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Grosses Wehklagen über Leutschenbach

In der Schweiz hat das Gebühren-Fernsehen eine besondere Bedeutung.

In Deutschland zum Beispiel haben die Staatsfunker von ARD, ZDF und den ganzen Regionalsendern schon längst die Deutungshoheit im Äther verloren. Vielleicht mit Ausnahme der klassischen Nachrichtensendungen wie «Tagesschau» oder «heute».

Das ist in der Schweiz noch etwas anders. «Talk täglich» könnte man als einzig ernstzunehmende Konkurrenz zum SRF-Programm bezeichnen, dann noch Quatsch-Sendungen wie «Bauer macht Bäuerchen» oder «Welchen Mann, welche Frau will ich flachlegen?».

SRF hat die absolute Lufthoheit

Aber ansonsten hat SRF mit allen angeschlossenen Kanälen weiterhin die absolute Lufthoheit. Bislang sind alle Versuche kläglich gescheitert, ein nationales Privat-TV dagegen antreten zu lassen. Das wurde sowieso zumeist nur auf Deutsch probiert, von Zwei- oder Dreisprachigkeit (sorry, liebe Rätoromanen, aber ihr als Zielgruppe interessiert nun wirklich nicht) ganz zu schweigen.

Ach ja, dann gab es noch den Versuch eines Kamikaze-Fliegers, mit pakistanischen Financiers CNN Money Switzerland gegen die Wand fahren zu lassen. Aber das war von Anfang an rausgeschmissenes Geld.

Andererseits leistet die Schweiz weiterhin den Luxus, für einen einzigen Kanton ein volles Programm zu liefern. Was zur Absurdität führt, dass SRF im Tessin der zweitgrösste Arbeitgeber ist, nach der kantonalen Verwaltung. Aber was tut man nicht alles für Konkordanz und Willensnation.

Eine eiserne Lady räumt auf

Nun zeigt aber die neue Chefin am Leutschenbach, dass hinter grosser Intellektuellenbrille und konziliantem Ton eine eiserne Lady steckt. Nach erstaunlich kurzer Eingewöhnungszeit kündigte Nathalie Wappler Sparmassnahmen, eine Neuausrichtung aufs Digitale, Entlassungen und die Streichung von Sendungen an.

Nach kurzer Schockstarre und verzweifelt dreinblickenden Journalisten, dass nun nicht mal mehr SRF einen zur Pensionierung trägt, gab es natürlich Riesengeschrei. Allerdings – wie sicher von Wappler erwartet – nicht vereint, sondern wie üblich jeder für sich und alle gegen alle.

Jeder ist sich natürlich selbst der Nächste

«Man kann schon streichen, aber diese Sendung ja nicht. Man kann schon einsparen, aber hier auf keinen Fall. Man kann schon auch zu Entlassungen greifen, aber hier braucht es jeden Mann und jede Frau.» Das ganze Klavier wurde hoch und runter gespielt, eigentlich ein ganzes Orchester. Service publique, trompetet die Bläser-Abteilung. Zusammenhalt der Regionen, Lagerfeuer, schmachten die Geigen. Traditionen, Kulturen, Regionales, Schweizerisches, bummern die Pauken, zischen die Becken.

Und jede Abteilung, jedes Ressort, jedes Thema darf kurz vortreten und zum Solo ansetzen: Hier kann nicht, darf nicht, soll nicht gespart werden. Sonst bricht zwar nicht die Welt zusammen, aber die Schweiz auseinander.

Zuvorderst machen sich die Dichter mal wieder lächerlich

Wie immer an vorderster Front lächerlich machen sich die Berufsschreiber, die sich selber berufen fühlenden Schriftsteller. Sie versuchten es mal wieder mit einem offenen Brief, den Krethi und Plethi unterzeichnete. Das Aus für die Radiosendung «Die 52 besten Bücher» sei furchtbar, da breche «eine Plattform weg», damit komme SRF sicher nicht besser aus der Krise, also wirklich, man bitte um Überdenken und Alternativen und überhaupt.

Bezeichnend auch mal wieder, dass keinem der unterzeichnenden Schreibgrössen ein sinnvoller Vorschlag einfiel. Das machte es Wappler leicht, diesen Zwergenangriff abzuschmettern.

Religiöse Gefühle verletzen ist heikel

Schon heikler ist es natürlich bei der Religion. «Zwischenhalt» und «Blickpunkt Religion» werden auch gestrichen. Wem diese Lücke gar nicht auffallen würde: Also bitte, diese Sendungen leisten einen «wichtigen Beitrag für den Religionsfrieden». Will Wappler also verantworten, dass schlimmstenfalls wieder Religionskriege aufflammen, Kappeler Milchsuppe getrunken werden muss?

Da kämpfen Christen, Juden und Muslime für einmal Schulter an Schulter mit einer Petition gegen diesen «Kahlschlag», gegen diesen Versuch der «Ghettoisierung religionsbezogener Information». Da ist man schon knapp vor unstatthaften Vergleichen wie «Endlösung der Religionsfrage», «Gottesverleugnung» und ähnlichem Unsinn.

Dabei ist schon seit Jahren bekannt, dass in Deutschland und in der Schweiz, aber nicht nur hier, der Wasserverbrauch deutlich ansteigt, wenn das «Wort zum Sonntag» ausgestrahlt wird. Nein, damit werden keine Taufbecken gefüllt.

Da muss sich Wappler vielleicht noch etwas einfallen lassen. Aber an einer Telefonkonferenz am Dienstagnachmittag mit Journalisten, nachdem sie sich mit interner Information schon warmgelaufen hatte, zeigte Wappler einmal mehr, dass sie kommunikativ nicht viel Beratung braucht.

Wappler ist zweifellos eine Naturbegabung

Abbau von 221 Kostenstellen in fünf Jahren, dazu die Schaffung von 95 neuen, Umschulungen und Pensionierungen, da müssen die Gewerkschaften schon tief Luft holen, um sich mit rotem Kopf aufregen zu können.

Die News-Chefin sei im Fall nicht gefeuert worden, sondern selber gegangen, jede einzelne gestrichene Sendung wie «Eco», «Sport aktuell» oder «Miini Schwiiz, diini Schwiiz» sei natürlich bedauerlich, aber was soll man machen.

Wir gratulieren und sehen mal etwas ganz positiv

Ach, und SRF konkurrenziere die Privatverlage mit «digital first»? Kein Problem für Wappler, schaut Euch doch mal die Konzession an, da steht drin, dass die SRG auch Angebote für Junge herstellen muss, und die muss man dort abholen, wo sie sind. Also im Netz. Sonst noch Fragen?

Keine mehr, nur tiefe Verneigung, so macht man das. Die schlechten Nachrichten rauspusten, dann begründen, wirklich ein Musterbeispiel von gelungener Kommunikation. Gut, dass die Journis Beisshemmung hatten, kommt Wappler auch zugute. Denn jeder denkt sich natürlich, dass er bei der nächsten Sparrunde vielleicht doch versucht, bei Papa SRF unterzuschlüpfen. Und da ist es sicher nicht gut, die oberste Chefin sauer zu machen.

 

Das letzte Lagerfeuer

50 Jahre Tatort und eine Vorschau auf den neusten Schweizer Dreh.

Am 29. November 1970 strahlte die ARD die erste Tator-Folge aus: «Taxi nach Leipzig».  Ein Toter auf einem Rastplatz der Transitautobahn in die DDR. Kalter Krieg, Volkspolizisten, 61 Prozent Einschaltquote. Der Erfolg begann sofort. Die Schweiz beteiligte sich erst ab 1990 an den Produktionen, mit einer Pause zwischen 2001 und 2011. Die Schweizer Tatorte hatten leider oft tiefe Einschaltquoten und nicht die besten Kritiken. Nun versucht SRF einen Neustart. Die Handlung ist statt in Luzern in Zürich angesiedelt, ein weibliches Duo ermittelt.

Interessieren Rückblenden auf die Zürcher Unruhen?

Am kommenden 18. Oktober kommt der erste, 2019 abgedrehte Schweizer Tatort auf die Sender ARD, ORF und SRF. Er heisst: «Züri brännt». Der Titel ist eher Insidern ein Begriff. Er nimmt Bezug auf einen gleichnamigen, systemkritischen Film von 1981. Dabei will der Tatort-Krimi die Opernhauskrawalle von 1980 mit der Gegenwart verbinden und «dem Tatort Tiefenschärfe geben». So zumindest beschreibt Alexandra Kedves das Konzept im Tages-Anzeiger. Wird es eine Art Platzspitz-Baby? Im Film soll eine heutige Staatsanwältin 1980 durch die Flucht vor dem Tränengas fast schon traumatisiert worden sein. Eine blutige Abrechnung mit dem damalige Establishment ist weniger zu erwarten, auch wenn da und dort sicher noch Wut vor jener Staatsgewalt da ist. Aber ob sich vor allem das deutsche Millionenpublikum von so einer lokalen Begebenheit beeindrucken lassen? Strassenschlachten gab es in Frankfurt oder Hamburg Schlimmere.

Euphorie ist anders

Immerhin spielen mit Carole Schuler und mit Anna Pieri Zürcher zwei Frauen die Ermittlerhauptrollen. «Sie haben das Herz am rechten Fleck und eine Kratzbürstigkeit mit Sympathiepotenzial», urteilt Alexandra Kedves. Potenzial ist wichtig. Denn die Schweizer Tatorte kamen in den letzten Jahren selten gut weg. Experimentelle Episoden «Die Musik stirbt zuletzt» von Regisseur Dani Levy bestätigten die Regel.

Alexandra Kedves hat den neuen Tatort schon gesehen. Ihr Urteil: «Nobody’s perfect. Aber man darf auf die kommenden Folgen gespannt sein». Also durchgefallen. Sind es die Erinnerungsclips, mit denen der Film laut «TA» intensiv arbeitet. Ist es der Mehrwert, «dass der Film darunter manchmal schier schlappzumachen droht?».

Das Rezept vom Tatort-Erfinder

Kürzlich hat die Deutsche Presseagentur die 50 Jahre Tatort gewürdigt. Der 2018 verstorbene Tatort-Erfinder Gunther Witte vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) soll folgendes «Rezept» gehabt haben: «Keine Kunstkino-Storys, keine komplizierten Vorschauen und Rückblenden, in den ersten Minuten ein Toter oder eine Tote und dann die Ermittlung: Wer war es – und warum.»

Dieses Rezept verspricht keinen besonders guten Erfolg für «Züri brännt».

Anzunehmen ist, dass SRF die politischen Aussagen schön ausgewogen platziert hat in den Handlungssträngen. Denn alle haben Angst vor neuen Volks-Initiativen, welche SRF beschneiden wollen. Und vor parlamentarischen Vorstössen und öffentlichen Streitereien mindestens so sehr. Schon 2011 wurde laut der «NZZ am Sonntag» eine Schweizer Tatort-Folge überarbeitet. Grund: Nicht die zu komplizierte Geschichte oder der fehlende Lokalkolorit. Sondern eine unsympathische Figur, die ein SVP-Mitglied sein könnte. Laut SRF wurden Szenen geändert, weil man karikierende, überspitzte Politikerdarstellungen vermeiden wollte. Die damals verantwortliche SRF-Kulturchefin: Die heutige SRF-Chefin Nathalie Wappler. A propos karikierend und überspitzt. Im Tagi-Artikel von Alexandra Kedves sagt Urs Fitze, Leiter Fiktion von SRF, man habe im neusten Tatort nicht in erster Linie Realismus gesucht. «Wir wollen dem fiktionalen Erzählen viel Platz geben. Eine lustvolle Überhöhung soll den Tatort aus Zürich prägen».

Wie sich die Zeiten ändern können. Man darf also gespannt sein, wie die Zürcher Unruhen «lustvoll überhöht werden».

Die NZZ hält nichts von Spoilerwarnungen

Wer vor der Ausstrahlung am Sonntag, 18. Oktober, noch unschlüssig ist, ob er zugucken will, kann die Wochenend-Ausgabe der «NZZ» tags zuvor konsultieren. Dort wird jeweils der kommende Tatort in einer ganze Zeitungsspalte besprochen – komischerweise ohne jede Spoilerwarnung.

Auf der Website daserste.de sind übrigens viele Tatortfolgen anzuschauen. Angefangen bei Folge 1 vom 29.11.1970 «Taxi nach Leipzig» bis zu «Howalds Fall» mit Matthias Gnädinger und  Andrea Zogg von 1990. Zudem findet man viel Wissenswertes – zumindest für Tatortfans.

Was macht der Elefant im Raum?

Vor lauter Gejammer der Medienkonzerne kümmert sich kaum einer um SRF.

Sicher ist das Tessin ein Sonderfall. Dennoch ist es schon merkwürdig, dass das Schweizer Farbfernsehen der zweitgrösste Arbeitgeber im Kanton ist. Nach der Kantonsverwaltung. Wobei es auch einen regen Austausch zwischen beiden gibt.

Aber zunächst staatstragend: Wir sprechen natürlich von SRF, dem gebührenfinanzierten Service Publique für die einen, dem Staatsfunk mit Linksdrall für die anderen. Und der Gottseibeiuns für die Medienhäuser in der Schweiz.

SRF machte bislang allen privaten Versuchen, Funk und Fernsehen schweizweit zu etablieren, den Garaus. Viele, viele Millionen wurden in Experimente wie den Business Channel, TV3 oder gar CNN Money Switzerland verröstet. Selbst dem grossen Pionier Roger Schawinski gelang es nicht, mit Tele24 das Defacto-Monopol zu brechen.

Grosse Preisspanne bei der Sendeminute

Zurzeit bemüht sich einzig CH Media, mit einer Kollektion von Lokalradios, Lokal-TV-Stationen und Serien-Abnudel-Sendern, so etwas wie eine Konkurrenz aufzubauen. Trotz einzelnen Erfolgen wie «Bauer sucht Frau» oder munteren Talk-Sendungen ist das weit davon entfernt, von SRF als Konkurrenz empfunden zu werden.

Dabei spielt zunächst einmal hinein, dass die Herstellung einer Sendeminute einen gewaltigen Spielraum bei den Kosten hat. Eine halbe Stunde eingekaufte Serie kostet zwischen 2000 bis 5000 Franken. Je nach Alter, Beliebtheit und Sendetermin. 75 Minuten «Literaturclub» kosten hingegen knapp 60’000 Franken, 34 Minuten «Kassensturz» gar knapp 100’000 Franken. Roger Schawinski talkte dagegen für schlappe 15’000 Franken pro Sendung.

Aber das alles wir natürlich von einem Sendegefäss in den Schatten gestellt, bei dem die noch lebenden privaten Radio- und TV-Stationen gar nicht mithalten wollen: den Newssendungen. Für alle tagesaktuellen Nachrichtensendungen wirft SRF 50,3 Millionen Franken pro Jahr auf. Das ist mehr als jedes beliebige Redaktionsbudget in der Schweiz im privaten Medienbereich.

Die Nachrichtensendungen als das Filetstück der öffentlich-rechtlichen Sender

In der Schweiz probiert’s erst niemand wirklich, aber während in Deutschland zumindest in der werberelevanten Zielgruppe 14 bis 49 Jahre die grossen Privat-Sender ZDF und ARD weit hinter sich gelassen haben, sieht es bei einer Sendung ganz anders aus.

Die «Tagesschau» um 20 Uhr versammelt immer noch rund 10 Millionen Deutsche mit oder ohne Migrationshintergrund vor dem Bildschirm. «heute» um 19 Uhr im ZDF bringt es auf rund 4 Millionen. Erst dann kommt «RTL aktuell» mit  3 Millionen, weit abgeschlagen sind die «Sat1-Nachrichten» mit 1,3 Millionen Zuschauern.

Traumhafte Zahlen hat die «Tagesschau» von SRF; sie ist zwar nicht mehr das Lagerfeuer der Nation, aber bis zu 1,5 Millionen Zuschauer oder ein Marktanteil von weit über 60 Prozent um 19.30 Uhr, dagegen kommt niemand an.

Niemand? Nun, erst langsam und mühsam werden die Messgeräte für Einschaltquoten an moderne Zeiten herangeführt. Denn das «es wird gesehen, was auf die Mattscheibe kommt»-Publikum nimmt deutlich ab und stirbt auch langsam weg, weil das Durchschnittsalter der SRF-Zuschauer bei über 60 Jahren liegt; Tendenz Richtung AHV-Alter.

Analoges Fernsehen dämmert mit seinem Publikum weg

Falls Jugendliche überhaupt noch Nachrichten schauen, tun sie das immer häufiger zeitversetzt oder benützen eine Vorauswahl innerhalb ihrer Community. Auf jeden Fall haben sie eine sehr hohe Affinität für digitale Medien. Nun machen wir einen kurzen Ausflug auf die meistbesuchten Websites der Schweiz.

Natürlich nach Google, Facebook und Wikipedia.  «20 Minuten.ch» gelingt es immerhin, sich auf Platz 6 zu positionieren, noch vor der ersten Porno-Webseite. Dann hätten wir noch Kopf an Kopf «Blick.ch», «bluewin.ch» und «srf.ch.».

Die übrigen News-Seiten? Ach ja, da hätten wir «Tages-anzeiger.ch» dann auf Platz 39. Natürlich gibt es verschiedene Zählweisen und nicht wirklich objektive Rankings. Aber die Tendenz ist klar. Die Nase vorne haben zwei private Anbieter und zwei, nun, staatsnahe.

Wer wird sein Angebot in nächster Zeit kräftig ausbauen?

Dass bluewin.ch eine der meistbesuchten Newsseiten in der Schweiz ist, mag einige überraschen, die aber vielleicht auch nicht wissen, dass Migros und Coop die beiden mit Abstand auflagestärksten Zeitungen der Schweizer herausgeben.

Nun ist nicht anzunehmen, dass bluewin.ch sein News-Angebot in nächster Zeit massiv ausbauen wird. Das gilt wohl ebenfalls für «20Minuten» und «Blick». Bleibt, kopfkratz, grübel, studier, genau, der Kandidat hat 100 Punkte, SRF mit seinem 50 Millionen-Budget im Newsbereich.

Was macht da die privatwirtschaftlich organisierte sogenannte vierte Gewalt im Staate? Nochmal kopfkratz, grübel, ach ja: nichts macht sie. Einfach nichts. Ausser jammern und wehklagen. Immerhin müssen wir uns das nicht mehr anhören, wenn srf.ch das Meiste auf diesem Gebiet plattgemacht hat.

Das wird SRF auch schaffen, nachdem dort der Blitz einschlug; minus 250 Stellen, Einsparungen von 50 Millionen.

Staatliche Medienförderung

Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.

Wie haben wir gelacht über die sozialistische Presse. «Prawda», «Neues Deutschland», «Granma» und wie sie alle heissen. Wenn das Modewort vom «Branded Content» wo zutrifft, dann bei diesen Blättern.

Immerhin machten sie aus ihrer Parteilichkeit kein Hehl; tapfer identifizierten sie sich als Zentralorgane der jeweils herrschenden kommunistischen Partei. Also sahen sie sich als staatstragend an, solange der Staat noch von der KP beherrscht wurde.

Das bedeutete, dass am weisen Ratschluss und dem Führungsanspruch der fortschrittlichsten Parteien auf diesem Planeten, unter deren Anleitung ihre Völker direkt ins irdische Paradies schlendern, kein Zweifel aufkommen durfte.

Nachrichten aus der heilen Welt

Pläne waren dazu da, übererfüllt zu werden. Invasionen waren dazu da, Völker vom imperialistischen Joch zu befreien. Aufrüstung war dazu da, die Friedensliebhaber gegen Aggressoren zu beschützen. Ach ja, und sozialistische Wahlen legten alle paar Jahre den Beweis ab, dass nur im Sozialismus eine echte Vertretung der Volksinteressen per Wahl möglich ist.

Das alles funktionierte so wunderprächtig, dass eigentlich immer die Wahlergebnisse schon von Vornherein vorhergesagt werden konnten. Zumindest, was die beiden Stellen vor dem Komma betrifft. Das waren immer alle Neune.

Nur Nordkorea blieb es allerdings bislang vorbehalten, auch Resultate vorweisen zu können, die schlichtweg nicht zu überbieten sind: 100 Prozent Zustimmung. Was will man mehr? Okay, das nächste Mal vielleicht 127,5 Prozent, wenn man wünschen darf.

Das vernichtende Urteil über diese Art Medien

Gegängelt, zensuriert, realitätsfern, gefiltert und voller Lügen, Beschönigungen, Auslassungen. So lautete das vernichtende Urteil über diese Staatsmedien. Prostitution, Korruption, Inkompetenz, Kriminalität, Machmissbrauch? Also bitte, solche üblen Vorkommnisse gibt’s doch nur im Spätkapitalismus kurz vor seinem Ende.

Gut, diese Zeiten sind doch eigentlich vorbei; nicht wahr? Ja, in den meisten Ländern des ehemaligen sozialistischen Lagers schon. Aber wie steht es denn in der Schweiz? Was für eine Frage, hier herrscht Meinungsfreiheit, hier erscheint eine freie Presse.

Ach ja? Es ist tatsächlich so, dass die Zeiten der zumindest parteinahen Zeitungen vorbei ist. Mit der typischen Unfähigkeit, die Genossen als Unternehmer auszeichnet, wurde der AZ-Zeitungsverbund gegen die Wand gefahren. Selbst der «Walliser Bote» würde sich nicht unbedingt als CVP-Zentralorgan verstehen, und bei der NZZ könnte man höchstens noch von einer gewissen FDP-Nähe sprechen.

Will man den grossen Elefanten ignorieren?

So weit, so gut. Aber so zu tun, als ob es keine staatsnahen Medien in der Schweiz gäbe, hiesse, den grossen Elefanten mitten im Raum zu ignorieren. Der trägt den Namen SRF. Lassen wir die Debatte, ob das ein mit Zwangsgebühren finanzierter Staatsfunk ist oder ein gebührenfinanzierter Service publique. Grosse Staatsferne kann man SRF auf jeden Fall nicht vorwerfen.

Bislang ist es SRF auch gelungen, heimische Vollprogramm-Privat-TV-Stationen plattzumachen. Ausser CH Media setzt zurzeit niemand auf ernstgemeinte Versuche, mit TV-Programmen und Lokal-Radios gegen SRF in den Kampf zu ziehen.

Das faktische Monopol von SRF wird auch kaum mehr kritisiert, seitdem auch private Verleger ein paar Brosamen aus dem grossen Gebührentopf bekommen. Alles, was noch vor einigen Jahren als multimediale Multichannel-Lösungen hochgejubelt wurde, ist still und leise zu Grabe getragen. Nur Ringier versucht gerade, mit Internet-TV mit Nachrichten unter dem Brand «Blick» ein Scheibchen vom Kanal bewegtes Bild abzuschneiden.

Die privaten Verleger kauen auf den Zückerchen

Ansonsten wurden die Privatverleger mit Zückerchen bei der Frühzustellung bei Laune gehalten, ausserdem waren sie – Stichwort Admeira – auch intensiv mit sich selbst beschäftigt. Aber dann war Pandemie, und das übliche Wehklagen schwoll zum lautstarken Gejammer an. Nun sei staatliche Unterstützung aber dringend geboten.

Rechtzeitig wurden wieder die salbungsvollen Worte von Vierter Gewalt, unabdingbar in einer funktionierenden, direkten Demokratie, Wächteramt, usw. abgestaubt und ins Schaufenster gestellt. Und es sieht ganz danach aus, als ob der Staat ein Einsehen hätte und das Füllhorn milder Gaben umfangreicher über Privat-Medien ausschütten wird.

Wie sich das dann mit kritischer Distanz zur Hand, die die Medien füttert, entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Dass ständig kräftig reingebissen wird, ist eher nicht anzunehmen. Die völlig unkritische Distanz zu den drakonischen COVID-19-Massnahmen der Regierung lässt nichts Gutes ahnen.

Und übersehen dabei, wohin der Elefant sich bewegt

Verblüffend ist aber eine ganz andere Entwicklung. Seit es online gibt, haben alle privaten Medienkonzerne erbittert darum gekämpft, dass SRF mit seinem Internet-Auftritt ja nicht die anderen News-Anbieter konkurrenzieren dürfe. 1000 Zeichen pro Beitrag maximal, ja keine Webauftritt, der gratis anbietet, woran die Verlage verdienen wollen. Das war der Schlachtruf über lange Zeit; jeder zaghafte Versuch von SRF, online zu punkten, wurde mit so lautem Geschrei kritisiert, dass man sogar vibrierende Halszäpfchen sah.

Aber, Wunder über Wunder, gerade hat die neue SRF-Direktorin – neben Einsparungen – angekündigt, dass der neue Schlachtruf «Digital first» heisse. Sieht man irgendwo ein Halszäpfchen? Nein.

Auch SRF müsse sich nach der Decke strecken, meint Nathalie Wappler, die neue eiserne Lady des Schweizer Farbfernsehens. Daher müsse man, geradezu machiavelistisch argumentiert, den Konsumenten dort abholen, wo er sei, um den Auftrag eines Service publique erfüllen zu können.

Und der Konsument ist heutzutage halt online, der Zuschauer mit der Fernbedienung in der Hand und der Zuhörer draussen im Lande vor dem Radioapparat, die Sendungen dann über sich ergehen lassen, wenn sie ausgestrahlt werden, dieses Publikum stirbt langsam aus.

Alles digital, was will man machen

Heute ist eben alles digital. Natürlich nicht nur Ton und Bewegtbild. Gerade im Nachrichtenteil muss der Konsument auch mit Buchstaben auf dem Laufenden gehalten werden. Also genau damit, womit die Medienkonzerne weiterhin verzweifelt Geld zu verdienen versuchen. Deshalb haben sie sicherlich schon die Pferde gesattelt, schwingen Morgensterne und Hellebarden, um gegen diesen neuen Versuch, ihnen das Wasser abzugraben, anzukämpfen.

Nein, verblüffenderweise ist Ruhe. Vielleicht werden alle Kräfte absorbiert, um den eigenen Verlag in eine möglichst günstige Position zu manövrieren, wenn es dann Subentions-Guetzli regnet. Dass so der Staat mit einer Hand gibt, mit der anderen wegnimmt, das zu kapieren übersteigt offenbar das Erkenntnisvermögen der Verlagsmanager.

Statt sich um Strategien in die Zukunft zu kümmern, verkünden sie lieber eine Sparrunde nach der anderen. Um die Forderungen nach Subventionen zu unterfüttern. Und ich dachte immer, führende Banker seien einzigartig in ihrer Unfähigkeit.

SRF: Wirtschaftsrecherche oder einfach Abkupferei?

Wie originell und kompetent ist SRF Wirtschaft?

Die SRG-Generaldirektorin Nathalie Wappler kennt sich aus mit der Thule-Gesellschaft. Der politische Geheimbund, antisemitisch bis ins Mark, hatte Ende des Ersten Weltkriegs seine Blütephase und versank dann schnell wieder in die Anonymität. Wappler hat 1996 an der Uni Konstanz eine Magisterarbeit über den Geheimbund geschrieben. «Frau Wappler möchte die Arbeit nicht weitergeben», beschied mir einmal die SRF-Medienstelle, als ich mich einmal für die Arbeit interessierte.

Geschichte, Kultur, Philosophie – das sind wahrscheinlich die Stärken der Generaldirektorin und ehemaligen Gesprächsleiterin der Sendung «Sternstunde». Wirtschaft wohl kaum. Anders ist ihre «Eco»-Absetzung nicht zu erklären. Die Wirtschaftssendung geniesst einen hohen Zuspruch und schafft es regelmässig, Themen aus der Ökonomie so zu erklären, dass auch Geheimbund-Expertinnen mitkommen.

Überhaupt liegt im Erklären das Plus des Staatsfernsehens. Eigene Recherchen liegen im Milliardenbudget wohl nicht drin. Frage in die Runde: Wann hat das SRF einmal einen Knüller geschossen in Sachen Wirtschaft?

Immerhin drei Eigenleistungen

Ein Blick zurück auf die Kalenderwoche 38. SRF News hat 15 Wirtschaftsnachrichten aufgeschaltet. Bei drei davon handelt es sich um Eigenleistungen. Der Rest stammt von AWP, Keystone-SDA, Medienmitteilungen oder anderen Zeitungen. Ein Artikel hat sogar den peinlich ehrlichen Titel: «Medienberichte: UBS und CS sollen Fusion planen».

Wenn wir von «Eigenleistungen» reden, müssen wir leider auch dieses Prädikat relativieren. Am 19.9. erschien ein Artikel über die Abwanderung von Studenten aus den Randkantonen nach Zürich, Basel, Bern. Interessant, interessant. Am 17.9. überraschte uns eine Analyse von Wirtschafts-Reporter Matthias Pfander, dass Apple bessere und günstigere Smartwatches als die Swatch-Gruppe herstellt. Spannend, spannend. Und am 14.9. erschien ein Text, der schon im Lead die Beine breit machte («Das zeigen exklusive Zahlen»). Es ging um eine Studie, die die Kosten der Landwirtschaft (wieder einmal) durchrechnete. Der Haken: Die Studie wurde bereits am 30. Juli präsentiert. Immerhin, exklusiv im Internet.

Der kleine Bruder von «exklusiv»

Wie heisst eigentlich der kleine Bruder von «exklusiv»? Er heisst Insider. SRF hat via Agenturen und Zeitungsberichten erfahren, dass SIX und die Deutsche Börse nicht die einzigen Bieter für die italienische Börsen sind. SRF hübscht die Pflichtmeldung so auf:

Die beiden Interessenten hatten ebenfalls ihren Hut in den Ring geworfen für die Mailänder Börse, die Insidern zufolge zwischen drei bis vier Milliarden Euro wert ist.

Insidern hatten bereits gesagt, die Regierung in Rom, die ein Mitspracherecht bei der Transaktion hat, favorisiere die Mehrländerbörse.

Die Deutsche Börse und SIX hatten Insidern zufolge deshalb weitreichende Zugeständnisse wie (…)

Diese Insider heissen übrigens FAZ, Bloomberg, Reuters usw. Und wie heisst der hässliche Bruder von Insider? Prahlhans.

Streit mit Mountainbikern: SRF entschuldigt sich

Eine gut gemeinte SRF-Sendung kam in der Szene ganz schlecht an. Doch von einer Wiedergutmachtung in der Höhe von 30’000 Franken und einer Richtigstellung am TV will SRF nichts wissen.

In Zürich gibt es ein Feindbild. Es bewegt sich auf zwei Rädern durch die Gegend. Oft auf dem Trottoir. Zwangsläufig, weil auf dem Boden entsprechende Zeichen aufgemalt sind. Das gibt oft Streit. Im Wald ist die Sache ebenfalls kompliziert. Nicht überall ist freie Fahrt gestattet. Vor allem nicht auf steilen Wegen, wo das Gefährt mit seinem fast nicht hörbaren Surren für gefährliche Situationen sorgen kann. Was gar nicht geht: Querfeldein den Wald hinunter rasen.

Und nun dies: Vergangenen Dienstag strahlte SRF zur besten Sendezeit nach 20 Uhr den Beitrag «Keep on Riding» aus. Die Reportage sorgte laut ride.ch sofort für negative Reaktionen. Es ging um die Sequenz mit Alec Wohlgroth und Matthias Lüscher am Üetliberg in Zürich. Die beiden Biker rasten ziemlich rücksichtslos durch den Wald.

Unverantwortliche Berichterstattung?

Für den Verein Züritrails ein absolutes No-Go. «Hiermit distanzieren wir uns in aller Form zu der darin durch die Protagonisten dargestellten Art und Weise der Ausübung des Mountainbikesports in Zürich». Man kritisiert das SRF, es habe in der breiten Öffentlichkeit und in einer unfassbaren Selbstverständlichkeit quasi Werbung gemacht für das Biken auf wilden Trails in Zürich. Dabei werde SRF durch Staatsgelder finanziert und sei wegen dem Service Public zu einer sachgerechten Berichterstattung verpflichtet. «Eine solche Berichterstattung ist schlichtweg unverantwortlich und genügt den Anforderungen an eine sachgerechte Berichterstattung im Auftrag des Bundes keineswegs. Die Stadt Zürich wurde im nationalen Fernsehen so dargestellt, als schaute sie dem illegalen Treiben in ihren Wäldern tatenlos zu.»

Ansatzweise Wiedergutmachung

Zudem trage der Beitrag wesentlich zur landesweiten Zementierung von Vorurteilen gegen Mountainbiker bei. Und nun wird’s originell: Der Verein Züritrails forderte von SRF eine «ansatzweise Wiedergutmachung in der Höhe von 30’000 Franken» als Spende für die Baukosten an den Höcklertrail. Ausserdem verlange man «im gleichen Ausmass eine Gegendarstellung bzw. eine Richtigstellung über das Biken in Zürich, ebenfalls zur Prime Time».

Wiedergutmachung, Gegendarstellung. Es scheint unter den Mountainbiker zwei, drei juristisch interessierte Zeitgenossen zu haben. Wie stellt sich SRF zu den Vorwürfen?

ZACKBUM.ch hat im Leutschenbach nachgefragt:
1. Sieht SRF ein, dass besagter Beitrag einseitig war?
2. Zahlt SRF die geforderten 30’000 Franken?
3. Wird eine «Gegendarstellung» ausgestrahlt?

Immerhin eine Entschuldigung ist schon da

Schon wenige Stunden später dann diese Reaktion: «Gerne schicke ich Ihnen die Antwort von Martin Schilt, Redaktionsleiter SRF Spezial. Bei Bedarf dürfen Sie ihn gerne zitieren», schreibt Medienchefin Carmen  Hefti. Was wir hier eins zu eins tun:

«Die Serie «Keep on Riding» zeigt aus der Cockpitperspektive bekannter Mountainbikefahrerinnen und -fahrer verschiedene Strecken in der Schweiz. Als verantwortliche Redaktion haben wir jedoch tatsächlich zu wenig Augenmerk auf die nicht offiziellen Bike-Trails in den Sendungen gerichtet. Dafür möchten wir uns entschuldigen. Die Sendungen sollen kein Aufruf sein, Wege zu befahren, die nicht offiziell ausgeschildert sind. Aus diesem Grund wird die Produktion aus dem Netz entfernt.»

Ob die Sache damit erledigt ist, war bei Redaktionsschluss am Freitagabend noch offen. Das Medienrecht billigt Parteien grundsätzlich ein Recht auf Gegendarstellung zu. Im Print einigt man sich oft auf einen Kompensationsartikel, der aber nicht als Gegendarstellung deklariert ist. Bei den Elektronischen Medien gibt es selten Gegendarstellungen. Oft belässt man es bei Korrekturen auf der Website. SRF macht das beispielsweise so. 

Das ist nicht ganz korrekt, wird aber oft toleriert.

 

 

Doppelter Reibach für SRG-Serien


Nur noch wenige Tage kann man den gelungenen SRG-Krimi-Mehrteiler «Helvetica» gratis im Netz anschauen. Dann kostet er trotz Gebührenmitfinanzierung.

Serienfans aufgepasst. Lediglich noch bis zum 22. September kann man den Sechsteiler Helvetica gratis im Netz anschauen. Nachher verschwinden alle je gut 50 Minuten langen Teile aus dem kostenlosen SRF-Replay-Angebot. Dann muss man sie als DVD kaufen oder via Teleclub und Swisscom-TV kostenpflichtig herunterladen. Dabei ist Helvetica eine der besten von SRG produzierten Serien, da sind sich Kritiker einig. Auch der ZACKBUM-Chronist findet die Serien erfrischend unterhaltend und ziemlich spannend. Ursina Lardi als Bundespräsidentin zeigt eine Magistratin mit Schwächen und Launen, die Hauptdarstellerin ist eine Wucht. Flonja Kodheli spielt ihre Rolle noch besser als Sara Spale in Wilder.

Roland Vouilloz agiert überzeugend als Antiterrorchef.

Roland Vouilloz (der mit der Glatze) hat als Angestellter des Bundesnachrichtendienstes eine nuancierte, untypische Staatsdiener-Funktion. Die kritisierte Synchronfassung finde ich übrigens nicht missglückt. Sogenannte Filmkritiker aus der Deutschweiz können offensichtlich mit Bäärndüütsch einfach nichts anfangen.

Die Synchronfassung ist besser als in Kritiken dargestellt.

Doch der Krimi spielt nun mal in der Bundeshauptstadt. Die Handlungsstränge sind durchaus fesselnd, auch wenn die Geschichte wie bei der zweiten Staffel von Wilder allzu klischéhaft im kosovo-albanischen Milieu spielt.

ARD und ZDF können’s schon

Doch warum nimmt das durch grösstenteils öffentliche Gebühren finanzierte SRF Serien wie eben Helvetica so rasch vom Netz? Auf ARD und ZDF findet man alle deutschen Eigenproduktionen online. Schon die Medienwoche mokierte sich anfangs Jahr über den Schweizer Sonderfall: «Man würde es für eine Selbstverständlichkeit halten. Was die Öffentlichkeit über die Medienabgabe finanziert, steht ihr auch jederzeit, umfassend und unbeschränkt zur Verfügung. Dem ist aber nicht so. Filme und Serien, welche die SRG mitproduziert, verschwinden mehrheitlich nach kurzer Zeit aus dem Online-Angebot. Wer zu spät kommt, guckt in die Röhre. Oder muss noch einmal Geld in die Hand nehmen und die Werke auf kostenpflichtigen Plattformen erwerben».

Komisch mutet das vor allem dort an, wo SRG die Serie mitproduziert und grösstenteils finanziert. So kassiert der – pseudoprivat, weil allermeistens vom Staat, respektive via Lotteriefonds finanzierte – Hauptproduzent gleich doppelt. Für die SRG ist und bleibt trotzdem klar: «Die SRG ist am Erlös aus der kommerziellen Auswertung beteiligt und kann dieses Geld in neue Produktionen investieren.»

Doch im Leutschenbach und am Hauptsitz in Bern hat man selber gemerkt, dass das Ganze nicht ganz koscher ist. Schon anfang Jahr präsentierten die SRG und die Filmbranche eine neue Vereinbarung,  der die Kooperation bei Film- und Serienproduktion für die kommenden Jahre regelt. «So können wir Serien künftig bis zu sechs Monate lang zugänglich machen», sagte SRG-Filmchef Sven Wälti gegenüber der Medienwoche. Bezogen auf Helvetiva muss man freilich feststellen: Die SRG-Mühlen arbeiten eher langsam.

Bald in Originalsprache

Immerhin: Die SRG ist darüber hinaus über die Bücher gegangen. «Play Suisse», heisst die nationale Streaming-Plattform der SRG, die im November lanciert wird. Das Projekt fungierte intern bislang unter dem Projektnamen «Rio». Die neue Plattform wird ab Herbst Inhalte aus allen Sprachregionen mehrsprachig anbieten.
Die neue Plattform der SRG ersetzt zwar nicht die Player der Unternehmenseinheiten (wo man wie beschrieben zwischenzeitlich Serien wie Helvetica findet). «Play Suisse» ist laut SRG vielmehr eine Plattform mit Inhalten aus allen Spracheregionen. So biete «Play Suisse» eine Auswahl aus Eigen- und Koproduktionen der Unternehmenseinheiten, also Filme, Serien, Dokumentarfilme, Reportagen und Archivperlen. Einzigartig an «Play Suisse» ist laut SRG-Website, dass die Nutzerinnen und Nutzer die Inhalte über die Sprachgrenze hinweg entdecken können: Alle Inhalte sind in der Originalsprache mit Untertiteln in Deutsch, Französisch und Italienisch verfügbar, ausgewählte Titel auch auf Rätoromanisch. Aktuelll läuft ein SRG-interner Test. Im Oktober erfolgt dann der Pre-Launch mit rund 5000 externen Anwenderinnen und Anwendern, bevor im November der offizielle Startschuss fällt. Viva la Grischa! Forza Ticino! Allez les Romands!

Hier der kostenlose Link zur Serien Helvetica (bis 22.9.)

 

SRF plagt sich mit Fakten

Ausgewogene Berichterstattung von SRF?

In der Schweiz lebten 2019 knapp 8,6 Millionen Schweizerinnen und Schweizer. Die SVP hat Angst vor der 10-Millionen-Schwelle. «Zu viel ist zu viel!», brüllt sie und beweist das mit einem Fettarsch auf der Schweizer Karte. Keine Frage, die Begrenzungsinitiative der SVP ist die spannendste der fünf Vorlagen vom 27. September.

Wer viel Netflix guckt, hat Mühe, die verschiedenen Vorlagen zu begreifen. Jagdgesetz: Soll man den Wolf jetzt abknallen oder nicht? Vaterschaftsurlaub: Sollen junge Väter zwei Wochen faulenzen dürfen? Fördert das vielleicht die Menstruation?

Zum Glück gibt es das SRF. Mit seinen Publizistischen Leitlinien (58 Seiten) gewährt es blablabla journalistische Qualität blablabla ethische Grundsätze blablabla professionelle Ansprüche.

SRF-Mann Iwan Santoro blickt bei der Begrenzungsinitiative hinter die Zahlen. Er weiss: «Solche Fakten plagen Gegner wie Befürworter der Personenfreizügigkeit.» Als Befürworterin der Initiative tritt die SVP-Nationalrätin Esther Friedli auf. Sie kommt im Artikel ziemlich dämlich rüber. Friedli wird von Santoro gemassregelt («Fakt ist») und korrigiert («kein Fakt»). FDP-Nationalrat Kurt Fluri hingegen wird bestaunt («kennt die Wachstumsprobleme») und bedient («Fluri hält nicht allzu viel von solchen Prognosen»).

Interessant ist aber vor allem folgende Aussage:

Die Schweiz sei gerüstet für zehn Millionen – ohne weitere Zerstörung von Kulturland, sagt Fluri. «Es braucht eben auch die Verdichtung der Ortschaften nach innen und nicht nur der Städte. Es gibt sehr viele Brachen und vernachlässigte Wohnungen, die unternutzt sind.» Da lasse sich noch sehr viel Potenzial realisieren. Das neue Raumplanungsgesetz leiste gute Dienste.

1,4 Millionen mehr Einwohner und kein Quadratmeter Kulturland muss deswegen geopfert werden? Santoro schreibt auf Anfrage:

Dazu gibt es verschiedene Modellrechnungen. Bsp. eines von Avenir Suisse, wonach die Schweiz 10, 12 oder noch mehr Millionen Einwohner unterbringen könnte, ohne weiteren Kulturlandverlust.

Also 3,4 Millionen zusätzliche Schweizer und kein Boden muss aufgerissen werden? Welche Studie behauptet das? Santoro rückt die Studie nicht heraus, auch nicht nach wiederholter Bitte. Die einzige Studie von Avenir Suisse, die sich mit dem Thema auseinandersetzt stammt von 2014 und trägt den Titel «Zeitenwende in der Schweizer Raumplanung». Eine Aussage lautet:

 

Die bereits eingezonten und noch nicht überbauten Bauzonen sind gross genug, um 1 bis 2 Millionen zusätzliche Einwohner unterzubringen.

Das ändert aber nicht an der Tatsache, dass Kulturland aufgegeben werden muss. Es ist wie beim versprochenen Sex nach der Migräne. Die Zusage selbst zählt noch nicht.

Immerhin, Santoro zählt zu den sympathischen und ehrlichen Journalisten von SRF: «Ja, da haben Sie natürlich Recht. Wobei eben, theoretisch geht kein neues Kulturland verloren, weil es bereits jetzt ausgezont, rsp. eingezont ist.» Und fügt hinzu: «Viel Erfolg beim Artikel. Es ist kompliziert. Ich hatte auch Mühe (…).»

 

Das Geschäftsmodell Iso Rechsteiner

Keystone-SDA macht es klassisch. Man hält sich einen externen Kommunikastionsspezalisten.

Immer, wenn Keystone-SDA Jobstreichungen verkünden oder einen Fehler eingestehen muss, ist Iso Rechsteiner zur Stelle. Er ist der Mann fürs Grobe. Dabei war der 53-Jährige nur als Übergangslösung nach der Fusion der Nachrichtenagentur SDA mit der Fotoagentur Keystone gedacht. Noch vor gut zwei Jahren liess Keystone-SDA verlauten, man suche eine Fachperson für die interne und externe Kommunikation. «Wir sind kein Unternehmen mehr, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit agiert. Wir merkten, dass ein Unternehmen in dieser Art und mit dieser Öffentlichkeit einen Profi innerhalb der Gruppe braucht», sagte damals Ueli Eckstein, Verwaltungsratspräsident der Keystone-SDA, gegenüber persoenlich.com. Gerade während der Transformationsphase müsse jemand im Unternehmen verankert sein. «Für einen externen Berater ist das schwierig, er muss sich sämtliche Informationen beschaffen.»

Keine überzeugenden Erfahrungen

Doch die verpflichtete Inhouse-Lösung, Nadine Schumann-Geissbühler, ging schon während der Probezeit wieder. Nun zauberte man allen Beteuerungen zum Trotz wieder Rechsteiner aus dem Hut. Warum dieser Salto rückwärts?  ZACKBUM.ch hat nachgefragt. Auskunft gibt Jann Jenatsch, stellvertretender Geschäftsführer und ehemals Chef der nun mit der Schweizerischen Depeschenagentur fusionierten Fotoagentur Keystone. Grund seiner Stellungnahme: «Normalerweise ist Iso Rechsteiner für die externe Kommunikation zuständig. Da sich Ihre Fragen jedoch auf seine Person beziehen, beantworte ich für einmal die Anfrage». Tatsächlich sei die Stelle vor zwei Jahren ausgeschrieben und auch besetzt worden. «Die Erfahrungen mit der internen Lösung waren jedoch nicht überzeugend. Aus diesem Grund stützen wir uns bei der Kommunikationsberatung wieder auf Iso Rechsteiner», so Jenatsch. – «Falls die Stelle noch nicht besetzt ist: könnte es sein, dass der bislang mit dem Mandat beauftragte Iso Rechsteiner gar kein Interesse hat, etwas an der Situation zu ändern, weil er so sein Mandar behält?» Nochmals Jenatsch: «Wir haben kein Interesse daran, an dieser Situation etwas zu ändern. Die Zusammenarbeit ist gut eingespielt und hat sich bewährt.»

Ein Beispiel für die klassischen Seilschaften

Experten beurteilen eine solche Lösung also durchaus erfolgreich. Gerade bei Keystone-SDA, wo harte Sparrunden und Entlassungen anstehen, macht eine externe Lösung Sinn. Die Wut und der Frust der Mitarbeitenden entlädt sich zwar oft am Überbringer der schlechten Botschaft – dieser ist wie im Fall von Iso Rechsteiner aber schnell wieder weg, und ist in der Firma nicht fassbar.

Rechsteiner soll’s recht sein. Er ist seit gut zwei Jahren Partner in der PR-Agentur Kommunikationsplan. Vorher stand der studierte Germanist und Theologe viele Jahre im Dienste der SRG. Er war Leiter Regionalredaktionen Schweizer Radio DRS und Direktor Schweizer Radio DRS. Eigentlich logisch, gehören nun zu den Kunden von Kommunikationsplan neben Keystone-SDA die SRG, SRF, die schweizerische Post, Verbände von öffentlichen Institutionen, sowie der Werbevermarkter Admeira. Es sind die klassischen Seilschaften. Wie sagte es Jann Jenatsch: «Die Zusammenarbeit ist gut eingespielt und hat sich bewährt.»

Als SRF noch Selbstkritik übte

Das Fernsehen SRF stellt zwei weitere Selbstreflexionen ins Netz. Sie stammen aber fast aus der Steinzeit. Spannend sind sie trotzdem.

Selbstkritik ist mühsam zu ertragen. Vielleicht darum findet die Medienkritik in vielen Zeitungen nicht mehr statt. Der Tages-Anzeiger hat seine Medienseite schon längst gestrichen und auch der TA-Medienblog «Off the Record» ist seit vier Jahren «auf Eis gelegt», wie es offiziell heisst. Rainer Stadler, NZZ-Medienredaktor und seit 31 Jahre an der Falkenstrasse, verlässt seine Stelle Ende September. «Freiwillig», wie er gegenüber persönlich.com sagte.
Kritik galt als karrierefördernd
Dabei gab es punkto Medienkritik durchaus andere Zeiten. Das Fernsehen SRF, damals das Fernsehen DRS, gab in den 1970er und 1980er Jahren intern vier Reportagen in Auftrag. Sie porträtierten das eigene Haus durchaus kritisch. «Alles riecht nach Mittelmass» ist eine der Kernaussagen der ersten beiden Reportagen. ZACKBUM.ch hat darüber berichtet.
Eine davon wurde vom späteren Fernsehdirektor Peter Schellenberg gedreht. Damals  war ein gewisses Mass an geäusserter Kritik also durchaus karrierefördernd.
Alle Folgen der kleinen Serie
Nun hat sich SRF bei uns gemeldet. Man nehme Bezug auf unsere Meldung und habe jetzt  auch die beiden späteren Folgen der «kleinen Serie» ins Netz gestellt. Und tatsächlich. Es sind durchaus Trouvaillen.
Beni Thurnheer sieht man in jugendlicher Frische und selten gesehener Frechheit, wie er die Generalprobe eines Tell-Star-Quiz sehr locker moderiert.

Ein Reporter der damaligen Regionalsendung «DRS Aktuell» (Vorläufer von «Schweiz aktuell») muss 12-mal ansetzen, bis die Moderation gelingt. Die Kamera bleibt schonungslos dran. Die 80er-Kult-Sendung und Kaderschmiede Karussell moderiert ein junger Kerl namens Hannes Britschgi, heute Leiter der Ringier-Journalistenschule. Matthias Hüppi erlebt man als Nachwuchskraft beim Lauberhornrennen. Er ist aktuell Präsident des FC St. Gallen, nach einer Bilderbuchkarriere als Sportmoderator bei SRF.
Auch nicht ohne, der Live-Auftritt von Nena mit ihrem Hit «99 Luftballons» – im «Karussell».
Ebenfalls porträtiert: Erich Gysling mit seiner fast reinen Männercrew, wie er die Tagesschau vorbereitet. Damals mit von der Partie auch Robert Ruoff, den man heute zum Beispiel auf Infosperber wahrnimmt als mahnende Stimme, wie früher vieles, ja fast alles besser war.
Beim ersten gut 20-minütigen Film («Die Fernsehfabrik 3») hatte Alfred Fetscherin die Leitung. Diese Reportage von 1983 kommt eher zahnlos daher. Kein Wunder: Fetscherin wurde nach seiner Redaktions- und Moderationtätigkeit Medienchef von Radio und Fernsehen DRS. Dann  wechselte er in die Privatwirtschaft und gründete das sehr bürgerlich ausgerichtete Radio Z. Radio Z, das ist der Vorläufer von Radio Energy. Seit 30 Jahren betreibt Fetscherin eine eigene PR-Agentur. Sein Sohn Adrian Fetscherin ist ebenfalls einigermassen bekannt und arbeitet heute als Marketing-Chef bei der Fussballsektion des Grasshopperclub.
Ein fast schon marxistischer Titel
Die vierte Folge unter dem Namen «1000 Menschen – ein Programm» aus dem Jahr 1987  ist dann wieder um einiges frischer. Hier hatte wieder Peter Schellenberg seine Hände im Spiel –  als Redaktionsleiter. Ein Jahr später wurde er dann endlich Chef. Der Regisseur des vierten Teils: Ludwig Hermann, der 1965 das legendäre «erste unabhängige Pressebüro der Schweiz» – das Büro Cortesi in Biel – mitgründete. Der Film mit dem  leicht marxistischen Titel (1000 Menschen – ein Programm) dauert 47 Minuten und endet mit einer originellen Einstellung des DRS-Hochhauses im Leutschenbach. Die Büros sind zu einem fröhlichen Lächeln beleuchtet. Der späteren Führung von SRF scheint dieses schon länger vergangen zu sein. Der 4. Film war der letzte dieser besonderen Serie.