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Schrotschuss-SVP

Warmlaufen für den Wahlkampf. Mit Fehlzündungen.

Es geht mal wieder um alles. Würde Constantin Seibt sagen, wenn er überhaupt noch etwas sagen oder schreiben würde. Um den Untergang der Schweiz oder ihr Überleben. Um Prosperität oder Elend. Um den Ausverkauf aller Werte oder ihre Bewahrung. Oder um die Luft rauszulassen: es geht um Wahlen.

Da werden überall noch die Kanonen justiert, erste Böllerschüsse abgegeben, um die Reaktionen zu testen. Die Jusos St. Gallen beschimpfen die später siegreiche SVP-Ständeratskandidatin mit unflätigen Ausdrücken wie «Kackscheiss». Da hält sich die Erregung der Mainstream-Medien in Grenzen.

Dann probiert es die SVP mir eher untaugliche Mitteln. Natürlich konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, aus dem Foto von betenden muslimischen Armeeangehörigen im Kampfanzug etwas zu machen. Der erste Versuch war noch einigermassen harmlos. «Wer will, dass die Schweiz Schweiz bleibt, wählt SVP!» Ist im ersten Anlauf nicht schlecht, kann man aber noch daran arbeiten; etwas redundant, nicht wirklich knackig, leicht holperig.

Das schien auch der SVP aufgefallen zu sein, also legte sie nach: «Was kommt als Nächstes? Kinder-Ehen, Scharia-Gerichte, Steinigungen?» Das ist zwar nicht völlig aus der Luft gegriffen, in anderen europäischen Ländern gibt es bereits anerkannte Scharia-Gerichte. Das gab dann auch das gewünschte Hallo, und der SVP wurde die Glaubens- und Gewissensfreiheit um die Ohren gehauen. Die sie mit diesem Tweet allerdings auch nicht in Frage gestellt hatte.

Dann sah sich der Polterer vom Dienst bemüssigt, seinem Ruf nachzuleben: «So, jetzt ist die Armee definitiv verloren», behauptete SVP-Nationalrat Andreas Glarner. Dem Mann sollte man nahelegen, das mit Twittern einfach mal eine Weile zu lassen. Denn das war nun – um den Ausdruck «Kackscheiss» zu vermeiden – reiner Schwachsinn.

Natürlich heult dann Glarner auf, wenn er sich mit dieser Rüpelei der Jusos konfrontiert sieht:

In deren Shop gib es noch mehr Trouvaillen starker Sprüche:

Damit kann man ein starkes Zeichen im Sinne des Dummschwätzers Fabian Molina setzen, der mit seiner Teilnahme an einer unbewilligten Demo (mit Sachschäden) dafür sorgen wollte, dass «Züri stabil Nazifrei» bleibe.

Aber der absolute Liebling von ZACKBUM ist dieser hier; wir wären fast versucht, dafür 20 Franken aufzuwerfen:

Das ist eine schöne Imitation von Vergangenem, das nun nicht wirklich in eine strahlende Zukunft führte:

Oder möchten die Jusos damit andeuten, dass sie es mal wieder mit stalinistischen Methoden der untergegangenen UdSSR probieren möchten?

Man sieht: alle Parteien müssen noch etwas üben, bevor sie die Betriebstemperatur erreicht haben.

Hilfe, mein Papagei onaniert V

Hier sammeln wir bescheuerte, nachplappernde und ewig die gleiche Leier wiederholende Duftmarken aus Schweizer Medien. Subjektiv, aber völlig unparteiisch. Diesmal die Jugendunruhen in St. Gallen.

 

Die Leerstelle

Normalerweise schreiben wir über realisierte Attacken auf die deutsche Sprache, die Logik, die Wirklichkeit oder journalistisches Ungenügen in jeder Form. Diesmal müssen wir uns aber über eine Lücke sorgen.

Blick himmelwärts gerichtet.

Das dürfte der Flughöhe des neuen «Nebelspalter» entsprechen. Das Auge erfreut sich an einem wunderschönen Sonnenaufgang; welche Farben, welches Gemälde. Das ist schön, nur: die Wirklichkeit liegt unter der Nebeldecke.

Der grösste Skandal, der zurzeit die Schweiz umtreibt, liegt unter der Nebeldecke. Für den «Nebelspalter». Ist die Ankündigung eines neuen Virus-Typs aus Brasilien tatsächlich Corona-Hysterie? Ist das Porträt einer 24-jährigen Präsidentin des «Energie Club Schweiz» ein Must? Nur weil sie für Atomkraft ist?

Sind das wirklich die Themen nach Ostern? Fehlt da nicht was? Fehlt da nicht einiges? Natürlich soll der «Nebelspalter» offensichtlich keiner Berichtspflicht genügen müssen. Das ist auch völlig okay.

Zwei Überthemen in der Schweiz aktuell, neben Corona

Was nicht okay ist: Bei der Credit Suisse spielt sich gerade wieder einmal ein Skandal ab, der nicht nur wegen des Doppelschlags der Hiobsbotschaften singulär ist. Der Bank drohen Multimilliardenverluste. Ihr Risk Management ist weiterhin unter jeder Kanone. Dem abtretenden VR-Präsidenten Urs Rohner droht das gleiche Schicksal wie weiland Marcel Ospel.

Es ist keinesfalls klar, ob die CS dieses Desaster in ihrer heutigen Form überleben wird. Ob sie Staatshilfe als systemrelevante Bank anfordern muss. Wer von der aktuellen Geschäftsleitung und vom Verwaltungsrat spätestens nach der GV noch im Amt sein wird, ist völlig unklar. Das ist nun ein absolutes Must-Thema, selbst wenn man nur beitragen könnte, dass einem die Krawatten von Rohner noch nie gefallen haben.

Aber: Pausezeichen. Nicht mal Nebel. Nichts gespalten. Null. Dann gäbe es noch die rechtsstaatlich mehr als fragwürdige Aktion der St. Galler Polizei, über 600 ihnen verdächtig vorkommende Jugendliche ohne grosse Anhörung wegzuweisen. Nicht etwa für 24 Stunden, sondern für die maximale Dauer von 30 Tagen.

Dazu muss ein sich als «klar liberal» bezeichnendes Magazin etwas sagen. Müsste.

Da wir als Bezahlschranken-Leugner nur sehr beschränkten Zugang zum Inhalt haben, liessen wir mal von zwei Fachleuten die Performance der Webseite analysieren. Deren vernichtendes Urteil werden wir demnächst veröffentlichen. Hier nur ein erster Kommentar: «Die Homepage hat den Charme eines Wühltischs.»

Wegweisen, warum nicht?

Selbst der «Blick», der sich wohl nicht als «klar liberal» bezeichnen würde, kümmert sich um die Frage: «Sind die Rayonverbote legal?» Eigentlich nicht, ist das unsichere Ergebnis, aber.

Hier zeigt auch der «Blick» eine bedenkliche Schwäche bei der Verteidigung des Rechtsstaats. Unbestritten, dass die Ordnungskräfte diese Kompetenz haben. Aber: sie sollte nur mit Vorsicht ausgenützt werden, denn hier gilt sozusagen die Beweisumkehr. Nicht die Staatsmacht muss Absicht oder Schuld nachweisen, um sanktionieren zu können. Der Jugendliche, der am Ostersonntag den Fehler machte, vom St. Galler Hauptbahnhof aus zu welchem Behuf auch immer in die Stadt zu spazieren, musste belegen, dass er das nicht in der Absicht tut, dort Randale zu veranstalten.

Wie kann er das? Selbst wenn er die Bestellung für ein Sushi auf seinem Smartphone vorweisen kann: was spricht dagegen, dass er so gestärkt zum Gewalttäter wird? Es kommt hinzu, dass prinzipiell Wegweisungen für 30 Tage ausgesprochen wurden. Dieses Maximum erfordert obligatorisch eine Anhörung des Betroffenen. Das sei angesichts der vielen Jugendlichen nicht möglich gewesen, räumt die Polizei ein.

Wie steht es denn mit Jugendlichen, die in der Stadt arbeiten oder zur Schule gehen? Der Sprecher der Stadtpolizei darf im «Blick» unkommentiert sagen: «Wer Zweifel hat, ob er zur Schule darf, kann uns anrufen und fragen.» Dümmer als die Polizei erlaubt; das gilt offenbar nicht für die Polizei selbst.

Leider offenbart der «Blick» auch kleine Schwächen bei seinen Kernthemen.

Ist die NZZ klar liberal?

Immerhin, sie weicht dem Thema nicht aus und erteilt einem Strafrechtsprofessor das Wort. der ist nun in erster Linie Staatsangestellter, also temperiert er seine Kritik an dieser Massnahme auf lauwarm runter. Er hält Wegweisungen für ein taugliches Mittel, logo, ist aber «überrascht» über die Ausnützung der Maximaldauer von 30 Tagen: «Das scheint mir sehr lange zu sein.»

Messerschärfer könnte man das nicht formulieren. Der Professor ist zudem verwundert, dass das Rayonverbot für die ganze Stadt St. Gallen inklusive Aussenquartiere ausgesprochen wurde. Dass es in diesem Fall eine ordentliche Anhörung des Betroffenen bräuchte, ist ihm aber keine Bemerkung wert.

Dafür macht er auf das absurde Mittel des Rekurses aufmerksam. Bitte schriftlich ans Sicherheits- und Justizdepartement richten. Da die Einsprache keine aufschiebende Wirkung hat und es dem Betroffenen wahnsinnig viel nützt, wenn am Tag 31 entschieden wird, dass in diesem Einzelfall das Rayonverbot zu Unrecht ausgesprochen wurde, ist das Pipifax.

Im Übrigen zeigt hier die Verödung der Schweizer Medienlandschaft wieder ihr hässliches Gesicht. Die Gratisportale berichten so neutral wie möglich. Tamedia und CH Media stellen sich eindeutig hinter die Massnahme. «Blick» und NZZ eiern.

Nur «Die Ostschweiz» bezieht klar Stellung: «Der Rechtsstaat ausser Rand und Band», leitartikelt der Chefredaktor. Immerhin ein klar Liberaler.

 

Packungsbeilage: René Zeyer publiziert auf «Die Ostschweiz» und hat sich dort schon selbst zu den Ausschreitungen geäussert.

 

Onanieren mit Parisern

Pardon, das ist nicht vulgär, sondern ein Zitat vom grossen Bertolt Brecht. Gut, den kennen die heutigen Kindersoldaten des Journalismus auch nicht. Aber man kann ja googeln.

Es war eines der Lieblingszitate meines Streitgenossen Niklaus Meienberg (auch googeln, bitte): «Es gibt Menschen, die onanieren. Es gibt Menschen, die vögeln mit Parisern. Und es gibt Germanisten, die onanieren mit Parisern.»

Das hat mich als studierten Germanisten hart getroffen, aber natürlich hatten Brecht und Meienberg völlig recht. Dieses Zitat kann man auch prima auf die aktuelle Journaille anwenden.

Die geht da sogar noch einen Schritt weiter, sozusagen. Sie greift sich reihum in den Schritt und massiert das Gemächt. Ohne Rücksicht darauf, wie peinlich das für die Zuschauer ist. Ein aktuelles Beispiel dafür, denn mehr würden bei Autor und Lesern wohl Würgereflexe auslösen.

Da schreibt der Leiter der Bundeshausredaktion der ehemaligen Qualitätsmedien aus dem Hause Tamedia eine sogenannte «Analyse zu St. Gallen». Für diesen Tiefflug über unbekanntem Gelände sollte man Fabian Renz die Verwendung des Wortes Analyse für seine Restlaufzeit als Journalist verbieten.

Unbelegtes Gefasel, eine Dummheit auf die nächste gestapelt. Sein Tagi-Kollege Marc Brupacher hatte schon zuvor auf Twitter etwas in die Debatte gerülpst. In seiner üblichen strahlenden Dummheit.

Journalisten loben Journalisten – öffentlich

Lässt sich das noch steigern? Locker. Kaum ist diese Schwachstrom-«Analyse» erschienen, dieser in Buchstaben gefasste Wackelkontakt mit der Wirklichkeit, enblöden sich andere Tagi-Mannen nicht, ihrem Kollegen an den, nein, so wollen wir das nicht formulieren. Obwohl, wie sollte man diesen Tweet von Sandro Benini sonst bezeichnen:

Man kann sich winden und wegdrehen, mehr nicht.

Häufig? So Kommentare von Laura de Weck, Barbara Bleisch, Peter Burkhardt und vielen anderen? Ein Tiefpunkt nach dem anderen. Während sich sogar das Kummer gewohnte Lesepublikum darüber lustig macht, setzt Brupacher noch ein kleines Highlight:

Du rubbelst mich, ich rubble dich, wir rubbeln uns.

Daraus kann man ableiten, dass Brupacher nicht der Ansicht von Benini ist. Aber wer alles Dumm-Kommentare schreibt, das verrät uns der leitende Tagi-Redaktor leider nicht.

Man muss sich schon fragen, welches Niveau hier noch nach unten durchbrochen werden kann. Tamedia gleicht immer mehr einem tiefergelegten Auto. Bodenabstand kaum mehr vorhanden, jede kleine Bodenwelle lässt das Blech wegfliegen.