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Wundertüte «B∫ick»

Alles ist relativ. Im Vergleich zu «watson» ist die Zeitung mit dem Regenrohr ein Intelligenzblatt. Andererseits …

Auch hier wollen wir den Blick aufs Gesamtbild (Achtung, Kalauer) für sich selbst sprechen lassen.

Das nennt man wohl ein buntes Allerlei zum Thema Corona. Etwas drohender Trommelwirbel, gemischt mit Altbackenem (verödende Innenstädte), einem Sprutz Politiker, der mal wieder in die Medien möchte und daher irgend was fordert; nicht immer Tadel aus dem Ausland zur Schweiz, auch mal Lob. Und natürlich abgeschmeckt mit dem «Aufreger». Chaos, Behörden, Wahnsinn.

Nun müssen wir sensiblere Leser (das gilt für alle Geschlechter, Altersklassen, Hautfarben und sexuelle Orientierungen, sowie Migrations- oder Urschweizer Hintergrund) auffordern, darüber hinweg zu blicken:

Die Grenzen zieht sie auch klar. Die fünffache Mutter erklärt im Interview mit RTL, wo dabei ihre Grenzen liegen. «Die Möppis zeigen okay, aber die Monika zulassen. Das geht nicht.» Wir haben dazu gleich drei Fragen:

  1. Wer ist Danni Büchner?
  2. Wie viel muss man zahlen, dass sie das nicht tut?
  3. Was will sie uns mit «Monika zulassen» sagen?

Das entsteht, wenn der Blattmacher insistiert und insistiert: Wir brauchen noch eine Story mit Nutzwert. Aber auch für Blödis. Nein, ja nicht Corona. Irgendwas, was jeden interessiert. Strassenverkehr? Sehr gut, dann einfach mal machen, will dann nur noch das Resultat sehen. Übrigens, wer kann – natürlich ohne Lektüre dieses Aufklärungsstücks – fünf Fehler aufzählen? Ja, bitte?

Wir finden, diese beiden Meldungen haben einen inneren Zusammenhang. Unsere Immobilien, teurer, reiche Ausländer. Sagt Christian Dorer. Schön, dass man sich seinen Kommentar dann gar nicht antun muss. Kapiert. Rechts hingegen, das ist ein Lenovo. Das wiederum ist eine chinesische Marke. Schlappe 50 Milliarden Dollar Umsatz, kaufte mal schnell grosse Teile von IBM, Motorola, und so weiter. Damit verdient Lenovo happig Geld. Macht Gewinn. Macht ihre Aktionäre froh. Die sind dann reiche Ausländer. Der Kreis zur Beschwerde Dorers schliesst sich. Aber: er fäustelt dagegen, rechts sorgt sein «Blick» dafür, dass es Lenovo noch besser geht …

Das hier nennt man den klassischen Nachzug. Ein Hundeschicksal, jöh, vor zwei Jahren im Kino (das sind so diese Lichtspielanstalten, in denen vor vielen Zuschauern, aber googelt es Euch doch). «Heute» im SRF, das nennt man den Aufhänger für einen Nachzug. Was Streuner Cody (Bildmitte) davon hält, entzieht sich aber den Kenntnissen des Hern rechts und auch links von ihm. Aber jöh ist immer, unter allen Umständen, auf jeden Fall im Boulevard-Journalismus gut. Jöh mit Tieren ist sehr gut. Jöh mit Hunden besser. Jöh mit Hunden und Happyend, eigentlich nicht zu schlagen.

Selbst für geübte Künstler in Übergängen wird’s hier ganz schwierig. Das ist nämlich eine Story, für die man den «Blick» über den Kopf streichen und abknutschen möchte. Gut, sie ist nicht auf dem Zürcher Mist gewachsen, aber immerhin musste man an der Dufourstrasse auf die Idee kommen, die Reportage des polnischen «Blick»-Partners Onet aufzunehmen.

Dieser Mann hat nämlich einen unvergleichlichen, einmaligen unfassbaren Mut bewiesen. Witold Pilecki tat in seinem leider viel zu kurzen Leben unvergleichlich mehr als die vor Kurzem hochgejubelte Widerstandsgruppe «Weisse Rose» mitsamt Sophie Scholl. Alleine deshalb muss seine Geschichte erzählt werden. Immer wieder. Pilecki wurde 1901 geboren, gründete im Zweiten Weltkrieg eine Widerstandsbewegung, kämpfte in der polnischen Untergrundarmee – und ging freiwillig ins KZ Auschwitz, um die Alliierten und die Welt über die dort begangenen Greueltaten zu informieren. Während seines Aufenthalts versuchte er, den Widerstand der Insassen zu organisieren. Als das keine Früchte trug und auch die Alliierten offensichtlich nicht daran interessiert waren, diese Vernichtungsmaschine zu zerstören, floh Pilecki 1943 aus dem KZ.

Anschliessend beteiligte er sich am Warschauer Aufstand gegen die Nazi-Besetzer, der in einem Gemetzel und Blutbad endete. Nach dem Sieg über den Hitler-Faschismus und der Befreiung Polens durch die Rote Armee hätte er alle Ehren der Welt verdient. Hätte er zur Legende für unvorstellbare Tapferkeit werden müssen, für unbedingte Hingabe und eine Todesverachtung im Kampf gegen das Böse, die unfassbar war.

Stattdessen wurde er 1948 wegen «Spionage» erschossen. Ein weiteres Opfer stalinistischer Greueltaten, dessen Paranoia und Mordlust. Ein Mann geht freiwillig ins KZ, überlebt das, kämpft unermüdlich weiter gegen die Faschisten – und wird dafür von den Kommunisten erschossen.

Schrecklich.

Witold Pilecki. Links als polnischer Offizier, rechts als KZ-Häftling.

Aber, wir sind gerecht: alleine für diese Story darf der «Blick» nun eine Weile Dummheiten über Dummheiten stapeln. ZACKBUM verzeiht.

 

 

 

 

Schlechter Scholl-Schwurbel

Nicht viel Ahnung, aber ganz viel Gesinnung: daraus entsteht Sophie-Scholl-Schauen.

«Gefasst trat Sophie Scholl in den Hinrichtungsraum», titel Guido Kalberer von Tamedia ergriffen. Denn vor 100 Jahren wurde diese «Widerstandskämpferin gegen Naziregime» geboren.

Und solche Jahrestage – ohne weiteren Anlass – sind für B-Klasse-Journalismus immer willkommen. Vor allem, wenn schon andere Blätter, so am 29. April der «Spiegel», auf dieses Datum aufmerksam machten. B-klassig ist dieser Journalismus auch, weil alle Falten, Widersprüchlichkeiten aus einem Bild herausgebügelt werden, mit dem Kalberer eine idealtypische Widerstandskämpferin gegen den Hitlerfaschismus aus Scholl machen will.

Die Gebrüder Scholl (links) mit einem weiteren Mitglied der «Weissen Rose».

Was sie nicht war. Genauso wenig, wie Claus Graf von Stauffenberg der edle Attentäter gegen Hitler war. Er war zuvor als überzeugter Nazi und Offizier der Wehrmacht begeistert von den Feldzügen gegen die Untermenschen im Osten. So schrieb er seiner Frau während des Überfalls auf Polen:

«Die Bevölkerung ist ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel Mischvolk. Ein Volk welches sich nur unter der Knute wohlfühlt.»

Erst als es ihm und anderen hohen Tieren der Naziarmee 1944 klar wurde, dass die Niederlage Deutschlands nicht mehr zu verhindern ist, und einem Separatfrieden mit den westlichen Alliierten und dem Angebot, gemeinsam der UdSSR den Todesstoss zu versetzen, die Person Hitlers im Wege steht, entschloss man sich zum Attentat. Läppisch vorbereitet, untauglich durchgeführt.

Alles keine Lichtgestalten

Sophie Scholl war lange Jahre im «Bund deutscher Mädel», einer Nazi-Jugendorganisation als Pendant zur Hitlerjugend. Ab 1938 blieb sie freiwillig dabei und sang bis 1941 noch aus vollem Hals Lieder wie: «Deutschland erwache, Juda den Tod. Volk ans Gewehr.»

Ihr Bruder Hans war der Gründer der romantischen Widerstandsgruppe «Weisse Rose», die vor allem mit anonymen Schreiben und Flugblattverteilen gegen das Hitlerregime opponierten. Bei einer solchen Verteilaktion wurden sie gefasst und nach kurzem Prozess noch am gleichen Tag enthauptet.

War dieser Buchtitel Vorbild? Nora Zukker vor: wer war Traven?

Scholls Mythos wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem von der überlebenden Schwester Inge befödert; mit ihrem Buch «Die Weisse Rose», das 1952 erschien. Neben den (wenigen) männlichen Widerstandskämpfern, die im Westen Deutschlands gefeiert wurden, endlich auch eine Frau. Jung, schön, mit 21 Jahren gestorben.

Mit kleinen Erfindungen nachgeholfen

Dagegen sprach damals, dass auch die DDR von Anfang an die Gebrüder Scholl als antifaschistische Widerstandsgruppe vereinnahmt hatte. Aber vor allem die unermüdliche Arbeit von Inge Scholl hat bewirkt, dass Sophie heute die strahlende und reine Widerstandskämpferin ist. Vieles wurde dabei von Inge erfunden, so auch die Behauptung, dass die Gebrüder Scholl «gefasst» in den Hinrichtungsraum traten.

Das macht den Mut, die Unbedingtheit nicht geringer, es gibt auch keinen Anlass, die geradezu selbstmörderische Fahrlässigkeit zu kritisieren, mit der die Gruppe ihre Protestaktionen durchführte.

Nur sind die Motive, die kurze Biographie der Scholls viel widersprüchlicher, als dass man das so oberflächlich abhandeln könnte, wie das Kalberer tut. Er erwähnt zwar die Mitgliedschaft von beiden in den Nazi-Jugendorganisationen, aber der Drill zu Gebärmaschinen sei ihr schon bald suspekt geworden.

Widersprüchlichkeiten ausgemerzt, ausgeblendet, stören nur

«Bald» stimmt nicht, und ihre latente Homosexualität, wie die ihres Bruders, hat genauso eine Rolle in der Distanzierung von der Nazi-Ideologie gespielt, genau wie ihre tiefe Religiosität, die beide aus dem Elternhaus mitnahmen.

Dermassen über eine letztlich kurzlebige, erfolglose, dilettantische Widerstandsgruppe zu schwärmen, verstellt zudem – wie bei Graf Stauffenberg – den Blick auf den eigentlichen Widerstand in Deutschland gegen den Hitlerfaschismus.

Die Rote Kapelle, die Eiserne Front der Sozialdemokraten, auch verschiedene bürgerliche Widerstandsbewegungen wären viel bedeutender als die «Weisse Rose». Ganz zu schweigen vom kommunistischen Widerstand, der unter Hitler und Stalin zwischen Hammer und Amboss geriet, aber immer wieder unermüdlich bis in die KZ hinein versuchte, Gegenwehr in jeder Form zu organisieren. Mit dem höchsten Blutzoll von allen. Mit einer Tapferkeit, die zumindest eine Erwähnung verdient hat, wenn von Widerstand gegen das Hitler-Regime die Rede ist.

Aber spätestens seit dem Untergang der DDR wird dieser Opfergang vergessen.

Am Schluss macht sich der Autor unsterblich lächerlich

Richtig lächerlich macht sich Kalberer mit seinem Schlusssatz: «Dass sich heute einige Kritiker der Corona-Massnahmen auf Sophie Scholl beziehen und ihren Widerstand vereinnahmen, ist beschämend –

und ein Zeichen zunehmender Geschichtsblindheit.»

Das mag sein, aber hier urteilt ein Blinder über Blinde. Ein Autor, der Scholl genauso für sein Geschichtszerrbild vereinnahmt. Was kann man von jemandem erwarten, der schon mit Simone Meier zusammen ein Buch über Dialekte geschrieben hat. Viel besser bringt das der «Spiegel» auf den Punkt, da hätte sich Kalberer bedienen sollen.

Die «Spiegel»-Autorin des Scholl-Artikels erzählt einer jungen «Fridays for Future»-Aktivistin von den Widersprüchlichkeiten in Scholls kurzem Leben. Die antwortet: «Sie selbst mache die Erfahrung, dass Widersprüche eigentlich immer dazu verhelfen würden, genauer nachzudenken und eine bessere Lösung zu finden.»

Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen, was all diesen Anti-Muschg-Schreihälsen abgeht, diesen Blöd- und Flachdenkern, die wie Muschg völlig richtig diagnostiziert hat, durch die völlige Unfähigkeit zum Aushalten eigener Widersprüche bedenklich und beängstigend sind.

Göring, Dimitroff, John Heartfield, und wie hiess schon wieder sein Verteidiger?

Dass man Scholl, meinetwegen auch Stauffenberg, zum Idol nehmen kann, ist erlaubt. Dann aber auf jeden Fall auch Georg Elser, das Nationalkomitee Freies Deutschland, die KPD im Untergrund, die Rote Hilfe, die Transportkolonne Otto, kriegsentscheidende kommunistische Spione wie Richard Sorge oder das tapfere Auftreten des Kommunisten Georgi Dimitroff beim Reichtagsbrand-Prozess, den man den Kommunisten in die Schuhe schieben wollte. Was Dimitroff vor Medienvertretern der ganzen Welt ad absurdum führte – und sogar überlebte.

Was, die geschichtsblinden Banausen ohne Ahnung, aber Gesinnung satt, kennen keinen dieser Namen? Oder nur einen, zwei? Wie erbärmlich. Raul Hilberg kennen sie dann sicher auch nicht.