idee, aber schlechte Akzeptanz, leider nicht gelungen, Blabla. Nur eines wird sicher nicht gesagt werden: das ist die Geschichte eines angekündigten Todes, verantwortet von einem begabten Schreiber und unbegabten Unternehmer.

Nun also die Konvergenz online und Print. Die sieht zurzeit so aus: online passiert überhaupt nix, die neue Printausgabe kommt so daher:

Anstelle des geschassten Chefredaktors Ralph Weibel begrüsst den Leser eine «Leiterin Produktion» namens Marina Lutz. Anschliessend dann neu die üblichen verdächtigen: Stefan Millius, Dominik Feusi, Stefan Millius, Stefan Millius, auch mal «Aus dem Archiv, Nebelspalter 1942» (was beweist: damals waren die Nebi-Scherze auch nicht immer besser), Markus Somm (ebenfalls aus dem Archiv, ein rezyklierter Artikel), begleitet von «Aus dem Archiv, 1957», dann wieder, Überraschung, Stefan Millius, abgelöst von, nochmal Überraschung, Markus Somm, dann, mal was Neues, wieder Markus Somm, aber über eine Karikatur aus dem Archiv von 1941, schliesslich Alex Reichmuth, ebenfalls bekannt aus dem Nebi online, dann kommt natürlich Stefan Millius.

 

Dann aber ein Brüller, ein Wimmelbild:

Nach diesem Höhepunkt geht’s zurück ins Tal der Tränen und Verzweiflung:

Hier ist einiges bemerkenswert. Ein Zeichnungswettbewerb: schicken Sie uns Karikaturen von BR Rösti! Zu gewinnen gibt’s nix, aber es wird angedroht, sie im nächsten Nebi zu veröffentlichen. Aber damit der Scherze nicht genug: «Haben Sie ein besonders lustiges Foto oder Meme auf Ihrem Handy?» Auch einschicken, wird auch abgedruckt. Zu gewinnen gibt’s auch nix.

Ein besonderer Leckerbissen ist das Impressum. Die Redaktion besteht aus dem Herausgeber Markus Somm, der hier auch noch Chefredaktor und Verleger ist. Drei Hüte, um eben diese Marina Lutz (Leitung Produktion) herauszugeben, zu verlegen und ihr als Chefredaktor den Weg zu weisen. Denn ausser einer Assistentin ist das dann bereits die ganze Redaktion.

Leider ist das nicht zum Lachen, sondern eher zum Heulen. Wieso das Blatt «Nebelspalter» heisst und nicht «Millius schreibt», ein Geheimnis. Wieso diese 68 Seiten Fr. 11.80 wert sein sollen: ein Geheimnis. Wieso die Scherze aus dem Archiv nach alten Socken riechen: kein Geheimnis. Wieso die neuen auch? Grosses Geheimnis.

Schlimmer noch: das soll ein Relaunch sein? Ein Beispiel für: man kriegt nie eine zweite Chance, einen ersten Eindruck zu machen? Die älteste Regel im Journalismus lautet: am Anfang muss es rums machen, nachlassen kann man anschliessend. Aber hier? Seitenfüller, Lückenbüsser, Rezykliertes, Altbekanntes, aus Verzweiflung ergänzt mit willkürlich und nach keinen verständlichen Kriterien ausgewählten Restanzen aus dem Archiv.

Neustart, Ansage, Positionierung, Absicht, Ziele, Gefässe, Heftrhythmus? Es plätschert dahin, und dann ist mal fertig. Originelles Blattprinzip. Das ist nicht mal ein Blattschuss. Auch kein Plattschuss. Das ist ein Schuss in den Ofen. Dagegen ist selbst der Nebi online gehaltvoll, und das will doch etwas heissen.

Aber geradezu seherisch ist das «Schlusszitat», eine Abwandlung eines bekannten Spruchs von Albert Einstein: «Der Unterschied zwischen Dummheit und Genialität ist, Genialität hat ihre Grenzen.» Sehr, sehr wahr …

Böse Staatsverweigerer!

Der neue Feind: Das sind die Staatsverweigerer. Inzwischen auch für die einst behördenkritische «Die Ostschweiz».

Von Stefan Millius

SRF, «20 Minuten», natürlich der «Blick», aber auch der «Beobachter» und Nischenportale wie zentralplus.ch und FM1today haben diese Gefahr für sich entdeckt und rapportieren fleissig darüber. Ihr Thema seit Wochen: Was sind das bloss für Leute, die ihre Steuern nicht mehr zahlen? Oder andere Rechnungen, deren Ertrag der Staatskasse zugedacht ist? Was fällt denen nur ein?

Seit der Coronazeit ist die Zahl derer, die nicht einfach pflichtschuldig abdrücken, wenn die Behörden gern Geld hätten, explodiert. Nun könnte man als von Natur aus neugieriger Journalist der Frage nachgehen, woran das liegt. Hat es vielleicht damit zu tun, dass der Staat es in den letzten Jahren mit den Grund- und Freiheitsrechten der Bevölkerung nicht so genau nahm? Dass er die Verfassung kurzerhand eingefroren hat? Dass er eine Rekordverschuldung anhäufte für «Schutzmassnahmen» und eine beispiellose Impfkampagne? Dass seine Repräsentanten rund um Corona immer mal wieder bei haltlosen Behauptungen bis hin zur blanken Lüge erwischt wurden?

Das könnte man alles fragen, aber darauf hat die angebliche vierte Macht wenig Lust. Man hat ja schliesslich auch Steuern zu bezahlen, wenn man mit dem Staat nicht ganz glücklich ist. Sogar dann, wenn die Landesregierung die demokratischen Spielregeln ausser Kraft setzt, sich das Parlament in verfrühte Ferien zurückzieht und der Bundesrat Volksabstimmungen dank – gelinde gesagt – reichlich kreativer Fragestellung gewinnt.

Wer das nicht tut, ist dann eben ein «Staatsverweigerer». Die Medien widmen diesen elenden Kerlen, die unseren armen Betreibungsämtern so viel Arbeit aufhalsen, lange Artikel. Dort geht es nicht etwa um die Beweggründe für die Verweigerung, sondern nur darum, wie sehr die staatlich besoldeten Leute darunter leiden. Da will man eine ruhige Kugel für überdurchschnittlich viel Geld mit absoluter Jobsicherheit schieben, und dann macht einer Ärger. Droht da allenfalls sogar eine Überstunde?

Unter den Leidenden ist beispielsweise Johannes Wagner, Leiter des Betreibungs- und Konkursamts Appenzell Innerrhoden. Unter uns gesagt: Der Kanton hat 16’000 Einwohner, der Mann und seine Funktion sind also gleichbedeutend mit dem Pendant einer Schweizer Kleinstadt. Aber jedenfalls ist er richtig sauer. Die Staatsverweigerer hängen ihm zum Hals raus. Es sei ihm – und das ist wörtlich zitiert – «Hans was Heiri», wenn jemand sich querstelle. Zahlen müsse er dennoch, basta.

Natürlich muss er das. Sonst bekäme der gute Herr Wagner ja irgendwann seinen Lohn nicht mehr. Er wird dafür besoldet, dass er Ausstände beim gemeinen Bürger eintreibt. Ihn muss es nicht interessieren, ob es dafür allenfalls gute Gründe gibt. Der Beamtenstatus in der Schweiz ist zwar abgeschafft, aber Wagner hat damit dennoch den Titel «Beamter des Jahres» verdient. Dem Staat treu bis in den Tod, und bitte einfach keine Fragen stellen.

Das alles wäre halb so wild und völlig normal, weil die meisten Medien längst so nahe zur Staatsgewalt gerückt sind, dass kein Blatt Papier mehr dazwischen Platz findet. Das Problem ist nur, dass Wagner und eine Reihe seiner Kollegen aus anderen Ostschweizer Kantonen im aktuellen Beispiel nicht etwa bei den üblichen Verdächtigen zu Wort kommen. Sondern in «Die Ostschweiz». Hier ist das gesammelte Gejammer und Gestammel der staatlichen Bürolisten nachzulesen.

Ich bin natürlich vorbelastet, weil ich «Die Ostschweiz» einst mitbegründet und mehrere Jahre als Chefredaktor geführt habe. Das mit der klaren Mission, nicht einfach mit den Wölfen zu heulen, sondern die entscheidenden Fragen zu stellen. Zu meiner Zeit galt das Motto: Ein Staat hat sich nicht über Staatsverweigerer zu empören, sondern darüber nachzudenken, warum es zu diesem Phänomen kommt und gegebenenfalls an sich selbst zu schrauben. Vor allem, wenn die Entwicklung zunimmt. Frei nach Shakespeare: «Es ist was faul im Staate Schweiz».

Mit diesem redaktionellen Kurs war die kleine Ostschweizer Onlinezeitung lange eine gefragte Adresse bei den Leuten, die eine einfache Formel verinnerlicht hatten. Der Staat? Das ist zunächst mal das Volk. Und wer dort arbeitet, ist dessen Angestellter. Und wenn die Repräsentanten dieses Staats durchdrehen, darf man ruhig darüber nachdenken, ihm die Mittel zu entziehen.

Das ist offensichtlich vorbei. Nun dürfen sich auch bei «Die Ostschweiz» Staatsangestellte über die Renitenz einiger Bürger ausweinen. Was publizistisch übrigens keinen Sinn macht, weil die Story schweizweit schon vor Wochen durch war. Aber das machen regionale Medien gern: Schauen, was andere gerade treiben und dann mal kurz die Betreffenden vor Ort telefonisch durchgehen. «Global – lokal» hiess das schon in meinen Anfängen vor über 30 Jahren. Das braucht wenig Zeit und schafft «Nähe zum Leser».

Nur hat sich die Medienlandschaft seither verändert. Wer jetzt aus der Masse hervorstechen will, muss klare Kante zeigen. Das hat «Die Ostschweiz» früher getan. Jetzt ist sie offensichtlich zum Sprachrohr von Regierung und Behörden geworden. Eines unter vielen.  Der Bürger, der sich Gedanken macht, ist der Feind.

Was bei früheren Stammlesern zur Reaktion führen könnte: «Ist das eine Zeitung – oder kann das weg

Schweigen über Schweinereien

#hateleaks? Gar nicht erst ignorieren. Obwohl der vierte Teil Abscheuliches aufzeigt.

Obwohl oder weil Jolanda Spiess-Hegglin unablässig die Öffentlichkeit sucht mit dem Argument, dass sie endlich einmal aus der Öffentlichkeit verschwinden wolle, ist das Verhältnis der Medien zu ihr kompliziert.

Nun hat die Tamedia-Journalistin und Buchautorin Michèle Binswanger die sogenannten «#hateleaks» angestossen. Eine Blog-Reihe, die aus ihr zugespielten Chats und internem Meinungsaustausch des Umfelds von JSH besteht. Ziel der Teilnehmer war offenbar, das «Scheissbuch» (die grüne Fraktionschefin Aline Trede) zu verhindern, bzw. die Autorin «zum Auswandern» zu bewegen, wie JSH unverblümt die Marschorder ausgibt. Dafür machte JSH mitsamt Gesinnungsgenossen gerne «die kleine Drecksarbeit».

Dabei waren auch Journalisten wie Pascal Hollenstein, Hansi Voigt oder Miriam Suter. Was hier alles an Hetze geplant wurde, widerspricht den hehren Zielen von «Netzcourage». Wenn JSH wie an der HSG als Spezialistin für «digitale Gewalt» auftritt, könnte sie eigentlich einfach aus dem Nähkästchen plaudern.

Nun haben aber die grossen Multiplikatoren ein Problem mit dem Thema. Ringier möchte sich überhaupt nicht äussern, schliesslich steht der Verlag in einem Rechtsstreit mit JSH, die eine Gewinnherausgabe der über sie im «Blick» erschienenen Artikel fordert.

Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger» hat lange Zähne, weil Binswanger eine leitende Funktion einnimmt. Und für die NZZ ist das Ganze doch etwas zu boulevardesk, nachdem sie sich schon im Fall Roshani schwer die Finger verbrannt hat mit einer sehr einseitigen Berichterstattung, um dann anschliessend die übrigen Medien wegen zu einseitiger Berichterstattung in die Pfanne zu hauen.

Das Schweizer Staatsfernsehen, Pardon, der Zwangsgebührensender SRF hat auch Schlagseite in Richtung JSH (und Roshani), der fällt aus.

Also veröffentlicht ein Investigativ-Team eine Blogfolge nach der anderen – und es herrscht Schweigen. Abgesehen von der Mini-Plattform «inside-justiz» («Zickenkrieg»), persoenlich.comDokumente sollen Kampagne gegen Journalistin belegen») und dem Autor dieser Zeilen mit einem fleissig kommentierten Artikel in der «Weltwoche» («Verschwörung gegen eine Journalistin»).

Nun traut sich immerhin noch «20 Minuten» an die Sache ran, mit einem geeierten Titel: «Spiess-Hegglins Team: Chatgruppe gegen «Tagi»-Journalistin – prominente Politikerinnen lasen mit». So vorsichtig geht’s dann auch im Artikel weiter: «In einem Gruppenchat sollen Netzaktivistin Jolanda Spiess-Hegglin und ihre Mitstreiterinnen die «Tages-Anzeiger»-Journalistin Michèle Binswanger beleidigt haben.»

Nicht wirklich, sie haben nachweisbar und eingestanden versucht, die Publikation von Binswangers Buch über die Zuger Landammannfeier mit allen schmutzigen Tricks zu verhindern. Dann wird ausführlich der Hintergrund des im Investigativ-Team mitarbeitenden Journalisten Stefan Millius beschrieben: «Er arbeitet daneben auch für das Radio «Kontrafunk» und den «Nebelspalter». Er will für die Corona-kritische Gruppierung «Aufrecht» in den Nationalrat.»

Als ob das bei seiner Tätigkeit hier eine Rolle spielen würde. Der «Politologe» der Wahl Mark Balsiger kann sich nur zu einem sanften «Geschmäckle» als Kritik aufraffen. Die mehr als fragwürdige Rolle des ehemaligen Leiters Publizistik von CH Media, Pascal Hollenstein,  wird gar nicht erwähnt. Auf Anfrage von «20 Minuten» blieben die Teilnehmerinnen Tamara Funiciello und Sibel Arslan genauso stumm wie JSH selbst.

«Eine weitere Teilnehmerin hat sich via Twitter öffentlich von der Gruppe distanziert», berichtet das Gratis-Blatt: ««Alles stimmt und hat so stattgefunden. Ich war ein Teil davon», schreibt sie. Und ergänzt: «Wenn einem die Vergangenheit über die Schulter schaut, wird es zuweilen peinlich.»

Das gilt allerdings auch für die aktuelle Berichterstattung über diesen Skandal. Insbesondere, seit Teil 4 der «#hateleaks» publiziert wurde. Diesmal wird aufgezeigt, wie die «Kampagne» (JSH) ins Rollen kam, mit «Verleumdung, Provokation, Verhöhnung». Immer angeleitet von der grossen Kämpferin gegen Hasskampagnen und Shitstorms JSH, sollten Zweifel an der Person Binswanger gesät werden, zum Beispiel auch mit Fake-Accounts; nicht zuletzt von der Rädelsführerin selbst unterhalten:

«Das ist mein letzter (!) fakeaccount, der ist noch nicht blockiert», vermeldet JSH. Besonders widerlich war auch der Versuch, Binswanger zu provozieren und ihr Aussagen zu entlocken, die man dann gegen sie verwenden könnte.

So berichtet JSH ihren «lieben Frauen» triumphierend: «MB hat wieder Zeugs getwittert, was ihr enorm schaden wird vor Gericht. Das ist super. Und sie überlegt wirklich zu wenig. … Statements entlocken können … Ihr seid super. Alles kommt gut.»

Ist das lustig: Binswanger als kleiner Don Quijote …

Fake-Accounts verwenden, um eine missliebige Person zu ihr schadenden Äusserungen zu provozieren, das gehört wohl zum Abscheulichsten, was man im Internet machen kann.

Das wäre ein klassischer Fall für «Netzcourage». Wenn nicht die Gründerin und Geschäftsführerin selbst diese Widerwärtigkeiten orchestrieren würde. Und ihr Vereinspräsident Hansi Voigt entblödete sich nicht, der Journalistin Binswanger genau diese Methode zu unterstellen. In seinem Fall aber als blosse Behauptung. So wie er jetzt behauptet, all diese dokumentierten Zitate könnten Fälschungen sein.

Was für ein Paar. Selten haben sich zwei dermassen desavouiert wie diese beiden  – nun ja, da leider immer noch Geld für eine Anwältin vorhanden ist, die zwar gegen alles klagt und meistens verliert, aber dabei für alle Beteiligten hohe Kosten verursacht, überlässt ZACKBUM es seinen Lesern, hier die geeigneten Qualifikationen einzusetzen. Denn uns fällt nichts ein, was nicht einwandfrei justiziabel wäre.

 

Zwei Arten von Journalismus

Schmiere von Tamedia, Porträt von der «Weltwoche».

«Ein Insider rechnet mit dem Schweizer Fernsehen ab», so der Titel eines «Weltwoche»-Artikels vom 28. Juli 2022. Er thematisiert das Buch von Martin Hasler, der nach jahrzehntelanger Tätigkeit für die SRG im Bundeshaus im Herbst 2021 ausstieg. Die Berichterstattung über Corona hatte ihn zweifeln, dann verzweifeln lassen.

WeWo-Mitarbeiter Stefan Millius beschreibt den entscheidenden Moment: «Nie in fast vier Jahrzehnten habe er (Hasler, Red.) das Bedürfnis verspürt, sich in den journalistischen Bereich einzumischen. Aber als Daniel Koch, der damalige «Mister Corona» im Bundesamt für Gesundheit, ein düsteres Bild der Lage in den Intensivstationen zeichnete, konnte Hasler nicht mehr anders.»

Er begann Fragen zu stellen, zu zweifeln, er konstatierte Einseitigkeit und Betriebsblindheit – und stieg aus, bzw. liess sich frühpensionieren. Inzwischen widmet er sich der Auslieferung seines im Eigenverlag erschienenen Buchs, das zu einer kleinen Erfolgsgeschichte geworden ist. All das beschreibt Millius mit der nötigen Distanz und der Genauigkeit, die entsteht, wenn man sich auf einen Menschen einlässt, ihm Raum gibt, ihn verstehen, nicht aburteilen will. Ohne deswegen seine Meinungen übernehmen zu wollen.

Am 10. August greift die Allzweckwaffe von Tamedia in die Tasten:

«Buch begeistert Service-Public-Gegner: Der SRG-Insider der «Weltwoche» ist Verschwörungstheorien verfallen»,

so betitelt Andreas Tobler seinen Verriss über den gleichen Autor und das gleiche Buch. Schon in der Unterzeile macht er alles klar: «Ein früherer Mitarbeiter wirft dem Schweizer Fernsehen in einem Buch Manipulation vor. Wer es liest, kommt zu einem anderen Schluss.»

Jeder, der das Buch liest? Nein, einer. Aber Tobler arbeitet in der Rechthaber- und Gesinnungsjournalismusbranche, wo man die Weisheit und Wahrheit mit Löffeln gefressen hat und es keineswegs als Aufgabe sieht, dem Leser Denkanstösse zu vermitteln. Sondern die Aufgabe ist, im Sinne des Wahren und Guten Grossinquisitor zu spielen, auch wenn man dafür das intellektuelle Rüstzeug nicht hat. Meinung ersetzt Kenntnis, Polemik Recherche, Demagogie eine der Wirklichkeit verpflichtete Darstellung.

Nach einer kurzen, unvollständigen Zusammenfassung des Inhalts wird eingeordnet. Nicht etwa die Aussagen des Buchs. Es wird vielmehr durch seine Resonanz verortet: «Neben der «Weltwoche» sieht auch das neue Internetradio Kontrafunk in Haslers Buch einen Beleg dafür, dass öffentlich-rechtliche Medien als «Instrument zur Indoktrination und Ablenkung» gelten können.» Devise: Was WeWo und «Kontrafunk»* gut finden, muss schlecht sein.

Was ist denn nur mit diesem Hasler los? Dafür hat Tobler eine einfache Erklärung parat: «Anfang 2021 suchte Martin Hasler einen Psychiater auf: Als «Sklave der Hintermänner» habe er die «seelische Vergewaltigung» während der Arbeit für die SRG nicht mehr ausgehalten, schreibt Hasler in seinem Buch.» Es hat eine lange, aber unselige Tradition, Abweichler vom Mainstream, wie man das heute nennt, als psychisch angeschlagen abzuqualifizieren.

Logisch, dass Tobler zu einem vernichtenden Urteil kommt: ««Im Hexenkessel» ist also nicht der Enthüllungsbericht eines Insiders. Sondern letztlich das Dokument eines langjährigen Mitarbeiters, der Verschwörungstheorien verfiel und damit aneckte

Immerhin gibt Tobler gegen Ende Hasler kurz Gelegenheit, sich gegen solche Diffamierungen zu wehren: «Als Verschwörungstheoretiker möchte Hasler nicht bezeichnet werden. «Verschwörungstheoretiker ist ein Diffamierungsbegriff, der von jemandem verwendet wird, der nicht bereit ist, alle Fakten auf den Tisch zu bringen und zu diskutieren», sagt Hasler.»

Es gibt allerdings einen bezeichnenden Unterschied zwischen Tobler und Hasler. Der angeblich Verschwörungstheorien Verfallene war bereit, mit Tobler zu sprechen und auf dessen Fragen zu antworten. Das ist allerdings meistens ein Fehler, wie schon der Chefredaktor der NZZaS feststellen musste. Diesen Fehler will Tobler selbst nicht begehen. Er antwortet prinzipiell nicht auf journalistische Anfragen. Ob man sich daher um seinen Geisteszustand Sorgen machen sollte?

*Packungsbeilage: Der Autor schreibt gelegentlich für die «Weltwoche», «Die Ostschweiz» und spricht im «Kontrafunk».

Sie ist eine Echse!

Die «Republik» glaubt an Science Fiction.

Man sieht doch das Böse im Gesicht dieser Frau. Oder nicht? Angeblich soll es sich um die Schauspielerin Jane Badler handeln. Offenbar erinnern sich einige Mitarbeiter der «Republik» an die SciFi-Serie «V – die ausserirdischen Besucher kommen». In den 1980er-Jahren erschreckte dieses Weltraummärchen so manchen Zuschauer.

Die Story: über der Erde erscheint eine Flotte von UFOs. Die Besatzung behauptet, man käme in friedlicher Absicht. Das humanoide Aussehen der Ausserirdischen täuscht aber. In Wirklichkeit haben sich eklige Reptilien so verkleidet, und diese Kommandantin Badler wird dabei beobachtet, wie sie gelegentlich eine Maus verspeist – die sie mit ihrer gespaltenen Reptilienzunge fängt. Brr.

Badler, immer noch mit Maske, im Jahr 2014.

Ein Redaktor der «Frankfurter Rundschau» erinnert sich schreckensbleich an sein TV-Erlebnis als Jugendlicher: «Die Aliens im feschen Dress verstehen sich gut auf das Manipulieren der Medien, gründen gar eine Jugendorganisation, reißen immer mehr Menschen in ihren Bann, die die Besucher und ihr Symbol frenetisch feiern.»

Aber glücklicherweise entsteht auf der Erde tapferer Widerstand, ihr an Hauswände gespraytes «V» für Victory wird zum Symbol der menschlichen Resilienz gegen solche Verführung.

Daran haben sich offensichtlich die Verschwörungstheoretiker von der «Republik» erinnert. Das Organ zur Rettung der Demokratie eröffnet nochmals den Kampf gegen Raubreptilien. Genauer gegen Menschen, die an solche Reptilien glauben. Und gegen Menschen, die sie daran glauben lassen wollen. Vielleicht wird diesmal der Buchstabe R an Wände gesprayt. R wie Reptilien. Wie Resilienz. Wie «Republik».

Das ist die dialektische Weiterentwicklung des Serien-Plots. Dank der «Republik» wissen wir nun, dass finstere Verschwörer wie Roger Köppel, Markus Somm oder Stefan Millius den Glauben an solche Echsenmenschen befördern. Nicht etwa jeder für sich. Sondern alle zusammen ziehen da am gleichen, nun ja, Echsenschwanz.

Am Schluss dieser abstrusen Behauptung will die «Republik» noch einen Funken Hoffnung versprühen, nachdem sie den schreckensbleichen Leser auf eine zweiteiligen «Reise ans Ende der Demokratie» mitgenommen hat. Aber immerhin, Echsen müssten sich gelegentlich häuten, weiss die «Republik». Lasst uns also Ausschau halten nach Reptilienhäuten in der Umgebung dieser Verschwörer.

Allerdings hat das Hauptquartier der Reptilienrecherche für den riesenlangen Riemen über angeblich konspirierende «Infokrieger» zwar rund 30 namentlich genannte Reptilien-Verführer und ein gutes Dutzend ihrer Organe denunziert, dafür aber lediglich mit einem einzigen solchen Krieger gesprochen.

Wieso wiederholen wir das? Ganz einfach: damit hat die «Republik» die Reise ans Ende des Journalismus absolviert. Ihre früheren, geplatzten Versuche, mit angeblichen Skandalen Aufmerksamkeit zu erregen, ihre Drohungen mit Selbstmord, das ist alles Pipifax im Vergleich zu diesem brüllenden Wahnsinn.

Journalismus hat als Fundament Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Das erwirbt man sich, indem man anständig, so faktentreu und so akkurat wie möglich berichtet. Dabei sorgfältig auf eine Trennung von Faktenbeschrieb und Kommentar achtet. Zum Anstand gehört auch, namentlich Kritisierten und Denunzierten die Möglichkeit zur Replik zu geben.

Wer all das nicht tut, hat sich von der Welt des ernstzunehmenden Journalismus verabschiedet. Damit wurden schon wieder viele Millionen zum Fenster rausgeschmissen. Damit ist die «Republik» zu einem Sektenorgan für gläubige Haltungsmenschen verkommen, die keine «Expeditionen in die Wirklichkeit» lesen wollen, sondern fiktionale Märchenerzählungen, wo die Welt hinter Wille und Wahn verschwindet.

Kein Anlass für Frohlocken, denn das ist ein Trauerspiel.

Die Echsenmenschen und ich

Die «Republik» weiss mehr. Mehr über alles. Und mehr über alle. Auch über mich.

Von Stefan Millius*

Endlich erfahre ich, dass ich an Ausserirdische glaube.

Und so klingt eine Ferndiagnose der Journalismus-Neuerfinder in einem der letzten Newsletter der «Republik»:

«Am Ende warten die Echsenmenschen. Das sagt Ihnen nichts? Es geht da um die Theorie, dass Ausser­irdische auf der Erde schon lange die Macht übernommen haben. (…) Klingt abstrus – klar. Aber viele Menschen glauben daran. (…) Die meisten davon nicht, weil sie durch­geknallt sind, sondern weil sie irgendwann im Strudel von Falsch­meldungen, materieller Verzweiflung oder Angst den Faden verloren haben. Und weil es Profis gibt, die davon leben, genau diese Menschen immer tiefer in den Kaninchen­bau zu locken. (…) Im Zweiteiler «Die Infokrieger» haben wir Ihnen diese Profis letzte Woche vorgestellt.»

Im besagten Zweiteiler geht es um Medienschaffende und Medien, die sich erdreisten, politisch eher rechts statt links positioniert zu sein. Darunter befindet sich meine Wenigkeit. Meinen Mitverschwörern und mir wird unterstellt (beziehungsweise natürlich nachgewiesen), dass wir Staat und Demokratie unterwandern wollen. Diesem Thema hat die «Republik» das übliche Binge-Writing gewidmet, ZACKBUM hat darüber berichtet.

Viele Behauptungen, keine Belege

Über die dünne Story, wobei nur schon dieses Wort Überwindung kostet, muss man nicht mehr viel sagen. Sehr zu meinem Leidwesen. Denn selbst als aktiver Beteiligter des hinterhältigen Plans hätten mich Details brennend interessiert, die leider fehlen, um die These des «Infokriegs» und seiner Söldner zu stützen.

Wo ist der inkriminierende, überaus geheime Mailaustausch zwischen uns Staatsfeinden, gnadenlos publiziert von der «Republik»? Wo erfahre ich als Leser mehr als das, was ich sowieso weiss, wenn ich Zeitung lese – dass «Weltwoche», «Nebelspalter» und «Die Ostschweiz» in einigen Fragen dieselbe Haltung vertreten und einige Autoren für mehrere dieser Titel arbeiten? An welchem Punkt ist die «Reportage» (auch dieses Wort fällt mir schwer) über eine angebliche Verschwörung mehr als selbst eine reine Verschwörungstheorie?

Haltlose Übertreibungen

Da wird eine journalistische Zuckerwatte, die es beim geringsten Luftzug verbläst, per Illusion zu einer 5-Kilo-Toblerone gemacht. Darüber könnte man ja noch hinwegsehen. Aber regelrecht standeswidrig für jedes Medium wird es, wenn die «Republik» in ihrem Newsletter zu abstrusen Übertreibungen und falschen Bildern greift, um den Erguss zu verkaufen.

Echsenmenschen? Ich bezweifle, dass Roger Köppel, Markus Somm, Milosz Matuschek, Joyce Küng oder irgendeiner der anderen an der Verschwörung beteiligten Personen glauben, unter der Haut von Klaus Schwab, Bill Gates, Hillary Clinton oder Alain Berset verberge sich ein ausserirdisches Schuppenmonster. Entsprechend versucht auch keiner von uns, diese Theorie den Lesern zu verkaufen.

Aber genau das behauptet die «Republik». In dem «Kaninchenbau», den wir offenbar als Falle für unmündige Medienkonsumenten gegraben haben, möchten wir diesen die Legende von den Reptiloiden andrehen. Steht jedenfalls im Newsletter.

Schluss mit «Happy Hour», liebe «Republik»

Bei unserer Arbeit geht es also nicht darum, die Verhältnismässigkeit der Coronamassnahmen zu überprüfen, den Krieg in der Ukraine aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten oder ganz banal die Arbeit von Regierung und Parlament zu kontrollieren, weil das ja sonst längst keine Zeitung mehr macht.

Nein, am Ende des Regenbogens wartet unsere eigentliche Mission – endlich allen klarzumachen, dass wir von Echsenmenschen beherrscht werden.

Gäbe es die «Republik» nicht, würde ich nicht einmal selbst wissen, dass ich an Echsen aus dem All in Menschengestalt glaube. Und gäbe es im Zürcher «Rothaus», dem Sitz der Redaktion, keinen frei zugänglichen Alkohol, hätte es wohl auch diesen Zweiteiler über die «Infokrieger» nie gegeben.

*Stefan Millius ist Chefredaktor «Die Ostschweiz» und publiziert auch in anderen Medien. Unter anderen im Reptilienorgan ZACKBUM.

Alte, weisse Männer

Eigenlob stinkt. Eigenwerbung riecht gut.

ZACKBUM-Autor René Zeyer publiziert auch auf «Die Ostschweiz». Das hat gleich drei Gründe. Die Einschaltquote dieser munteren Online-Plattform hat bereits diejenige des alteingesessenen St. Galler «Tagblatts» mit all seinen Kopfblättern überholt. Es ist, im Gegensatz zu kläglichen, von reichen Erben gesponserten Produkten, erfolgreich, selbsttragend, kosten-, aber nicht werbefrei.

Der zweite Grund besteht darin, dass «Die Ostschweiz» keine Zensur ausübt, sich als Plattform versteht, auf der alle Meinungen Platz haben, die sich im Rahmen des rechtlich Erlaubten und weit gefassten moralisch Anständigen bewegen. Daher wird sie mit Missachtung und Missvergnügen in den Mainstream-Medien abgestraft. Vor allem, seit es einem kleinen Komitee aus dem Umfeld des Online-Magazins gelang, den reichen Medienclans eine Milliarde Steuergelder vorzuenthalten.

Über diesen Verlust kann beispielsweise den Coninxclan nur mühsam ein Superprofit von 830 Millionen im letzten Geschäftsjahr hinwegtrösten.

Der dritte Grund besteht natürlich darin, dass hier auch Platz für Selbstdarstellung ist. Denn es wurde eine neue Talkshow ins Leben gerufen. Bevor es die Kritiker rufen, wurde sie gleich selbstkritisch «Alte weisse Männer» genannt.

Es treten an: Stefan Millius (Mitte), Chefredaktor «Die Ostschweiz», Ralph Weibel (r.), Redaktionsleiter «Nebelspalter» Print, und René Zeyer. Als ob das nicht schlimm genug wäre: Die Show wird, dank guter Einschaltquote, monatlich fortgesetzt. Mit Überraschungsgästen. Immer kantig, kritisch, auch hämisch, dafür aber vergnüglich, unterhaltsam, lehrreich, ein «Must See».

 

 

 

Mit Fakten verwirren statt Fakten checken

Faktenchecker nehmen für sich in Anspruch, Täuschungen aufzudecken.

Von Stefan Millius*

Was sie aber in Wirklichkeit oft tun: Dinge «widerlegen», die gar nicht behauptet wurden, um eine Quelle zu diskreditieren.

Es klingt überaus praktisch. Man liest in einer Zeitung oder in den sozialen Medien etwas, findet es ziemlich bemerkenswert, weiss aber nicht so recht, ob es denn stimmen kann. Aber hurra, dafür gibt es ja die Faktenchecker. Das ist weder ein staatlich geprüfter Beruf noch ein sonst überprüfbarer Ausweis für irgendetwas. Faktenchecker ist man, sobald man sich als solcher bezeichnet. Und natürlich ist man selbst immer der Beste seines Standes.

Wie aber checkt ein Faktenchecker die Fakten? Weiss er alles? Einfach so. Nein, natürlich nicht. Er vergleicht das, was zu überprüfen ist – beispielsweise eine Studie –, mit den Quellen seines eigenen Vertrauens. Stimmen die beiden nicht überein, dann ist die Studie eine pure Lüge, fertig.

Das wäre fragwürdig genug. Denn wer checkt die Fakten der Quelle, die für den Faktenchecker das Nonplusultra ist?

Wenn die Fakten stimmen, aber nicht genehm sind, was dann?

Aber es kommt noch besser: Wenn der Faktencheck ergibt, dass alles stimmt, es aber nicht stimmen darf, weil es nicht ins Konzept passt, dann muss ein anderes Instrumentarium her. Das zeigt ein aktuelles Beispiel, von dem unter anderem «Die Ostschweiz» betroffen war.

Es geht um eine Studie aus Harvard, die wir hier vorgestellt haben. Thematisiert wurde sie nicht nur hier, sondern auch auf anderen Portalen wie «Inside Paradeplatz» Zackbum.ch und dem «Nebelspalter», letzteres durch den hier Schreibenden. Die Arbeit eines Professors und seines Teams war ziemlich aufsehenerregend. Sie zeigte auf der Grundlage von Untersuchungen in 68 Ländern, dass zwischen der Höhe der Impfquote und der Zahl der Ansteckungen an Corona kein Zusammenhang besteht.

Das wollten die meisten Zeitungen ausser den erwähnten nicht herausposaunen, weil es nicht zur Impfoffensive passt. Aber siehe da, nachdem die Studie doch eine gewisse Öffentlichkeit erreicht hatte, befand der «Tages-Anzeiger», er müsse sie nun doch thematisieren. Aber nicht etwa aufgrund ihrer Kernaussage, sondern um die genannten Zeitungen zu belehren, sie lägen völlig falsch. Auch eine Faktenchecker-Seite nahm Berichterstattungen rund um die Studie aufs Korn und kam zum selben Schluss:

Alles Käse, die Arbeit aus Harvard wird missbraucht für Falschaussagen.

Nur dass das nicht stimmt. Die Studie ist eindeutig. Das einleitende «Summary», also eine Kurzzusammenfassung der wesentlichsten Erkenntnisse, ist an Eindeutigkeit nicht zu überbieten: Möglichst viele Impfungen bringen nichts in Bezug auf Reduktion der Ansteckungen. Und das ist zugleich auch die Schlüsselaussage der ganzen Arbeit, ansonsten hätte sie es kaum in den Titel der Studie geschafft, der da heisst:

«Increases in COVID-19 are unrelated to levels of vaccination across 68 countries and 2947 counties in the United States»

Basta und aus.

Der «Tages-Anzeiger» hätte nun gerne in der Tradition wahrer Faktenchecker das, was in «Die Ostschweiz» und anderen Zeitungen stand, widerlegt, nur war das leider nicht möglich. Die Autoren der Studie sind unangreifbar und können nicht mal schnell zu «umstritten» degradiert werden, wie das aktuell Mode ist, und an den Erkenntnissen kann man ebenfalls nicht rütteln.

Die einfachste Methode der Faktenchecker, ohne gross hinzuschauen einfach den Absender zu diskreditieren – das ging hier nicht.

Dem Fakteningeniör ist nichts zu schwör

Also wählte man einen anderen Weg. Der Mann beim «Tages-Anzeiger» las die Studie (löblich, das haben wir auch gemacht), griff einen anderen Satz heraus und machte ihn zum Kronzeugen des Faktenchecks. Der Harvard-Professor habe keineswegs etwas gegen Impfungen gesagt, hiess es sinngemäss, das sei eine unzulässige Verdrehung, denn, Zitat:

«Die mangelnde Korrelation zwischen Impfung und Fallzahlen zeigt für ihn einfach, dass es neben der Impfung noch andere Massnahmen braucht.»

Der Satz ist völlig korrekt. Er ist aber auch völlig irrelevant. Denn keine der wenigen Zeitungen, die die Studie thematisierten, hat das Gegenteil davon behauptet. Niemand hat geschrieben, der Professor lege sich gegen Impfungen ins Zeug und empfehle, sie einzustellen. Niemand hat behauptet, dass die «mangelnde Korrelation» die einzige Aussage in der Studie war.  Die Studie ist relativ umfangreich und zeigt sehr viele Sachverhalte auf. Keiner davon ändert aber etwas an der Kernaussage: Die Ausbreitung von Covid-19 steht nicht in Zusammenhang mit der Impfquote.

Ob die Harvard-Leute finden, man müsse neben der Impfung noch anderes tun, ist unerheblich. Der «Tages-Anzeiger» selbst schreibt ja von der «mangelnden Korrelation zwischen Impfung und Fallzahlen», bestätigt also das, was wir und andere geschrieben haben. Aber weil diese Botschaft unerwünscht ist, versucht man, sie zu schwächen, indem man auf weitere Erkenntnisse der Studie hinweist und so tut, als würden die etwas am Kern der Sache ändern.

Etwas lückenlos Belegtes soll in Zweifel gezogen werden, indem man von etwas ganz anderem spricht, das ebenfalls belegt ist. Es ist ein bisschen so, wie wenn man sagen würde, die Gleichung «1 + 1 = 2» sei falsch, weil ja bekanntlich zugleich die Schwerkraft existiert.

Das klingt verrückt. Aber es nennt sich Faktencheck.

*Stefan Millius ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz», wo dieser Artikel zuerst erschien. René Zeyer schreibt regelmässig auf dieser Plattform.