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Wer verwendet als Erster das K-Wort?

Geschnatter aus dem Bundesrat.

Es sind bedrückende Fotos, Videos und Augenzeugenberichte, die uns aus der Ukraine erreichen. Die Indizien verdichten sich, dass die russischen Besatzungstruppen in den von ihnen beherrschten Gebieten ein Terroregime gegen die Bevölkerung errichtet haben.

Das tritt offen zu Tage, wenn sie sich zurückziehen müssen. Es verdichten sich ebenfalls die Hinweise, dass Butscha kein Einzelfall ist. Wenn Verbrechen normale Dimensionen sprengen, sind zwei Wörter schnell zur Hand: Kriegsverbrechen und Völkermord.

Der Schweizer Bundespräsident und Aussenminister Cassis spricht von «krassen Verletzungen» des Völkerrechts und von «mutmasslichen Kriegsverbrechen». Damit hat er völlig recht und bewegt sich auch innerhalb dessen, was von der Schweizer Neutralität übriggeblieben ist. Durch die Übernahme der EU-Sanktionen hat sich die Schweiz bereits für Russland als neutraler Vermittler, der wie üblich seine guten Dienste anbietet, disqualifiziert.

So fanden die ersten bilateralen Kontakte zwischen Russland und der Ukraine nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, in Genf, sondern in der Türkei statt. Nun kann man argumentieren, dass es der Schweiz egal sein könnte, wie sie vom Totalversager Putin qualifiziert wird.

Es wäre allerdings doch wünschenswert, wenn der Bundesrat mit einer Zunge spräche. Die im besten Fall dem dafür zuständigen Aussenminister gehören sollte. Nun ist allerdings ein Jekami ausgebrochen.

Bundesrätin Keller-Sutter, eigentlich für die Justiz innerhalb der Schweiz zuständig, spricht bereits von «klaren Hinweisen auf Kriegsverbrechen». Bundesrätin Sommaruga, eigentlich für inländischen Verkehr zuständig, wollte den Bundesrat zu einer Zustimmung bewegen, die Kanada erlaubt hätte, Kriegsmaterial über den Luftraum der Schweiz zu transportieren.

Und schliesslich meldet sich nun auch noch Gesundheitsminister Berset zu Wort. Er leidet offensichtlich unter einem Aufmerksamkeitsdefizit, seitdem Corona nicht mehr die Schlagzeilen beherrscht. Also gewährt er Christian Dorer, dem Oberchefredaktor der «Blick»-Gruppe, ein Interview. Und dort erklärt er nassforsch, dass es sich selbstverständlich um Kriegsverbrechen handle, was sich in der Ukraine abspiele.

Das sind keine Wortspielereien und auch kein Tanz um Nebensächlichkeiten. Auf der obersten Ebene der Politik, vor allem, wenn es ums Ausland geht, ist eine klare Sprache unabdingbar. Es kann eigentlich nicht sein, dass verschiedene Mitglieder der Landesregierung verschiedene Formulierungen verwenden.

Medien, Journalisten, ZACKBUM können von Kriegsverbrechen schreiben, wenn ihnen danach ist. Auf politischer Ebene ist die einzig korrekte Formulierung «mutmassliche Kriegsverbrechen». Aber das Wort Unschuldsvermutung ist dermassen ausser Mode gekommen, dass man in weiten Kreisen kaltlächelnd darauf verzichtet.

Schliesslich geht es um die markige Verurteilung des Kremlherrschers. Der autokratisch in einem Unrechtsstaat herrscht. Dem Rechtsstaatlichkeit abgeht, wo die Justiz parteiisch ist und die Unschuldsvermutung mit Füssen getreten wird. Ups.

Wie hältst du’s mit der Zensur?

Was geht – und was gar nicht geht.

In den Verfassungen gibt es weltweit zum Thema Zensur wohlklingende Worte. So das deutsche Grundgesetz, Artikel 5: «Eine Zensur findet nicht statt.» In den USA regelt das der Erste Zusatzartikel zur Verfassung: «Der Kongress soll kein Gesetz erlassen, das die Einführung einer Staatsreligion zum Gegenstand hat, die freie Religionsausübung verbietet, die Rede- oder Pressefreiheit oder das Recht des Volkes einschränkt, sich friedlich zu versammeln und die Regierung durch Petition um Abstellung von Missständen zu ersuchen.»

Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO legt fest: «Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäusserung; dieses Recht schliesst die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.»

Kurz und knackig die Formulierung in der Schweizer Bundesverfassung: «Zensur ist verboten.»

Heisst das nun, dass die Meinungsfreiheit grenzenlos ist? Nein, keine Freiheit darf grenzenlos sein, dann wird sie zur Willkür. Natürlich ist die Verbreitung von Kinderpornographie nicht durch die freie Meinungsäusserung gedeckt. Natürlich gibt es weitere Äusserungen, die strafbewehrt und daher verboten sind. Das ist kein Widerspruch zum Verbot der Zensur oder der möglichst umfangreichen Meinungsfreiheit.

Wie alle Freiheitsrechte ist in Schönwewtterperioden und bei Sonntagsreden das Bekenntnis zur Meinungsfreiheit und die Ablehnung von Zensur wohlfeil. Nun hat aber die EU beschlossen, die beiden russischen staatsnahen Sender «Russia Today» (RT) und «Sputnik» zu verbieten. Ein eklatanter Verfassungsbruch, nicht nur in Deutschland. Nicht begründbar.

Nun hat die Schweiz im Prinzip beschlossen, die EU-Sanktionen zu übernehmen. Gilt das auch für diese Zensurmassnahme? Erschreckend ist, dass darüber offenbar im Bundesrat Meinungsverschiedenheiten herrschen. So ist es erwiesen, dass die Bundesrätinnen Amherd und Sommaruga einem solchen Verbot zustimmen wollen oder zumindest wohlwollend gegenüberstehen. Hingegen spricht sich BR Parmelin strikt dagegen aus.

Glücklicherweise hat sich inzwischen die Vernunft durchgesetzt. Die Schweiz übernimmt auch das vierte Sanktionspaket der EU – mit Ausnahme dieser Zensurmassnahme.

Solange das noch nicht zensuriert wird: Das sind gleich zwei Skandale. Dass sich sogar Bundesräte um die Schweizer Verfassung foutieren, das ist ungeheuerlich und kann nicht oft genug angeprangert werden.

Ein gleichgrosser Skandal ist, dass diese Haltung von den Schweizer Medien kommentarlos berichtet wird. So als ginge es um eine Meinungsverschiedenheit über die Neuordnung des Aktenrundlaufs im Bundesarchiv. Dabei geschieht hier etwas, was nicht geht. Was in einem Rechtsstaat ein Unding ist.

Das macht die Schweiz natürlich nicht zu einem zweiten Russland oder China. Es ist ja im Rahmen der Meinungsfreiheit nicht verboten, über ein Verbot von Medienplattformen zu diskutieren. Aber Bundesräte sind dafür, die Medien schweigen? Das beelendet.

Wir sind so frei

Keine Boni mehr für SRG-Kader? Kein Problem.

Kurzarbeit für Mitarbeiter beantragen? Trotz geschützter Werkstatt mit fixen Gebühreneinnahmen? Na und? Deswegen oben auf Boni verzichten? Himmels willen, niemals. Dafür von der Medienministerin Sommaruga sanft gerüffelt werden, das sei «unsensibel»?

Okay, da sah man Handlungsbedarf. Geldgierig, das wäre ja noch egal. Aber nicht sensibel, das wollte sich die SRG nicht vorwerfen lassen. Also werden die Boni ab 1. Januar 2023 gestrichen.

Natürlich ist auch für Mitglieder der Geschäftsleitung der SRG das Portemonnaie ein ganz sensibles Körperteil. Das kennt den sogenannten Lochschmerz. Der entsteht normalerweise bei einer Zahnextraktion. Aber es geht hier bei den Boni um rund ein Fünftel der Lohnsumme, das läppert sich.

Zum Beispiel das Geschäftsleitungsmitglied X, zuständig für Luft, Laune und den ordentlichen Aktenrundlauf, bekommt wie alle anderen auch dafür 390’000 Franken im Jahr. Würden ihm davon 20 Prozent abgeschränzt, wären es nur noch 312’000. Das würde bedeuten, dass mehr bei Aldi und Lidl eingekauft werden müsste, weniger bei Coop und Migros.

Noch dramatischer wäre das bei SRG-Generaldirektor Gilles Marchand. Der würde von rund 533’000 Franken auf 426’400 runtergestuhlt. Damit wäre der Traum vom Zweitferienhaus ausgeträumt, die jüngeren Kinder müssten die Kleider der älteren auftragen.

Das Entstehen solcher Lochschmerzen musste unbedingt verhindert werden, aber unsensibel wollte man natürlich auch nicht erscheinen. Geniale Lösung: Boni gestrichen. Restlos. Vollständig. Abgeschafft. Dafür wird einfach der Fixlohn entsprechend erhöht. Ist das Hammer, megageil, megasensibel oder was?

Eigentlich wären nun alle zufrieden und könnten in Ruhe weiterarbeiten, wenn da nicht der Parteipräsident der «Mitte» wäre. Obwohl Gerhard Pfister die Namensänderung weg von CVP durchzog, hat er noch ein christliches Gewissen.

Und regt sich auf Twitter auf:

«Bei Banken würde @SRF investigativ tätig werden. Aber bei Saftläden ists ok. Bevor jemand mir die Parteibüchlein der VR-Mitglieder vorhält: Ich schäme mich fremd.»

Damit stellt Pfister drei Parteikollegen in der SRG-Geschäftsleitung mit an den Pranger.

Und ZACKBUM sagt für einmal: Chapeau, Herr Politiker, das nennt man Prinzipien. Da hätte sich ihr Vorgänger Christophe Darbellay einige Scheiben von abschneiden können.