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Wumms: Arthur Rutishauser

Was der Tausendsassa so alles selber macht.

Zunächst ist er der einzige Chefredaktor der Welt ohne Redaktion, aber mit Blatt. So füllt er verbissen jede Woche die SonntagsZeitung aus der Restenrampe der demotivierten und dezimierten Tamedia-Redaktion. Und tut das viel besser als seine Kollegin Raphaela Birrer beim Hauptblatt «Tages-Anzeiger» plus Kopfsalat.

Dann schreibt er ein staatsmännisches Editorial zu den US-Wahlen, das von gelassenem Überblick zeugt. Während Birrer nachhaltig verstummt ist. Was hat denn die Oberchefredaktorin von Tamedia, die immer noch über eine Million Leser beschallt, zu einem nicht unwichtigen Ereignis zu sagen? In der Vergangenheit äusserte sie sich nicht immer glücklich zu Pipifax.

Aber seit der Ankündigung des Totalflops «neue strategische Ausrichtung» und einem Online-Redesign, das den Leser zu Hunderten in Wallungen bringt, schweigt sie eisern. Mal so als Chefredaktorin einige besänftigende Worte zu aufgebrachten Konsumenten, die das neue Erscheinungsbild online das Allerletzte finden? Wenigstens das übliche «nehmen die Bedenken ernst, werden weiterhin optimieren, verbessern, noch schöner, noch näher, noch Blabla»? Nein, nichts.

Als hätte sie Schreibstau.

Rutishauser hingegen wuppt nicht nur eine ganze Sonntagszeitung, die inzwischen sogar die NZZaS immer wieder abtrocknet, sondern er schreibt auch weiterhin wie ein Weltmeister einen Wirtschaftsartikel nach dem anderen.

Als wäre das nicht schon eine beeindruckende Leistung, trekkt er noch kurz durch die abgelegensten Gebiete von Pakistan.

Mit der Gelassenheit eines abgebrühten Reisereporters beschreibt er Pakistan als solches und noch einen abenteuerlichen Trip ins Hochgebirge in Sichtdistanz zu den gigantischen Bergen.

Und füllt auch hier locker zwei Seiten im Alleingang. Obwohl die Reise durchaus anspruchsvoll war: «Nicht wenige Passagiere schliessen wie ich die Augen, doch der Pilot setzt die Maschine routiniert auf die Piste neben das kleine Flughafengebäude.»

Auch körperlich verlangt sie einiges ab: «Und es wird anstrengend. Die Sonne brennt, es ist staubig, es geht steil aufwärts, aber noch fühle ich mich fit.» Auch gut dosierte Ironie hat Rutishauser im Gepäck: «Der Reiseleiter warnt, wir sollen uns mit einer Kopfbedeckung vor der Sonne schützen. Baseballkäppis sind etwas für Trump-Anhänger, denke ich und ignoriere die guten Tipps.»

Er hat’s überlebt: «Runter gehts am nächsten Morgen in einem Tag. Wie genau das Knie hier mitgemacht hat, weiss ich im Nachhinein nicht mehr. Man kann Schmerz ja auch ignorieren, sage ich mir jedenfalls, und irgendwann bin ich unten.»

Schmerz ignorieren, das ist ein gutes Motto fürs Überleben im Glashaus an der Werdstrasse.

Begleitet wurde das Trekking nicht nur von Reiseleitern, sondern sogar von einer Regierungsdelegation, die sich wohl nicht unberechtigte Sorgen um die Sicherheit der kleinen Gruppe von Reisejournalisten machte. Wäre denen was passiert, wäre die grosse Tourismus-Initiative ein Schuss in den Ofen geworden.

So resümiert Rutishauser am Schluss: «Ich glaube, es braucht die Liebe zu den Bergen, etwas Kondition und vor allem eine gute Portion Abenteuerlust. Wer das mitbringt, der ist hier am richtigen Ort. Ich bin jedenfalls froh, dass ich das Abenteuer gewagt habe

Dann kommt noch der übliche Abbinder: «Die Reise wurde unterstützt von Nature Tours». Unterstützt ist gut.

Beim Lesen von Rutishausers Abenteuern kommt einem aber der schreckliche Verdacht, dass vielleicht einige im Hause Tamedia gar nicht unglücklich gewesen wären, wenn er nicht zurückkäme. Aber auch diesen Gefallen hat er den Versagern in der Chefetage nicht getan.

Vielleicht gönnt man ihm als nächsten Trip dann einen Ausflug auf die Seychellen oder nach Mauritius. Oder aber nach Valencia.

Chefredaktor sucht Zeitung

Wie geht’s dem Qualitäts-Irgendwas am Sonntag?

Was macht Arthur Rutishauser, ein Chefredaktor ohne Redaktion, mit seiner SoZ? Er erfüllt tapfer eine Mission impossible. Denn er muss ja sein Blatt mit dem Angebot füllen, das eine demotivierte und vor der nächsten Entlassungswelle (wen’s trifft, ist immer noch nicht bekannt) zitternden Redaktion herstellt. Also Artikel von der Restenrampe. Wo alle, die noch Marktwert haben und etwas können, die meiste Zeit damit verbringen, Fühler auszustrecken und Bewerbungen zu schreiben.

Oder wie Simon Bärtschi das nennen würde: die Weichen für mehr Qualität stellen.

Also gibt’s halt eine «Liebeserklärung an die Kartoffel», ein Skistar rede «so offen wie noch nie», rasend originell sei man in London «unterwegs mit den Locals», weil das vom Touristen überhaupt nicht touristisch ist.

Immerhin, ein respektvolles Interview mit Kurt Aeschbacher über sein Politik-Engagement, dann aber aufgewärmter kalter Kaffee über einen russischen Spion, weil Thomas Knellwolf sein neustes Werk promoten möchte und darf. Immerhin, nach seinem erschütternden Enthüllungsroman «Die Akte Kachelmann» nun ein ewiges Thema, Spionage.

Dann auch, da schäumt die woke Gutmenschenredaktion beim Tagi sicher wieder, «Flüchtlingsfrauen sind sechsmal häufiger von Missbrauch betroffen als Schweizerinnen». Ausser, Schweizerinnen sind mit Menschen mit Migrationshintergrund aus arabisch-fundamentalistischen Ländern verheiratet, mag man hinzufügen.

Aber das ist natürlich eindeutig unsensibel. Schürt Vorurteile. Berücksichtigt den sozio-kulturellen Hintergrund und die Traumatisierung durch Flucht nicht genügend, ist überhaupt diskriminierend und gibt rechtspopulistischen Hetzern Munition in die Hand.

Von einem kläglichen Füller auf «Blick»-Niveau muss man hier sprechen:

Echt jetzt, eine SDA-Meldung, basierend auf einem Polizeibericht? Das soll Qualität sein? Was sagt Bärtschi dazu?

Ähnlich verstörend ist dieser Ganzseiter:

Ist das nicht ein klarer Fall, dass Journalisten Menschen vor sich selbst schützen, statt öffentlich zur Schau stellen sollten? Aber Chris Winteler kennt offenbar solche Hemmungen nicht, und Rutishauser war wohl froh, dass wieder eine Seite gefüllt ist. Aber auch hier hat Bärtschi als publizistische Leiter nicht eingegriffen. War er immer noch ausgelastet, die neuen Werbemöglichkeiten beim Tagi schmackhaft zu machen? Was ja ungemein viel mit publizistischer Qualität zu tun hat.

Auch einem gewichtigen Thema widmet sich die «Wirtschaft»-Neuredaktorin Edith Hollenstein:

Echt jetzt? Geworden? Werbung war doch immer «noch besser und billiger», abgesehen von ein paar wenigen Highlights. Werbung war immer «kauf das, und du hast Freunde, scharfe Frauen und bist glücklich». Naheliegender wäre doch eine andere Frage gewesen: Warum sind die Medien so trivial geworden? Vielleicht, weil die Redaktionen zu Tode gespart werden und dann solche Artikel auf die Front des Wirtschaftsbunds kommen, der mal eine Reputation hatte.

Da helfen selbst die Fleissarbeiten eines Rutishausers nicht, der sich an seinen Lieblingsthemen Vincenz und Ermotti abarbeitet.

Danach hat der Leser wirklich nicht verdient, dass sich Nina Kobelt («sie bildet sich derzeit in Kräuterkunde weiter») der Kartoffel widmet. «Sie kann alles – wirklich alles». Wenn man das von Tamedia-Journalisten nur auch sagen könnte.

Aber es gibt auch Lichtblicke. Echt. Zunächst einmal für Liebhaber fliegender Tiere:

Offenbar war gerade auf keinem Luxus-Liner und in keinem Luxus-Ressort oder -Zug ein Plätzchen frei. Aber nun noch der Höhepunkt der Ausgabe; etwas, was ZACKBUM schon gar nicht mehr erwartet hätte. Etwas Bezahlbares und Volkstümliches auf der Autoseite:

Gut, für die SoZ war das auch kostengünstig; schön im Lead verpackt: «Wir waren mit Chef Klaus Zellner in einem Vorserienmodell auf Probetour.» Auf Deutsch; Skoda übernahm gerne die gesamten Spesen, und der Autor Dave Schneider hätte selbstverständlich auch einen kritischen Bericht schreiben dürfen. Kicher. Nur wäre er dann niemals mehr eingeladen worden.

Die subversive Ausgabe

Ist nicht so, könnte aber sein: die SoZ probt den Aufstand.

Das fängt schon mit der Aufmacher-Story an. «Die Supermacht verliert ihre Superkraft», könnte man das nicht auch auf Tamedia bezogen lesen? «Lohnwachstum ist höher als bisher bekannt», ist das nicht eine Travestie auf die Schrumpfung der Payroll bei Tamedia? Wobei ZACKBUM ausdrücklich lobend erwähnen muss, dass der Konzern den unermüdlichen Bitten gefolgt ist und Kerstin Hasse entsorgt hat.

Und «Was würde Pippi zu Putin sagen», das ist nun einfach höherer Gaga, ebenso die Sozialneid-Story «Die Luxusmaklerin vom Zürichsee» oder der x-te Versuch, das Erfolgsgeheimnis von «kreativen Genies» zu ergründen.

Der Chefredaktor ohne Chef und ohne Redaktion Arthur Rutishauser doppelt in seinem Editorial nach: «Raphaela Birrer nimmt niemand mehr ernst». Oh, natürlich musste er Joe Biden schreiben, aber es weiss ja jeder, wer gemeint ist.

Es folgen Seiten gepflegter Langeweile, bis im «Fokus» wieder mal ein langweiliges Interview den Niedergang des einstmals stolzen Gefässes fortschreibt. «Kreativ werden wir durch den Austausch mit anderen», sagt da ein Physiker und Bestsellerautor. Das mag so sein, genauso wie dass ein Genie wie Immanuel Kant ganze Welten im stillen Kämmerlein für sich selbst erdachte.

Da ist sogar «Jenny Streichan vermittelt exklusive Häuser und Wohnungen», das Gratis-Wohnungsmaklerinserat, interessanter. Es gibt tiefe Einblicke in neue Wohngewohnheiten: «Heute soll im besten Fall jedes Schlafzimmer über eine Nasszelle en suite verfügen. Sowie ein Gäste-WC on top.» Nasszelle, en suite, on top, merkwürdige Wortwahl im Makler-Universum. Oder ist der Autor einfach sprachbehindert?

In der «Wirtschaft» wird dann eine erschütternde Wahrheit gelassen ausgesprochen: «Mehr bauen ist das beste Rezept gegen die Wohnungsknappheit.» Das ist so umwerfend richtig wie mehr saufen ist das beste Rezept gegen Durst.

Aber der Überhammer der Ausgabe versteckt sich auf Seite 40. Das neue Eigeninserat. Es wurde wohl vor dem Kahlschlag entwickelt, bevor der SoZ ihre Redaktion, aber nicht ihr Chefredaktor abhanden kam:

Der Slogan könnte in seiner Unverständlichkeit von Simon Bärtschi stammen. Man kann ihn mehrfach lesen, er bleibt holpriges Gestammel ohne Sinn und Verstand. Dazu passt die Illustration mit den drei Affen. Während zwei wie üblich nichts sehen und nichts sagen (offenbar, weil sie weiterhin nichts wissen), hört der dritte weiterhin nichts, sagt aber was. Aber ohne, dass er es hört. Wahrscheinlich ist hier das Geld für eine Werbebude eingespart worden und man griff auf eigene Kräfte zurück. Das Resultat ist typisch für Tamedia, ein Schrotthaufen.

Aber auch Geldonkel und ehemaliger Chefredaktor Martin Spieler spart nie mit wertvollen Geldtipps:

Da hätte schon mancher Anleger bittere Verluste vermieden, wäre er im Besitz dieser Weisheit gewesen. Aber eben, wer überprüft schon das Risiko, bevor er ins Casino geht und alles auf Rouge setzt.

In «Leben & Kultur» finden wir die Antwort, wenn die Redaktionsrunde der SoZ (also Rutishauser stellt vor sich einen Spiegel auf) scharf darüber nachdenkt, was man denn zum 7. Oktober machen könnte, so einen Tag zuvor. Glücklicherweise steht «der jüdische Schriftsteller» Thomas Meyer zur Verfügung, obwohl er seit 2019 nichts mehr veröffentlicht und daher kein neues Buch zu promoten hat.

Dann ein Beitrag zu «gibt es urälter als uralt?» Die Antwort ist ein klares, verstaubtes, angemieftes Ja. Denn Marco Maurer machte einen Rundgang im Geburtshaus von Astrid Lindgren, «die Ur-Woke». Der Text selbst ist, nun, etwas verschroben. «Eine erste Antwort gibt der Garten, in der (sic!) sie aufgewachsen ist.» Wenn ein Garten zu dir spricht, weisst du, dass das Zeugs doch stärker war, das du geraucht hast.

Völlig benebelt wird’s, wenn Maurer die klare Antwort der Enkelin von Lindgren auf solche Fragen zitiert: «Wir haben den Grundsatz, keine Aussagen darüber zu machen, was Astrid über dieses oder jenes gedacht hätte, wenn sie noch am Leben wäre.» Spätestens hier hätte Chefredaktor Rutishauser den Blattmacher Rutishauser anweisen sollen, dem Ressortleiter Rutishauser mitzuteilen, dass der Text gespült wird.

Gibt es denn wenigstens einen an den Haaren herbeigezogenen Anlass für diesen Text, was Lindgren über Putin und andere sagen würde, lebte sie noch und setzte man sich über die klare Aussage ihrer Enkelin hinweg? Nun ja: «Pipi Langstrumpf, das vor genau 75 Jahren erstmals auf Deutsch zu lesen war ...» Was für ein Jubiläum.

Sonst noch was beim Aufräumen ins Blatt gefallen? Da muss Rutishauser ganz weit hinten ins Regal gegriffen, kräftig Luft geholt und abgepustet haben:

Allerdings darf man auch hier versteckte Subversion vermuten. Nach der Devise: seht ihr, so schaut’s halt aus, wenn man einem Sonntagsblatt die Redaktion wegnimmt, es aber dennoch für stolze 6.40 Franken verkaufen will.

ZACKBUM macht die definitive Rechnung auf: Fr. 6.40 minus eine Redaktion, plus ein Rutishauser gleich Leserverarsche. Oder «In die Weichteile des Qualitätsjournalismus», wie Bärtschi sagen würde. Der hoffentlich bald Selfies mit Hasse knipst.

Folterkammer Glashaus

In jeder normalen Firma würde das zu Entlassungen führen.

Hoppla, bei Tamedia gibt es ja Entlassungen. Sogar massenhaft. Nur an der falschen Stelle. Nämlich im Maschinenraum statt auf der Kommandobrücke.

Denn die Unfähigkeit derjenigen, die hier die grossen Räder drehen, ist himmelschreiend. Ein Magazin wird einfach mal so eingestellt. Ohne Vorwarnung, nach der Devise: ach, ist uns gerade noch eingefallen, den «ZüriTipp» braucht’s nicht mehr.

Bei «ZürichStadtleben/Züritipp» arbeiten 12 Menschen, Claudia («Nutella») Schmid als Ressortleiterin, Isabel Hemmel als stv. Ressortleiterin und Leitung Züritipp. Plus zehn Indianer. Braucht’s die noch? Wer weiss. Braucht’s die Chefredaktoren der eingesparten Lokalblätter noch? Reden wir mal drüber. Braucht’s die Redaktionsleitung «SonntagsZeitung» noch? Schauen wir mal. Wozu braucht es Arthur Rutishauser als Chefredaktor ohne Redaktion genau? Ach, irgendwie.

Aber der Gipfel des Zynismus ist: Weder Jessica Peppel-Schulz noch Simon Bärtschi haben das Rückgrat, den Leuten in die Augen zu schauen und zu sagen «you’re fired». Denn zuerst 90, dann 55 eingesparte Stellen in den Raum zu stellen, das war der einfache Teil. 200 Drucker rauszuschmeissen, nun ja, da muss wenigstens nicht selektioniert werden. Sondern einfach alle müssen weg.

Aber Familienväter, Ü-50-Jährige, welche Lebensplanung wird nun vom unfähigen Management von TX (oder Tamedia oder «Tages-Anzeiger») über den Haufen geworfen? Niemand weiss nichts Genaues. Gerüchte besagen, dass vielleicht im Verlauf des Oktobers das grosse Schlachten beginnen soll, aber eher in der zweiten Hälfte. Damit sich die Betroffenen dann so richtig auf die Feiertage freuen können.

Schon Koryphäen wie Mathias Müller von BlumencronVerkehrsmonitor») fiel mit geborgten Ideen auf die Schnauze. Laberte aber, wenn man ihn liess, von der neuen Digitalstrategie, so auf dem Niveau: «noch näher beim Leser».  Diese Worthülsen sind zurzeit verräumt, nun geht es um «Qualität». Ach, und «noch näher beim Leser».

In Wirklichkeit besteht aber die Tragödie darin: Weder Peppel-Schulz, noch Bärtschi, noch ein anderes Mitglied der GL oder gar des Verwaltungsrats hat auch nur die blasseste Idee, was man mit dem von Bigboss Pietro Supino wild zusammengekauften Tageszeitungsimperium eigentlich anstellen soll. Wozu es eigentlich noch Ableger in Bern und Basel braucht. Wozu es noch eine Sonntagszeitung braucht. Wieso es noch einen Ableger in der Romandie braucht.

Die bittere Wahrheit ist doch: an der Werdstrasse breitet sich langsam Verwesungsgeruch aus. Und der Aussenstehende wird den Verdacht nicht los, dass sich Supino mit solchen Flaschen umgibt, damit er nicht weiter auffällt. Denn im Vergleich zu einer Pasquale Bruderer, einer Peppel-Schulz, einem Bärtschi ist er doch geradezu ein visionärer Macher.

Es ist allerdings ein unwürdiges Ende, das der einst stolze «Tages-Anzeiger» nimmt. In seinen besten Zeiten war er eine ernstzunehmende Stimme mit Einfluss und Wirkung. Stiess er Themen an, beherrschte Diskurse, kam in seinen besten Momenten sogar an die NZZ heran.

Und jetzt? Würde man an der Eingangspforte zum Glashaus an der Werdstrasse ein Gedankenlesegerät aufstellen, wenn die motivierten, enthusiastischen, auf mehr Qualität brennenden Journalisten hineinströmen, man würde erbleichen und schamvoll Augen und Ohren schliessen.

Opferlämmer und Folterknechte. Leiter mit langer Leitung. Führungspersonal im gähnenden Vakuum der Ideenlosigkeit. Hektisches Holzen ohne Sinn und Verstand. Oder gar Plan. Wer erbarmt sich dieses Trümmerhaufens? Ringier? CH Media? Beide gesättigt und mit genug eigenen Problemen. NZZ? Kä Luscht. Ein ausländischer Investor? Schwierig, der Schweizer Markt ist klein und speziell.

Also gilt auch hier: der Letzte macht das Licht aus.

Tagi keift

Schlechte Verlierer erkennt man am Mundgeruch.

Da meinte doch Tamedia, man habe einen neuen Riesenskandal aufgedeckt. Ein Grundpfeiler der direkten Demokratie sei ins Wanken geraten. Die heilige Unterschriftensammlung für eine Initiative sei korrumpiert. Es würden nicht nur Unterschriften gegen Bezahlung gesammelt (legal), sondern auch gefälschte Unterschriften eingereicht (illegal).

Schlimmer noch: zu Tausenden. Schlimmer noch: unentdeckt. Schlimmer noch: daher könnten Initiativen zustande gekommen sein, anschliessend sei darüber angestimmt worden, obwohl gar nicht genügend gültige Unterschriften eingereicht worden seien.

Skandal, Skandal, Skandal.

Die Geschichte der Schweizer Initiativen muss neu geschrieben werden. Typisch, die Sesselfurzer in der Bundeskanzlei, die Überprüfer in den Gemeinden, alles Schnarchsäcke, Nichtstuer. Sie wussten dank Strafanzeigen schon lange von diesem «Bschiss», taten aber nix. Aber jetzt, dank Tagi & Co., wird endlich Licht in diese Dunkelkammer gebracht, tut sich was. Der Tagi rettet die direkte Demokratie, nächstens muss an der Werdstrasse ein Denkmal errichtet werden, für die mutigen Tellensöhne.

So die Mär. Tapfer aufgepumpt zu einer schillernden Blase. Erste Nadelstiche wurden noch tapfer ignoriert. Denn die Bundeskanzlei vermeldete, dass man durchaus untersuche, auch zusammen mit der Bundesanwaltschaft. Aber angesichts laufender Untersuchungen und so Kleinigkeiten wie der Unschuldsvermutung könne man halt nicht in das Geschrei des Tagi einstimmen.

Die Kollegen von der «SonntagsZeitung» brachten das Problem – zudem mit einer unverdächtigen Kronzeugin – auf den Punkt: dem ganzen Geschrei mangelt es jeglichen Beweises. «Insider» behaupten, der Konjunktivjournalismus feiert mal wieder Urständ. Bis das Soufflee aus dem Ofen kam und der Bundesrat verkündete: «Keine belastbaren Indizien». Bitter für den Tagi: «Bundesrat verzichtet auf notrechtliche Massnahmen». Noch leises Nachjapsen: «Trotz gefälschter Unterschriften».

Denn das Urproblem bei diesem «Skandal» war und ist: natürlich dürfte es zu Unterschriftenfälschungen kommen. Nur: zu wie vielen? Wie viele sind einfach ungültig, wie viele absichtlich gefälscht? Und vor allem: wie viele werden nicht entdeckt? Wie viele Verurteilungen deswegen gibt es? Dazu sendete der Tagi das Pausezeichen, weil solche blöden Fragen beim Aufpumpen der Blase nur gestört hätten.

Nun ist sie geplatzt, und eines der Pumpgenies nimmt übel. Thomas Knellwolf zeigt dem Bundesrat, wo der Hammer hängt: «Was macht die Regierung? Sie setzt auf Selbstregulierung. Das reicht nicht.» Nachsitzen, Strafaufgabe, die sieben Bundeszwerge müssen hundert mal an die Wandtafel schreiben: «reicht nicht».

Aber das ist erst der sanfte Anfang; schnell steigert sich Knellwolf zum Crescendo:

«Damit demonstriert die Bundeskanzlei erneut ihre Machtlosigkeit angesichts des schon seit Jahren immer krasser werdenden Missbrauchs der Volksrechte durch Kriminelle.»

Fahrlässig, Ihr Bundesräte ohne Rat: «Regeln oder gar ein Verbot für bezahltes Sammeln – das Grundübel – zieht er ebenfalls nicht in Betracht.» Ist schon erstaunlich, hätte Knellwolf die eingängige Begründung im Schwesterblatt SoZ gelesen, wieso bezahltes Sammeln sinnvoll ist, würde er solchen Unsinn nicht wiederholen.

Dann feuert er noch seinen letzten Böller ab: «Damit nimmt der Bundesrat hin, dass bei Initiativen und bei Referenden weiterhin getrickst und betrogen werden kann. Vielleicht bräuchte es nun im Bundeshaus einmal einen runden Tisch zum Thema konsequenter Schutz der Volksrechte.»

Ein weiterer Beitrag zu: Thema verfehlt, an der Sache vorbeigeschrieben. Setzen, nachdenken, Kurs wechseln, Logik anwenden. Vielleicht bräuchte es in der Breifabrik Zentralredaktion «Tages-Anzeiger» mal einen runden Tisch zum Thema: Blasenbildungen vermeiden.

Oder aber, Knellwolf kümmert sich angelegentlich weiterhin um die Unterleibsgeschichten eines Wetterfroschs, das ist vielleicht mehr seine Liga.

Spiegeln wir den fundamentalen Denkfehler von Knellwolf und allen «Bschiss»-Blasenbläsern an einem parallelen Beispiel.

ZACKBUM enthüllt: Bei Urnengängen werden massenhaft Stimmen absichtlich falsch gezählt. Insider berichten, dass die Resultate ganzer Abstimmungen dadurch verfälscht werden. Es komme vor, dass eine Ja-Mehrheit verkündet wird, obwohl die Neinstimmen überwogen.

Skandal.

Die Wahlbehörden bestätigen, nachdem ZACKBUM diesen Skandal enthüllt hat, dass es in Einzelfällen zu Nachzählungen gekommen sei. Dabei seien aber keine gravierenden Unregelmässigkeiten festgestellt worden; es sei kein Fall aufgedeckt worden, bei dem eine Nachzählung das Resultat umkehrte. Und ausserdem gäbe es keine Indizien für absichtliche Resultatfälschung.

Nochmal Skandal. Das ist Vernebelungstaktik, die Wahlbehörden wollen offenbar hinnehmen, dass weiterhin getrickst und betrogen werden kann.

So dümmlich, leicht durchschaubar und von Anfang an zum Platzen verurteilt kann man eine Blase aufpumpen. ZACKBUM ist sich zu fein für solchen Unsinn. Der Qualitätskonzern Tamedia nicht. Schlimmer noch: man könnte ja – wie bei all den «Papers», «Leaks» und «Secrets» – wenigstens grummelnd eingestehen, dass mal wieder nix am internationalen oder nationalen Gewaltsskandal war.

Aber bei diesem Sturm im Wasserglas muss der Tagi noch nachmopsen. Nach der Devise: wenn schon lächerlich machen, dann richtig.

NZZaS wackelt vor sich hin

Wer immer wieder Redesigns macht, ist auch inhaltlich unsicher.

Zurzeit haben wir am Sonntag ein interessantes Phänomen. Die «SonntagsZeitung» gewinnt vor allem dank Arthur Rutishauser an Kraft und stellt die Leistungen des täglichen Tagi in den Schatten. Zudem kritisiert sie indirekt auch Provokationskampagnen wie das Gewese um den angeblichen «Bschiss» beim Unterschriftensammeln für Initiativen.

Im Hause NZZ ist es um gekehrt. Die tägliche NZZ zeigt wenig Schwächen und viele Höhepunkte, God Almighty Eric Gujer zeigt mit stilsicherer Hand, wo’s langgeht. Dafür eiert aber die NZZaS vor sich hin.

Ist so ein Cover-Anriss wirklich auf Niveau?

Und sind solche Layout-Sperenzchen wirklich auf Niveau?

Gut, aber der Inhalt? Nun ja, während Gujer mit spitzer Feder die AfD-Phobie in Deutschland aufspiesst, mäandert Beat Balzli in seinem Editorial um den Begriff Misstrauen herum, rührt Corona, Putin, Trump, Volkswagen, AfD und auch eine «mutmasslich dubiose Unterschriftenbeschaffung» zusammen. Mutmasslich dubios? Das ist Brei.

Und was ist die Lösung? Was kann man gegen Misstrauen tun? «Nulltoleranz muss jetzt die Losung lauten. Das CS-Syndrom darf nicht zur Routine werden.» Solche wohlfeilen Ratschläge mieften schon früher, als sie noch massenhaft angeboten wurden. Aber heute? Wer wird die «Losung» von Balzli aufnehmen? Niemand.

Daneben darf sich auf fast zwei Seiten mal wieder Andreas Mink aus New York austoben. Inhalt? Nun, ungefähr so gehaltvoll wie die riesige Karikatur auf der Doppelseite:

Soll das lustig sein? Illustrativ? Eine Aussage haben (ausser, dass Trump fett und Harris muskulös sein soll)?

Dann wird’s auch verbal aschgrau, die NZZaS versucht ein grauenhaftes Wortspiel im Titel:

Cäsar, Iden des März, Friedrich Merz, CDU-Chef, kapiert? Nein, kapiert keiner. Was die sprichwörtliche Wendung für drohendes Unheil, abgeleitet von der Ermordung Cäsars an einem 15., also einem Idus, dem mittleren Tag des Monats, mit der Zukunft des CDU-Chefs zu tun haben soll? Droht dem etwa auch tödliche Gefahr? Das funktioniert nach der Devise: Wortspiel, komm heraus, du bist umzingelt.

Aus «Foreign Affairs» übernommen dürfen sich zwei Fachkräfte in der Grauzone der Tätigkeit des russischen Geheimdienstes bewegen. Wer nach «Hinter dem Brandanschlag auf ein Warschauer Einkaufszentrum sollen russische Agenten stecken» und «Dahinterstecken soll der russische Geheimdienst» weiterliest, ist selber schuld.

Und wer das hier im Foto lesen kann, hat sehr scharfe Augen:

Wenn der AD zur Leserverarsche neigt und niemand stoppt ihn, dann ist irgend etwas nicht gut.

Aber immerhin, am doppelseitigen Interview mit Serge Gaillard über die von ihm vorgestellten Sparpläne stört nur, dass es ohne sinnloses Symbolbild auch auf einer Seite Platz gehabt hätte.

Wir zeigen die aussagekräftige linke Seite:

Ohne ein paar unscharfe Pflänzchen vor unscharfer Hausmauer wäre das Interview unvollständig. Aber immerhin, der Interviewte ist voll scharf im Bild:

Dann wird’s gähnend langweilig, wie meist, wenn Nicole Althaus am Gerät ist. Immerhin, sie kümmert sich diesmal ausnahmsweise nicht um die Probleme von Frauen im mittleren Alter:

Meine Güte, man nehme einen Allerweltsbegriff, interviewe irgend einen Harvard Professor, et voilà. Der Begriff ist dabei austauschbar. Konstrukt, Selbstbewusstsein, Empathie, Nähe, Tod, man kann wie bei Scrabble in den Sack greifen und was rausfummeln.

Wirtschaft? Nun ja, Flamm Mordrelle versucht tapfer, im Dschungel der Gebühren für Vermögensverwaltung etwas Durchblick zu verschaffen. Da das aber absichtlich als Dschungel angelegt ist, gelingt das nicht wirklich. Und um mal wieder zum ewig gleichen Schluss zu kommen, dass ETFs die billigste und gleichzeitig beste Form der Geldanlage ist, dafür braucht es nicht eine ganze Seite.

Und nochmals, liebe NZZaS, wer sich solche Icons aufschwatzen lässt, sollte zum Augenarzt:

Erfrischend frech ist allerdings diesmal der Kulturaufmacher. Gleich fünf Frechdachse empfehlen einigen ranzig gewordenen Kulturschaffenden: «Lasst es gut sein», denn sie hätten «ihre Schaffenskraft verloren». Da kann man weitgehend einverstanden sein. Hazel Brugger, Martin Suter, Samir, Kim de l’Horizon, Stress, Volltreffer. Mario Botta, Michael Steiner, Daniel Hope, Stefanie Heinzmann, etwas fies, aber begründbar. Aber Globi, das ist gemein und ungerecht. Ob da «Lotta-Leben» oder gar «Gregs Tagebuch» wirklich eine Alternative sein soll?

Dann noch eine rührende Geschichte über Roland Baldenweg. Who? Na, der «Pfuri». Hä? Der Teil des Trios Pfuri, Gorps & Kniri. Toller Name, oder? Zugegeben, die kennen nur noch Leser, die entweder so alt aussehen wie Keith Richards – oder so alt sind. Pfuri ist auch nicht jünger geworden, mit seinen 77, aber der Schnurrbart steht immer noch, und der Schalk sitzt immer noch in den Augen. Und die Mundharmonika spielt immer noch den Blues. Wunderbar.

 

 

 

Die Verfälscher

«20 Minuten» glorifiziert Migration — gerne auch mit falschen Zitaten.

Von Thomas Baumann
Die Pendlerzeitung «20 Minuten» berichtete kürzlich über einen Artikel in der «SonntagsZeitung», in welchem nach den Gründen gefragt wurde, warum in Schweden die Zahl der Auswanderer diejenige der Einwanderer erstmals seit fünfzig Jahren übersteigt.
Auswanderung ist natürlich nicht per se positiv. Schliesslich kommen die meisten Migranten hierzulande aus Auswanderungsländern — welche genau darum Auswanderungsländer sind, weil dort die Dinge nicht so laufen, wie sie sollten.
Der Fakt, dass Auswanderung nicht bloss positiv zu werten ist, wird auch in der «SonntagsZeitung» thematisiert. «20 Minuten» fasst die entsprechende Passage aus der «SonntagsZeitung» in seinem Artikel «Flüchtlinge bleiben fern: Schwedens Migrationskurs wirkt» so zusammen:
«Die negative Einwanderungszahl könnte sich langfristig aber als problematisch erweisen, insbesondere angesichts des Fachkräftemangels und der niedrigen Geburtenrate in Schweden, so die ‹SonntagsZeitung› weiter. Es gebe Bedenken, dass gut ausgebildete und ehrgeizige Migranten das Land verlassen, was die wirtschaftliche Zukunft Schwedens gefährden könne.»
Und jetzt die Passage im Original der «SonntagsZeitung»:
«Verlassen die Richtigen das Land? Die schwedische Regierung feiert die negative Einwanderungszahl als grossen Erfolg. Angesichts des Fachkräftemangels und der sinkenden Geburtenzahlen könnte sich eine Netto-Auswanderung allerdings auch als Eigentor erweisen – vor allem, wenn unter den Abgereisten viele gut Ausgebildete sind. «Das ist genau das Problem: Es gibt keine Daten darüber, wer genau das Land verlässt», sagt Parusel. «Aus der Forschung weiss man aber, dass oft jene Migranten weiterziehen, die auch andernorts gute Möglichkeiten haben, also die Fleissigen und Ambitionierten.»
(Anmerkung: Bernd Parusel ist ein deutsch-schwedischer Politologe, der im Artikel zitiert wird.)
Dass die wirtschaftliche Zukunft Schwedens durch die Auswanderung gefährdet sein könnte, steht in der «SonntagsZeitung» nirgends — noch viel weniger werden dort irgendwelche Bedenken in dieser Hinsicht wiedergegeben.
Oder anders gesagt (und um eine Phrase zu bemühen, welche im Zusammenhang mit Donald Trump von gewissen Medien bis zum Exzess bemüht wurde): Die Zeitung «20 Minuten» behauptet ohne Belege, dass Bedenken geäussert wurden, dass die Auswanderung «die wirtschaftliche Zukunft Schwedens gefährden könne».
Und das alles bloss weil man noch ein wenig politisch korrekt sein wollte. In diesem Fall führt politische Korrektheit direkt zu Fake News.

Nostalgie, Nostalga, Nostalgaha

Das wippt wie bei «Ob-La-Di, Ob-La-Da» von den Beatles.

Ein Cover wie aus alten Zeiten, treffend illustriert mit einem Uralt-Handy. Aber «Ueli Maurers geheime Mission», dazu «Kinofilm und Doku-Serie, basierend auf Recherchen der SonntagsZeitung», was will der Leser am Sonntag mehr.

Nun ja, eine ganze Seite mit der opportunistischen Grinsbacke Bastien Girod, der sich nun endgültig mehr dem Geldverdienen als der Politik widmet: hätte auch eine Meldung sein können. Und dass man ihn mit einer windelweichen Antwort auf die Frage nach seiner zwielichtigen Tätigkeit für South Pole (verkaufte wertlose CO2-Zertifikate) davonkommen lässt, ist kein Glanzlicht: «In den sechs Jahren bei South Pole konnte ich trotz allem Gutes fürs Klima bewirken.» Nein, lediglich Gutes für sein Portemonnaie.

Dann darf sich der «Politgeograf» Michael Hermann mal wieder mit einer Umfrage in der Öffentlichkeit suhlen:

Ob das Symbolbild einer jungen Frau alle Woke-Tests der Sensibel-Fraktion besteht?

Einen fernen, aber hübschen Knaller hat dann Rico Bandle: «Ex-Präsident Guatemalas verklagt Genfer Staatsanwalt». Hintergrund: der verfolgte über jedes Mass hinweg den früheren Polizeichef Guatemalas Erwin Spereisen, der ebenfalls Schweizer Staatsbürger ist. Über Jahre hinweg hatte Alex Baur immer wieder auf diesen Skandal aufmerksam gemacht.

Der Strafprozess gegen Spereisen in Genf endete mit einem Desaster. Noch 2015 war Spereisen zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden, aufgrund  absurder Indizienbeweise. Der Europäische Gerichtshof hob das Urteil auf, Spereisen kam frei –nachdem er neun Jahre im Knast geschmort hatte, davon fünf in Isolationshaft.

Nun behauptet der unterlegen Staatsanwalt Yves Bertossa unverdrossen weiterhin, Spereisen habe zu einer «kriminellen Vereinigung» gehört. Das wollen guatemaltekische Politiker nicht auf sich sitzen lassen. Bananenrepublik einmal umgekehrt …

Ebenfalls von Bandle stammt das «Fokus»-Interview mit dem Migrations-Experten Ruud Koopmann, bei dem den stolzen Besitzern einer Regenbogen- und einer Ukraine-Flagge unter den Lesern das vegane Müsli mit Sojamilch hochkommt: «Wir haben ein zutiefst ungerechtes und tödliches Asylsystem». Aber eben anders gemeint: «Der Soziologe warnt schon lange: Steigende Kriminalität, Sexualverbrechen und Terrorgefahr seien direkte Folgen einer fehlgeleiteten Politik.»

Auch die Reportage ist vergnüglich; einmal eine Bauchnabelschau, die Spass macht:

Gut, Jacqueline Badran und Markus Somm bilden dann ein Kontrastprogramm, aber man kann überblättern.

Das lohnt sich auch:

Dann darf der abgehalfterte Wirtschaftschef Peter Burkhardt nochmal sein Steckenpferd reiten; «haut den Sawiris»:

Gut, man kann ein  hohes Niveau nicht immer halten.

«Leben & Kultur»? Nun, Dumbphones, Ketamin, Oasis, Restaurant-Empfehlungen, Leinen, und wie immer als Höhepunkt die Autoseite:

Vier Exemplare der Riesenkarre, die mit Chauffeur gefahren werden sollte, wurden in der Schweiz bislang verkauft. Also ein Massenmarkt, massgeschneidert für den SoZ-Leser. Über so Details wie den Preis lässt man sich dabei doch nicht aus.

Und zum Schluss freut sich der unverzagte «Travel Book Shop» am Zürcher Rindermarkt über eine Seite Gratiswerbung. Wieso nicht.

 

Rutishausers neuster Knaller

Der Mann rettet im Alleingang die Reputation von Tamedia.

Arthur Rutishauser ist der fleissigste Chefredaktor im Umzug. Seitdem er auf den Posten des Chefs der «SonntagsZeitung» heruntergestuft wurde, läuft er wieder zu Höchstformen auf. Zuvor war er das Bauernopfer bei der verunglückten Reaktion auf ein Protestschreiben von 78 erregten Tamedia-Frauen, die eine ganze Latte von anonymen und unbewiesenen Verleumdungen in Umlauf gebracht hatten.

Sein neuste Coup: er hat den vorläufigen Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) in die Hände bekommen, die den Untergang der Credit Suisse ausleuchten soll. Und dabei kam heraus, dass es zu regelmässigen Geheimtreffen zwischen dem damaligen Finanzminister Ueli Maurer, Nationalbankchef Thomas Jordan und CS-Präsident Axel Lehmann kam.

In bester Corona-Manier. Vertraulich, ohne Protokoll, ohne Mitwisser. Zudem legt Rutisuhauser nochmals den Finger in die Wunde, dass die CS nicht einfach wegen widriger Marktverhältnisse kollabierte, sondern weil sie von einem unfähigen Management in den Abgrund getrieben wurde. Dass Lehmann eine mögliche Staatshilfe ablehnte, weil das Auswirkungen auf die Boni gehabt hätte, ist nur eines der vielen unappetitlichen Details.

In seinem Kommentar zu diesem unwürdigen Stück nimmt Rutishauser kein Blatt vor den Mund:

«Alles wurde über Jahre hinweg vertuscht, wer aufmuckte, landete auf der Strasse. Zeitungen und Journalisten wurden eingeklagt, wenn sie versuchten, Licht ins Dunkel zu bringen. Und das seit bald 50 Jahren. So lange brauchte es, bis nach zahllosen Skandalen das Vermächtnis von Alfred Escher so weit ruiniert war, dass die UBS fast gratis ihre Konkurrenz übernehmen konnte

Auch jetzt versucht die Politik, den Deckel auf manch dunklem Geheimnis zu lassen. Als erste Aktion liess die windelweiche PUK-Präsidentin Isabelle Chassot die PUK-Akten für die nächsten 50 Jahre sperren. «Wozu? Das weiss nur Chassot, denn schützenswerte Geschäftsgeheimnisse der CS gibt es nicht mehr

Aber jede Menge Sauereien, die zurückbleiben:

«Die Bank hat von 2012 bis 2022 rund 12 Milliarden Franken für Bussen, Vergleichs- und Schadenersatzzahlungen bezahlt, mehr als jede andere Schweizer Bank. Und dabei ging es nicht «nur» um unversteuertes Schwarzgeld, sondern um Drogenhandel und Betrug. Im Fall von Moçambique haben die Banker sogar ein ganzes Land in Ruin und Armut gestürzt. Dafür hätten sich die hoch bezahlten Manager, die ja nie für etwas verantwortlich sind, öffentlich rechtfertigen sollen.»

Aber während in den USA wenigsten schwitzende Versager vor laufender Kamera Entschuldigungen stammeln müssen, hat in der Schweiz noch niemals ein solcher Vollpfosten sich wenigstens öffentlich rechtfertigen müssen. Von Haftbarkeit und Verantwortlichkeit ganz zu schweigen. Angefangen beim Oberversager Urs Rohner, der wie alle seine eingesackten, aber unverdienten Millionen geniesst.

Das macht mal wieder die Lektüre der SoZ unterhaltsam, wie in alten Zeiten. Aber alleine dadurch wird all das, was der «Tages-Anzeiger» anstellt, bzw. unterlässt, noch peinlicher.

Wenden wir hier die Bärtschi-Peinlichkeitsskala an. Benchmark ist Simon Bärtschis unterirdischer Kommentar «in eigener Sache» mit einer 10. Ohne, dass er etwas dazu tun musste, steht der publizistische Leiter durch diese Leistung von Rutishauser mit 15 Bärtschis da. Die Tagi-Chefredaktorin Raphaela Birrer bewegt sich in der Höhe von Patrizia Laeri und erreicht schweigend eine 20. Das Mitglied der Chefredaktion Kerstin Hasse, die sich um Astrologie, blanke Busen und einen angeblichen Skandal an der ETH kümmert, darf eine 12 in ihren Palmares eintragen.

Aber solange Rutishauser nicht zwecks Qualitätssteigerung eingespart wird, stemmt er ganz alleine das Niveau nach oben. Einziger Nachteil: desto peinlicher wirken die anderen traurigen Gestalten an führenden Positionen.

Was bleibt von der SoZ?

Gebastelt am Samstag, publiziert am Sonntag. Und am Dienstag?

Die Aufmacherstory «Ein Coach für alle Fälle» schweisselt deutlich nach heissem Sommerloch. Wieso die Woke-Fraktion eine Bebilderung durchgelassen hat, wo mal wieder eine Frau ein paar Knöpfe zu viel offen hat? Sexismus findet offenbar nur ausserhalb von Tamedia statt. Neuerdings.

Dann kommt das Blatt aber deutlich hinten hoch. Ein Oxford-Professor erklärt, wieso das Narrativ, in Grossbritannien wüteten Rechtsextreme und Rassisten, falsch ist. Ein Interview, das auch noch am Dienstag Sinn macht.

Eher zeitlos, geistlos und überflüssig ist dann die Seite über Coachs. Auch hier beweist die Bildredaktion mal wieder ihre Überflüssigkeit, fast eine halbe Seite für ein Stockphoto von Getty?

Nachdem schon auf dem Cover ein Weiblein prangte, hätte hier die «ich fühle mich unwohl»-Fraktion doch unbedingt ein Männlein durchsetzen müssen, statt neuerlich eine aufgeknöpfte Bluse zuzulassen.

Dann sägen Adrian Schmid und Arthur Rutishauser zweihändig am Stuhl des Amtsdirektors Stéphane Rossini, der das AHV-Zähldebakel zu verantworten hat. Fies, aber gut.

Dann, das nervt wirklich, wird die durchaus gute Story über vermeintliche Handwerker, die systematisch Menschen abzocken, mit einem Riesensymbolbild verunstaltet:

«Symbolfoto Shutterstock». Was soll das? Damit macht sich die Bildredaktion überflüssig, oder sagten wir das schon.

Allerdings müssen wir es nochmal sagen:

Ladendetektive haben es nunmal so an sich, dass sie gerne unerkannt bleiben möchten, gehört zu ihrem Beruf. Wieso dann ein Kunstfoto gebastelt werden muss, das wieder ungeheuer Platz mit einer Nullaussage verbraucht? Die SoZ sollte dringend über ihr Bildkonzept nachdenken; da gibt es ungemein Sparpotenzial.

Dann hofft man, dass der Sommer endlich zu Ende gehe. Denn was dem Magazin der NZZaS seine Glace ist, ist der SoZ das «Fokus»-Interview – mit einem Bademeister. Man hätte stattdessen auch Auszüge aus Hugo Loetschers wunderleichtem Roman «Saison» abdrucken können, das hätte wenigstens Niveau gehabt. Aber wer weiss denn noch, wer Loetscher war.

Auch hier, ceterum censeo, beweist die Bebilderung, dass dringlicher Handlungsbedarf besteht. Muss man auch bei der obligaten Bildstrecke zur Love Parade sagen:

Wer für diese Schrottbild-Auswahl verantwortlich ist, sollte sich eins schämen und das Leben als Taxifahrer fortsetzen. Bitte.

Dann geht es mit dem Sommerloch weiter. Mitte August vielleicht ein wenig spät, aber Nutzwert, Nutzwert, Nutzwert, murmelte die Redaktion, als vielleicht einer die freche Frage stellte, ob das Thema nicht schon etwas vorbei sei und ob die SoZ meine, ihre Leser rissen die Seite raus und nähmen sie mit ins Wasser:

Apropos Nutzwert, das ist dann wieder ein Artikel voll auf die Zwölf, mit einer Halbwertszeit über den Dienstag hinaus:

Nichts falsch gemacht, ausser:

Seufz.

Dann die Sozialneidstory, gut eingeschenkt. Man fragt sich immer mehr, welche verantwortungslose Pfeifen auf die Idee kamen, so einen zum Chef der Credit Suisse zu machen. Da begann der Untergang …

Was für ein Charakter.

Was für eine Bildredaktion:

Und nun noch der Hammer als Absackerchen:

ZACKBUM fasst zusammen. Nicht vieles überlebt den Sonntag. Aber doch einiges. Allerdings könnte die SoZ doppelt so gehaltvoll und halb so ärgerlich sein, wenn sie die Marotte mit übergrossen Symbolbildern aus Fotoarchiven sein liesse.