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Heuchler Knellwolf

SVP böse, blöd und gefährlich. Megafon der Reitschule nicht der Rede wert. Aschgrau.

Thomas Knellwolf war Co-Leiter des Recherchedesks von Tamedia und ist seit 1. Juli Mitglied der Bundeshausredaktion des Konzerns. Er habe nach 8 Jahren mal was Neues gesucht, liess er verlauten. Anstand und moralische Massstäbe gehören offenbar nicht dazu.

Mit seinem ersten Stück in seiner neuen Rolle haute Knellwolf zusammen mit einem weiteren Redaktor einen SVP-Provinzpolitiker in die Pfanne. Der hatte in seiner kleinen Chat-Gruppe stolz von einem Gespräch mit seinem SVP-Regierungsrat des Kantons St. Gallen berichtet. Man sei übereingekommen, sich gegen die Forderung des BAG nach obligatorischen Corona-Tests in Schulen zu wehren; «Feuer frei!», schrieb der Politiker nassforsch.

Das brachte ihm ein grosses Stück hinterfotziger Demagogie ein: vergangenen Samstag wurde diese Bemerkung von Tamedia zur Titelgeschichte hochgejazzt und im Blatt drin auf einer Seite nach allen Regeln der schwarzen Kunst hingerichtet. Hauptvorwurf: solche Aufforderungen könnten von Amoks als Handlungsanleitung missverstanden werden, also aus virtueller Hate Speech könne schnell reale Gewalt werden, wer im übertragenen Sinn «Feuer frei!» fordert, könnte dafür verantworlich sein, dass jemand tatsächlich auf einen Mitarbeiter des BAG schiesst.

Der medienungewohnte Politiker wurde vorgeführt; dass er zuerst eine Stellungnahme abgab, die dann wieder zurückzog, hämisch vermerkt. Natürlich auch, dass der mediengewandte SVP-Regierungsrat keinen Anlass sah, sich von diesem Gespräch zu «distanzieren», obwohl er von Tamedia dazu aufgefordert wurde.

Warum nicht nochmal draufhauen, wo’s so schön ist

Richtig Spass machte es natürlich, in einem Kommentar eine Breitseite nachzulegen:

«Der St. Galler Bildungsdirektor Stefan Kölliker will sich nicht von einer «Schiess»-Aufforderung auf das BAG in seinem Namen distanzieren. Das ist gefährlich.»

Höhepunkt des Nachtretens ist ein vergiftetes Lob mit angeschnallter Giftspritze: «Alles wirkt etwas bieder. Aber ist Stefan Kölliker auch ein Brandstifter? Darauf lässt eine Aufforderung seines Kreisparteipräsidenten von vergangener Woche schliessen, die viel Aufsehen erregte.»

Zunächst: Der Tagi erregte so viel Aufmerksamkeit, wie er nur konnte. Sonst niemand. Aber: «Das Beängstigende an der «Schiess»-Aufforderung aus St. Gallen ist, dass sie von einem Kantonsparlamentarier kommt. Und im Namen eines Regierungsrats erfolgt.» Schlussfolgerung:

«Das ist gefährlich, denn jemand könnte die Aufforderung wörtlich nehmen.»

Nein, Herr Knellwolf, gefährlich ist etwas ganz anderes. Wie es der dumme Zufall wollte, veröffentlichte das «megafon» aus der Berner Reitschule einen Tweet, in dem sich diese Amoks über die Tamedia-Redaktorin Michèle Binswanger fürchterlich aufregten. Zur Illustration mechten sie ihren abgeschlagenen Kopf in eine Darstellung der Guillotine während des Terrors der Französischen Revolution, wo die Häupter der Geköpften dem johlenden Volk triumphierend entgegengestreckt wurden.

Neben Applaus oder wohlwollender Erwähnung – unter anderem von Jolanda Spiess-Hegglin, der grossen Vorkämpferin gegen Hass im Internet – löschte das «megafon» diese geschmacklose Entgleisung mit dem Ausdruck des Bedauerns, hielt aber an seiner Kritik fest. Immerhin. Es wäre ja nun auf der Hand gelegen, dass tapfere Kämpfer gegen Hate Speech und gefährliche Gewaltandrohungen im Internet sich vielleicht deutlich von dieser missverständlichen Aufforderung, Binswanger zu enthaupten, distanziert hätten.

Lustig? Kunst? Ironie? Nicht der Rede wert.

Als das nicht geschah, bot ZACKBUM den beiden Autoren des «Feuer frei!»-Anklagestücks und auch dem Oberchefredaktor Arthur Rutishauser Gelegenheit, sich zu erklären. Warum auf die SVP eingeprügelt werde, aber der Kopf-ab-Aufruf gegen eine eigene Mitarbeiterin einfach ignoriert. Und was Rutishauser im Rahmen seiner Fürsorgepflicht zum Schutz von Binswanger zu unternehmen gedenke.

Ein Satz der Erklärung oder Rechtfertigung? Ach, was, niemals

Reaktion: keine Reaktion. Keine Antwort. Nicht mal eine Antwort, die dann zurückgezogen wurde. Dazu war sogar der SVP-Politiker in der Lage, die sonst so eloquenten Redaktoren von Tamedia nicht; sie schwiegen verbissen. Feige. Im Bewusstsein ihrer unsäglichen Heuchelei. Schwiegen sie tatsächlich?

Aber nein, Knellwolf fand noch die Zeit, mit diesem Kommentar nachzulegen und das Feuer auf den SVP-Regierungsrat zu verstärken. Wenn etwas wirklich gefährlich, beängstigend und mehr als fragwürdig ist, dann dieses Verhalten von Tamedia-Journis. Nach einer solchen offenkundigen Heuchelei, Doppelmoral, Einäugigkeit, Unfähigkeit, wenigstens überall die gleiche Position zu beziehen: wie wollen die erwarten, dass man irgend eine Äusserung von ihnen noch ernst nimmt?

Knellwolf schreibt vielleicht einen Artikel über die herrschende Doppelmoral in Bern, unter Politikern? Über deren opportunistische Parteilichkeit? Das kann doch nur mehr als Realsatire mit hohem Lächerlichkeitsfaktor wahrgenommen werden. Man kann Knellwolf eigentlich nur einen wohlmeinenden Karrieretipp geben: Gastspiel in Bern beenden, als Komödiant zum «Nebelspalter» wechseln. Ein weiterer Vorteil davon wäre: seine zukünftigen Publikationen fänden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

 

War auch mal so ein Versuch, Erfolg zu haben …

Knellwolf knattert weiter gegen die SVP, Rutishauser rafft sich immerhin zu einem Kommentar auf

Aber immerhin, nach längerer Bedenkzeit rückte Arthur Rutishauser noch kurz vor dem Fussballmatch einen «Kommentar zum Angriff auf eine Tamedia-Journalistin» ins Netz. Denn am Dienstagabend fällt ihm endlich auf: «Am Sonntag ist es gegenüber einer der profiliertesten Journalistinnen unserer Redaktion zu einer schweren Grenzüberschreitung gekommen.» Immerhin:

«Darum reichen wir trotz der Entschuldigung Strafanzeige gegen «Megafon» ein. Dass sich Jolanda Spiess-Hegglin, ehemalige Politikerin, Journalistin und selbst ernannte Kämpferin gegen Hass im Netz, nicht zu schade war, den Tweet auch noch zu liken, ist beschämend.»

Mein Mathematiklehrer am Gymnasium pflegte in solchen Fällen Schiller zu zitieren: spät kommt ihr, doch ihr kommt. Worauf sich verspätete Schüler mit rotem Kopf an ihren Platz begaben. Knellwolf kommt nicht zu spät, sondern schwänzt schlichtweg. Während Rutishauser, dafür muss man ihm gratulieren, zum Schluss seines Kommentars donnert:

«Besorgniserregend ist, dass mittlerweile ein Teil der politischen Linken so intolerant geworden ist, dass sie auf jeglichen Anstand verzichtet und Volksverhetzung betreibt.»

Vielleicht fällt ihm noch rechtzeitig auf, dass seine Redaktionen davon auch nicht ganz frei sind.