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Massenhysterie

Können sich mehrere unabhängige «Zeuginnen» irren?

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Unschuldsvermutung, der verantwortungsvolle Umgang der seriösen Medien mit ihrer Macht, durch Vorverurteilung einen Menschen lebenslänglich zu stigmatisieren. Alles vorbei; selbst Boulevardmedien haben inzwischen einen professionelleren Umgang damit, weil sie dazu gezwungen wurden.

Aber ehemalige Qualitätsorgane wie «Spiegel», «Süddeutsche Zeitung» oder auch Tamedia werden immer hemmungslos- und haltloser in ihrer Denunziation- und Hetzberichterstattung. Das ist bedenklich.

Vor allem eine Absurd-Logik muss auf den Prüfstand gelegt werden. Selbst hingenommen, dass diese Medien mit anonymen Aussagen arbeiten und behaupten, die Urheberschaft sei ihnen bekannt, müsse aber aus welchen Gründen auch immer durch Anonymität geschützt werden. Es handle sich hier keinesfalls um Denunziationen von Heckenschützen, von Trittbrettfahrerinnen, von Nachahmerinnen, die wie eine deutsche «Influencerin» einen länglichen Videoblog posten, in dem sie ausschliesslich anonyme Aussagen aufeinandertürmt und eigenes Erleben aufpumpt, obwohl sie eingestehen muss, dass ihr selbst kein Leid angetan wurde.

Das ist primitives Haschen nach Aufmerksamkeit, sich seine 15 Minuten Ruhm abholen wollen. Unappetitlich, aber so ist der Mensch.

Viel gefährlicher, weil auf den ersten Blick überzeugend, ist die Masche der Massenmedien, dass eine einzige Anschuldigung vielleicht fragwürdig sein könnte. Sobald sie aber von weiteren Stimmen unterstützt wird, auch wenn die alle anonym bleiben, dann sei das eben ein Muster, ein System, der Beweis, dass auch die erste Stimme Reales berichte. Nach der Devise: alle zusammen können sich doch nicht täuschen, ausgeschlossen, niemals.

Unsinn.

Geschichtsvergessener Unsinn. ZACKBUM erinnert an die sogenannten «Wormser Prozesse». Ein herausragender, aber nicht ganz einmaliger Fall von Erinnerungsverfälschung, Konfabulation und Massenhysterie. Natürlich erinnert sich keiner der heute tätigen Kindersoldaten in ihren Verrichtungsboxen an diesen Skandal, der sich 1994 in Deutschland entfaltete. Im angegebenen Link auf Wikipedia findet man die nötigen Informationen.

Kurz gefasst: Zwei Dutzend Personen wurden damals des Kindesmissbrauchs angeschuldigt und angeklagt, sie hätten einen Pornoring gebildet. Resultat: Freispruch auf ganzer Linie. Es war alles erfunden, konfabuliert, in einer wahnhaften Massenhysterie fanden sich immer mehr «Zeugen» und «Opfer».

Bittere Fussnote: einige der Kinder, die man zu ihrem «Schutz» aus ihren Familien genommen hatte, wurden bei der Fremdunterbringung in einem Heim tatsächlich sexuell missbraucht.

Auch damals schon spielte der «Spiegel» eine ganz üble Rolle. So berichtete er vor den Freisprüchen wegen erwiesener Unschuld: «Ein Großteil der medizinischen Befunde und die weitgehend übereinstimmenden Aussagen der Kinder lassen kaum Zweifel an vielen der Vorwürfe zu

Dabei waren die Widersprüchlichkeiten himmelschreiend: Kinder waren zu angeblichen Tatzeiten noch nicht geboren, in anderen Fällen sassen die Eltern zur angeblichen Tatzeit bereits in Untersuchungshaft. Auch konnte die Polizei bei nicht angekündigten Hausdurchsuchungen keine Beweise finden, die auf sexuellen Missbrauch oder Ähnliches schließen ließen., schreibt Wikipedia.

Der Richter sagte in seinem Schlusswort: «Den Wormser Massenmissbrauch hat es nie gegeben», und erklärte: «Bei allen Angeklagten, für die ein langer Leidensweg zu Ende geht, haben wir uns zu entschuldigen.»

Aber eine solche Entschuldigung gab es vonseiten derjenigen, die diese absurden Anschuldigungen erhoben hatten, nie. Und die Folgen? Nochmals Wikipedia:

Eine Angeklagte, die siebzigjährige Großmutter, starb im Gefängnis, andere verbrachten bis zu 21 Monate in Untersuchungshaft. Mehrere Ehen zerbrachen, die Existenz einiger Angeklagter und Familien wurde zum Teil auch durch die hohen Anwaltskosten völlig zerstört. Die Kinder wuchsen derweil größtenteils in Heimen auf und kehrten erst nach und nach zu ihren Eltern zurück. Ein Junge, der an Diabetes erkrankt war, starb wenige Tage nach seiner Entlassung aus dem Heim.

Hat sich der «Spiegel» im Nachhinein entschuldigt? Natürlich nicht. Ein Heimleiter, Hauptbelastungszeuge bei den Prozessen, wurde später selbst zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt – wegen schweren sexuellen Missbrauchs.

Diese Geschichte ist völlig unglaublich – aber wahr. Sind die Geschichten von Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen durch Till Lindemann wahr – oder nicht glaubhaft? Das ist einer gerichtlichen Abklärung vorbehalten. Was nichts daran ändert, dass die Vorverurteilung durch unverantwortliche Medien nicht mehr rückgängig zu machen ist.

Zwei Dinge sind dabei sicher: Entschuldigungen wird es nicht geben, sollten sich auch hier die Anschuldigungen als haltlos herausstellen. Und die Behauptung, durch die Menge der anonymen Denunziantinnen sei belegt, dass an den Anschuldigungen etwas dran sei, ist unsinnig.

Tut nichts, der Sänger wird verbrannt

Bislang hat Till Lindemann den Shitstorm überlebt …

Früher war es eine Methode der englischen Boulevardmedien, zwecks Auflagen-Steigerung schlichtweg alles zu unternehmen. Paparazzi lauerten Prominenten mit den leistungsstärksten Teleobjektiven auf. Hörten deren Gespräche ab. Bestachen das Personal für Insider-Informationen. Machten aus einer vagen Vermutung einen konkreten Verdacht, juristisch abgedämpft durch ein Fragezeichen.

Ähnlich Sitten haben inzwischen im deutschen Journalismus Einzug gehalten. Nicht etwa bei «Bild» und «Bunte», sondern bei «Spiegel» und «Süddeutsche Zeitung». Durch die unselige Kooperation aus Spargründen mit Tamedia schwappt diese Jauche aus beiden Organen auch in die Schweiz.

Immerhin hat sich Tamedia aufgerafft, gegen seinen Kooperationspartner «Spiegel» Klage einzureichen. Allerdings nur deswegen, weil sich Big Boss Pietro Supino in die Nähe des verurteilten Straftäters Harvey Weinstein gerückt fühlt. Dass der «Spiegel» einer frustrierten Ex-Mitarbeiterin, deren Mobbing nicht den gewünschten Erfolg hatte, seine Spalten öffnete, um Unschlitt über ihren ehemaligen Chef zu giessen, das kratzte Tamedia weniger.

Nachdem der «Spiegel» sich seit seiner Hetze gegen Luke Mockridge sozusagen eine Pole Position erobert hatte, die er mit Schmierereien gegen einen erfolgreichen Schauspieler und einen Drei-Sterne-Koch ausbaute, wollte nun auch die «SZ» nachziehen. Als sei’s ein Stück von Tom Kummer feuerte das Blatt aus München eine Breitseite gegen den Sänger der Band Rammstein ab.

Das Gebräu besteht immer aus den gleichen Zutaten. Anonyme Anschuldigungen, Behauptungen, aufgejazzt und verbal aufgepumpt zu Ungeheuerlichkeiten. Sogar die NZZ verstieg sich – unglaublich – zum Titel «Aus dem Künstler ist ein Täter geworden». Erst, als der Verstand wieder einsetzte, wurde er korrigiert, ohne das transparent zu machen. Das entspräche den «üblichen redaktionellen Prozessen», machte sich das Weltblatt gegenüber ZACKBUM lächerlich.

Dabei bestehen die Anschuldigungen gegen den exzentrischen Sänger bislang aus vagen Behauptungen der Ausübung von Dominanz zur Erlangung von sexuellen Handlungen. Wohlgemerkt von Groupies. Nicht einmal eine Klage wurde eingereicht, nicht einmal eine Vergewaltigung wurde bislang behauptet.

Aber wenn die Meute losgaloppiert, ist kein Halten mehr. Dass die Band sich von den Anschuldigungen betroffen zeigte, wurde als halbes Schuldeingeständnis missinterpretiert. Dass sie darauf besteht, dass die Unschuldsvermutung gelte, wurde hohnlächelnd rapportiert.

Nun hat Till Lindemann durch seine Anwälte verlauten lassen, dass diese Vorwürfe «ausnahmslos unwahr» seien – und juristische Konsequenzen hätten. Die Anwälte sagen:

«Wir werden wegen sämtlichen Anschuldigungen dieser Art umgehend rechtliche Schritte gegen die einzelnen Personen einleiten.»

Hoffentlich umfasst das auch alle Medien, die diese Anschuldigungen kolportierten.

Die abgesehen davon diese juristische Offensive bislang mit Schweigen quittierten. Und sich für unangreifbar halten. Denn man hat ja nur, von den Verlagsjuristen abgeschmeckt, im Konjunktiv Behauptungen aufgestellt, sich dabei auf angeblich vorhandene Zeugenaussagen abgestützt, nur seiner Berichterstatterpflicht nachgelebt.

Ist es eigentlich irgend einem Mitglied der Journaille bewusst, welch unglaubliche Lächerlichkeit in dieser Meldung steckt? «Auf dem Konzertgelände gibt es «Awareness-Bereiche» und «Safe Spaces» für Besucherinnen und Besucher, die sich möglicherweise unwohl fühlen.» Da fehlen die Worte …

Aber keinesfalls könne man etwa dafür, wenn der Ruf Lindemanns, so wie der von Luckridge, Canonica, Schweiger und anderen, rettungslos ruiniert ist. Für immer wird an ihm kleben: ist das nicht der, der Groupies mit Drogen oder Alkohol willfährig gemacht hat?

Wenn sich herausstellen sollte: nein, das ist der nicht, das hat er nicht gemacht, das waren unbelegte Anschuldigungen von willigen Groupies, die sich auf seine Kosten ihre 15 Minuten Ruhm verschaffen wollten, dann wird das nicht mal erinnert werden.

«Tut nichts, der Jude wird verbrannt», heisst es in «Nathan der Weise» von Lessing. Aber wer kennt schon noch Lessing, wer kennt noch Nathan der Weise. Keiner dieser journalistischen Frettchen.

Die Abschreiber

Früher gab es wenigstens noch Sensationsjournalismus.

Heutzutage ist das zum Denunziationsjournalismus degeneriert. Das Lieblingshassobjekt ist der Mann. Am besten der berühmte, wenigstens der bekannte Mann. Dem wird dann irgendwas vorgeworfen (nach der Affäre Rammstein kann man nicht mal mehr von eindeutigen Tatbeständen sprechen). Die Anschuldigungen erfolgen anonym, liegen auch gerne schon Jahre zurück und lassen sich in keiner Weise belegen oder schlüssig nachweisen.

Meistens beginnt es mit einer Anschuldigung in den sozialen Medien, mit einem «Jetzt rede ich»-Text. Der folgt immer dem gleichen Schema. Es werden unbelegte Anschuldigungen erhoben, die oft viele Jahre zurückliegen. Statt Straftatbeständen (die sowieso meistens verjährt wären), werden Befindlichkeiten («verletzt, gedemütigt, diskriminiert, herabgewürdigt, ungerecht behandelt, sexistisch missbraucht») angeführt.

Daraufhin melden sich unvermeidbar Trittbrettfahrerinnen. Dabei ist keine Story zu alt oder abgefahren, um nicht mit ihr an die Öffentlichkeit zu gehen. Liegt sie schon viele Jahre zurück, konnte die Betroffene eben nicht vorher darüber reden, nun kann sie «nicht länger schweigen», wie Patrizia Laeri begründete, dass sie mehr als 20 Jahre danach mit einer versuchten Kussattacke Aufmerksamkeit auf sich lenken wollte. Als die Untersuchung nichts, beziehungsweise Widersprüchlichkeiten in ihren Behauptungen ergab, kündigte sie verschnupft eine «juristische Prüfung» an, da sei sicherlich nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Seither ist Schweigen.

Während bislang der «Spiegel» für sich eine Vorreiterrolle in Anspruch nehmen konnte – er denunzierte bereits einen deutschen Comedian, einen Schweizer Ex-Chefredaktor, einen deutschen Schauspieler und einen Drei-Sterne-Koch, dazu berichtete er über anonyme Anschuldigungen gegen den Sänger der linksradikalen Band «Feine Sahne Fischfilet» –, hat nun auch die «Süddeutsche Zeitung» zugeschlagen.

Obwohl sie ganze sechs Kräfte auf die Story warf, sind die Ergebnisse allerdings erschütternd mager. Andeutungen, Behauptungen, angebliches aggressives Verhalten, eine Zustimmung, die dann doch nicht so gemeint war, Groupies, die wohl annahmen, bei der After-Show-Party würde Bingo gespielt, berichten unter dem Schutz der Anonymität. Dabei gibt es auch solche Berichte:

«Beim Tanzen habe er seine Hand auf ihre Taille gelegt. Da habe sie ihm gesagt, sie wolle nicht, dass er ihr nah kommt, das habe er wohl falsch verstanden. Und er habe das akzeptiert, sich sogar entschuldigt. Am Ende des Abends sei Lindemann ohne weibliche Begleitung nach Hause gegangen, obwohl es nach ihrem Eindruck «genug Frauen gab, die mit ihm schlafen wollten»».

Da musste die SZ tief Luft holen, um das zu einem Skandal aufzupumpen:

«Ob es sich dabei um einvernehmlichen Sex gehandelt hat, ist kaum zu eruieren. Jedenfalls gab es kaum ein klares Ja. Die Beziehung zwischen Groupies und Stars mag immer asymmetrisch sein. Im Falle des 60-jährigen Lindemann und der jungen Frauen – viele offenbar im Teenageralter – war das Verhältnis aber von äusserster Ungleichheit. Die Groupies scheinen nach den von ihnen öffentlich gemachten sexuellen Handlungen denn auch nicht recht gewusst zu haben, ob sie nun von einem Halbgott, einem Rocker-Zeus, beehrt oder aber von einem alten Lüstling missbraucht worden waren

Früher, als die Zeiten besser waren und Journalismus noch Regeln folgte, hätte spätestens hier eine Kontrollinstanz gesagt: damit habt ihr aber eure sowieso schon dünne Story gekillt, Papierkorb.

Heute aber wird sie ins Blatt gehievt. Und wie es Trittbrettfahrerinnen bei den Anschuldigungen gibt, steigen auch die übrigen ausgehungerten Medien auf diesen Zug und krähen tapfer mit. Die sonst seriöse NZZ versteigt sich sogar zum Titel: «Aus dem Künstler ist ein Täter geworden». Um ihn dann, als der Verstand wieder einsetzte, zu «Was ist Tat, was ist Fiktion?» abzuschwächen. Notabene ohne das transparent zu machen.

Noch schlimmer als solche Trittbrettfahrten ist eigentlich nur noch eines: das copy/paste-Abschreiben, wie es das Haus der Qualitätsmedien «Tages-Anzeiger» pflegt. Hier übernimmt man tel quel den Artikel aus München, ohne die Gelegenheit zu nützen, wenigstens ein wenig Eigenrecherche zu betreiben. Dafür melkt die gesundgeschrumpfte Redaktion insgesamt 5 Storys aus dem Thema, dass eine deutsche Rockband mit deutschen Provokationen zu deutschen Problemen berühmt geworden ist.

Natürlich interessiert das auch den Schweizer Fan von «Rammstein», der überwiegenden Mehrheit der Tagi-Leser geht da aber genauso am Hintern vorbei wie die ewige Quengelei wegen Gendern, Gendersternchen und der Ausmerzung angeblich diskriminierender Begriffe.

Abgeschriebener Denunziationsjournalismus, eisernes Schweigen gegenüber des Skandals, der sich im eigenen Haus im «Magazin» abspielt, Gedankenleere, dafür Kampagnenjournalismus vom Übelsten, was die Themen Neutralität oder Waffenlieferungen an die Ukraine betrifft, immer wieder Artikel und Leitartikel zum Gendern, obwohl das Dreiviertel der Leser null interessiert. Wer da behauptet, die Umstände, das Umfeld, die Inseratelage, die Zahlbereitschaft, das Internet seien die Probleme der modernen Medien, bekommt hier deutlich vorgeführt: mag alles eine Rolle spielen.

Aber die abgründige Unfähigkeit und Dummheit der Zeitungsmacher ist die Hauptursache für den Niedergang.

Ist der «Spiegel» die neue «Bunte»?

Als die «Bunte» People-Magazin wurde, war das noch originell.

Ein merkwürdiger Name muss nicht bedeuten, dass das Blatt erfolglos sei. Die «Bunte Illustrierte» (aus Zeiten, als bunt Gedrucktes noch wow war) ist nach wie vor eines der erfolgreichsten Magazine Deutschlands. Trotz Auflagenrückgang um über 50 Prozent seit 1998 verkauft die «Bunte» immer noch über 320’000 Exemplare.

Ihre Stärke ist Klatsch und Tratsch, aber auf durchaus höherem Niveau. Mit «Bunte» und «Focus», an dessen Erfolg zunächst niemand glaubte, ist dem Burda-Verlag ein erfolgreiches Duo gelungen, das jahrelang vom Ehepaar Markwort/Riekel geführt wurde.

Eine echte Konkurrenz für «Stern» und «Spiegel», die beiden Bertelsmann-Blätter. Der «Stern» verkauft noch 314’000 Exemplare, ein Minus von 71,4 Prozent seit 1998. Der «Spiegel» hält sich vergleichsweise gut mit etwas über 700’000 verkauften Exemplaren, ein Rückgang von lediglich 33,5 Prozent seit 1998.

Während aber «Bunte» und «Focus» von den ganz grossen Skandalen verschont blieben, machte sich der «Stern» mit den «Hitler-Tagebüchern» im Jahr 1983 unsterblich lächerlich. Hinter dem Rücken der Redaktion war die Chefetage auf eher billige Fälschungen eines Konrad Kujau reingefallen. So hatte der bei einem Tagebuch gerade kein A in Frakturschrift zur Hand und ersetzte es kurzerhand durch ein F.

Wer den Schaden hat, brauchte für den Spott nicht zu sorgen, zum Beispiel für die Frage, ob das nicht die Tagebücher von Fritzli Hitler seien.

Der «Spiegel» hat sich bis heute nicht vom Fall Relotius erholt. Der mit Preisen überschüttete Star-Schreiber, dem ein Scoop nach dem anderen gelungen sein sollte, der Reportagen möglich machte, an denen andere scheiterten, musste schliesslich einräumen, dass er das Meiste erfunden, gefälscht, geflunkert, geschönt hatte. Weil er aber das Narrativ der Redaktion bediente, die sich immer mehr darauf verlegte, Thesen-Journalismus zu betreiben, die sogar im Grössenwahn ernsthaft ankündigte, Donald Trump »wegschreiben» zu wollen, kam er lange Zeit damit durch.

Edelfeder Ullrich Fichtner musste seine ganze Schreibkraft aufwenden, um diesen Skandal schönzuschreiben, der ihn die schon auf sicher geglaubte Stelle des Chefredaktors kostete. Wie an einem Mantra klammerte sich der «Spiegel» an der Aussage seines Gründers Rudolf Augstein fest, «schreiben, was ist».

Dabei ist das sowieso nicht möglich, weil Beschreiben immer eine der möglichen Perspektiven auf die Wirklichkeit eröffnet. Beim «Spiegel» wurde das immer mehr zu «schreiben, was sein soll», oder gar «herbeischreiben, wie es sein sollte». Die Wahl Trumps war für den «Spiegel» schlichtweg «Das Ende der Welt», nur notdürftig abfedert mit der Unterzeile «wie wir sie kennen». Der «Spiegel» kannte sich dann selbst nicht mehr, und seither eiert er in einer Art herum, die beelendet.

Noch schlimmer ist aber, dass sich der «Spiegel» in die Gefilde des Boulevards, des Promi-Schnickschnacks begibt. Noch vor wenigen Jahren wäre eine solche Serie undenkbar gewesen. Der «Spiegel» denunzierte den deutschen Comedian Luke Mockridge als mutmasslichen Vergewaltiger. Die Story basierte lediglich auf den Aussagen dessen geschiedener Frau. Der Komiker überlebte diesen Rufmord nur knapp, der «Spiegel» wurde gerichtlich gezwungen, grosse Teile seiner Behauptungen zurückzunehmen.

Es folgte eine «Enthüllung» über den «Bild»-Chef Julian Reichelt. Dem schloss sich eine Breitseite gegen Mathias Döpfner an, den Chef des Springer-Verlags. Der auf billigen Medienhype angelegte «Enthüllungsroman» des PR-Genies Benjamin Stuckrad-Barre war dem «Spiegel» eine Titelstory wert.

Dann gab das Nachrichtenmagazin seiner Ex-Mitarbeiterin Anushka Roshani ungeprüft die Möglichkeit, einen Rufmord zu begehen, ihren ehemaligen «Magazin»-Chef als üblen Mobber und sexistischen Quälgeist zu beschimpfen, sich über mangelhaften Schutz des Tamedia-Verlags zu beschweren. Die Rache einer Frau, die es selbst mit Mobbing und Denunziationen nicht geschafft hatte, ihren Chef vom Sessel zu lupfen, den sie selbst gerne erklettert hätte. Stattdessen wurde sie gefeuert, der «Spiegel» war nicht in der Lage, dieses offenkundige Motiv für eine Abrechnung zu durchschauen.

Diverse Prozesse laufen. Aktuell ist der deutsche Schauspieler Til Schweiger dran; wie immer gespeist aus anonymen Quellen wird ihm ein gröberes Alkoholproblem vorgeworfen. Und bereits wird ein Drei-Sterne-Koch auf die Rampe geschoben, der sich in seiner Küche ungebührlich benommen haben soll.

Das alles bedient das Narrativ von toxischer Männlichkeit, von Frauendiskriminierung im Nachhall der «#me too»-Bewegung, deren erste Exponentin später selbst sexueller Übergriffe beschuldigt wurde.

Nicht nur ältere «Spiegel»-Mitarbeiter sind sich einig: das wäre in früheren Zeiten, unter dem letzten beeindruckenden Chefredaktor Stefan Aust nicht möglich gewesen. Inzwischen gilt:

Wenn Würstchen an die Macht kommen, wird der Senf rationiert.

Statt beeindruckender Enthüllungen wie früher, Stichwort Neue Heimat, Stichwort Parteispenden, folgt nun eine billige Fertigmacher-Story ad personam nach der anderen. Aus Schweizer Sicht ist der Fall Roshani besonders peinlich. Denn spätestens seit dem akkurat recherchierten Buch von Roger Schawinski ist klar, was auch ZACKBUM als eines der ganz wenigen Organe schon von Anfang an kritisierte: Canonica ist hier nicht der Täter, sondern das Opfer, und die Medien machten sich allesamt zu willigen Helfershelfern einer Frau auf dem Rachetrip. Sie übernahmen ungeprüft ihre Behauptungen, schmückten sie sogar mit weiteren, erfundenen anonymen Aussagen aus, schwiegen dann verkniffen, als sich immer mehr offenkundige Widersprüchlichkeiten und gar grobe Erfindungen herausstellten.

Besonders peinlich dabei das Verhalten der «Magazin»-Redaktion, eine Versammlung von Gutmenschen, darunter der Lebensgefährte der Kampffeministin Franziska Schutzbach, die jahrelang mit höchster Sensibilität Missbrauch und alles, was gegen Gutmenschentum verstiess, aufs schärfste verurteilten. Aber in eigener Sache Zeugnis abzulegen, Zivilcourage zu beweisen, dazu Stellung zu nehmen, dass sie von Roshani als Zeugen für angeblich öffentliche Ausfälligkeiten von Canonica aufgeführt wurden – da verordneten sie sich feiges Schweigen, tiefer als die Omertà der Mafia.

Aber all das wird unterboten vom Niedergang des «Spiegel», der nicht einmal mehr schreibt, was sein soll. Sondern sogar, was gar nicht ist.

 

Anatomie eines Übergriffs

Roger Schawinski obduziert das Versagen der Medien im Fall Roshani.

Was als Breitseite gegen den ehemaligen «Magazin»-Chefredaktor Finn Canonica begann, entwickelte sich schnell zum Skandal. Zum Medienskandal. Wie es der «Spiegel» zulassen konnte, dass seine ehemalige Mitarbeiterin Anuschka Roshani mit einer öffentlichen Hinrichtung ihren ehemaligen und langjährigen Chef als eine Art Schweizer Ausgabe von Harvey Weinstein verunglimpfte, ist unerhört.

Schlimmer noch als im Fall Relotius versagten hier alle Kontrollen, entlarvten sich die Behauptungen des «Spiegel», man habe die Vorwürfe nachgeprüft und verfüge über genügend Zeugenaussagen und Dokumente, die sie bestätigen würden, als hohles Geschwätz. Zumindest wurden vom «Spiegel» in den nun anrollenden Prozessen kein einziger dieser «Belege» eingereicht. Nachrecherchen ergaben, dass der «Spiegel» mit keinem einzigen aktuellen «Magazin»-Mitarbeiter in Kontakt getreten war.

Desgleichen gilt auch für die von der einschlägig bekannten Salome Müller in der «Zeit» zeitgleich erhobenen Behauptungen, es gäbe eine ganze Reihe von bestätigenden Aussagen, leider aber anonym. In Wirklichkeit war Müller von Roshani angefüttert worden; man kennt sich seit dem Protestbrief von 78 erregten Tamedia-Mitarbeiterinnen, den die eine initiierte und die andere unterschrieb. Die beiden renommiertesten Blätter des deutschen Journalismus liessen sich instrumentalisieren und an der Nase herumführen – und können es bis heute nicht eingestehen.

Roshani stilisierte sich dem Zeitgeist und den Narrativen entsprechend als Opfer eines verbal übergriffigen, versexten und sie mobbenden Chefs. Der sie über Jahre hinweg quälte, ohne dass sie vom Tamedia-Verlag trotz Beschwerden beschützt worden sei.

Auf diese offensichtlich weitgehend erfundene Geschichte, die Rache einer verschmähten Frau, stiegen wie Pavlowsche Hunde die übrigen Medien ein und begannen zu sabbern. Wobei Roshani nicht von Canonica verschmäht wurde, sondern zu ihrem grossen Schmerz wurde ihre Bewerbung auf seine Stelle (die er damals noch innehatte) von der Tamedia-Geschäftsleitung zurückgewiesen.

Wir haben hier eine klassische Täter-Opfer-Umkehr. Roshani fabuliert sich als verfolgte Unschuld, dabei ist sie die verfolgende Schuld. Opfer ist Canonica; niemals mehr wird sein Ruf wiederhergestellt werden können. Völlig unabhängig davon, wie viele der Behauptungen von Roshani widerlegt werden.

Denn die Medien tun inzwischen weitflächig das, was früher dem Boulevard vorbehalten war. Skandalisieren, verurteilen, nachtreten («war alles noch viel schlimmer!»). Um dann in tiefes Schweigen zu verfallen, wenn sich (mal wieder) herausstellt, dass zu voreilig, zu oberflächlich, ohne jegliche Eigenrecherche einseitig und falsch berichtet wurde.

Die wirkliche Geschichte ist so einfach wie banal: eine langjährige und privilegierte Journalistin, die paradiesische Freiheiten geniesst, möchte angesichts des näherrückenden Endes ihrer Tätigkeit noch eine Sprung nach oben machen. Also Chefredaktorin werden. Daher bewirbt sie sich um die Stelle ihres Chefs und versucht, ihn wegzumobben. Das gelingt ihr, aber statt befördert zu werden, wird sie gefeuert; zu viele der von ihr und ihrem Mann konstruierten Vorwürfe erwiesen sich bei genauerer Betrachtung als falsch.

Aus dieser Enttäuschung entstand ein furienhaftes Rachebedürfnis. Gegen ihren Vorgesetzten, der ihr im Licht stand, gegen ihren Verlag, der sie verschmäht hatte.

Roger Schawinski hat darüber ein Buch geschrieben: «Anuschka und Finn. Die Geschichte eines Medien-Skandals». Er tut nochmals gründlich das, was die meisten Medien sträflich vernachlässigt haben. Er nähert sich dem Thema mit den klassischen journalistischen Fragen: Was stimmt an den Vorwürfen? Was lässt sich belegen? Was stimmt nachweislich nicht, wer hat hier gelogen, geschwiegen, bewusst die Unwahrheit gesagt, bewusst nicht die Wahrheit gesagt?

Peinlich, aber wahr: Schawinski tut das, was eigentlich alle sogenannten Qualitätsmedien unterlassen hatten. Er hat mit dem Opfer gesprochen, hat sich alle verfügbaren Dokumente wie Untersuchungsberichte besorgt und klopft vor allem die Anschuldigungen von Roshani auf ihren Wahrheitsgehalt ab. Er nennt den miesen Informanten beim Namen, der noch Jahre nach seinem Abgang beim «Magazin» mit unwahren Behauptungen sein Rachebedürfnis befriedigen wollte – und Roshani mit seinen wilden Anschuldigungen fütterte. Die nicht wusste, dass ein seriöser Untersuchungsbericht sie bereits als unwahr entlarvt hatte.

Natürlich hat er auch der gescheiterten Anklägerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die schweigt aber verkniffen.

Alleine die ausführlichen Zitate aus der Klageschrift des Anwalts von Canonica machen klar, auf welch tönernen Füssen Roshanis Anschwärzungen stehen. Aber es gibt noch eine viel entlarvender Entdeckung, die Schawinski gemacht hat. Im Jahr 2014, als drastische Sparmassnahmen umgesetzt werden mussten, gab es einen grossen Aufruhr in der «Magazin»-Redaktion. Es erschien ein Artikel im «Schweizer Journalist», der von umgehender Angst auf der Redaktion berichtete und das mit anonymen Zeugenaussagen untermauerte.

Allerdings wurde dem eine Stimme entgegengestellt, die klarstellte, dass trotz Sparzwang die Redakteure des «Magazins» sich immer noch einer ganz privilegierten Stellung erfreuen konnten. Diese Stimme gehörte …Anuschka Roshani. Die inzwischen behauptet, sie sei damals unerträglich gequält und gemobbt worden. Ist das peinlich.

Schawinski stellt die entscheidende Frage. Wenn sie angeblich 14 Jahre lang versucht habe, der unerträglichen Qual durch Canonicas Behandlung zu entfliehen: «Weshalb hat sie, eine intelligente, selbstbewusste und starke Frau es nicht geschafft, sich einer solchen Pein zu entziehen? Weshalb ist sie geblieben, bis ihr gekündigt wurde?»

Darauf findet der Radio-Journalist die einzig richtige Antwort:

«Entweder ist sie eine in der Wolle gefärbte Masochistin. Oder dann handelt es sich um eine wenig glaubwürdige, boshafte Lügengeschichte, mit der sie in einem furiosen Rundumschlag an prominentester Stelle das ihr Widerfahrene der ganzen Welt mitteilen möchte, und um gleichzeitig von ihrem ehemaligen Arbeitgeber eine grosse materielle Entschädigung herauskitzeln zu können. Die zweite Antwort ist wohl die richtige.»

Zum ersten Mal beschreibt Schawinski ausführlich seine leidvollen Erfahrungen mit dem Mann der «Verlegersgattin» (so bezeichnete sich Roshani gerne und ohne Selbstironie). Der Verleger von Kein & Aber kommt dabei nicht gut weg, offensichtlich ist er vom gleichen Schlag wie seine Gattin.

Wer die unsäglichen Mechanismen des heutigen Elendsjournalismus gut dokumentiert und geschrieben vorgeführt haben möchte, sollte unbedingt diese Buch lesen. Und Propaganda dafür machen, denn die mitschuldig gewordenen Medien, die sich einmal mehr instrumentalisieren liessen, weil die Grundstory wie bei Relotius in ihre Weltsicht passte, werden das Buch möglichst ignorieren. Oder unter einem Vorwand behaupten, dass das doch nur eine weitere eitle Selbstdarstellung Schawinskis sei, kaum lesenswert, uninteressant.

Davon sollte man sich aber nicht abhalten lassen, es zu lesen. Denn es lohnt die Lektüre zehnmal mehr als jede beliebige Ausgabe eines «Spiegel», des «Tages-Anzeiger». Von den übrigen Schweizer Medien ganz zu schweigen; denn für einmal hat hier auch die NZZ versagt. Wie alle anderen auch.

Nach der Lektüre ist man versucht, all diesen Organen, «Spiegel», «Zeit», Tamedia, CH Media, «Blick» und NZZ die einfache Frage zu stellen: schämt Ihr Euch denn überhaupt nicht? Leider kennen wir die Antwort.

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Roger Schawinski: Anuschka und Finn. Die Geschichte eines Medienskandals. Radio 1 Verlag.

 

 

Springers Meisterstück

Kaufen statt selber machen. Auch so geht’s.

Als der Springer-Verlag im August 2021 eine Milliarde Dollar auf den Tisch legte, um den «Politico»-Verlag zu kaufen, ging eine Raunen durch die Runde.

Das US-Blatt erscheint im Print nur während den Sitzungszeiten des Kongresses als Tageszeitung mit einer bescheidenen Auflage von 40’000 Exemplaren. Gegründet wurde es 2007, eine europäische Ausgabe gibt es seit 2015, natürlich auch auf Englisch.

Sozusagen als Kollateralschaden kostet das den «Bild»-Chefredaktor Julian Reichelt endgültig den Job. Denn als die NYT über die Zustände bei «Bild» berichtete, im Zusammenhang mit diesem Ankauf, wollte sich Springer blitzschnell US-Gebräuchen bei der Verfolgung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz anschliessen.

Aber das nur nebenbei. Wichtig ist, dass sowohl die US-Ausgabe wie auch die europäische im Internet vorführt, wie moderner Politjournalismus heutzutage geht. Aktuell zeigt das gerade die Berichterstattung über die «Pentagon Leaks». Also die Veröffentlichung streng geheimer Dokumente, die belegen sollen, welche militärische Unterstützung die USA der Ukraine gewähren und mit welchen Mitteln sie dort helfen.

Auch wenn «Politico» natürlich nicht die Quelle ist (lustigerweise kamen die Papers über eine Gaming-Plattform in Umlauf), zitieren die meisten deutschsprachigen Medien wie der «Spiegel» das US-Polit-Magazin – oder schreiben ihm einfach ohne Quellenangabe ab.

Besonders bunt treibt’s hier mal wieder Tamedia. Obwohl der Konzern eine Klage gegen den «Spiegel» wegen des Rufmord-Artikels von Anuschka Roshani erwägt, schreibt er einfach dem deutschen Nachrichtenmagazin ab. Das seinerseits bei «Politico» abschreibt.

Auszug aus dem «Spiegel»-Abschreibtext:

«Das Material soll unter anderem Informationen zu Waffenlieferungen an die Ukraine und Angaben zum Munitionsverbrauch beinhalten. Es gibt auch Landkarten, auf denen der Frontverlauf eingezeichnet ist, und Standorte russischer und ukrainischer Truppenverbände und deren Mannschaftsstärken. Einige der als »geheim« gekennzeichneten Schriftstücke stammten vom Februar und März, wie das Nachrichtenportal »Politico« berichtete.»

Auszug aus dem Tamedia-Abschreibabschreibtext:

«Die veröffentlichten geheimen Dokumente beinhalten US-Medienberichten zufolge unter anderem Informationen zu Waffenlieferungen an die Ukraine und Angaben zum Munitionsverbrauch. Es gibt auch Landkarten, auf denen der Frontverlauf eingezeichnet ist, und Standorte russischer und ukrainischer Truppenverbände und deren Mannschaftsstärken. Einige der als «geheim» gekennzeichneten Schriftstücke stammen vom Februar und März, wie das Nachrichtenportal «Politico» berichtete.»

Während aber die deutschsprachigen Medien mit diesem Wiederkäuen beschäftigt sind, dreht «Politico» die Story natürlich weiter und berichtet aus dem Innern des US-Verteidigungsministeriums. Dort sei man «sick to the stomach» über diese Veröffentlichungen, was man mit «ist mir übel» dezent übersetzen könnte.

Ein weiterer Artikel befasst sich damit, wie US-Abgesandte ihre verbündeten Spionagepartner besänftigen wollen, obwohl:

«One said that members of the Five Eyes — the intelligence consortium of the United States, Canada, United Kingdom, Australia and New Zealand — have asked for briefings from Washington but have yet to receive a substantive response.»

Was übrigens in angelsächsischen Medien verwendete anonyme Quellen von europäischen unterscheidet: sie existieren …

Wer selbst austesten will, welche Distanz in der Dichte und Kompetenz des Dargebotenen zu deutschsprachigen Medien existiert, soll doch einfach – etwas Englischkenntnisse vorausgesetzt, ansonsten gibt es zufriedenstellende Simultanübersetzungs-Apps – zu jedem beliebigen Zeitpunkt einen Blick auf die Homepage werfen.

Sonst noch Fragen? Ach ja, das Angebot ist gratis, die US-Ausgabe hat 700 Mitarbeiter, davon mehr als die Hälfte festangestellte Redakteure. Politico Europa hat 200 Angestellte …

Was lange gärt …

Auch Tamedia verklagt den «Spiegel».

Ein «Gastbeitrag» von Anuschka Roshani hat weitere rechtliche Folgen. Die gefeuerte «Magazin»-Mitarbeiterin hatte in einem Racheartikel schwere Vorwürfe gegen Tamedia und ihren ehemaligen Chefredaktor Finn Canonica erhoben.

Der habe sie übel gemobbt und verbal belästigt, der Verlag habe sie dagegen nicht geschützt. Der «Spiegel» stellte sich hinter diese Behauptungen, er verfüge über Dokumente und weitere Quellen, die sie bestätigen würden.

Eine nähere Untersuchung der Vorwürfe ergab aber, dass sie grösstenteils nicht der Wahrheit entsprechen und nicht erhärtet werden konnten. Offensichtlich spielte beim Entstehen des Artikels eine Rolle, dass sich Roshani für den damals noch besetzten Posten des Chefredaktors beworben hatte – und abgeschmettert wurde.

Fast zeitgleich veröffentlichte die «Zeit» einen Artikel der einschlägig bekannten Salome Müller, der die Vorwürfe spiegelte, ebenfalls von angeblichen anonymen Quellen fantasierte und aus Unterlagen zitierte, die offensichtlich Roshani zur Verfügung gestellt hatte. Mehrfach dazu befragt, antwortet die «Zeit» lediglich: «Aber wie ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, haben wir unseren ausführlichen Antworten vom 10.2. derzeit nichts hinzuzufügen. Sollten sich für uns neue Erkenntnisse ergeben, werden wir darüber selbstverständlich berichten.»

Neue Erkenntnisse wie die, dass beispielsweise von Roshani geschilderte Vorfälle an einem Weihnachtsessen gar nicht stattfinden konnten, weil dieses Weihnachtsessen coronabedingt ausfiel – was sie offenbar vergessen hatte –, scheinen der «Zeit» nicht berichtenswert.

Nachdem sich fast alle Schweizer Medien lächerlich und unglaubwürdig machten, indem sie die Anwürfe von Roshani ungeprüft übernahmen oder sogar noch ausschmückten, herrscht nun Ruhe im Blätterwald.

Canonica hat bereits Mitte März Klage eingereicht, nun zieht Tamedia einen Monat später nach. Offensichtlich dachte man lange darüber nach, ob man damit die Kollaboration mit dem «Spiegel» gefährden könnte. Aber schliesslich siegte der Ärger darüber, dass der «Spiegel» noch einen draufsetzte und deutliche Parallelen zum Fall Weinstein zog – als handle es sich hier auch um kriminelle Vergehen eines mehrfach verurteilten Sexualstraftäters.

Die Urheberin dieses gelungenen Rufmords schweigt seither eisern. Keine Stellungnahme, keine Rechtfertigung, keine Erklärung, keine Antwort auf die Frage, wieso sich die meisten ihrer Vorwürfe bei näherer Betrachtung als haltlos erwiesen.

Was bleibt: auf juristischem Weg ist hier kaum noch etwas zu retten. Der «Spiegel» wird die Klagen sicherlich die ganze juristische Leiter hinauf appellieren, und wenn dann in Jahren rechtskräftige Urteile vorliegen, interessiert das keinen mehr.

Roshani, Müller, die abkupfernden und ausschmückenden Medien, von denen kein einziges seiner eigentlich Aufgabe nachgegangen ist – nachrecherchieren, Fakten checken –, ein schmieriges Trauerspiel sondergleichen. Besonders peinlich ist das eiserne Schweigen der Gutmenschen vom «Magazin»; rückgratlose Gesellen ohne Zivilcourage, aber mit moralisch erhobenem Zeigefinger bei anderen.

Als gäbe es noch den mittelalterlichen Pranger, die Verurteilung auf Zuruf, worauf sich die Meute am Opfer gütlich tun kann – Widerwärtigeres ist in diesem Jahr in der Schweiz noch nicht passiert.

Wer einmal lügt …

Weitere Faktenchecks zu Roshanis Behauptungen im «Spiegel».

«Das Mobbing mir gegenüber aber ging weiter: Ohne Anlass nutzte Canonica auch den neuen Redaktionsalltag für meine Diskreditierung; machte gern schlüpfrige Bemerkungen, wie beim Weihnachtsessen 2019, als er, zu einem journalistischen Selbstversuch von mir, grinsend bemerkte, dass LSD sicher geil mache. Einem Reporter sagte er – ich war in Hörweite –, dieser dürfe mir nichts glauben, ich würde generell ‚Bullshit‘ von mir geben.»

Das ist eine Textstelle aus dem vierseitigen Pamphlet, das Anuschka Roshani Anfang Februar im «Spiegel» veröffentlichte. Darin beklagte sie sich über Mobbing, Entwürdigung, sexuelle Anspielungen und überhaupt ein unerträgliches Verhalten des ehemaligen «Magazin»-Chefredaktors Finn Canonica. Der habe sie sowohl unter vier Augen wir auch coram publico auf das Übelste verbal angegangen.

Dem «Spiegel» gab es dabei nicht zu denken, dass es sich hier um die Rache einer Entlassenen handeln könnte, die vorher vergeblich versucht hatte, den Stuhl ihres damals amtierenden Chefredaktors zu besteigen und ihn intern nach Strich und Faden gemobbt hatte.

ZACKBUM hat bereits die im Artikel aufgestellten Behauptungen einem Faktencheck unterzogen, soweit das aufgrund vorliegender Dokumente wie dem Untersuchungsbericht von Tamedia oder Aussagen anderer Beteiligter möglich war.

Dabei verwendete ZACKBUM fünf einfache Kriterien zur Bewertung der Tatsachenbehauptungen von Roshani:

  1. Was ist reine Rhetorik und Demagogie?
  2. Welche Anschuldigung stimmt?
  3. Welche stimmt nicht?
  4. Welche beruht auf Hörensagen?
  5. Welche kann nicht beurteilt werden?

Das Ergebnis ist ernüchternd: von 33 überprüften Behauptungen fallen 8 unter Rhetorik und Demagogie, 9 sind Hörensagen, 3 können nicht beurteilt werden, 24 halten einer Überprüfung nicht stand, und nur 2 treffen zu.

Die oben zitierte Behauptung von Roshani wurde bereits zurückgewiesen, da sich das Geschilderte nicht im Redaktionsalltag abspielte und wohl kaum als Beispiel für Mobbing herhalten könnte.

Laut Roshani hätten diese Aussagen, dass LSD sicher geil mache und die Bemerkung gegenüber einem Reporter, Roshani erzähle «generell «Bullshit»», am Weihnachtsessen 2019 stattgefunden.

Das kann nun schlichtweg nicht sein. Nicht deswegen, weil Canonica diese beiden Aussagen bestreitet. Nicht deswegen, weil es für beide keine Zeugen gibt (der Name des «Reporters» wird nicht genannt, beim LSD-Spruch steht Aussage gegen Aussage, wobei Canonica nicht beweisen müsste, was er laut ihm NICHT gesagt hat).

Das kann er aber beweisen. Denn es gab 2019 gar kein Weihnachtsessen. Weder vor noch nach Weihnachten. Das muss Roshani entfallen sein. Aber ohne Weihnachtsessen auch keine Bemerkungen von Canonica. Also ist diese Darstellung frei erfunden.

Es gibt eine ganze Reihe weiterer Behauptungen von Roshani, die über die schon widerlegten hinaus beweisbar falsch sind. Einfache Aussagen wie «Ich war die Einzige, die übrig war aus dem alten Team …»; das ist leicht mit der Realität zu widerlegen; es ist unverständlich, wieso Roshani diese Falschbehauptung aufstellt.

Schwerwiegender ist diese Unwahrheit: «Eine Kollegin entließ er ohne Vorwarnung.» Auch das ist nachweislich falsch, wenn man den Namen der Kollegin kennt und auch weiss, wie sich diese Entlassung in Wirklichkeit abgespielt hat.

Dann gibt es noch einen besonders widerwärtigen Vorwurf, weil der sich nicht auf Roshani selbst bezieht: «Nicht mal Canonicas Affäre mit einer Untergebenen und den damit verbundenen Machtmissbrauch fand das Unternehmen als Vorwurf erheblich genug: Erst bevorzugte Canonica seine Geliebte, ohne daraus einen Hehl zu machen, ging mit ihr auf Dienstreisen, dann, nach dem Ende des Verhältnisses, verbot er uns, mit ihr zu kommunizieren.»

Es kann als erstellt betrachtet werden, dass es eine solche Affäre nie gab, Canonica daher auch seine angebliche Untergebene und Geliebte nicht bevorzugt behandelt oder auf Dienstreisen mitgenommen haben kann, geschweige denn der Redaktion nach Beendigung des Verhältnisses die Kommunikation mit der Nicht-Genannten verboten habe.

Wer solche zutiefst verstörenden und ehrverletzenden Behauptungen aufstellt, die einer Überprüfung allesamt nicht standhalten, hat nicht nur straf- und zivilrechtliche Konsequenzen zu gegenwärtigen.

Was hier – unter Mithilfe des «Spiegel» – passiert ist, ist schlichtweg Rufmord. Dass die anderen Medien, angefangen von CH Media über Ringier und sogar NZZ und «Die Zeit», mit angeblichen anonymen Zeugenaussagen weiterhetzten, ist schlichtweg widerwärtig. Dass kein einziges Medium – ausser ZACKBUM – sich die Mühe machte, die Behauptungen von Roshani einer Überprüfung zu unterziehen, ist beelendend. Dass keiner der zahlreichen angeblichen Zeugen bislang den Mut hatte, nicht nur anonym im «Schweizer Journalist», sondern auch mit Namen zur Aussage zu stehen, dass die Behauptungen von Roshani, soweit sie von anderen Redaktionsmitgliedern überprüfbar sind, allesamt falsch seien, ist ein Ausdruck von unglaublicher Feigheit.

Wer bei der Preisverleihung für den «Journalist des Jahres» miterleben musste, wie der Preisträger Christof Gertsch als Mitarbeiter des «Magazins» sich wand und herumdruckste, als er gefragt wurde, was er denn zum Skandal ums «Magazin» zu sagen habe, der wusste wieder einmal, was fremdschämen bedeutet. Nach einem peinlich langen Schweigen quetschte Gertsch heraus, dass er dazu «aus tausenderlei Gründen» nichts sagen wolle. Dabei gibt es nur einen Grund: mangelnde Zivilcourage.

Während aber ein Vorwurf nach dem anderen von Roshani in sich zusammenfällt, schweigen nun die Medien, die zuvor Canonica hemmungslos verurteilten. Die NZZ drosch noch auf die liebe Konkurrenz und auf Roger Schawinski ein, der als Einziger Recherchierarbeit geleistet hatte und Canonica Gelegenheit zur Stellungnahme gab. Das eigene Fehlverhalten würdigte die NZZ aber keines Wortes.

Nun ist tiefes Schweigen ausgebrochen, ausser der kurzen Meldung, dass Canonica rechtliche Schritte eingeleitet habe. Aber selbst wenn er damit vor Gericht triumphiert: sein Name bleibt beschmutzt, er ist als Journalist tot, er ist toxisch und wird grosse Schwierigkeiten haben, jemals wieder eine adäquate Anstellung zu finden. Gibt es wenigstens Sanktionen gegen Redakteure wie Salome Müller, die in der «Zeit» Behauptungen von Roshani im Indikativ als feststehende Tatsachen schilderte? Nein. Die «Zeit» antwortet nicht einmal mehr auf wiederholte Anfragen.

Gibt es Entschuldigungen oder wenigstens Richtigstellungen in all den Medien, die mitgehechelt und mitgehetzt haben, das Narrativ von Roshani im #metoo-Wahn ungeprüft übernahmen? Nein.

Ist das alles verzeihlich? Nein.

Ein Stück Schmiere

Fehlende Fehlerkultur bei «Die Zeit».

«Eine Redakteurin des Schweizer «Tages-Anzeiger»-Magazins wird jahrelang vom Chef gemobbt, am Ende wird ihr gekündigt. Der Fall zeigt die Machokultur in der Medienbranche.» So leitet Salome Müller am 4. Februar 2023 ihren Bericht in der «Zeit» über die vierseitige Anklageschrift von Anuschka Roshani im «Spiegel» ein.

Wohlgemerkt im Indikativ, obwohl diese Behauptung lediglich von der gefeuerten Journalistin erhoben wurde. Müller ist einschlägig vorbelastet, sie gehörte zu den Rädelsführern eines Protestbriefs, in dem 78 erregte Tamedia-Mitarbeiterinnen eine unerträgliche Arbeitsatmosphäre beklagten. Sexismus, Diskriminierung, Unterdrückung, Machokultur. Diese happigen Anschuldigungen unterfütterten sie mit über 60 Beispielen. Nur: alle waren anonymisiert; bis heute konnte kein einziger Fall verifiziert werden. Müller verliess später den «Tages-Anzeiger» und ist inzwischen Redaktorin des Schweiz-Split der Wochenzeitschrift «Die Zeit».

Verblüffend ist, wie Müller am 4. Februar so ausführlich und mit Hintergründen über einen Artikel berichten kann, der am 3. Februar im «Spiegel» erschien – ohne seinen Inhalt vorher gekannt zu haben. Oder – Autorin und Roshani arbeiteten beide bei Tamedia, Roshani hatte den Protestbrief mitunterzeichnet – hier wurde ein Päcklein geschnürt. Denn die «Zeit» behauptet, Müller habe monatelang an diesem Artikel recherchiert. Der dann zufällig einen Tag nach Roshanis Breitseite im «Spiegel» erscheint, auf diese Ansammlung von Behauptungen Bezug nimmt.

Zunächst referiert Müller ausführlich die Vorwürfe Roshanis und gibt auch die Stellungnahmen von Tamedia und des Anwalts von Finn Canonica wieder. Von beiden Seiten werden die Vorwürfe bestritten, Tamedia sagt zudem, dass eine externe Untersuchung die überwiegende Mehrheit der Vorwürfe nicht bestätigt habe.

Dann nimmt Müller Bezug auf den von ihr mitinitiierten Protestbrief von 2021, um die Affäre Roshani in ihr Framing einzubinden. Schliesslich referiert sie, dass man Roshani im Januar 2022 darüber informiert habe, dass eine externe Anwaltskanzlei mit einer vertieften Untersuchung von ihren Vorwürfen beauftragt worden sei.

Was Müller verschweigt: diese neuerliche Untersuchung fand statt, weil Roshanis Mann, der Verleger Peter Haag, seine Beziehungen hatte spielen lassen und die Beschwerden seiner Frau, die in einer ersten Untersuchung nicht erhärtet worden waren, via einen Verwaltungsrat dort zum Thema machte. Was Müller auch verschweigt: Roshani hatte sich 2020 beim VR um die Stelle von Canonica beworben. Mit der Behauptung, sie sei viel besser als er dazu geeignet, das «Magazin» zu führen. Was Müller darüber hinaus verschweigt: laut diesem Untersuchungsbericht behauptete Roshani zunächst, sie habe sich bereits seit 2007 beschwert. Das korrigierte sie dann zu 2012. Als HR von Tamedia einwandte, dass es keinerlei Unterlagen darüber gebe, behauptete Roshani, die Beschwerden seien nur mündlich erfolgt. Als man sie neuerlich zu diesen und anderen Widersprüchen befragen wollte, verweigerte sie die weitere Zusammenarbeit und meldete sich krank – ohne Arztzeugnis.

Diese neuerliche Untersuchung ist also nicht eine Verzögerungstaktik von Tamedia, wie Müller das hinstellt. Sondern eine Reaktion auf den neuerlichen Versuch Roshanis, ihren Chef anzuschwärzen, weil sie gerne seine Position gehabt hätte.

Wer hier beim Mobbing Opfer ist, wer Täter, das ist zumindest sehr unklar. Als Canonica 2007 Chefredaktor des «Magazin» wurde, habe er nach eigenen Aussagen Roshani die Stelle seiner Stellvertreterin angeboten – sie lehnte ab. Als es 2014 unter höchstem Spardruck zu einer Umstrukturierung des «Magazin» kam, behielt Canonica Roshani als einzige der bisherigen Redaktoren an seiner Seite. Als besonderen Gunstbeweis ermöglichte er Roshani zudem ein halbjähriges Sabbatical. Bezahlt, was sonst nie gewährt wurde.

Der Untersuchungsbericht kommt zum Schluss, dass eine weitere Zusammenarbeit zwischen Canonica und Roshani nach ihren gesammelten Vorwürfen nicht mehr denkbar sei. Darin liegt offenbar der Grund für ihre Entlassung. Sie hatte versucht, ihren Chef wegzumobben und stellte sich, als das gescheitert war, selbst als Mobbingopfer da.

Das alles ist Müller entgangen, weil sie voreingenommen lediglich ihr seit dem Protestschreiben verfolgtes Narrativ der angeblichen «Machokultur in der Medienbranche» bedienen wollte.

Besonders stossend ist ihre Behauptung, «Roshani legte ein siebenseitiges Dossier vor, in das Die Zeit Einsicht hatte». Das kann nur bedeuten, dass Müller diese Vorwurfsammlung vorab von Roshani zugesteckt bekam. Zudem zitiert Müller aus «Notizen, die sich Roshani während des Onlinegsprächs (mit dem damaligen Oberchefredaktor Arthur Rutishauser, Red.) gemacht» habe.

Dann kommt dicke Post: «Fünf ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Tai-Magi bestätigen der Zeit, was Roshani in ihrem Dossier beschrieben hat. … Eine der Personen sagte: «Es war Psychoterror».» ZACKBUM wagt die These: diese fünf Mitarbeiter existieren nicht, sind eine Erfindung von Müller, die sich von Roshani und einer einzigen weiteren Quelle, einem rachsüchtigen Ex-Mitarbeiter, instrumentalisieren liess.

Schliesslich behauptet Müller: «Die Versuche von Anuschka Roshani, mit Tamedia eine gütliche Einigung zu erzielen, scheitern.» Welche Bemühungen? Roshani hatte sich um die Stelle ihres Vorgesetzten beworben, das ist nicht sehr gütlich. Sie hatte sich über ihn beschwert, dann hatte sie dafür gesorgt, dass diese Beschwerden dem Verwaltungsrat zu Ohren kamen, der nochmals eine genaue Untersuchung veranlasste. Nicht sehr gütlich. Als diese Untersuchung diversen Widersprüche in den Aussagen von Roshani auf den Grund gehen wollte, verweigerte sie die Zusammenarbeit und meldete sich krank. Nicht sehr gütlich.

Schliesslich kam der Untersuchungsbericht zum Ergebnis, dass fast alle der Vorwürfe Roshanis nicht erhärtet werden konnten, es auch keine Zeugen dafür gab. Zudem hielt er fest, dass angesichts dieser Umstände eine weitere Zusammenarbeit von Canonica und Roshani wohl nicht denkbar sei. Also entschied Tamedia, zuerst den Chefredaktor und dann auch Roshani zu entlassen. Was man in ihrem Fall durchaus verstehen kann.

Es bleibt unverständlich, wie die renommierte «Zeit» eine solche Schmiere veröffentlichen konnte. Es ist unverständlich, dass die «Zeit» nicht bereit ist, eine längst überfällige Korrektur zu publizieren. Es ist unverständlich, wieso die «Zeit» gegenüber der Autorin keine arbeitsrechtlichen Massnahmen ergreift. Es ist unverständlich, dass die «Zeit» nicht mal geruht, auf entsprechende Fragen zu antworten.

Faktencheck Roshani

ZACKBUM tut das, was andere schon längst hätten tun müssen.

Anonyme Quellen erfinden oder abmelken, das ist einfach. Einfach widerlich. Zielführend ist hingegen, im Licht der inzwischen gewonnenen Erkenntnisse die Anklageschrift von Anuschka Roshani einem objektiven Faktencheck zu unterziehen.

Nach fünf einfachen Kriterien:

  1. Was ist reine Rhetorik und Demagogie?
  2. Welche Anschuldigung stimmt?
  3. Welche stimmt nicht?
  4. Welche beruht auf Hörensagen?
  5. Welche kann nicht beurteilt werden?

Als Arbeitsinstrumente liegen die Recherchen des «Schweizer Journalist» vor und der Inhalt des ausführlichen Untersuchungsberichts, der von Roger Schawinski veröffentlicht wurde. Plus die Aussagen, die Finn Canonica in seinem bislang ersten öffentlichen Auftritt in Schawinskis «Doppelpunkt» machte. Plus zwei Methoden, die im modernen Elendsjournalismus kaum mehr einer beherrscht: die Anwendung von gesundem Menschenverstand und Logik. Das wird nun etwas länglich, aber das ist der Genauigkeit geschuldet.

Untersucht wird die Darstellung von Anuschka Roshani, die am 3. 2. 2023 im «Spiegel» unter dem Titel erschien: «Er zeichnete mir Hakenkreuze an den Rand meiner Manuskripte».

1. Einleitend beschreibt Roshani, wie sie einen Hollywood-Spielfilm über zwei Reporterinnen gesehen habe, deren Recherchen zu Harvey Weinstein die Bewegung #metoo ausgelöst hätten. Dann schreibt R.: «Ich sah mir «She said» an, nachdem ich selbst Opfer eines Machtmissbrauchs geworden war.» Diese Einleitung erfüllt einwandfrei Kriterium 1, reine Rhetorik oder Demagogie. Sie vergleicht ihre Erlebnisse mit Vorwürfen, die gegen den verurteilten Straftäter Harvey Weinstein erhoben wurden.

2. «Als Finn Canonica 2007 «Magazin»-Chefredakteur wurde, begann er ein Regime des Mobbings. Ich war nicht die Einzige.» Laut Canonica bot er R. in diesem Jahr die Stelle als seine Stellvertreterin an, die R. ablehnte, weil sie damals schwanger war, während er ihr angeboten habe, dass sie die Stelle nach ihrem Schwangerschaftsurlaub antreten könne. Es ist nicht erfindlich, wieso er sie stattdessen gemobbt haben sollte. Eindeutig Fall 3: stimmt nicht.

3. «Eine Kollegin entliess er ohne Vorwarnung.» Fall 5, kann nicht beurteilt werden. Als ihr der «Tages-Anzeiger» eine Reporterstelle anbot, «soll Canonica gesagt haben», das untergrabe seine Autorität, die Betroffene bekam die Stelle nicht. Fall 4: Hörensagen.

4. «Canonicas erklärtes Führungsprinzip: Er teilte die Redaktion in einen «inner circle» und einen «outer circle».» Der innere Zirkel habe Privilegien genossen, «musste aber auch, egal ob er oder sie es wollte, Details aus Canonicas Sexleben erfahren.» Fall 4, Hörensagen.

5. «Er mutmaßte über die sexuelle Orientierung oder Neigung von Mitarbeitern. Äusserte sich verächtlich über jeden, der nicht im Raum war. Bezeichnete unliebsame Themen als «schwul». Benutzte in Sitzungen fast touretteartig das Wort «ficken».» Die ersten beiden Behauptungen beruhen auf Hörensagen. Die Behauptung, Canonica habe ständig das Wort «ficken» benutzt, ist durch den Untersuchungsbericht widerlegt worden. Also Fall 3, stimmt nicht.

6. «Erzählte Intimitäten, etwa, dass zwei Redakteure ihre Kinder nur durch künstliche Befruchtung bekommen hätten.» Fall 4, Hörensagen.

7. «Wer wie ich in den äusseren Kreis aussortiert war, wurde von ihm wochenlang übergangen.» Es ist kaum glaubhaft, dass Canonica R. als einzige Redakteurin der Mannschaft vor den Sparmassnahmen behalten hätte, um sie dann zu übergehen. Da zudem ihr Arbeitsausstoss sehr überschaubar war, ist es nicht glaubhaft, dass sie «nicht mal eine Information erhalten» habe, «wenn ich sie dringend brauchte.» Es wäre ein Leichtes gewesen, das mit einem konkreten Beispiel zu untermauern. Fall 3, stimmt nicht.

8. «Im Wesentlichen entwürdigte er mich mittels verbaler Herabsetzungen. So unterstellte er mir an einer Konferenz, ich hätte mir journalistische Leistungen mit Sex erschlichen: Ich sei mit dem Pfarrer der Zürcher Fraumünster-Kirche im Bett gewesen … In einer SMS sprach mich Canonica als «Pfarrermätresse» an.» Richtig ist, dass diese SMS existiert, Fall 2, stimmt. Canonica erklärt diesen Ausdruck als Frotzelei, da der Pfarrer R. gelegentlich zu einem Kaffee eingeladen habe. Es ist nicht glaubhaft, dass er ihr ernsthaft eine sexuelle Beziehung zu einem Pfarrer unterstellt haben sollte oder zudem insinuiert, dass sie sich so journalistische Leistungen erschlichen habe. Fall 3, stimmt nicht.

9. «Hinter meinem Rücken nannte er mich vor einer Kollegin «die Ungefickte».» Wie aus dem Untersuchungsbericht hervorgeht, will Michele Roten als Einzige gehört haben, dass Canonica R. die «Untervögelte» nannte. Nach einem Kontakt mit R., die in der Untersuchung von «Ungefickte» gesprochen hatte, änderte Roten ihre Version darauf. Daher eindeutig Fall 3, stimmt nicht.

10. «Sagte coram publico zu mir, mein Mann habe «einen kleinen Schwanz».» Bei den Befragungen durch die untersuchende Anwaltskanzlei wurde niemand gefunden, der diese Behauptung bestätigt. Fall 3, stimmt nicht.

11. «In den jährlichen Mitarbeitergesprächen bat ich Canonica wiederholt, sachlich mit mir umzugehen. Das änderte nichts; immer wieder drohte er mir mit Kündigung.» Dafür gibt es keinerlei Unterlagen oder Belege; weder Canonica noch andere können diese Behauptung bestätigen. Im Zweifelsfall 5, kann nicht beurteilt werden.

12. «Einmal schrieb er mir nach der Veröffentlichung eines von mir verantworteten Sonderhefts: «Obwohl du eine Frau bist, hast du brilliert.» Laut Canonica war das eine Frotzelei, wie sie zwischen den beiden nach jahrelanger Zusammenarbeit üblich war. Es erscheint kaum glaubhaft, dass er sie damit herabwürdigen oder beleidigen wollte. Fall 3, stimmt nicht.

13. Sei ein deutsches Wort in ihren Texten aufgetaucht, «zeichnete er mir Hakenkreuze an den Rand meiner ManuskripteFall 2, das stimmt. Allerdings: Canonica bezeichnet das heute als Joke gemeinte Dummheit, die er bereue. Die einleitende Kritik «Doch er verhöhnte mich nicht nur als Frau, sondern auch meine Herkunft», ist in diesem Zusammenhang überzogen, Fall 3, stimmt nicht.

14. «Vielleicht wollte er sich aufwerten, indem er mich abwertete. ich kann mir sein Vergnügen nicht erklären, muss und will es nichtFall 1, reine Rhetorik und Demagogie.

15. «Rund 14 Jahre lang versuchte ich Canonica, der heute 57 ist, zu entkommen.» Sowohl Canonica wie R. waren 2001 als Redakteure zum «Magazin» gekommen, 2007 wurde er zum Chefredaktor ernannt und bot ihr die Stelle als seine Stellvertreterin an. Wieso sie dann 14 Jahre lang Fluchtgedanken hatte (und die nie in die Tat umsetzte), ist nicht schlüssig. Fall 3, stimmt nicht.

16. «Geriet ich an meine Grenzen, nahm ich ein Sabbatical.» Was R. nicht sagt: sie bekam als einzige «Magazin»-Redakteurin von Canonica ein bezahltes, halbjähriges Sabbatical, was eine massive Bevorzugung gegenüber ihren Kollegen bedeutete. Fall 3, stimmt nicht.

17. «Irgendwann sagte mir ein Kollege, Canonica mobbe mich seit JahrenFall 4, behauptetes Hörensagen. Weder dieser Kollege noch seine Aussage erscheinen im detaillierten Untersuchungsbericht.

18. «Wann immer ich mich zur Wehr setzte, gab er mir zu verstehen, dass ich niemanden im Verlag fände, der mir Gehör schenken würde. Er sitze bombenfest im Sattel und genieße sogar das große Wohlwollen des Verlegers Pietro Supino.» Als CH Media diese Behauptung als Aussage einer «anonymen Quelle» wiederholte, zwang Supino den Konkurrenzverlag, diese Behauptung zurückzunehmen und sich dafür zu entschuldigen. Fall 3, stimmt nicht.

19. «Ich formulierte meine Situation seit 2010 mehrfach gegenüber verschiedenen Stellen im Haus.» Laut Untersuchungsbericht habe R. zunächst schriftlich behauptet, sie habe sich ab 2007 bei HR gemeldet. Mündlich korrigierte sie das dann auf 2012. Als HR keinerlei Belege für diese Meldungen fand, sagte R., dass sie sich nur mündlich beschwert habe. Als man sie mit diesen Widersprüchen konfrontieren wollte, verweigerte sie jegliche weitere Zusammenarbeit mit den Untersuchenden. Fall 3, stimmt nicht.

20. «Mindestens eine Kollegin und ein Kollege erklärten der Personalabteilung damals (2014, Red.), dass sie wegen Canonica kündigten.» Fall 4, Hörensagen mit anonymen Quellen.

21. «2014 berichtete ein Branchenblatt über das «unerträgliche Klima der Angst» unter Canonica.» Das beruhte auf anonymen Quellen; der damalige Kolumnist Daniel Binswanger oder auch Daniel Ryser widersprachen dem ausdrücklich und Ryser bezeichnete es noch zwei Jahre später als Ausdruck von Neid. Fall 3 und 4, stimmt nicht, beruht auf Hörensagen.

22. Obwohl sich – wiederum laut einem «Branchenmagazin» – 2017 die Stimmung gebessert habe, «ging das Mobbing mir gegenüber weiter: ohne Anlass nutzte Canonica auch den neuen Redaktionsalltag für meine Diskreditierung.» Fall 1, reine Rhetorik oder Demagogie.

23. Er habe «gerne schlüpfrige Bemerkungen gemacht, wie beim Weihnachtsessen 2019» (also nicht im Redaktionsalltag), als er zu ihrem LSD-Selbstversuch «grinsend» bemerkt haben soll, «dass LSD sicher geil mache». Einem Reporter sagte er – ich war in Hörweite –, dieser dürfe mir nichts glauben, ich würde generell «Bullshit» von mir geben.» Wenn das die Beispiele für Mobbing und Diskreditierung sein sollen: Fall 3, stimmt nicht.

24. «Das neue Redaktionsteam tat, als wäre nichts.» Das wäre ein Fall 4, reines Hörensagen. Wenn es nicht die Aussagen von acht vom «Schweizer Journalist» befragten «Magazin»-Mitarbeitern gäbe, die unisono all diese Behauptungen dementieren. Es habe keine sexualisierte Sprache gegeben, kein Mobbing, keine Übergriffigkeiten, das Redaktionsklima sei sehr gut gewesen, es sei sogar nie ganz klar gewesen, ob Canonica der Chef sei oder R. Die beiden hätten zudem einen speziellen Umgangston gehabt, den man sich aus der langjährigen Zusammenarbeit erkläre. Also Fall 3, stimmt nicht.

25. «Zum Internationalen Frauentag im März 2021 beklagten 78 Mitarbeiterinnen … ein männerdominiertes frauendiskriminierendes Betriebsklima.» Diese Schreiben existiert, was R. nicht erwähnt: kein einziger der darin erhobenen anonymisierten Vorwürfe wurde bis heute verifiziert, was wie bei ihren Behauptungen auch kaum möglich ist, weil alles ohne Zeitangabe erfolgt. Was sie auch nicht erwähnt: wieso hat sie damals nicht die Gelegenheit ergriffen, auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen? Was sie nicht erwähnt: stammte ein einziges der in diesem Schreiben angeführten Beispiele von ihr? Fall 1, reine Rhetorik und Demagogie.

26. «Nicht mal Canonicas Affäre mit einer Untergebenen und den damit verbundenen Machtmissbrauch fand das Unternehmen als Vorwurf erheblich genug: erst bevorzugte Canonica seine Geliebte, ohne daraus ein Hehl zu machen, ging mit ihr auf Dienstreisen, dann, nach dem Ende des Verhältnisses, verbot er uns, mit ihr zu kommunizieren.» Der Untersuchungsbericht hat zweifelsfrei nachgewiesen, dass es sich hier um eine aus der Luft gegriffene Behauptung eines rachsüchtigen ehemaligen Mitarbeiters handelte, deren Wahrheitsgehalt schon bei oberflächlicher Untersuchung sich als nicht belastbar erwies. Fall 3 und 4; stimmt nicht und Hörensagen.

27. Eine Zuständige aus der Personalabteilung habe R. gebeten «Belege für Canonicas Fehlverhalten rauszusuchen; außerdem bat sie mich, Kollegen, auch ehemalige, dazu zu bewegen, ebenfalls Meldung über die Hotline zu machen. Abends sammelte ich Beweismaterial, ohne je zu erfahren, was damit geschah.» Laut Untersuchungsbericht verfügt HR über keinerlei Belege, dass R. solche Beweise gesucht und eingereicht habe. Der ehemalige Oberchefredaktor Arthur Rutishauser als direkter Vorgesetzter von Canonica sagt, dass ihm seit dem Beginn seiner Amtszeit keine einzige Beschwerde über den Chefredaktor zu Ohren gekommen sei. Fall 3, stimmt nicht.

28. «Längst wissen auch der Verwaltungsrat und der Verleger Pietro Supino von den Vorfällen.» Was R. nicht schreibt: Über ihren Mann, den Verleger Peter Haag, liess sie ihre Beschwerden, deren erste Untersuchung nichts ergeben hatte, durch ein Mitglied des VR dort zum Thema machen. Fall 1, reine Rhetorik und Demagogie.

29. «Bis Frühjahr 2022 machte ich gute Miene zum bösen Spiel.» Was R. nicht schreibt: Im Jahr 2020 hatte sie sich in einer Blindbewerbung um die Stelle von Canonica beim VR beworben. Darin hatte sie sich als bessere Chefredakteurin angepriesen, die das «Magazin» viel besser leiten könne. Diese Bewerbung wurde nicht berücksichtigt. Fall 1 und 3, reine Rhetorik und Demagogie, stimmt nicht.

30. «So wie sich Canonica anstrengte, mich kleinzukriegen, versucht Tamedia, mich in die Knie zu zwingen. Deren Anwältin behauptet, dass ich alles nur inszeniert hätte, um Canonicas Chefposten zu bekommen. Was mich an die Berichterstattung über den Weinstein-Skandal erinnert …» R. wollte Canonicas Chefposten bekommen. Nach ersten Befragungen und als man sie bat, auf Widersprüchlichkeiten in ihren Aussagen einzugehen, verweigerte R. die weitere Mitarbeit an der Untersuchung, die aufgrund ihrer in den VR getragenen Anschuldigungen durchgeführt wurde. Sie meldete sich krank, ohne dafür ein Arztzeugnis vorzulegen. Klarer Fall 3, stimmt nicht, und der Vergleich mit Weinstein ist Fall 1, Rhetorik und Demagogie.

31. «Aus der Redaktion hieß es, er habe eine hohe Abfindung bekommen.» Das schreibt R. über den Abgang von Canonica. Fall 4, Hörensagen.

32. «Ende September hat mir Tamedia ohne Angaben von Gründen gekündigt. Ich habe gegen Tamedia Klage eingereicht wegen Verletzung der Fürsorgepflicht aufgrund sexistischer Diskriminierung und Mobbings. Und dem Gericht Zeugen für einzelne Fehlverhalten genannt.» Tamedia äussert sich nicht zu dieser Kündigung. Daher Fall 5, kann nicht beurteilt werden. Allerdings würde es interessieren, wen R. als Zeugen benannt hat.

33. Abschliessend zitiert R. eine Filmszene des Streifens über Weinstein: «Keine Frau sollte jemals Missbrauch oder Mobbing akzeptieren, Dann fügt sie hinzu: «Ich will meine Stimme zurück.» Das will ich auch.» Fall 1, reine Rhetorik und Demagogie.

Es ist davon auszugehen, dass R. das für sie vernichtende Resultat der Untersuchung ihrer Vorwürfe durch die angesehene Kanzlei Rudin und Cantieni nicht kannte. In ihr werden fast alle ihre Vorwürfe entkräftet oder als nicht belegbar zurückgewiesen. Das gilt zudem für die Behauptungen des 2015 im Unguten gegangenen «Magazin»-Redaktors Mathias Ninck, der die Lügengeschichte in Umlauf brachte, dass Canonica bei Einstellungsgesprächen mit weiblichen Mitarbeitern anzüglich eine Frauenbrust aus Plastik gestreichelt habe, die auf seinem Schreibtisch gelegen sei.

Kassensturz

Wir haben (fast) alle Behauptungen von Roshani in ihrem Artikel einer faktischen Prüfung unterzogen. Das Resultat sieht bei den 33 untersuchten Behauptungen so aus (einzelne Passagen können mehreren dieser Kriterien entsprechen, bspw. 3 und 4):

  1. Was ist reine Rhetorik und Demagogie? 8 Fälle
  2. Welche Anschuldigung stimmt? 2 Fälle
  3. Welche stimmt nicht? 24 Fälle
  4. Welche beruht auf Hörensagen? 9 Fälle
  5. Welche kann nicht beurteilt werden? 3 Fälle

Das Ergebnis spricht für sich. Dass sich noch niemand die Mühe gemacht hat, den Text von Roshani einem simplen Faktencheck zu unterziehen, ist ein Armutszeugnis.

Es bleibt die (geringe) Hoffnung, dass alle Journalisten, von Salome Müller abwärts, die mit angeblichen «anonymen Quellen» gearbeitet haben, die Unschuldsvermutung in die Tonne traten und eine wahre Hexenjagd auf einen unbescholtenen Menschen veranstalteten, entsprechend sanktioniert werden.

Dass sie vom «Spiegel» abwärts auf eine offensichtlich rachsüchtige Journalistin hereinfielen, deren Motive glasklar auf der Hand liegen (vergebliche Bewerbung als Chefredaktorin, erfolgloses Mobbing gegen ihren Vorgesetzten mit fast ausschliesslich nicht belegbaren Vorwürfen, Verweigerung der Mitarbeit am Untersuchungsbericht, als erste Widersprüche auftauchen, Resultat Kündigung), das ist ein weiteres Armutszeugnis.

Es ist nicht zu hoch gegriffen, dass sich hier für den «Spiegel» – und für die hinterherhechelnde Medienmeute – ein zweiter Fall Relotius mit weiblichem Vorzeichen entwickelt.