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Bonus: Geldflüsse einer Netzaktivistin

Dieser Artikel erschien am 14. Oktober in der «Weltwoche»; gleicher Autor.

Es kracht im Verein von Jolanda Spiess-Hegglin. Die Nationalrätinnen Tamara Funiciello und Greta Gysin sind Knall auf Fall vom Präsidium zurückgetreten. Liegt es an den Finanzen?

Gerade hatten die Co-Präsidentinnen des Vereins Netzcourage einen Zwischenbericht unterzeichnet. Alles super, alles bestens, alles gut unterwegs.

Eine Woche später der Paukenschlag: Doppelrücktritt per sofort. Plötzlich decken sich die Vorstellungen der Nationalrätinnen Tamara Funiciello (SP, BE) und Greta Gysin (Grüne, TI) nicht mehr «mit den Vorstellungen der Geschäftsführerin» Jolanda Spiess-Hegglin. Wer die Verhältnisse in dem Verein kennt, ist darüber wenig erstaunt.

Kleiner Konzern

Seitdem Spiess-Hegglin durch ein feuchtfröhliches Beisammensein an einer Zuger Politikerfeier in die Schlagzeilen geriet, will sie ihre Privatsphäre schützen und in Ruhe gelassen werden. Das tut sie so lautstark und auf allen Kanälen, dass sie damit inzwischen ihren Lebensunterhalt bestreiten kann.

Sie ist in verschiedenen Funktionen, meistens als Geschäftsführerin, bei einem kleinen Konzern tätig, der sich um ihren Verein Netzcourage herum gebildet hat. Dazu gehört die Denunziationsmaschine Netz Pig Cock, Netz Misogyny, Winkelried & Töchter GmbH, Netzambulanz und Netzambulanz 2021.

Für dieses «Kompetenzzentrum» in Sachen gender-based cyber violence (GBCV), also für die «langfristige Bekämpfung digitaler Gewalt gegen Frauen», hat sie beim Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG), angesiedelt im Innendepartement von Bundesrat Alain Berset (SP), eine Finanzhilfe von 191 800 Franken beantragt – und das Steuergeld bekommen. Da solche Finanzhilfen nur bis zu einem Betrag von maximal 50 Prozent der Gesamtkosten ausgerichtet werden, belaufen die sich laut Antrag auf 401 800 Franken.

Nach Berufung auf das Öffentlichkeitsgesetz rückte das eidgenössische Gleichstellungsbüro nun den Antrag samt Beilagen heraus. Allerdings bleibt man verwirrt zurück, wenn man Zweck, Zielsetzung, Leistung, Leistungsmessung und ähnliche Kleinigkeiten erfassen will. Klar ist nur: Das Geld wurde für zwei Jahre gesprochen. Und die neunzehn Seiten (plus Beilagen) sind angefüllt mit pseudosoziologischem Jargon.

«Think-Tank à la Avenir Suisse»

Schon alleine die Definition der Betroffenen ist absurd:

«Gewalt an Frauen ist entsprechend inklusive, respektive inkludierend, als Gewalt an Menschen, die Gewalt erleben, weil sie sich ganz und/oder teilweise als weiblich identifizieren, ganz und/oder teilweise als weiblich gelesen werden und/oder weiblich sozialisiert wurden, zu verstehen. Die Definition von ‹Frau(en)› lautet demzufolge: Frau(en), inter, nonbinäre und Transmenschen.»

Schwer verständlich ist auch, was mit dem Geld angestellt werden soll. «NetzAmbulanz 2021 soll punkto Online-Gewalt (GBCV) zum schweizweiten Kompetenzzentrum avancieren», heisst es in dem Gesuch. Man wolle eine «Soforthilfestelle» werden, ein «Think-Tank à la Avenir Suisse», «Teil eines Multiprojekts» und ein «Netzwerk», das «Expertise und Beratung» anbiete.

Warum das alles nötig sein soll? Gender-based cyber violence habe in den letzten Jahren rasant zugenommen, wird behauptet und das Ganze im Gesuch mit hübschen Grafiken untermalt. Nur ist es völlig unerfindlich, woher die zugrundeliegenden Zahlen kommen.

Nur einmal macht Netzcourage den Fehler, absolute Zahlen zu nennen. Man habe eine Umfrage durchgeführt, von der sich «97 Datensätze» (!) auswerten liessen. Da der Fragebogen «frei zugänglich« gewesen sei, könne eine «Rücklaufquote nicht exakt bestimmt werden».

Auf die Frage nach möglichen Risiken des Projekts lautet die Antwort: «Das Hauptrisiko wird momentan vor allem darin gesehen, dass die Zunahme an Fällen überproportional sein wird.» Das ist so schwierig zu behaupten wie zu bestreiten, da es keine Fallstatistiken gibt.

In der Beilage «Organisation» sind leider alle Namen eingeschwärzt, was noch verständlich sein mag, allerdings auch alle Qualifikationen der Mitarbeiter, was doch überrascht. Man kann ihr lediglich entnehmen, dass neben der «projektleitenden Person» – Adresse 300 Meter Luftlinie vom Wohnsitz Spiess-Hegglins entfernt – sieben weitere Mitarbeiter auf der Payroll stehen.

Aus dem «Budget» geht vor allem hervor, dass Ausgaben von 401 800 Franken haargenau Einnahmen von 401 800 Franken gegenüberstehen, darunter angeblich 150 000 Franken «Eigenleistungen». Hinzu kommen insgesamt 60 000 Franken vom Präsidialdepartement des Kantons Basel-Stadt, vom Lotteriefonds des Kantons Zug und von der Stadt Zug.

Verblüffende Zahl

Nach lauter öffentlicher Kritik an den undurchsichtigen Verhältnissen hat Netzcourage Ende September blitzartig einen «EBG-Zwischenbericht», ein «Kommunikationskonzept» und einen «Code of Conduct» ins Netz gestellt. Den Zwischenbericht hatten noch die damaligen Co-Präsidentinnen Funiciello und Gysin unterzeichnet. Auch hier eine verblüffende Zahl: «Im Zeitraum zwischen März und September 2021 haben wir insgesamt 67 Personen unterstützt

Wogegen? Die sogenannte «strafrechtliche Relevanz» von Handlungen gegen die unterstützten Opfer äussert sich so, dass in gerade einmal 11 Fällen ein Strafantrag gestellt wurde. Also in 56 nicht.

Bezüglich der Auflagen, die das eidgenössische Gleichstellungsbüro dem Verein nach der öffentlichen Kritik mitgab, ist man laut Zwischenbericht nicht wirklich weitergekommen. So ist eine Prüfung durch die Zertifizierungsstelle für Non-Profit-Organisationen (Zewo) «geplant» – für Sommer 2022.

Der geforderte Einsatz von «qualifiziertem Fachpersonal» wird mit folgender Begründung als erfüllt erachtet:

«Jolanda Spiess-Hegglin, Geschäftsführerin #NetzCourage, arbeitet als Projektleiterin 70 Prozent für die #NetzAmbulanz und ist zuständig für Fälle mit Öffentlichkeitsrelevanz und/oder medialer Komponente.»

Es gibt nur noch eine weitere konkrete Zahl in dem Bericht: Bislang wurden seit März dieses Jahres rund 110 000 Franken ausgegeben, grösstenteils für «Personalkosten». Bei der geforderten Dokumentation der bezahlten Arbeitsstunden hapert es dann schon wieder: «Aufgrund der vielen Personalwechsel und Neuverteilung der Rollen ist eine einheitliche Dokumentation der Arbeitszeit erst ab Juni 2021 möglich.»

Es stellen sich also viele Fragen: Gibt es eine Abtrennung von persönlichen Kosten der Geschäftsführerin, klar aufgeschlüsselte Personalkosten, konkrete Tätigkeiten mit Leistungsnachweis oder zumindest eine Erfassung von bezahlten Arbeitsstunden? Gibt es Leistungsversprechen, Zielsetzungen, klar definierte Mittel zu deren Erreichung? Herrscht Transparenz, wie sie angesichts der Verwendung von Spenden- und Steuergeldern für jeden Verein selbstverständlich ist, zumal wenn er das Zewo-Prüfsiegel erwerben will?

Machen wir es kurz: Nichts davon ist hier vorhanden. Wie heisst es im Antrag? «Die Volatilität des Aufgabengebiets verlangt eine gleitende Budgetierung.» Trotzdem teilt Greta Gysin mit, Transparenz sei ein «zentrales Anliegen von Tamara Funiciello und mir».

«Eher Richtung Gnadenhof»

Es gibt weitere Fragezeichen. Nachdem Spiess-Hegglin zum zweiten Mal einen Prozess krachend verloren hat, beklagt sie, dass die Auseinandersetzungen vor Gericht sie rund 300 000 Franken gekostet habe. Das zahle kein «reicher Onkel. Sondern mein Mann und ich, privat, mit unserem Ersparten». Weder ihre Anwältin noch Spiess-Hegglin selbst wollten Stellung nehmen, wie genau diese gigantische Summe zusammengekommen sei.

Die Kämpferin gegen Hass und Hetze veröffentlichte dafür die Fragen auf Twitter und Facebook, um ihre Fan-Gemeinde zur üblichen Schnappatmung zu treiben (Duftmarke: «Der hat das Hirn in der Eichel, ekelhaft»). Und sie hetzte sogar selber mit. Der Fragesteller sei «zackdoof», teilte sie in den sozialen Medien mit, dazu «altersmässig eher Richtung Gnadenhof».

Höchste Zeit, dass der Bund hinschaut, wie hier Steuergelder eingesetzt werden.