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Das KOF ist doof

Der «Blick» liebt die Lachnummer Jan-Egbert Sturm.

ZACKBUM musste sich schon mehrfach mit dem Meister der Fehlprognose befassen:

Herausragend in diesem Business ist die «Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich» (KOF). Deren Direktor Jan-Egbert Sturm gehört zu den Expertenlieblingen des Fachblatts «Blick». Der ist aber der Sturmvogel der verhauenen Prognosen, so musste er vor Kurzem eine doofe Konjunkturprognose um fast 5 Prozent korrigieren, schrieben wir im Juni 2022

Auch als Virologe machte er sich einen Namen, als er 2020 auch auf diesem Gebiet mit schrägen Aussagen auffiel.

Nun möchte aber der «Blick» seine Leser weiterhin mit schrägen Nummern von Sturm bespassen; immerhin geschützt durch die Bezahlschranke «Blick+». Das soll wohl in diesem Fall eine Vergnügungssteuer sein, die der Leser zu entrichten hat, bevor er Weisheiten wie dieser teilhaftig wird:

««Wir sind pessimistischer geworden, aber es gäbe durchaus auch Grund zu einem gewissen Optimismus», erklärt der Leiter der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich.»

Ohä. Pessimistisch gesehen regnet es morgen aber es gibt auch Anlass zum Optimismus, dass es das nicht tut.

Putzig ist allerdings die «KOF Prognosetagung 2024», die immer noch auf der Webseite («jetzt anmelden!») angepriesen wird. Zu den «Chancen und Grenzen von Prognosen» ist hier dem KOF etwas Originelles eingefallen. Denn wenn eine Tagung vom 25. September am 26. Anmeldungen entgegennehmen will, dann sei die Prognose gewagt: Publikumsverarsche.

Im wilden Einerseits-andererseits-aber-dann-doch-nicht-oder-schon wagt Sturm im «Blick» einen seiner berüchtigten Blicke in die Glaskugel:

«Eigentlich müssten wir jetzt einen Boom sehen, bestenfalls erreichen wir eine gewisse Normalisierung der Wachstumsraten», dämpft Sturm etwas die Erwartungen. Die KOF hat ihre Prognosen deshalb leicht nach unten korrigiert: In diesem Jahr wird die Schweizer Wirtschaft mit 1,1 Prozent wachsen, 2025 mit 1,6 Prozent und 2026 mit 1,7 Prozent.»

Ohä. Boom oder Normalisierung, leichte Korrektur nach unten, damit Raum für eine leichte Korrektur nach oben bleibt. Dann aber ein klares Wort, denn Sturm weiss als alter Medienprofi, dass der Journalist an den Fingernägeln knabbert, wenn’s kein knackiges Quote für den Titel gibt. Aber Christian Kolbe vom «Blick» konnte aufatmen: «Die Inflation in der Schweiz ist besiegt», verkündet Sturm wagemutig.

Das würde ja dann wohl bedeuten, dass die SNB den Leitzins weiter senken dürfte. Allerdings muss Sturm da auch ein «schon, aber, wenn nicht, wobei» hinzufügen: «Die SNB sollte sich noch etwas Pulver aufbewahren, sollte es doch zu einer grossen Krise der Weltwirtschaft kommen, wovon ich aber derzeit nicht ausgehe.»

Ohä. Also Pulver trockenhalten, falls es zu einer grossen Krise kommt. Aber die kommt dann doch nicht, zumindest nicht «derzeit». Sonst aber jederzeit.

Aber wieso immer Trübsal blasen, ein aufmunterndes Wort zum Schluss: «Weil die Löhne in der Schweiz steigen, die Teuerung aber tief ist, bleibt vielen real mehr Geld im Portemonnaie. Was wiederum gut für die Konsumentenstimmung und damit den Binnenkonsum ist. Einzig der Arbeitsmarkt muss uns etwas Sorge machen: «Der Aufbau neuer Stellen wird abflachen, die Arbeitslosenquote leicht ansteigen», giesst Sturm dann doch wieder einen Wermutstropfen in den Kelch der frohen Botschaft.

ZACKBUM versucht, die Aussagen des Orakels zusammenzufassen. Trotz zunehmendem Pessimismus gebe es Grund für Optimismus. Trotz Boom müssen die Prognosen der Wachstumsraten leicht nach unten korrigiert werden, aber die Inflation ist tot. Was aber die SNB nicht zu feuchtem Pulver verleiten sollte.

Das ist mal eine Leitlinie, nach der sich sowohl der Laie wie auch der Unternehmer richten kann. Da lohnt es sich doch, dass am KOF vollamtlich in 52 Sessel gefurzt wird. Man versuche allerdings mal, das Jahresbudget dieser ETH-Veranstaltung in Zahlen zu fassen. Viel Spass dabei.

Auf jeden Fall: unabhängig davon, wie viele Steuergelder hier verbraten werden, wie viele Fremdgelder eingeworben werden: wenn dieses Geschwafel der Gegenwert dafür sein soll, ist eigentlich jeder Franken rausgeschmissenes Geld.

ZACKBUM macht sich anheischig, solche Prognosen zu jeder beliebigen Zeit abzugeben, sagen wir für ein bescheidenes Honorar, all in, von jährlich 100’000 Franken. Absoluter Discount, das lohnt sich schon mal. Unsere erste Prognose mit 100 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit.

Ansonsten bieten wir diese Standardantwort für alle Lebenslagen. Wir  präsentieren hier den Setzkasten der Textbausteine, die jedes Medium, jeder Empfänger der frohen Botschaft nach Belieben zusammensetzen darf:

Durchaus gedämpft optimistisch, weitere Eintrübung, leichte Aufhellung, unsichere Zukunft, Insel Schweiz, abhängig vom Export, einerseits, andererseits, weiterhin, wenn nicht, unter Voraussetzung, dass, sollte die Entwicklung weiterhin, Wachstum von 1, von 1,1, von 1,2, von 1,3, von 1,4, von 1,5, von 1,6, von 1,7. Inflation zieht leicht an, wenn sie nicht abflacht. Oder umgekehrt. Und auf jeden Fall: aus heutiger Sicht, derzeit, auf absehbare Zeit, falls kontinuierlich, wenn nicht disruptiv, sollte Resilienz, Blabla, Blüblü.

Ad nauseam, um hier gelahrt zu lateinern.

Geballte Kompetenz

Die Wirtschaftsredaktion von Tamedia ist ein Copy-Wohlfühl-Shop.

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Eigentlich sollte man meinen, dass der Kauf der CS zum Schnäppchenpreis und seine Umstände für die Wirtschaftsredaktion des zweitgrössten Medienkonzerns der Schweiz Anlass zu ausführlicher Berichterstattung, eigener Recherche und Analyse seien sollte. Plus kritische Fragen an die Beteiligten, wenn die einem Interview zustimmen.

Immerhin führt das Impressum 11 Fachkräfte auf, darunter viele Häuptlinge, stellvertretende Häuptlinge und sogar einen Chefökonom. Gut, dieser Titel sollte Armin Müller den Rausschmiss aus der Chefredaktion versüssen. Dann hätten wir noch ein vierköpfiges «Hauptstadtbüro Bern» und einen «Ausland-Korrespondenten» im fernen San Francisco. Nicht zu vergessen das Bauernofper Arthur Rutishauser mit mehr Zeit zum Schreiben als Chefredaktor «SonntagsZeitung».

Und was machen diese Koryphäen? Sie lesen fleissig Zeitungen, bei denen noch recherchiert wird. Zum Stehsatz der Berichterstattung gehört seit Längerem: «Wie die britische «Financial Times» berichtet ..

Diesmal wird der Satz ergänzt mit «…soll die UBS den CS-Bankern nach der Übernahme strenge Regeln auferlegen». Hat sich die hochwohllöbliche Wirtschaftsredaktion wenigstens zu einer eigenen Recherchehandlung aufgerafft? Wozu denn, wenn das andere erledigen: «Gegenüber der Nachrichtenagentur AWP wollte die UBS die Liste nicht kommentieren.»

Leichte Unsicherheiten zeigt das vielköpfige Wirtschaftsressort bei der Anwendung des Konjunktivs. Beim fleissigen Zitieren aus der FT heisst es einmal «So ist es etwa verboten». Indikativ (Wirklichkeitsform, für Tamedia-Mitarbeiter). Dann aber «Gesperrt würden zudem …», Konjunktiv oder Würde-Form. Ja was denn nun?

Dann lässt sich Tamedia vom offiziellen Wording der Umstände des Schnäppchenkaufs einseifen. Denn erst vergangenen Freitag wurde der definitive Garantievertrag über 9 Milliarden Risikoübernahme durch den Bund unterzeichnet. Vorher gab es noch jede Menge Fingerhakeln. Wieso muss der Bund eigentlich zusätzlich zum 16-Milliarden AT1-Geschenk und Liquiditätszusagen von 250 Milliarden noch weitere 9 Milliarden drauflegen?

«Der Grund, warum der Bund dafür eine Verlustgarantie aussprechen musste, ist, dass die UBS vor der Übernahme nur kurz in die Bücher der CS schauen konnte

Dabei muss man nicht mal «Inside Paradeplatz» lesen (und abschreiben), um zu wissen, dass die UBS bereits seit letztem Herbst alle Vorbereitungen für eine Übernahme der CS angeleiert hatte. Und da das Führungspersonal der CS in der Endphase fast ausschliesslich aus Ex-UBS-Männern bestand, die niemals nicht interne Informationen an ihren alten (und hoffnungsfroh wieder neuen) Arbeitgeber durchstechen würden …

Nun hatten «Chefökonom» Müller und Bauernopfer Rutishauser Gelegenheit, SNB-Boss Thomas Jordan zu interviewen. Allerdings folgten auch sie dem Tamedia-Prinzip: ja keine unangenehmen Fragen stellen, ja nicht nachhaken.

Lukas Hässig von IP (who else?) zeigt auf eine der vielen Schwachstellen des Interviews:

«Auf die Frage der Journalisten, ob es im letzten Herbst „schon Gespräche mit der UBS über eine Übernahme“ gegeben habe, meinte der SNB-Chef:
„Gespräche mit der Credit Suisse haben stattgefunden. Die Bank musste sich vorbereiten für den Fall, dass der Turnaround nicht gelingt.“
Ein klassisches Ausweichmanöver. Die Frage nach der UBS wird mit Kontakten zur CS beantwortet.»

Wetten, dass FT das nicht so hätte durchgehen lassen? Wetten, dass in einem seriösen Interview hier eine Nachfrage gestellt worden wäre? Und wenn Jordan (oder sein Kommunikationsfuzzi) bei der Autorisierung des Interviews diese Passage dann gestrichen hätte?

Dann hätte Tamedia vielleicht nicht so eine Peinlichkeit wie der SoBli mit seinem misslungenen Rima-Interview aufführen müssen. Aber deutlich darauf hinweisen, dass hier eine wichtige Frage schlichtweg nicht beantwortet wurde.

Das gilt auch für die Behauptung Jordans, dass die SNB nicht «einfach eine Bank übernehmen könne». Natürlich könnte sie das, aber dafür müssten die Interviewer das SNB-Reglement kennen. Was zu viel verlangt ist, offensichtlich. Denn unter dem Gummibegriff «Stabilität des Finanzsystems» hat die SNB schon ganz andere Dinger gedreht, zum Beispiel die Festlegung einer Untergrenze zum Euro.

Aber doch nicht im weichspüler-wohlfühl-genderneutralen Tamedia-Journalismus. Wenn’s um viele Milliarden Steuergelder geht, ist man hier ganz entspannt. Geht es um das Verhalten eines deutschen Rockstars, wird gleich das Canceln seiner Konzerte gefordert. Lächerlich oder jämmerlich? Leider beides.

Von Riesen und Zwergen

Die UBS ist gross, der Rest der Schweiz klein.

Es ist immer wieder erfrischend, die Realität in aller Brutalität vorgeführt zu bekommen. Vor allem, wenn es um reine Machtfragen geht.

Die Schweiz ist zweifellos eine Demokratie, sogar eine direkte, die dem Stimmbürger reichlich Gelegenheit gibt, über ihn betreffende Belange mitzureden. Die Wahlen ins Parlament finden pannenfrei und korrekt statt, die Anzahl der Skandale von Politikern ist – sogar im mitteleuropäischen Vergleich – sehr überschaubar.

Hier braucht auch keine Regierung Millionenausgaben für Visagisten und Fotografen, hier fliesst nicht einmal Geld, wenn Regierende gerne positive Berichterstattung möchten. Das Ausnützen von Eitelkeiten reicht dafür.

Der Bau einer Turnhalle, einer Umfahrungsstrasse, der Steuerfuss, Tempo 30, gendergerechte Sprache, über (fast) alles kann abgestimmt und mitbestimmt werden. Das ist schön.

Manchmal geht es aber um die grossen Dinge, um reine Machtfragen. Wer hat das Sagen, das letzte Wort, wenn es um wirklich bedeutende Entscheidungen geht? Das Stimmvolk, seine Vertretung das Parlament, der Bundesrat, Behörden und Ämter und Institutionen wie die Nationalbank oder die Finanzmarktaufsicht FINMA?

Spätestens seit dem 19. März ist (wieder einmal) klar: wenn es hart auf hart kommt, haben all diese Gremien nichts zu sagen. Sind Statisten in einem Spiel, das von anderen gespielt wird. Es hatte etwas rührend Klägliches, wie ein sachfremder Bundespräsident mit ernster Miene vom Blatt las, was man ihm aufgeschrieben hatte. Es hatte etwas berührend Ärmliches, als eine fachunkundige Finanzministerin vom Blatt las, was sie nicht im Ansatz verstand.

Am Tisch sassen noch ein überforderter Präsident der Nationalbank, der seit der fatalen Einführung der Untergrenze zum Euro eine Schneise der Zerstörung hinterlässt. Und irgend jemand von der FINMA, an die sich sowieso niemand mehr erinnert. Dazu Plisch und Plum von der Credit Suisse, die keinerlei Schuldbewusstsein zeigen wollten dafür, dass sie die traditionelle, grosse den Namen der Schweiz im Titel führende Bank gegen die Wand gefahren hatten.

Und dann sass da noch ein kantiger Ire, der sich das Gequatsche simultanübersetzen liess, obwohl es ihn eigentlich nicht sonderlich interessierte. Denn Colm Kelleher wusste: der Einzige, der hier das Sagen hat, bin ich.

Der VR-Präsident der UBS wusste schon lange, dass die Credit Suisse in ernsthaften Schwierigkeiten steckt. Er wusste schon lange, dass die sinnvollste Abhilfe eine zeitweise Verstaatlichung, die Stützung mit unbegrenzter Liquidität durch die SNB, eine Auswechslung des unfähigen Managements und der anschliessende Börsengang wäre.

Das wäre sinnvoll, zum Vorteil der CS, des Schweizer Staates, des Steuerzahlers, des Finanzplatzes. Aber nicht zum Vorteil der UBS. Und Kelleher geht es einzig um den Vorteil der UBS. Daran ist auch nichts auszusetzen, das ist seine Aufgabe, dafür wird er bezahlt.

Wie es ihm dann allerdings gelang, die Bundeszwerge, die überforderte Regierung, die nichtsnutzige FINMA über den Tisch zu ziehen, das ist schon bedenklich. Wie er mit steinerner Miene am Tisch sass und zuhörte, wie die Marionetten brav ihre Texte aufsagten, es ist bewundernswert, wie er seine Gesichtszüge im Griff hatte und nicht gelegentlich ein breites Lächeln aufsetzte.

250 Milliarden Liquidität, im Notfall sicher noch mehr, 9 Milliarden Risikoübernahme, ein lächerlicher Kaufpreis von 3 Milliarden, keine Arbeitsplatzgarantie, keine Standortgarantie, keine Garnichts, Kelleher hätte sich am Anfang der Verhandlungen sicher nicht träumen, lassen, dass er mit allen seinen unverschämten Forderungen glatt durchkommt.

Und die Vierte Gewalt, die Medien? Von ein, zwei Ausnahmen abgesehen ein begleitendes Trauerspiel. Inkompetentes Gequatsche von überforderten Journalisten, die bei einer Bilanz nicht mal wissen, wo links und rechts ist.

Und als Sahnehäubchen eine Sondersession des Parlaments wie in Nordkorea. Mit dem einzigen Unterschied, dass dort immer einstimmig der Regierung zugestimmt wird. Das Schweizer Parlament wagte es dagegen, wofür es von den Medien streng gerügt wurde, seine Zustimmung zu verweigern. Nur: spielt überhaupt keine Rolle. Ist völlig egal. Das Parlament hätte auch fordern können, dass die CS die UBS übernimmt. Reine Folklore.

Der einzig ernsthafte Vorschlag, das «too big to fail»-Problem dadurch zu lösen, dass es keine solchen übergrossen Dinosaurierbanken mehr gibt, wurde von den grössten Versagern in der Debatte, der SP, versenkt.

Kelleher wird es sich sicher nicht angetan haben, dieses Kasperltheater anzuschauen und sich übersetzen zu lassen. Aber als man ihm auf Englisch eine Kurzzusammenfassung lieferte, hat er sicherlich herzlich gelacht und sich einen doppelten Teeling Single Grain oder vielleicht einen Bushmills eingeschenkt. Verdient hat er’s.

Im CS-Dschungel

Kommunikation soll klären. Banglish verunklart.

CET1 (Core Equity Tier 1 Ratio) mit «Minimum Component» und «Buffer Component». «Required going concern capital», «common equity tier 1 capital», CS AG, CS (Schweiz) AG, «carrying value», «risk weighted assets», «Covered Loan Facility».

Alles verstanden, alles klar? Dann gehören Sie zu den wohl 0,1 Prozent der Leser, die einen Black Belt in Accounting haben. Wenn Sie auch noch behaupten, Sie würden die Bedeutung dieser Kennzahlen verstehen, dann wären wir bei wohl 0,01 Prozent angelangt. Das Gleiche gilt im Übrigen für CS-Mitarbeiter. Wohl auch für Mitglieder des Managing Director Club, also der Bonusetage. Wie’s in Geschäftsleitung und Verwaltungsrat aussieht, wollen wir lieber nicht wissen, ahnen es aber.

Eigentlich ist die Aufgabe einer Bilanz oder eines Geschäftsbericht ganz klar und einfach: die Besitzer, also die Aktionäre, sollen über Zustand und Geschäftsgang ihrer Firma informiert werden. Die Aktionäre der CS würde es sicherlich interessieren, wieso der Aktienkurs innerhalb der letzten 52 Wochen von einem Höchst von Fr. 7.38, was schon skandalös genug ist, auf ein Tiefst von Fr. 1.55 abgesackt ist, was eine helle Katastrophe ist.

Alle Anleger bei der Credit Suisse würde es interessieren, ob ihr Geld dort eigentlich noch sicher ist oder ob sie alle Beträge über 100’000 Franken abziehen sollten. Dann würde es auch noch interessieren, wie das wohlbezahlte Management und der nicht minder wohlbezahlte VR die Lage so sieht und welche Massnahmen er zu ergreifen gedenkt, um die peinlich-schauerliche Lage der CS zu verbessern.

Das alles sind verständliche Anliegen, denen auch mit verständlichen Worten begegnet werden könnte. Aber doch nicht im Bereich des Banglish, also des Hantierens mit absurden Fachausdrücken, deren Aussagekraft nicht erkennbar ist. Deren Funktion ist allerdings leicht durchschaubar: sie sollen einen Rauchvorhang bilden, wie Nebelpetarden den klaren Blick verhindern.

Denn mit klaren Aussagen haben sich die grossartigen Bankenlenker der CS in letzter Zeit mehrfach in die Nesseln gesetzt. So verkündete der VR-Präsident Axel Lehmann vollmundig, dass der Abfluss von Mitteln gestoppt werden konnte, sogar teilweise gegenläufig sei, also Neugelder in die Bank sprudelten. Diese klare, aber falsche Aussage brachte ihm unter anderem eine Sammelklage von US-Aktionären ein. Während die Schweizer Bankenaufsicht FINMA keinen Anlass zum Eingreifen sah.

Der CEO der Schrumpfbank verkündete noch am Mittwoch dieser Woche kühn, dass eine Staatshilfe nicht geplant sei. Damit hat Ulrich Körner, der Schlingel, sogar nicht ganz Unrecht. Denn auf das stehende Angebot der SNB einzugehen, für systemrelevante Banken einen Kreditrahmen von 50 Milliarden parat zzu halten, ist genau genommen (noch) keine Staatshilfe.

Allerdings hapert es auch hier etwas an klarer Kommunikation: denn die SNB will nicht sagen, welche Zinsen die CS für den Kredit bezahlen muss, welchen Teil sie wann beansprucht – und ob es im Fall der Fälle noch mehr gäbe.

Was sagt denn die CS selbst so? Bitte sehr, wir breiten den Schaumteppich aus:

«Wir setzen die strategische Transformation fort, um unserer Kundschaft und weiteren Stakeholdern einen Mehrwert zu bieten.»

Wir reichen Taschentücher ins Publikum, um die Lachtränen abzuwischen, und legen noch einen drauf. Die CS habe «hinsichtlich ihrer Transformation beachtliche Fortschritte erzielt und den Zeitplan beschleunigt, um ein starkes Fundament für die neue Credit Suisse zu schaffen».

Okay, lachen ist gesund, zu viel lachen kann das Zwerchfell beschädigen, wir nehmen Rücksicht und hören damit auf. Und wischen mit ein paar simplen Zahlen die letzten Grinser aus den Gesichtern. Die Depositen (Spargelder, Sichtguthaben und Festgelder mit kurzen Laufzeiten) gingen im Verlauf des Jahres 2022 von anfänglich 392,8 Milliarden Franken auf 233,2 Milliarden zurück. Also zogen die Kunden satte 160 Milliarden Franken ab, in einem einzigen Jahr. Das sind 40 Prozent, eine Horrorzahl für jede Bank.

Kundeneinlagen versus Ausleihungen, das ist das einfache Geschäftsprinzip jeder Bank. Normalerweise hat sie mehr Kohle von Anlegern als ausgeliehenes Geld. So auch die CS. Allerdings nur Ende 2021 gab es noch eine Überdeckung. Durch die Abzüge schrumpfte sie auf 85 Prozent, Unterdeckung. Um auszahlen zu können, musste die CS ihren Cash-Bestand anzapfen, der schrumpfte in einem Jahr von 160 auf 67 Milliarden.

Das Problem hier: geht das so weiter, muss sich die CS immer verzweifelter Geld besorgen. Das kann sie zwar (noch), aber wenn die Zinsen, die sie selbst für geliehenes Geld zahlen muss, höher sind als ihre Einnahmen durch selbst verliehenes Geld, dann macht die Bank schlichtweg rückwärts statt vorwärts.

Daran ändert alle Bilanzkosmetik, alles Geschwurbel nicht. Die Ursünde geschah wohl während der Finanzkrise eins. Die UBS musste beim Schweizer Staat zu Kreuze kriechen und Nothilfe verlangen. Die CS behauptete stolz, sie habe das nicht nötig, sie hätte sich Geld auf dem Kapitalmarkt besorgt.

Das stimmte. Aber: die arabischen Investoren kassierten dafür horrende 9 bis 9,5 Prozent Zinsen. Durch die ganze Nullzinszeit hindurch. Diese sogenannten Cocos, Contingent Convertible Bonds, sind eine spezielle Art von Anleihen, die in Aktien gewandelt werden können. Inzwischen sind sie ausgelaufen, und eine Saudi-Bank machte bereits klar, dass sie keine Lust hat, der CS weitere Kredite zu geben, obwohl sie gerade mit 10 Prozent zu einem der Hauptaktionäre wurde.

Dabei haben wir noch gar nicht vom inzwischen lachhaften Börsenwert von vielleicht 7 Milliarden gesprochen, dem ein Buchwert in mehrfacher Höhe gegenübersteht. Das bedeutet immer, dass die Börse schwere Zweifel an der Zukunftsfähigkeit hat. Wir noch nicht davon gesprochen, dass die Prämie für CDS, Credit Default Swaps, eine Versicherung für der CS geliehenes Geld, einer Ausfallwahrscheinlichkeit von rund 50 Prozent entspricht.

Aber sprechen wir noch kurz über Gehälter. Für das elende Schlamassel, das sie zu verantworten haben (wenn das Wort Verantwortung noch etwas gilt), bekommt CEO Ulrich Körner fürs Katastrophenjahr 2022 satte 2,5 Millionen Franken. Und der VR-Präsident Axel Lehmann, bekommt sogar 3,2 Millionen. Der VRP kassiert mehr als der CEO? Skurril.

Nun ist alles relativ. Versager Tidjane Thiam kassierte im Jahr 2019 noch 12,7 Millionen. Von den Einkünften von seinem Vorgänger Brady Dougan wollen wir gar nicht sprechen, in Rücksicht auf den Bluthochdruck des Lesers.

Kassensturz, wie schaut’s aus? Solche Geldabflüsse kann die CS noch eine ganze Weile wegstecken. Aber das Vertrauen in die Führungsspitze, diesen Prozess umzukehren, ist ungefähr so geschrumpft wie der Aktienkurs. Die CS ist im dunklen Tunnel, aber ausser Geschwafel produziert die Bankleitung nichts, was man als Licht am Ende interpretieren könnte.

Was wird’s also werden? Fusion mit der UBS? Ausgeschlossen. Aufspaltung, Verteilung der Filetstücke an UBS, Raiffeisen, ZKB und vielleicht ein paar ausländische Interessenten? Denkbar. Weiterwursteln wie bisher? Die Fahrkarte ins schwarze Loch ohne Wiederkehr. Was wird’s werden? ZACKBUM weiss es nicht. Das macht nichts. Seine Leser wissen es auch nicht, das macht auch nichts. Die Bankenführung weiss es ebenfalls nicht. Hoppla.

 

Die SKAndalbank

30 Milliarden Boni später …

Als sie noch SKA hiess, war es klar, dass sie den damaligen Skandal überleben würde. Und heute? Man ist fassungslos ob so viel geballter Unfähigkeit für so viel teures Geld bei der Credit Suisse.

«Abgeflacht, teilweise umgedreht, im Grund gestoppt».

Zu diesen Aussagen über die Abflüsse von Kundengeldern verstieg sich der aktuelle Präsident der Credit Suisse Axel Lehmann noch vor Kurzem.

Nach diesen Aussagen kratzte der Kurs der CS-Aktie kurzzeitig an der 3-Franken-Schwelle. Wer 3 Franken für eine Aktie der einstmals stolzen Bank (mit einem Aktienkurs von fast 100 Franken) für einen Skandal hält: in den letzten Tagen sackte er bis auf Franken 1.50 ab …

Und nun die Hiobsbotschaft: Die CS bettelt um eine Finanzspritze von 50 Milliarden Franken von der Schweizerischen Nationalbank. Genauer gesagt: sie will diese Kreditlimite beanspruchen, die ihr als «to big to fail»-Bank zusteht. Der GAU, ein Fall UBS Reloaded. Damals ging’s am Schluss gut aus, diesmal auch? Oder wird die CS zu einem zweiten Fall Swissair, nur in teuer?

Zunächst die Beruhigungspille für alle CS-Kunden unter den Lesern: ihr dort angelegtes Geld ist sicher. Jedenfalls bis zur Höchstgrenze der Einlagesicherung von Fr. 100’000. Nun gibt es allerdings neben dem Aktienkurs einen weniger bekannten Messfühler für den Zustand einer Bank, bzw. für die Beurteilung deren Zukunftsfähigkeit. Das sind sogenannte CDS, Englisch für Kreditausfallversicherungen. Wie jeder Laie weiss, sagt die Höhe der Prämie etwas darüber aus, für wie wahrscheinlich der Eintritt des Schadenfalls gehalten wird.

Mit einem CDS versichern sich Geldgeber dagegen, dass der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, den Kredit zurückzubezahlen. Bei der CS wird inzwischen ein Ausfallrisiko von gegen 50 Prozent eingepreist, wie es so schön heisst. Weitere Alarmzeichen: CS-Obligationen verzeichnen schmerzliche Tagesverluste, die Bank muss für Refinanzierungen immer höhere Zinsen zahlen.

Das tat sie schon bei der Finanzkrise von 2008, als die CS im Gegensatz zur UBS auf Staatshilfe verzichtete und sich stattdessen in die Arme von arabischen Investoren warf. Die gaben der Bank aber ihr Geld nicht aus Nächstenliebe oder unter Befolgung des islamischen Zinsverbots. Sondern sie kassierten 9 oder sogar 9,5 Prozent über Jahre, auch während den Nullzins- oder gar Negativzinszeiten.

Bei einer solchen Verzinsung ist das investierte Kapital schon weit vor der Rückzahlung wieder im Trockenen, so nach rund 7 Jahren. Das ist auch der Grund, wieso die gleichen Investoren als Aktienbesitzer bislang die unaufhaltsame Talfahrt des Kurses ohne grösseres Murren weggesteckt haben. Wobei natürlich rund 70 Prozent Verlust seit ihrem Einstieg schon bitter sind.

Wo soll denn nun die Talfahrt des Aktienkurses enden? Mathematisch gesehen bei Null natürlich. Denn es gibt zwar Negativzinsen, aber es gibt keine Aktie, wo man beim Ankauf Geld bekommt. Null heisst, dass der Handel eingestellt wird, die Bank bankrott ist, ein Liquidator amtet und Aktienbesitzer in der letzten Konkursklasse sind, also meistens in die Röhre schauen.

Wie schaut es denn bei Anlagevermögen von über 100’000 Franken bei der CS aus? Das würde im Fall der Fälle aus der Konkursmasse bedient werden, und da niemand weiss, welche Leichen noch im Keller der Bank liegen, welche Skandale noch nicht explodiert sind, welche Bussenforderungen, Schadenersatzprozesse noch auf die Bank zukommen, hat niemand eine Ahnung, ob es am Schluss überhaupt noch eine Masse gäbe, die verteilt werden könnte.

Aus diesem Grund war die Aussage von Lehmann nicht nur falsch, sondern brandgefährlich. Denn der Abfluss von Kundengeldern, inzwischen auch in der Schweiz, ist in den letzten Wochen und Monaten nicht etwa gestoppt worden. Im Gegenteil, er nimmt selbst im für sicher gehaltenen Heimatmarkt Schweiz beunruhigende Züge an.

Hier ist das Problem: selbst eine gesunde Bank verträgt es nicht, wenn immer mehr Anleger gleichzeitig ihr Geld zurückwollen. Wenn das zu einem sogenannten Bankrun wird, dann müssen die Schalter geschlossen werden, während davor Schlangen von hysterischen Menschen stehen und verzweifelt die Auszahlung ihrer Guthaben verlangen.

Dem entgegen stehen die üblichen Beteuerungen, dass die Bank solide sei, über ein ausreichendes Kernkapital verfüge, es keinen Grund zur Panik gebe. Da niemand – nicht einmal die Führungsspitze – bei diesem Riesentanker bis in die hinterste Ladefläche weiss, ob da nicht mal wieder eine Bombe tickt, die nur darauf wartet zu explodieren; eine neue Busse droht, Schadenersatzforderungen, Rückzahlungen, ist es sehr schwer zu beurteilen, ob die Bank überleben wird oder nicht.

Mit absoluter Sicherheit lässt sich aber ein Skandal beurteilen, der sich hier seit Jahren abspielt. Genauer gesagt seit der Amtsübernahme von Urs Rohner als Präsident des Verwaltungsrats. In der jüngeren – und wohl auch älteren – Geschichte des Finanzplatzes Schweiz hat es wohl keinen grösseren Versager gegeben.

Wenn man sein unseliges Wirken realitätsnah beschreiben wollte, wäre man sofort im Bereich einer rechtlichen Todeszone, denn mit nicht justiziablen Ausdrücken lässt sich nicht darstellen, was dieser Mann angerichtet hat.

Natürlich, nicht nur er, aber er ist als oberster Boss eben auch für alle personellen Fehlentscheide verantwortlich; für den Reigen von CEOs, für die Mitglieder der Geschäftsleitung, für die übrigen VR. Allesamt Nieten in Nadelstreifen, Vollversager, nicht einen Rappen ihrer horrenden Vergütungen wert. Es gibt keinen adäquaten Ausdruck, um zu beschreiben, welche Schamlosigkeit es braucht, für dieses Ergebnis ohne rot zu werden Multimillionen, insgesamt Milliarden verdient zu haben.

Selbst die aktuelle Führungscrew macht nur auf bescheiden und Bonusverzicht, dabei verdient sie immer noch exorbitant zu viel. Auch dem Duo Lehmann/Körner gelingt es offensichtlich nicht, den Tanker abzudichten und in ruhige Gewässer zu lenken. Ihre Pläne greifen nicht, sind zu klein, entsprechen nicht der Dramatik der Situation.

Schönwetterkapitän wie auf dem Traumschiff zu sein, dafür braucht es nicht viel. Ein weisses Hemd, die obligate unifarbene Krawatte, den Anzug in Dunkelblau oder Dunkelgrau, die massgeschneiderten Treter, Manschettenknöpfe, eine edle Gürtelschnalle, et voilà. Dazu noch der vor dem Spiegel eingeübte Blick «ich bin besorgt, aber zuversichtlich», und schon kann man vor die Kameras und Mikrophone treten und den Bankenlenker mimen.

Aber Banker vom Format eines Oswald Grübel wachsen halt nicht auf den Bäumen, und die Zeiten eines Holzach oder Senn sind längst vorbei. Und die waren beide bei der SBG, der heutigen UBS. Nun ja, da gab es auch einen grössenwahnsinnigen Marcel Ospel, aber dessen Ende erfolgte wenigstens relativ schnell.

Was mit der einstmals strahlend-stolzen Credit Suisse seit dem Amtsantritt von Rohner geschehen ist, kann wohl höchstens mit dem Niedergang der Swissair verglichen werden. Unglaubliche Stümper, untaugliche Manager, bonusgetriebene Pfeifen gaben sich die Klinke in die Hand, verpissten sich mit wohlgefüllten Taschen, hinterliessen ein Desaster nach dem anderen.

Und die Nachfolger sangen alle das gleiche Lied: muss zuerst das Schlamassel meines Vorgängers aufräumen, dann geht’s aber steil nach oben. Ging es nie. Aber während es vorher eine Krise war, ist’s jetzt eine Katastrophe. Aber die Kommandobrücke füllt sich weiterhin die Taschen, dreht das Steuerrad mal ein Mü nach links, dann nach rechts, entlässt massenhaft Mitarbeiter, gibt den Überlebenden keinerlei Anlass zu Hoffnung und strahlt keinerlei Charisma aus.

Hier gilt mal wieder der alte Spruch: würden Sie einem Lehmann, einem Körner einen Gebrauchtwagen abkaufen? Schlimmer noch: würden Sie den beiden zutrauen, mehr als das zu können? «Shame on you» rief der Autor dieser Zeilen bei der CS-GV Brady Dougan zu, als der sich den grössten Bonus aller Zeiten in einer Schweizer Bank gönnte. Der steckte das regungslos weg. Würde man Lehmann oder Körner ein «schämt Euch» zuwerfen, würden sie auch keine Miene verziehen. Denn völlige Indolenz ist die wichtigste Eigenschaft eines Bankers in führender Stellung.

Finanzwirtschaft …

… ist nichts für Amateure.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat nach einigen Jahren des stetige Höhenflugs 2022 einen grossen Stiefel voll rausgezogen.

132 Milliarden Miese, das ist Weltrekord für die SNB. Nun ist grosses Heulen und Zähneklappern angesagt. Und bleiernes Schweigen.

Denn hübsch den Mund halten alle die, die noch vor Kurzem herausposaunten, dass man die Gewinne der SNB doch sinnvoll ausgeben könnte. AHV-Sanierung, beliebige staatliche Begehrlichkeiten oder wohlfeile Wahlfangslogans («die SNB gehört den Bürgern», also kassiert jeder mal 10’000 Franken Spielgeld), all die Vertreter solch wohlfeil-populistischer Aussagen haben sich vom Acker gemacht und wollen nicht mehr an den Unsinn erinnert werden, den sie noch bis gestern verzapften.

Heulen und Zähneklappern deswegen, weil es in vielen kantonalen Budgets bereits fest eingepreist ist, dass es einen hübschen Zustupf von der SNB geben wird – und man dergestalt die Ausgaben mal unabhängig von den Einnahmen gestalten kann.

Nun ist der Nationalbank das passiert, was eigentlich vorhersehbar ist. Nur weiss man nie um den genauen Zeitpunkt. Die hat sich offenbar verspekuliert, Trends nicht rechtzeitig vorhergesehen und schlichtweg in der binären Entscheidung eins zu eins aufs falsche Pferd gesetzt.

Nun hat das vom «Blick» aufwärts und abwärts zu Heulen und Zähneklappern geführt. Die bange Frage wurde in den Raum gestellt ob die SNB denn auch pleite gehen könne (nein), wie denn das nur möglich sei (einfach, mal geht’s rauf, mal runter), und ob denn nun die sichere Geldquelle SNB versiegt sei (sicher war das nie).

Nun ist es so, dass die SNB in den letzten zehn Jahren insgesamt 88 Milliarden Franken Gewinn gemacht hat – den Taucher von aktuell 132 Milliarden schon einberechnet. Ist nicht schlecht, und um einiges besser, als die beiden Schweizer Grossbanken im gleichen Zeitraum performt haben. Obwohl oder vielleicht gerade weil bei der SNB niemand zweistellige Millionengehälter verdient.

Besonders betrübt sind nun die Kantone, die so blöd waren, einen Zustupf der SNB fest in  ihr Budget einzuplanen. Denn der fällt nun flach.

Das da von Laien gejammert und geheult wird, ist verständlich. Aber nicht nur das wirtschaftliche Blöd-Blatt «Tages-Anzeiger» vermeldet: «Ökonomen kritisieren Nationalbank, weil sie kein Geld ausschüttet.» Unter ADS (Aufmerksamkeit-Defizit-Syndrom) leidende Wissenschaftler sehen die Chance, endlich einmal ihre 15 Minuten Ruhm abzuholen.

Wer denn genau? «Yvan Lengwiler, Wirtschaftsprofessor an der Universität Basel, Charles Wyplosz, Professor am Graduate Institute in Genf, und Stefan Gerlach, Chefökonom der Bank EFG, betreiben das Projekt «SNB Observatorium». Es hat das Ziel, die Politik der Nationalbank mit kritischen Beiträgen zu hinterfragen.»

Diese drei C-Finanzkoryphäen behaupten nassforsch, dass «die SNB zwar fähig, aber nicht willens ist, Gewinne auszuschütten». Die SNB könne doch locker ihre Rückstellungen für Währungsschwankungen aktivieren, dann habe sie immer noch ein Eigenkapital von 66 Milliarden Franken, davon könne man doch wie gewohnt eine Ausschüttung von 6 Milliarden abzwicken. Schlimmer noch: die Politik der SNB, ihre Rückstellungen jährlich um mindestens 10 Prozent zu erhöhen, «entbehrt jeder wirtschaftlichen und finanziellen Logik», wissen die Wirtschaftskoryphäen.

Das ist nicht nur Unsinn, sondern bedrückend ist, dass dieser Unsinn vom Tagi aufwärts und abwärts umkritisiert wiedergegeben wird.

Ein Blick in die «Vereinbarung über die Gewinnausschüttung der SNB» hätte alle Beteiligten auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Denn sie ist so einfach formuliert, dass sie jedem Leser auch ohne HSG-Abschluss sofort verständlich ist:

«Die Gewinnausschüttung von maximal 6 Mrd. Franken pro Jahr besteht aus einem Grundbetrag von 2 Mrd. Franken, der ausgeschüttet wird, sofern ein Bilanzgewinn von mindestens 2 Mrd. Franken vorhanden ist. Hinzu kommen vier mögliche Zusatzausschüttungen von je 1 Mrd. Franken. Diese werden vorgenommen, wenn der Bilanzgewinn 10, 20, 30 respektive 40 Mrd. Franken erreicht.»

Wollen wir es für diese Wirtschaftskoryphäen und die versammelten Wirtschaftsjournis nochmal gaaanz laaaangsam erklären (wir bitten unsere Leser um Nachsicht):

Gab es einen Bilanzgewinn von 2 Milliarden Franken im Jahr 2022? Nein. Gab es einen Bilanzgewinn von 10, 20, 30 oder 40 Milliarden Franken? Nochmals nein. Ist die Gewinnausschüttung an diese Gewinne gekoppelt? Ja. Handelt es sich hier um eine verbindliche Vereinbarung? Ja. Kann man die durch irgend welches Gequatsche ersetzen? Nein.

Könnte man diese Vereinbarung neu aushandeln? Sicher, wenn die unabhängige SNB dazu Hand böte. Ist die SNB bei einem Bilanzvolumen von gegen eine Billion (1000 Milliarden) gut daran beraten, eine stetig steigende Rückstellung alleine schon für Währungsschwankungen zu bilden? Ja.

Erklärt’s die SNB selbst nochmal für die Langsamen im Geiste? Ja: «Die Rückstellungen für Währungsreserven sind Reserven und somit Teil des Eigenkapitals. Das Eigenkapital dient als Puffer bei Verlusten, insbesondere auf den Devisenanlagen und Gold.»

Wir fassen also zusammen. Kommt man mit der absurden Forderung, die SNB könne doch trotz diesem Verlust eine Gewinnausschüttung machen, in die Medien? Ja. Ist Gewinnausschüttung bei Verlust ein Widerspruch in sich selbst? Ja. Müsste das nicht jeder Wirtschafsjournalist kritisch anmerken? Ja. Ist die Absicht von C-Ökonomen, einmal in die Medien zu kommen, legitim? Ja. Ist die willfährige Reaktion der Medien aschgrau? Ja. Wagt es einer der Journis, diese hirnrissige Forderung zu kritisieren? Nein.

Schafft man so mehr Vertrauen in die Wirtschaftsberichterstattung? Nein.

Sonst noch Fragen?

 

 

Geldgierige Politiker

Bei der SNB schwimmen den Kantonen die Felle davon.

Es gibt ein paar Grundregeln der Politik. Dazu gehört: einmal eingeführte Steuern werden niemals wieder abgeschafft. Sei es die Sektsteuer in Deutschland oder der Eigenmietwert in der Schweiz.

Dann neigen Politiker dazu, immer mehr Geld auszugeben als sie einnehmen. Deshalb ist auf der Einnahmeseite alles erlaubt. Zum Beispiel fest eingeplante Parkbussen mit jährlicher Steigerung, die dann von den Ordnungskräften eingetrieben werden müssen. Oder aber der Zustupf aus dem Gewinntopf der Schweizerischen Nationalbank (SNB).

Auch der ist in vielen Kantonen fest budgetiert, also wäre das ein Naturgesetz. Die SP kam schon auf die geniale Idee, mit den Überschüssen der SNB die AHV zu sanieren. Glücklicherweise, ein wirklich vorausschauender Entscheid der Gründer der SNB, ist die Schweizer Notenbank unabhängig von der Politik. Also kann sie jederzeit sagen: Finger ab de Röschti.

Nun berichtet der «Tages-Anzeiger» in neutralem Ton: «Es gibt kein Geld mehr von der Nationalbank». Der Artikel ist natürlich Salz in die Wunden von grenzgängerischen kantonalen Budgets.

Seit 2010 waren die Ergebnisse der SNB ein stetiges Auf und Ab. Insgesamt 5 mal resultierte ein Verlust, 7 mal ein Gewinn. Seit 2016 beträgt der Gewinn kumuliert 160 Milliarden Franken; in diesen 6 Jahren gab es nur einmal einen kleinen Verlust. Kurzsichtig, wie Politiker nunmal sind, meinten sie also, dass man doch jährlich mit einem Zustupf von einigen Milliarden rechnen könne, sozusagen als fester Posten in allen zukünftigen Budgets.

Da die SNB aber nicht den ganzen Gewinn ausschüttet, schwoll ihr Eigenkapital auf über 200 Milliarden Franken an. Rund 20 Prozent des Bilanzvolumens. Dafür würde sich jede Schweizer Bank alle Finger abschlecken, die CS noch die Zehen dazu. Diese 200 Milliarden erweckten dann zusätzlich Begehrlichkeiten. Schon 2006 forderte eine Initiative, dass Zukunft SNB-Gewinne in die AHV fliessen sollten. Sie wurde abgelehnt.

Nun haben der Gewerkschaftsbund und die SP einen neuen Anlauf genommen und fordern  nochmals das Gleiche: «Die Initiative verlangt darum, dass ein Teil dieser Nationalbank-Gewinne an die AHV ausgeschüttet wird.»

Diese Initiative dürfte aber still und leise verröcheln. Vor allem die Linke wollte den ständigen Warnungen von SNB-Präsident Thomas Jordan keinen Glauben schenken, dass die SNB einen grossen Puffer brauche, um mögliche Verluste abfedern zu können. Unverständlich, meinten Schreihälse, wieso sitzt die SNB auf Milliarden, während man die doch sinnvoll in die AHV verlochen könnte.

Nun hat die SNB aber in diesem Jahr bereits einen gigantischen Verlust von schätzungsweise 145 Milliarden Franken eingefahren. Diese gigantischen Gewinne und Verluste entstehen, weil die SNB für die Stützung des Frankenkurses ihre Bilanz zum Weltrekord aufgeblasen hat. Das Bilanzvolumen beträgt eine runde Billion Franken, das sind 1000 Milliarden, und das ist mehr als das BIP der Schweiz, also als der Wert aller Güter, Dienstleistungen und Wertschöpfungsprozesse eines Jahres.

Keine andere Notenbank der Welt dreht ein dermassen grosses Rad wie die SNB. Die ist eigentlich nicht mehr in erster Linie eine Notenbank, sondern ein gigantischer Hedge Fonds. Dank der SNB gehört die Schweiz zu den grössten Aktionären bei Weltfirmen wie Apple, Amazon, Google oder Facebook. Dank der SNB führt jede minimale Währungsschwankung im Verhältnis zum Franken zu milliardenschweren Gewinnen oder Verlusten. Genau gleich verhält es sich mit der Börse, mit festverzinslichen Anleihen; sobald dort gehustet wird, sobald die Negativzinsen ausradiert werden, sobald die Inflation kräftig anzieht, fährt die SNB Verluste ein.

Die könnten sich bis Ende Jahr ohne weiteres auf über 200 Milliarden Franken kumulieren. Dann wäre der Eigenkapitalpuffer weg. Das ist im Fall der SNB kein tragisches Problem; sie ist Herrin des Franken und kann mit einem Klick Neugeld in Milliardenhöhe herstellen. Da die Nachfrage ungebrochen hoch ist (und bei zunehmender Unsicherheit weltweit eher noch zunehmen wird), ist das alles kein Anlass zur Beunruhigung.

Ausser für kantonale Budgets. Denn letztes Jahr verteilte die SNB noch 6 Milliarden Franken Gewinnausschüttung. Daraufhin haben diverse Kantone ihren Anteil für die nächsten Jahre fest eingeplant. Kurzsichtig, wie Politiker nunmal sind. Dieses Jahr dürfte es allerdings nach einer Nullrunde aussehen, Zukunft ebenfalls ungewiss.

Lernt nun die Politik wenigstens daraus? Ist es endlich angekommen, dass Gewinne der SNB keinesfalls mit naturgesetzlicher Sicherheit Jahr für Jahr auf die Kantone regnen? Könnte man meinen, da würde man sich allerdings wieder in der blinden Geldgier der Politiker täuschen. Denn der Tagi schreibt:

«Um Nullrunden für die Kantone in Zukunft zu vermeiden, fordert Gerhard Andrey, Nationalrat der Grünen, nun mit einer Motion vom Bundesrat, die Modalitäten der Gewinnausschüttungen mit der SNB neu zu verhandeln. Das Ziel: Die starken Schwankungen sollen geglättet werden.»

Drei Wirtschaftsprofessoren geben sich dafür her, ins gleiche Horn zu stossen: «Die Vorgänge des laufenden Jahres zeigen, wie seltsam die Rechnungslegung der SNB ist», zitiert sie der Tagi. Dabei ist an der Rechnungslegung der SNB nach Fair Value überhaupt nichts seltsam. Es ist nur schlichtweg das eingetroffen, wovor Jordan schon immer gewarnt hat: es muss nicht immer Gewinne geben, es kann auch Verluste hageln. Daher gilt nach wie vor: Finger ab de Röschti. Und jeder Kanton, jeder Politiker, der mit stetigen Einnahmen aus sprudelnden SNB-Gewinnen rechnet oder die gar festschreiben will, zeigt nur zwei Dinge. Geldgier und fehlenden Sachverstand.

Zinserhöhung! Auf minus 0,25 %!

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) verkündete eine Veränderung beim Leitzins.

Der steigt um ein halbes Prozent. Auf minus 0,25. Versteht das einer?

«Wir haben uns für eine Zinserhöhung von einem halben Prozentpunkt entschieden, weil es inzwischen Anzeichen dafür gibt, dass die Inflation auch auf Waren und Dienstleistungen übergreift, die nicht direkt vom Krieg in der Ukraine und den Pandemiefolgen betroffen sind», erklärte SNB-Präsident Thomas Jordan auf einer Pressekonferenz.

Was heisst das? Zum ersten Mal seit vielen Jahren zieht die SNB die Zinsschraube etwas an. 2015 senkte sie den Leitzins auf – 0,75 Prozent, gleichzeitig mit der Aufhebung des Mindestkurses für den Schweizer Franken gegenüber dem Euro.

Der sogenannte Leitzins wird von der Notenbank in ihrem Währungsraum festgelegt. Er bestimmt, zu welchem Zinssatz sich Geschäftsbanken bei der Nationalbank Geld leihen können. Damit ist er die Stellschraube, die das allgemeine Zinsniveau reguliert.

Die Qualitätsmedien wurden davon auch auf dem falschen Fuss erwischt und trauen sich erst mit ganz, ganz vorsichtigen Kommentaren aus der Deckung: «Damit ist die Zeit der rekordtiefen Zinsen in der Schweiz Geschichte», meint der «Blick». «Expertinnen und Experten ordnen ein», so zieht sich Tamedia aus der Bredouille. CH Media verkneift sich zunächst jeden Kommentar, man könnte ja mangelndes Wissen offenbaren. Die NZZ schlüpft hingegen in ihre Lieblingsrolle: Zensuren verteilen. Diesmal ist sie gnädig; «Zinserhöhung der SNB: richtig und wichtig». «watson» hingegen belässt es, wie viele andere Medien auch, bei einem Zusammenschrieb der Tickermeldungen von SDA und awp. Ziemlich blumig reagiert cash.ch: «Damoklesschwert von SNB-Verkäufen sendet Schockwellen durch den europäischen Anleihemarkt». Ein Schwert sendet Schockwellen? «Finanz und Wirtschaft» lässt es ebenfalls bei einer Meinungsumfrage bewenden: «Stimmen zum SNB-Entscheid». Die «Handelszeitung» schliesslich lässt den Mantel der Geschichte flattern: «Ein Zinsschritt für die Geschichtsbücher».

Aber all diese Qualitätsmedien sind nicht in der Lage, die offenkundigen Hintergründe und Zusammenhänge den Lesern zu erklären.

Eine Veränderung des Leitzinses hat meistens vielfältige Auswirkungen. Normalerweise tauchen die Börsen und festverzinsliche Wertpapiere steigen. Sind die Zinsen in einem Währungsraum höher als in anderen, steigt dessen Attraktivität, konkret werden Franken gekauft, der Kurs steigt.

Eine Erhöhung des Leitzinses bedeutet aber nicht unbedingt, dass nun der Sparer, der Gläubiger mehr Geld verdient an seinen gewährten Krediten. Das hängt nicht nur vom Zinsertrag ab, sondern von dem Ertrag, der nach Abzug der Inflation übrig bleibt. Kassiert der Geldverleiher zum Beispiel 5 Prozent Zinsen, während die Inflation 10 Prozent beträgt, gewinnt er nichts, sondern verliert 5 Prozent.

Zinsen als Steuermechanismus für die Inflation

Noch brutaler ist das im Fall von Negativzinsen. Hier muss der Gläubiger dafür bezahlen, dass er sein Geld verleihen darf, der Schuldner bekommt Geld dafür, dass er einen Kredit aufnimmt. Das ist Zinsen pervers, die Aufhebung der Schwerkraft in der Geldpolitik.

Zinsen haben zudem eine zentrale Bedeutung bei der Steuerung der Inflation. Steigt die Inflation, also die Geldentwertung, deutlich an, dann wird das normalerweise mit einer deutlichen Zinserhöhung bekämpft. Beträgt die Inflation zum Beispiel 5 Prozent, der Zinsertrag 10 Prozent, dann lässt der Gläubiger sein Geld liegen und freut sich über den Ertrag. Ist es umgekehrt, dann ist der Gläubiger versucht, sein Geld so schnell wie möglich beispielsweise mit Konsum auszugeben. Denn wenn er einen Kauf auf morgen verschiebt, kann das Produkt bereits teurer sein, bzw. sein Geld ist weniger wert.

Dadurch wird natürlich die Preisspirale in Bewegung gesetzt, denn das einzige unangefochten gültige Prinzip in der Wirtschaftswelt lautet: bei steigender Nachfrage steigen die Preise.

Man darf sich da auch von zweistelligen Zahlen nicht beunruhigen lassen. In den 80er-Jahren gab es Zeiten, als die Inflation in den USA zweistellig war – und der Leitzins ebenfalls. Damit wurde sie dann wieder auf ein normales Mass von rund 2 Prozent zurückgeführt.

Nun beträgt aber die gefühlte und wohl reale Inflation in der Schweiz bereits über 6 Prozent. Das liegt auch daran, dass im offiziellen Warenkorb, der zur Messung der Inflation benützt wird, bedeutende Kostenfaktoren wie Immobilien oder Versicherungen (Krankenkasse) gar nicht inbegriffen sind.

Damit steht die Schweiz auch nicht alleine da; in der Euro-Zone wie auch in der Dollar-Welt steigt die Inflationsrate. In den USA über 8 Prozent, in einigen EU-Ländern ist sie bereits zweistellig.

Ist also die Anhebung des Leitzinses von – 0,75 auf – 0,25 eine wirksame Massnahme oder ein Tropfen auf den heissen Stein? Die Frage kann sich angesichts der aktuellen Inflation in der Schweiz jeder Laie selbst beantworten.

Wieso kein kräftiger Zinsschritt nach oben?

Was zur interessanten Frage führt, wieso denn die jeweiligen Nationalbanken, also die EZB im Euroraum und das FED im Dollar die Zinsen nicht viel kräftiger heraufsetzt, von der SNB ganz zu schweigen. Ging doch früher auch.

Ging früher, weil damals die Staaten noch nicht bis über beide Ohren oder bis zur Höhe des BIP, also von aller Wertschöpfung eines Jahres, verschuldet waren. Wenn ein Staat für die Neuaufnahme von 100 Milliarden keine oder Pipifax-Zinsen zahlen muss, dann macht er das natürlich mit lockerer Hand; ein Grund findet sich immer. Nach den Finanz- und Eurokrisen, der Griechenland-Krise, der Corona-Krise ist es aktuell die Ukraine-Krise.

Die Schuldendienste insgeamt machen aber bereits heute einen der wichtigsten Posten im Staatshaushalt aus – dabei haben wir faktisch Nullzinsen. Nun stelle man sich vor, was mit einem heute schon am Rande des Bankrotts wankenden Staat passiert, wenn der zur Refinanzierung seiner Schulden neu 2 oder 5 Prozent Zinsen zahlen müsste. Denn dorthin müssten die Leitzinsen mindestens, um die Inflation wirksam zu bekämpfen.

Das geht aber nicht, weil dann Industriestaaten reihenweise Default erklären müssten, weniger vornehm gesagt: Staatsbankrott. Das wäre nicht einmal ein Weltuntergang, denn danach ist der Staat seine Schulden los. Allerdings sind alle Gläubiger, Sparer und Empfänger von Sozialleistungen wie Renten gekniffen.

Und was geht das alles den Leser an? Endlich die ersten warmen Tage, die Sommerferien sind in Reichweite, die Ferien gebucht, und wenn es Skyguide will, hebt der Flieger auch ab. Soll man sich da die Laune verderben lassen?

Börsencrash, galoppierende Inflation, Rezession, sind die Renten noch sicher? Bleibt vom Ersparten noch was übrig? Leider ist die einzig verantwortungsvolle Antwort: unklar. Und lassen Sie sich von Ihrem Bankberater nicht das Gegenteil erzählen.

 

Shopping auf Ukrainisch

Hat der Griwna eine Kaufkraft oder nicht?

Das Beispiel der ukrainischen Währung zeigt exemplarisch, welche Probleme es mit Papiergeld gibt. Denn zunächst ist Papiergeld, seien das Franken, US-Dollar, Pfund, Euro oder ukrainische Griwna, bloss ein Stück aufwendig bedrucktes Papier. Warenwert weit unter einem Rappen.

Auch der Brennwert ist nicht berauschend, obwohl während der Hyperinflation im letzten Jahrhundert in Deutschland Banknotenpakete als Heizmaterial verwendet wurde. Das war einfacher, als zuerst damit Kohle zu kaufen.

Also ob eine Zehnfranken-Note ein Stück Papier ist oder eine festgelegte Kaufkraft hat, beruht auf Konvention und Vertrauen. Beruht darauf, dass alle Nutzer der Zehnernote ungefähr wissen, welchen Aufwand es brauchte, um sie zu bekommen. Und welche Waren damit bezahlt werden können.

Diese Relationen sind nicht fix. Es kann sein, dass sich die Leistung verringert, die zum Erwerb von zehn Franken nötig ist. Das nennt man Lohnerhöhung. Es kann auch sein, dass der damit käufliche Warenkorb kleiner wird, das nennt man Inflation.

In der Schweiz ist der Franken ein staatlich garantiertes Zahlungsmittel. Ausserhalb der Schweiz nicht. Wer dort bezahlen will, muss in die jeweilige Landeswährung umtauschen. Dafür gibt es Devisenkurse, die das Tauschverhältnis festlegen. Es sollte im besten Fall um eine gleiche Kaufkraft oszillieren.

Gut, das ist Anfängerwissen, wie es jeder HSG-Absolvent im ersten Semester mitbekommt – und dann wieder vergisst. Nun gibt es Währungen, die konvertibel sind. Es ist erlaubt, bei Bargeld in bestimmten Grenzen, sie in beliebige andere, ebenfalls konvertible Währungen zu tauschen. Hier bekommt Geld noch einen Warenwert; also Angebot und Nachfrage beeinflussen das Tauschverhältnis.

Auch der ukrainische Grwina ist konvertibel. Im Prinzip, um mit Radio Eriwan zu sprechen. Diese Geldnote entspricht ungefähr 6 Franken.

Im Prinzip. Denn eine Schweizer Bank, die diese Banknote entgegennimmt und gegen 6 Franken tauscht, lagert die 200 Grwina entweder im Tresor und hofft, dass mal einer kommt, der in die andere Richtung tauschen will. Oder sie liefert sie der ukrainischen Notenbank ein und erhält dafür von dieser 6 Franken.

Die Ukraine hat ihre Devisenreserven gesperrt

Seit Kriegsausbruch hat die ukrainische Nationalbank allerdings diese Dienstleistung eingestellt. Sie will die Devisenreserven des Landes lieber für wichtigere Sachen ausgeben, zum Beispiel für Waffen. Das ist ihr unbenommen, aber das bringt ukrainische Flüchtlinge in die Bredouille. Denn viele von ihnen haben vor der Flucht grössere Beträge von ihrem Konto abgehoben und führen das nun in Bargeld mit. «Bares ist Wahres», wie es so schön heisst.

Wie es aber heute nicht mehr zutrifft. Denn beispielsweise Kreditkarten auf ukrainischen Bankkonten funktionieren meistens weiterhin. Ich kann also mit einer ukrainische American Express in die Migros gehen und damit bezahlen. Ich kann aber nicht meine Griwna in Zahlung geben. Ich kann sie zurzeit auch nicht auf einer Schweizer Bank einwechseln.

Denn die Bank ist nicht verpflichtet, ein solches Wechselgeschäft vorzunehmen. Sie hat zudem Schiss, dass sie keine Franken dafür bekommt, und dass der Griwna rasant an Wert verlieren könnte. Also heute für 6 Franken eingewechselt, und übermorgen gibt’s nur noch 3 dafür.

Wie kann man das Problem der Flüchtlinge lösen?

Was tun? Da das Vertrauen in den Wert und die freie Konvertibilität der ukrainischen Währung fehlt, braucht es einen Garanten dafür. Beispielsweise die Schweizerische Nationalbank. Würde die zu fixen Kursen Grwina entgegennehmen und in Franken auszahlen, sähen Schweizer Privatbanken kein Problem mehr im Wechselgeschäft.

Aber damit würde natürlich die SNB das Risiko übernehmen, dass der Griwna nicht oder nur zu einem niedrigeren Wert in Franken gewechselt werden könnte. Mit anderen Worten; sie würde Verlust machen. Ein solches Geschäft tätigt sie nicht freiwillig. Also bräuchte es eine staatliche Garantie gegenüber der SNB, dass solche Verluste glattgestellt würden.

Das wiederum heisst, dass der Schweizer Steuerzahler das Risiko übernimmt. Dessen Höhe ist unabsehbar. Selbst wenn man den Umtausch pro Person limitiert, würde es sich doch um viele Millionen Franken handeln. Und da die Zukunft der Ukraine und der ukrainischen Währung völlig unvorhersehbar ist, kann auch ein Totalschaden nicht ausgeschlossen werden. Also die Griwna würden sich endgültig in das verwandeln, was sie eigentlich – wie jede andere Banknote der Welt – ist: ein Stück bedrucktes Papier.

 

 

Hilfe, mein Papagei onaniert

Die Sonntagspresse. Immer ein Quell der Erbauung.

Wir lassen diesmal den «SonntagsBlick» aussen vor. Auf den ersten Blick hat es keine Stellungsnahme von Walder, Ringier oder Heimgarten drin. Also langweilig.

Auf den zweiten Blick rezykliert der SoBli Dinge, die bereits im «Magazin» von Tamedia erschienen sind, also halten wir uns doch lieber ans Original.

Das ist nun leider nicht wahnsinnig originell, muss man gleich einschränkend sagen. Man kommt doch recht schnell ins Blättern, wenn man sich noch eines der letzten Exemplare der «SonntagsZeitung» im Print erstanden hat. Denn das muss ja nun alles wohl leider eingestellt werden, wenn all die düsteren Ankündigungen eintreffen, was passiert, sollte die Medienmilliarde nicht in den Taschen der Verlegerclans landen.

Drei Seiten Gemurmel über die Ukraine. Blätter. Ein Artikel über die immer noch demonstrierenden «Corona-Massnahmen-Gegner», bei dem das Bild doppelt so viel Platz wie der Text einnimmt und auch viel aussagekräftiger ist.

Ein Artikel über den schwarzen Uni-Professor John McWorther, der gegen die Anti-Rassismus-Bewegung rempelt, sie sei «eine ideologische Schreckensherrschaft». Das beweist, dass es in der Zentralredaktion von Tamedia noch mindestens ein NZZ-Abonnement gibt. Denn dort wurde dieser Professor erst vor Kurzem (und natürlich viel tiefsinniger) porträtiert. Aber was der SoZ-Leser vielleicht nicht weiss, macht ihn nicht heiss.

Und weiss man denn, wie viele Leser der NZZ Alzheimer haben und die gleiche Nachricht beliebig häufig lesen und als neu empfinden können? Dann ein Interview mit einem «Experten für Rassismus und Gewaltverbrechen sowie Leiter des Amts für Justizvollzug und Wiedereingliederung beim Kanton Zürich und Professor für Forensische Psychologie an der Uni Konstanz».

Trotz des ellenlangen Titels sind seine Gedankengänge doch so kurzatmig, dass man sich Sorgen um den Justizvollzug und seine Studenten macht. Denn der Professor zeigt in einem Satz, dass er eigentlich wenig Ahnung von nichts hat: «Prävention ist kein Argument gegen Verbote. Hier macht der Bundesrat einen Überlegungsfehler.» Indem er bekanntlich den Hitlergruss oder Nazisymbole nicht verbieten will.

Den Überlegungsfehler, das Hochhalten der Meinungsfreiheit wie in den USA als implizites Billigen dieser Symbole misszuverstehen, unterläuft aber diesem Jérôme Endrass. Wir haben hier schon versucht, das ganz langsam zu erklären

Bei der NZZaS, nun ja, ist der Blätterreflex nicht weniger ausgeprägt. Rasant schnell ist man auf S. 53, wo Peer Teuwsen damit angibt, dass er einem Bündner Baunersohn nach Island folgen durfte, wo der zum Schriftsteller wurde. Das wär’s dann auch schon fast im Kulturbund, der stolze 6 Seiten umfasst.

Aber, wer sucht, der findet, immerhin gibt es einen halbseitigen Bericht über die abseitige Tatsache, dass Benito Mussolini seit 1937 Ehrendoktor der Uni Lausanne ist. Richtig, bis heute.

Bei Adolf Hitler war es dann in Deutschland (und anderswo) schöner Brauch, dem Jahrhundertverbrecher diese Würde posthum abzuerkennen. Wieso hält denn dann die Uni Lausanne daran fest, den Duce weiterhin als Dr. h.c. zu führen? Mit einer Aberkennung «würde die Sache aus der öffentlichen Debatte verschwinden», wird der Rektor der Uni zitiert. «So einfach dürfen wir es uns nicht machen

Die Uni macht’s sich sowieso nicht leicht, «2021 wurden ausschliesslich Frauen mit dem Ehrendoktor der Universität Lausanne geehrt», weiss die NZZaS.

Das lässt den Leser eher ratlos zurück. Den Fehler wieder gutzumachen, dem italienischen Faschisten 1937 den Ehrendoktor verliehen zu haben, würde doch schlicht und einfach bedeuten, dem Diktator den Titel einige Jährchen nach dessen Tod abzuerkennen. Ab so einfach will es sich die Uni nicht machen. Diesem Gedankengang kann man wohl nur folgen, wenn man mindestens zwei Doktortitel hat.

Als weitere Wiedergutmachung und als Abbitte für den Männerüberhang unter Ehrendoktoren wurden nun letzte Jahr nur Doktorinnen geehrt. Dass darin eine negative Diskriminierung enthalten ist (wieso soll es in diesem Jahr plötzlich keinen einzigen auszeichnungswürdigen Mann gegeben haben), fällt weder der Uni, noch dem Autor des Artikels auf.

Also eine nette Trouvaille, gnadenlos versemmelt.

 

Ach, und in der Wirtschaft wird in der Sonntagspresse ein alter Zopf neu geknüpft. Den Recherchierjournalisten ist nämlich aufgefallen, dass eine Aktie in diesem Jahr an der Schweizer Börse am besten performt hat. Und zwar mit Abstand. Um fast 50 Prozent hat ihr Kurs zugelegt. Das nennt man mal eine Gewinnsträhne für all die, die rechtzeitig drauf gesetzt haben.

Wem gehört nun diese Wunderaktie? Der Credit Suisse? Der UBS? Der ZKB? Scherz beiseite, es ist natürlich unsere Schweizerische Nationalbank. Könnte das etwas damit zu tun haben, dass sie mal wieder nur mit grösster Not die Gelspeicher schliessen kann, so quellen dort Eigenkapital, Gewinne und Bilanzsumme heraus.

Aber nein, wissen die Finanzkoryphäen, «hinter der Kurshausse stecken offenbar wie schon in früheren Fällen deutsche Börsenbriefe, die die Unwissenheit ihres Publikums ausnützen». Wie denn das? «Weil normalerweise weniger als 100 Aktien pro Tag gehandelt werden, kann der Kurs leicht bewegt werden.»

Das ist nun ein Satz zum Abschmecken. Er impliziert, dass der Kurs manipuliert wird. Also auf einem engen Markt mit Kauforders der Preis hinaufgetrieben wird. Das ist nun ein so schwerer Vorwurf, dass er unbedingt mit dem Hauch eines Belegs versehen werden müsste. Aber doch nicht in der SoZ, das würde ja noch zu einer Recherche ausarten.

Interessant ist auch: wenn das so wäre, würde der Aktienkurs unserer SNB hinauf- und vielleicht auch wieder hinunterspekuliert werden. Echt jetzt? Und alle schauen zu? Wieso soll eigentlich die angebliche Unwissenheit des Publikums ausgenützt worden sein? Wenn jemand Anfang Januar investierte, dann hat er locker 50 Prozent Profit gemacht. Ist doch super, so unwissend zu sein.

Und schliesslich: Bei rund 8000 Franken pro Aktie hat die SNB einen Börsenwert von 800 Millionen Franken. Völlig lachhaft, angesichts des Eigenkapitals und ihrer besonderen Funktion. Das Hundertfache wäre eigentlich immer noch ein Schnäppchen. Solchem Fragen nachzugehen, das würde ja zu Denkarbeit ausarten. Aber doch nicht in der SoZ.