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Gar nicht komisch

Hazel Brugger hat fertig. So als Promi mit vielen Followern.

Die Komödiantin baut sich mit den Erträgen ihres Wirkens ein Haus. Das ist schön für sie, wer möchte das nicht. Allerdings, so spielt das Leben, ist der Spalt zwischen Satire als Broterwerb und Realsatire aus dem eigenen Leben nicht gross.

Denn wie bei vielen Bauten scheint es auch hier Mängel zu geben und Anlass, sich öffentlich darüber aufzuregen. Das ist dem Adlerauge von Andreas Tobler nicht entgangen, der sich hier mal wieder kulturell einbringt. Denn Brugger benützt ihre Prominenz und die Tatsache, dass sie 800’000 Follower hat, dafür, ihrem Frust über Baumängel öffentlich Ausdruck zu verleihen. Allerdings lässt sie es dabei an ihrer sonstigen kühl-satirischen Art doch deutlich ermangeln.

Laut Brugger muss es zwischen der Bauherrschaft – ihr Mann und sie – und dem Architekten sowie den Bauarbeitern inzwischen hoch zu und her gehen: «Weil wir auf unserer Baustelle von Bauarbeitern bedroht wurden, brauchten wir zuletzt Personenschutz.»

Nach der einfühlsamen Schilderung des Bauleidens wagt Tobler dann doch eine Spur Ironie: «Wahrscheinlich gibt es in Deutschland und der Schweiz Tausende Hausbesitzer, die mit ihren Architekten wegen Baumängeln streiten.» Aber wenn einem auf Instagram so viele Leute folgen, dann sei alles halt etwas gröber: «Also auf einer Plattform, auf der viele leidenschaftlich gerne aus ihrem Leben berichten, nichts zu unwichtig ist – und sich selbst Alltägliches als «Content» verwerten lässt», schreibt Tobler.

Ohne sich der Ironie bewusst zu sein, dass auch er diesen Pipifax als Content verwendet. Da benützt eine Prominente ihren Status, um ihrem Ärger Luft zu machen. Wie berechtigt das wirklich ist, hätte Tobler herausfinden können. Mit einem Ortsbesuch oder mit dem Versuch, dem Architekten oder Bauleiter eine Stellungnahme zu entlocken.

Aber he, das wäre doch Journalismus gewesen, dafür hätte er etwas recherchieren müssen oder gar – schreckliche Vorstellung – sich von seinem Schreibtisch wegbewegen. Aber das sind Dinge, die im heutigen Spar- und Elendsjournalismus nur im äussersten Notfall erlaubt sind.

Aber es gibt auch einige gute Nachrichten, die hinter diesem Baustellentext stecken. Tobler geht einigermassen sanft mit Brugger um, was man bei seinem unflätigen Rüpeln gegen Marco Rima nicht behaupten kann. Über den holzte Tobler: «Er arbeitet also an der Vergrösserung seines Selbst, wie viele, die in die Öffentlichkeit drängen.» Dabei meckerte Rima nicht etwa über seinen Ärger mit dem Personal, sondern hatte ein Anliegen. Nur eins, das nicht in Toblers Gesinnungsblase passt.

Des Weiteren beschäftigt sich Tobler hier nicht mit der Misshandlung der deutschen Sprache mit Gendersternen und ähnlichem Schwachsinn. Er macht auch keine Schmähkritik wie in seinem Schmierenstück über den damaligen NZZaS-Chefredaktor Jonas Projer. Er fordert auch nicht wie bei Rammstein, dass die nächsten Auftritte von Brugger abgesagt werden sollten.

Bei Journalisten wie Tobler muss man immer froh sein, wenn sie vieles nicht machen. Allerdings bleibt dann nicht viel übrig, was sie machen könnten. Denn das kommt von Können, und eigentlich, theoretisch, wäre Tobler ja Kulturjournalist. Arbeitet also in einem Team, das ersatzlos, schmerzlos und folgenlos gecancelt werden könnte. Berichterstattung über Kultur, über Literatur, Filme, Bilder, Theater, Oper, über anspruchsvoll Geistiges, da ist nix. Ausser vielleicht über ein Pottwal-Happening, das halt unübersehbar ist. Denn Tagi und Kultur, das ist wie Erde und Mond, und dazwischen Vakuum. Viel Vakuum. Schwarze, kalte Leere.

Bock als Gärtner

Ueli Bernays tritt in der NZZ gegen Rammstein & Co. nach.

Aufhänger für ihn ist das Buch von Daniel Drepper, Lena Kampf: «Row Zero. Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie». Wer sich in solch vermintes Gebiet begibt, sollte wenigstens ordentlich identifiziert werden. So ist Drepper Mitgründer des sogenannten Recherchezentrums «correctiv», das unlängst mit einem teilweise auf Fälschungen beruhenden Bericht über ein sogenanntes Geheimtreffen in die Schlagzeilen geriet. Diverse wilde Behauptungen mussten zurückgenommen werden, ein mehr als peinliches Schauspiel.

Lena Kampf arbeitet im Ressort Investigative Recherche bei der «Süddeutschen Zeitung». Auch die hat sich in letzter Zeit nicht gerade mit Ruhm bekleckert, siehe Fall Aiwanger oder die Bespitzelung der eigenen Redaktion durch die Chefredaktion.

NZZ-Autor Bernays fiel beim Fall Rammstein durch eine grobe Entgleisung auf: «Till Lindemann und Rammstein: Aus dem Künstler ist ein Täter geworden», so titelte der Vorverurteiler, bis dann Vernunft einkehrte und so abgeschwächt wurde:

Allerdings war sich die NZZ zu fein, diese Korrektur für den Leser kenntlich zu machen. Die unanständige Behauptung im Text blieb allerdings stehen: «Ob es sich dabei um einvernehmlichen Sex gehandelt hat, ist kaum zu eruieren. Jedenfalls gab es kaum ein klares Ja.» Was Bernays da alles wusste. Als dann sämtliche Anschuldigungen gegen den Rammstein-Sänger im Sand verliefen, schwieg er verkniffen, schwieg sozusagen des Sängers Unhöflichkeit.

Aber nicht nur, wenn es um woke Denunziationen geht, ist Bernays vorne dabei. Auch Musiker mit einer ihm quer rüberkommenden politischen Meinung kriegen ihr Fett ab: «Achtung, Roger Waters ist wieder unterwegs. … breitbeinig und zielbewusst in alle möglichen Fettnäpfe … Plattform für diesen Wüterich … sein aufgeblasener Idealismus und seine Besserwisserei lassen ihn oft als Ritter von hässlicher Gestalt erscheinen.»

Also schlechte Voraussetzungen, um eine sachliche Buchrezension zu erwarten. Das ist sie natürlich auch nicht:

«In einem Buch kratzt ein deutsches Autorenduo an alten Rocker-Mythen». Das Groupie-Wesen, ja ja. Wie soll man volljährige weibliche Fans, die sich freiwillig ihren Popidolen andienen, nur vor sich selbst beschützen? Indem man von einer Zeitenwende schwafelt:

«Lange haben die Fans den selbstgerechten Sexkult ihrer Pop- Götter gefeiert oder zumindest akzeptiert. In den letzten Jahren aber haben sich die Sensibilitäten verändert. Seit man Michael Jackson den Missbrauch von Minderjährigen postum nachgewiesen hat, ist ein Star nach dem anderen ins Fadenkreuz eines kritischen, zumeist feministischen Blicks geraten

Da bewegt sich Bernays zunächst höchstens im Streubereich der Wahrheit, um es höflich zu formulieren. Ein Kläger wirft dem King of Pop posthum vor, ihn als Kind sexuell missbraucht zu haben. Und die Merkwürdig-Justiz der USA hat diese Klage – 15 Jahre nach dem Tod Jacksons – nun zugelassen, dann halt gegen dessen Produktionsfirma und Nachlassverwalter.

Vielleicht sollte man erwähnen, dasss der gleiche Kläger noch 2005 für Jackson vor Gericht aussagte. Das nahm er später zurück und scheiterte bereits 2021 als angebliches Missbrauchsopfer vor Gericht. Nun also ein neuer Anlauf, bei dem es, mangels Täter, nur um Geld geht. Aber solche Differenzierungen sind für Bernays natürlich zu kompliziert und würden seinen Thesen- und Gesinnungsjournalismus unangenehm stören.

Oder einfach: Jackson wurde weder zu Lebzeiten noch posthum Missbrauch «nachgewiesen». Ausser, man nimmt Behauptungen als «Nachweis», was eigentlich mit dem Niveau der NZZ nicht kompatibel sein sollte.

Dann leiert Bernays die Liste von Popstars runter, denen sexueller Missbrauch vorgeworfen wurde. Meistens aus finanziellen Absichten oder aber, damit sich das angebliche Opfer eine Scheibe vom Ruhm des angeblichen Täters abschneiden konnte. Selbst der Prozess gegen Harvey Weinstein muss inzwischen neu aufgerollt werden. So bleibt der Fall des verurteilten Sexualstraftäters R. Kelly ziemlich einsam stehen.

Nachdem Bernays immerhin darauf hingewiesen hat, dass es durchaus auch zu wilder Lynchjustiz in den sozialen Medien kommen kann, urteilt er am Schluss dennoch streng: «Sexhungrige Altstars sollten ihre Triebe nicht mehr auf Kosten überforderter Fans befriedigen können.»

Laut Bernays sollten also angeblich sexhungrige Altstars darauf verzichten, der Versuchung nachzugeben, wenn hysterische Fans sich für die Row Zero rekrutieren lassen, sich wunschgemäss einkleiden und ausser Rand und Band geraten, wenn sie zur Afterparty eingeladen werden, bei denen es allen Beteiligten klar ist, dass nicht in erster Linie Mikado gespielt und mit abgespreiztem kleinem Finger Tee getrunken wird?

Statt solche unsinnige Forderungen aufzustellen, hätte sich Bernays vielleicht mal eingehender mit seinem eigenen Fehlverhalten und den Vorverurteilungen vieler Kollegen (herausragend Andreas Tobler von Tamedia, der nassforsch forderte, «es gilt die Unschuldsvermutung», dass alle Rammstein-Konzerte in der Schweiz abgesagt werden müssten) beschäftigen.

Mit der Frage, wie es sein kann, dass beim Vorwurf «sexuelle Belästigung vor 20 Jahren» der Beschuldigte seine Unschuld beweisen muss, von Social Media und von Schmiermedien vorverurteilt wird, und wenn er dann wie Kevin Spacey siegreich aus allen Prozessen hervorgeht, ruiniert und um seine Karriere beraubt dasteht.

Mit der Frage, ob sich Unken wie Bernays und Tobler nicht haftbar oder schadenersatzpflichtig machen, wenn sie kolportieren, denunzieren und vorverurteilen.

Lückenpresse?

Die Fronten sind gezogen und verhärtet. Wie berichten westliche Medien?

Nach dem Corona-Desaster ist vor der Ukraine-Katastrophe und dem Gazastreifen-Debakel. Seit Menschengedenken ist Kriegsberichterstattung das Gebiet, auf dem die Medien krachend versagen.

Die Medien der direkt Beteiligten sowieso, sie verwandeln sich in Propagandaschleudern ihrer jeweiligen Regierungen. Der Feind ist immer grausam, unmenschlich, feige und erleidet Niederlage um Niederlage. Die eigenen Truppen sind immer human, tapfer und eilen von Sieg zu Sieg. Gibt es Rückschläge, sind die nur taktischer und vorübergehender Natur.

Allerdings gibt es doch graduelle Unterschiede. Wenn man zum Beispiel vergleicht, wie die sowjetischen Medien über das Afghanistan-Desaster berichteten, wo sich die UdSSR am Schluss schmählich zurückziehen musste. Wie Jahrzehnte später die USA auch.

Aber deren Presse hatte sicherlich einen Anteil daran, dass sich die USA schmählich aus Vietnam zurückzogen. Angefangen bei den Pentagon-Papers und wiederholten Berichten über US-Kriegsverbrechen (Massaker von My Lai) über aufrüttelnden Beschreibungen der Auswirkungen des Militäreinsatzes auf die Psyche von GIs, hier kamen die Medien (nicht alle, aber einige) ihrer Berichterstatterpflicht nach.

Seither haben sich die westlichen Medien aber nicht weiter-, sondern zurückentwickelt. Die Berichte von sogenannten embedded journalists über die völkerrechtswidrige Invasion  des Iraks. Ein Trauerspiel.

Das seine Fortsetzung in der Berichterstattung über die Invasion der Ukraine findet. Die faschistischen Wurzeln des Landes, seine endemische Korruption, der Putsch, die gekauften Wahlen, die einen Präsidentendarsteller an die Macht brachten, die weiterhin grassierende Veruntreuung selbst von kriegswichtigem Material, terroristische Aktionen der Ukraine, die lange Liste der Repressalien gegen Dissidenten in der Ukraine – alles kein Thema. Oder höchsten so im Vorbeilaufen.

Dafür laufen Schreibtischgeneräle zu Höchstformen auf, die ihren Arbeitsplatz mit einem Sandkasten verwechseln, in dem Truppenteile herumgeschoben werden, Spielzeugpanzer herumfahren, Flugzeuge mit lautem «rrooam» virtuell die Luft zerschneiden.

Aber obwohl zum Beispiel die Schweiz theoretisch neutral ist und somit keine Partei ergreifen sollte, gibt es in der Schweiz kein einziges Organ, das den Blickwinkel Putins wiedergibt. Gut, die «Weltwoche», aber selbst die macht das trotz Köppels unermüdlichem Kasatschok nur punktuell.

Das völlige Versagen der westlichen Medien zeigt sich schon darin, dass doch in Wirklichkeit kein Konsument all dieser Medien weiss, wie es denn nun eigentlich militärisch an der Front aussieht. Wie viele Reserven die Ukraine noch hat, was Russland noch alles in die Schlacht werfen kann.

Da wurde lange Zeit ein ukrainischer Sieg in den glühendsten Farben gemalt, bis die Journaille kleinlaut den ungeordneten Rückzug antrat.

Noch schlimmer, wenn da eine Steigerung überhaupt möglich ist, steht es um die Berichterstattung aus dem Gazastreifen. Sicherlich, Israel untersagt Journalisten grundsätzlich den Zugang, obwohl man ja nichts zu verbergen habe. Aber ob zum Beispiel Israel Lastwagenkonvois mit Hilfsgütern aufhält, oder ob die Verteilungskapazitäten der humanitären Organisationen nicht ausreichen, man weiss es nicht. Ob die Hamas innerhalb oder unterhalb von Spitälern mit Wissen der Spitalleitung Basen unterhält, man weiss es nicht.

Beginnt die Bevölkerung zu verhungern oder ist das eine weitere Mär der Hamas, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen? Wie überlebt es sich überhaupt im Gazastreifen? Tut Israel irgend etwas, um den Flüchtlingen aus dem Norden Schutz zu bieten, wenn es nun auch noch im Süden durchgreift? Wie steht es eigentlich aktuell um die von Israel zugewiesenen sogenannten Schutzräumen, die angeboten wurden, als die massive Invasion von Gazastadt begann?

Die Wahrheit stirbt im Krieg zuerst, ein banaler, aber dennoch richtiger Satz.

Nachdem Social Media die Informationsvorherrschaft der grossen Medien gebrochen hat, dröhnen unablässig Bilder- und Wortfluten auf all die ein, die meinen, sich so einen eigenen Überblick verschaffen zu können.

Aber genauso, wie die grossen Medienhäuser das Internet verschlafen haben und sein Funktionieren als Wertschöpfungsgenerator bis heute nicht kapieren, verschlafen sie nun die Parallelinformationen via Internet.

Der dünne Brei, denn zum Beispiel die grossen Schweizer Medienhäuser verfüttern, ist eigentlich die Aufforderung zum wirtschaftlichen Selbstmord. Denn wenn schon gratis häufig Besseres und Kompetenteres geliefert wird, wozu braucht es dann noch eine Tageszeitung?

Die könnte sich, um hier auch kurz zu sändelen, eine USP schaffen, indem sie Mehrwert anbietet. Das, was schon längst auf YouTube, Tictoc, telegram und Instagram dudelt, nochmals mit ernstem Blick zu verkünden, das kann es ja nicht sein.

Die Medien versagen einmal mehr. Sie sind parteiisch, subjektiv, schlecht informiert. Sie liefern so viele Hintergrundinformationen nicht, weil sie entweder zu faul sind oder der noch existierende Korrespondent dreht lieber Klischees und Vorurteile durch die Mühle. Macht viel weniger Stress als dieses blöde «vor Ort den Puls fühlen».

Laut Meldungen soll Russland als Vergeltung für das Moskauer Massaker das Hauptquartier des ukrainischen Geheimdienstes SBU in Kiew mit einem Marschflugkörper in Schutt und Asche gelegt haben. Stimmt das? Wieso konnte das die ukrainische Luftabwehr nicht verhindern? Stimmt es, dass der Geheimdienst vorgewarnt wurde? Durch wen? ein weiteres Beispiel unter vielen, wie lückenhaft berichtet wird.

So viele Fragen, so wenig Antworten. Ausser einer: es ist ein Trauerspiel.

Das Leid mit dem Leserbrief

Blattbindung, Reaktionen, Aufschlüsse. Der Leser hat das Wort.

Jeder hat das Recht, einen Leserbrief zu schreiben. Niemand hat einen Rechtsanspruch darauf, dass der auch veröffentlicht wird.

Ausser, im juristischen Fingerhakeln hat sich eine Reaktion mit einem Kritisierten darauf geeinigt, dass der auf eine kurze Gegendarstellung verzichtet und dafür einen längeren Leserbrief schreiben darf.

Früher, wo bekanntlich alles besser war, brauchte es bei der Verfertigung der Gedanken einen gewissen Aufwand. Schreibmaschine, Papier, Tippfehler, ein neuer Gedankengang führten meistens dazu, dass das Werk zerknüllt im Papierkorb landete und neu angesetzt wurde.

Schliesslich die Mühwaltung, es ins Couvert zu stecken, Briefmarke drauf, Andresse und Absender nicht vergessen, et voilà.

Auch hier hat die Digitalisierung Bahnbrechendes, aber nicht unbedingt Besseres geleistet. Noch vor ein paar Jahren rauschten auch auf grösseren Medienplattformen Kommentare, wie der Leserbrief modern heisst, ohne grosse Kontrolle rein.

Das Medium ist mitverantwortlich für den Kommentar

Erst, als es den verantwortlichen Redaktionen schmerzlich klar wurde, dass sie als Verbreiter von Hassbotschaften, Beleidigungen, Fake News oder Geschwurbel verantwortlich und haftbar für den Inhalt sind, wurde das abgeklemmt.

Seither machen mehr oder minder ausführliche Benimm-Regeln die Kommentarschreiber darauf aufmerksam, was erlaubt ist und was nicht. Sehr ungern gesehen werden anonyme Kommentare, da so bekanntlich der Mut des Heckenschützern oder Rabauken ungemein steigt.

Für solche Berufskeifer gibt es die asozialen Medien, wo man nach wie vor ziemlich blöd tun muss, damit der Account gesperrt wird. Ausser, man sagt etwas Kritisches zum Thema Corona. Dann geht’s fix.

Aber üble Beschimpfungen, Hetze, Verschwörungstheorien, gegenseitiges Masturbieren in der luftabgeschlossenen Meinungsblase, alles normal. Nur leiden hier die Keifer, Beller und Rechthaber darunter, dass die öffentliche Aufmerksamkeit überschaubar ist, sich oft auf einen kleinen Sympathisantensumpf beschränkt.

Daher ist das Ziel vieler Kommentatoren, es möglichst häufig auf die Plattformen grosser Multiplikatoren zu schaffen. Also von Tageszeitungen oder grossen elektronischen Medien. Welchen Lustgewinn allerdings einer daraus zieht, den 789. Kommentar zwei Tage post festum zu posten, erschliesst sich dem Normalmenschen nicht wirklich.

Vielleicht ist es die Illusion: Die Welt hat mich und meine Meinung zur Kenntnis genommen. Und bestünde die auch nur aus: «Völliger Quatsch, was im vorangehenden Kommentar steht

Kommentarfunktionen müssen kontrolliert werden

So wie die asozialen Plattformen ganze Heerscharen von Kontrolleuren beschäftigen müssen, die versuchen, wenigstens einen Teil des ganzen Unrats, Abschaums der Perversionen, zu denen der beschränkte menschliche Geist fähig ist, wegzuräumen, wird jede Kommentarfunktion inzwischen moderiert.

Je nach Niveau des Multiplikators müssen zwischen einem bis zwei Drittel aller Einsendungen gelöscht werden. Das, was übrigbleibt, ist häufig auch nicht sonderlich erhebend.

Aber bereits früher, als nicht ganz alles besser war, wurde der Leserbrief als Möglichkeit benützt, gratis für eine bestimmte Position, Meinung Werbung zu machen. Gratis, indem das umsonst publiziert und multipliziert wurde. Bezahlt vom Besteller des Leserbriefs.

So einer ist vor Kurzem aufgeflogen. Der Nachrichtendienst des Bundes entblödete sich nicht, sich einen Vielschreiber zu halten, der gegen 60’000 Fr. im Jahr (plus Spesen) im Sinne seines Auftraggebers kommentierte. Als der seine Zahlungen einstellte, kritisierte er sofort, biss in die Hand, die ihn gefüttert hatte.

Nicht nur auf Social Media, auch in den Kommentarspalten tummeln sich natürlich Mietmeinungen, besonders vor Abstimmungen. Denn jeder Kanal, um die eigenen Absichten zu propagieren, muss genützt werden. Damit ist das Kommentarschreiben zu einer Dienstleistung wie jede andere auch geworden.

Alles ist käuflich im Internet

Besonders beliebt ist das Kaufen von Kommentaren oder Followern für den eigenen Account auf Social Media. Man muss allerdings nicht mal ins Darknet gehen, wenn man eine Horde von Medienkommentaren kaufen will. Wird nicht gerne drüber geredet, gehört aber auch in der Schweiz zum Standard-Angebot jeder besseren PR-Bude.

Auf der anderen Seite, das ist wenigstens originell, sind diverse Medienportale dazu übergegangen, für die Publikation eines Kommentars selbst Geld zu verlangen. Neue Einkommensquelle, schreckt zudem Trolle und Mietmäuler ab.

Denn das Monitoring der Kommentarspalten kostet natürlich. Beliebt sind daher darauf spezialisierte Anbieter aus östlichen Gefilden. Billig heisst nicht unbedingt gut, aber das Gröbste wird meistens weggeschaufelt. Immer noch besser als die auch gerne eingesetzten Algorithmen, die auf Schimpf- oder Reizwörter reagieren. Aber oft schon an einem A*loch oder einem Nazischw* scheitern.

Wendehals Hollenstein

Es ist ruhig geworden um die publizistische Leiter nach unten.

Das letzte Mal wandte sich Pascal Hollenstein am 31. Dezember an seine Völker. Nun ja, an die Schweizer Bevölkerung. Mit nachdenklichen Worten zum Jahreswechsel.

Dabei griff er tief in seinen historischen Fundus und erinnerte an ein englisches Plakat von 1938: «Keep calm and carry on», Ruhe bewahren und einfach weitermachen. Damals stand England vor dem Eintritt in den Zweiten Weltkrieg.

Eine Nummer kleiner hat’s Hollenstein nicht. Auch er ruft seinen Lesern zu: «Goodbye 2021. Welcome 2022. And: Keep calm and carry on.»

Da geht er und geht und geht. (Screenshot als Bildzitat)

Das hat er sich selbst zu Herzen genommen; seither ist er verstummt und verzehrt sein üppiges Gehalt in tiefer Kontemplation über die Zeiten und die Weltläufe.

Nur auf den Social Media ist er ab und an aktiv. Wohl damit sich niemand in der Illusion wiegt, er sei endgültig schreibfaul geworden. Natürlich ist ihm da das Hemd näher als die Hose, denn verschreckt weist er auf einen Artikel in der WoZ hin:

Sachen gibt’s, die sind zu irre …

Gemach, hier rührt die WoZ aus ein paar launigen Bemerkungen eines Verlegers und eines PR-Mannes eine wahre Verschwörungstheorie zusammen. Denn der Abstimmungskampf um die Medienmilliarde für reiche Verlegerclans geht in die heisse Phase.

Da ist es immer gut, von üblen rechten Plänen zu berichten, die freie Presse zu übernehmen und zu knechten. Immerhin, wenn das dazu führte, dass Hollenstein in den vollständigen Ruhestand geschickt würde …

Auf der anderen Seite ist es ja merkwürdig, dass er sich so für das «Tagblatt» und überhaupt die Regionalmedien einsetzt.

Wir zitieren ZACKBUM vom August 2020: «Gegen aussen neigt der «Leiter Publizistik» von CH Media zum Salbadern. In gesalbten Kommentaren säuselt er, «man möchte all jenen danken, welche auch dieser Zeitung ihr Vertrauen schenken». Zugleich ist er ein unerschrockenes Sprachrohr für Jolanda Spiess-Hegglin; man erinnert sich, bei einer Feier 2014 geriet einiges ausser Kontrolle.

Allerdings würden sich doch manche Leser von Produkten aus dem Hause CH Media wundern, wenn sie wüssten, wie sich der feine Herr intern über sie äussert.

Da spricht er nämlich von der «Luzerner Zeitung» und ihren Regionalausgaben von CH Media als «Abfallprodukt». Diese «alte Milchkuh» müsse man noch solange melken, bis die Leser ausgestorben seien. Und auf keinen Fall den Abopreis senken, obwohl der Inhalt immer dünner wird. Denn die Gewohnheitsleser würden klaglos zahlen. Und wenn sich das Produkt nicht mehr rentiert, dann sei es Zeit, diese Milchkuh zur Schlachtbank zu führen.

Diese abschätzigen Bemerkungen machte die Leiter coram publico, worauf sie von verschreckten Zuhörern an die Öffentlichkeit gebracht wurden.

Apropos, auch seiner Funktion als Büttel von Spiess-Hegglin geht Hollenstein nicht mehr wirklich nach. Ihre Streiterei um Gewinnherausgabe gegen Ringier vor dem Kantonsgericht Zug ist ihm keine Träne und keine Zeile mehr wert …

Verantwortungslos, haftungsfrei

Jede Internet-Plattform ist für ihren Inhalt verantwortlich. Ausser alle Social Media.

Wenn ZACKBUM etwas publiziert, wovon sich jemand beleidigt fühlt, kann er (oder auch sie) Rechtsmittel dagegen einlegen. Also einen Prozess lostreten. Verleumdung, üble Nachrede, Beleidigung, Schmähkritik, es gibt einige nette Artikel im ZGB und im Strafgesetz.

Das gilt nicht nur für eigene Werke. Es hat schon seinen Grund, wieso auch hier Kommentare moderiert und freigeschaltet werden. Denn nichts gegen das freie Wort, aber wer sich damit in den Bereich des Justiziablen bewegt, haftet nicht nur selbst. Sondern derjenige, der ihm die Plattform gegeben hat, haftet mit.

Macht ja auch Sinn; wenn eine Beleidigung über der nicht mehr rauchgeschwängerten Luft über dem Stammtisch verschwindet, der Beleidiger befriedigt noch ein Bier bestellt, dann ist der Schaden überschaubar. Multipliziert aber eine Plattform diesen Rülpser ein paar zehntausend oder gar hunderttausend Mal, dann hat er schon eine andere Wirkung.

Privat geäussert geht «Dieser Bundesrat gehört eingesperrt oder gleich erschossen» noch so knapp. Allerdings möchte man nicht Mitglied einer solchen Runde sein. Rutscht diese Aussage auf eine Plattform (Absender: ein besorgter Staatsbürger), haben Absender und Multiplikator im Ernstfall ein gröberes Problem.

Keine Regel ohne Ausnahme

Ausser, es handelt sich um Social Media. Wie häufig ist hier die Wurzel des Übels gut versteckt und tief in der Geschichte. Oder ist allen Lesern Abschnitt 230 des 47. Titels des «United States Code», der als Teil des «United States Communications Decency Act» erlassen wurde, geläufig? Dachte ich mir.

Am 8. Februar 1996 erblickte nämlich der «Protection For ‹Good Samaritan› Blocking and Screening of Offensive Material Act» im US-Parlament das Licht der Welt. Als Ergänzung zum «Communications Act» von 1934. Damals gab es bekanntlich das Internet noch nicht.

1996 steckte es noch in den Kinderschuhen, und da die USA ein sehr prozessfreudiges Land sind («I sue you» wird mindestens so häufig verwendet wie «how are you?»), stöhnten die ersten Anbieter von Diensten darunter, dass man sie mit Klagen überschüttete wegen Äusserungen oder Inhalten ihrer Nutzer.

Geht nicht, fanden die Parlamentarier, also verkündeten sie:

«Kein Anbieter oder Nutzer eines interaktiven Computerdienstes darf als Herausgeber oder Sprecher von Informationen behandelt werden, die von einem anderen Anbieter von Informationsinhalten bereitgestellt werden.»

Auf Deutsch: Wenn auf einer Plattfom steht «Zeyer ist ein dummes Arschloch», dann ist das freie Meinungsäusserung und niemand ist haftbar dafür. Vorausgesetzt, es ist ein «interaktiver Computerdienst».

Was ist denn das? Nun, kurz gefasst Facebook, Twitter, Instagram usw. Denn auf Betreiben von deren Vorläufern wurde dieser Abschnitt 230 formuliert. Später gab es natürlich ein paar Einschränkungen, bspw. bei Copyright-Verletzungen oder den «Stop Enabling Sex Traffickers Act (FOSTA-SESTA)».

Im Prinzip funktioniert das ganze Geschäftsmodell dieser Social Media bis heute nur wegen des Abschnitts 230. Die Unfähigkeit der Politik, hier Grenzen zu setzen, setzt sich bis heute fort.

Profitgier setzt immerhin Grenzen

Selbst skrupellose Geschäftsleute wie Mark Zuckerberg sind sich bewusst, dass es auch so etwas wie Image und Reputation gibt. Dass sie sich also für Missbrauch als Hassschleuder, für Verbreitung von Rassismus, absurden Verschwörungstheorien, Hetze usw. irgendwie rechtfertigen müssen.

Darf hier nicht beschimpft werden: Mark Zuckerberg.

Also behaupten sie, dass sie das Menschenmögliche täten, um solche Inhalte zu löschen. Daher gibt es schon seit Jahren arme Schweine, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als den Müll zu screenen, den kaputte Menschen auf soziale Plattformen stellen. Wer in der Dritten Welt auf einer Elektroschrott-Müllkippe nach Brauchbarem sucht, gefährdet seine körperliche Gesundheit. Wer in diesem digitalen Müllhaufen herumstochert, seine geistige.

Trotzdem kann es nicht gelingen, allen Schrott wegzuräumen oder erst gar nicht auf die Plattformen zu lassen. Sie begründen es damit, dass alleine Facebook von 2,6 Milliarden Nutzern verwendet wird – täglich. Bei solchen Zahlen sei es schlichtweg unmöglich, alles auszufiltern, was nicht Gesetzen und Regeln entspricht. Und schliesslich, im Notfall gibt es Section 230 …

 

Auch da hatte Trump etwas nicht ganz verstanden.

Wenn man «verboten» sagen kann, sagt’s der Deutsche

Auf der anderen Seite, Vorreiter Deutschland, denn wenn geregelt werden soll, dann regelt der Deutsche, bis es kracht. Und nur er kann Namen wie «Netzwerkdurchsetzungsgesetz» erfinden. Das verpflichtet, zumindest in seinem Geltungsbereich, den Betreiber von Plattformen, spätestens auf Aufforderung «offensichtlich rechtswidrige Inhalte» innert 24 Stunden zu löschen. Was ist das? Jaha, das ist dann genau die Frage, im Fall.

Als es noch Karneval gab …

Edle Absicht, schreckliche Folgen

So edel die Absicht auch sein mag, so rechtsstaatlich inakzeptabel ist die Umsetzung. Denn damit werden private Betreiber dazu gezwungen, ein Recht auszuüben, das in einem Rechtsstaat nur den dafür vorgesehenen Institutionen vorbehalten sein sollte. Nämlich Zensur zu üben.

Offensichtlich rechtswidrige Inhalte sind kein Thema der Diskussion. Aber wo fängt verbotenes Chorona-Leugnen an? Ab wann wird eine Verschwörungstheorie zensurreif? Wo hört das Recht auf freie Meinung auf? Was ist strafbar? Das entscheiden normalerweise Gerichte. Neuerdings entscheiden das Dunkelkammern, Komitees der sozialen Plattformen, die natürlich, um Ärger zu vermeiden, lieber löschen als zulassen.

Eine Abschaffung von Section 230 würde die Plattform-Riesen dazu zwingen, sich wie alle anderen an die geltenden Gesetze zu halten. Aber alleine Facebook bringt einen Börsenwert (leicht volatil, aber doch) von einer runden Billion auf die Waage. Das ist dann too big to control. Schlicht und ergreifend.

Du kommst aus dem Gefängnis frei, Internet-Version.