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Inflationäres Geschwafel

Teuerung ist ein Thema für Kristallkugel-Gucker.

Lange Zeit war sie weg, dann war sie plötzlich wieder da: die Inflation. Die Teuerung. Die echte und die gefühlte. Die ansteigende, gar die galoppierende. Und damit natürlich die Inflationsangst. Wenn neben der Ukraine und anderen Aufregern noch Platz war, äusserte sich die Journaille dazu ausführlich.

Steigende Konsumentenpreise, steigende Hypothekarzinsen, steigende Mieten, weniger stark steigende Löhne und Zinsen auf Geldanlagen. Wo soll das alles enden, wo geht’s hin, wie geht’s weiter? Droht der Weltuntergang, wird die Inflation auch in der Schweiz zweistellig, wie wirkt sich das auf die Konjunktur aus? Was tun? Welche Art von Hypothek wählen? Lang, kurz, Saron? Wohin mit dem Ersparten? Aktien? Bitcoins? ETF?

Nun ist es so, dass der durchschnittliche Wirtschaftsjournalist bis heute nicht in der Lage ist, in die Zukunft zu schauen. War er noch nie, daher wollen wir es Tamedia ersparen, die rund 150 Treffer zum Begriff «steigende Teuerung» seit einem Jahr durchzugehen. Wir haben schon genug über den «Blick» gelacht.

Aber so sicher wie das Amen in der Kirche ist ein solcher Artikel:

Das könnte daran liegen, dass es bei künftigen Entwicklungen eines Indizes nur drei Möglichkeiten gibt. Er steigt, er sinkt – oder er bleibt unverändert. Ach ja, oder die Erde explodiert, aber dann ist alles egal. Nun könnte man meinen, dass angesichts dieser Verteilung ungefähr gleich viele Ökonomen auf die eine wie auf die andere Entwicklung setzen.

Das ist aber falsch. Interessanterweise gibt es immer eine Mehrheit von solchen Zukunftsguckern, angeführt von der «Konjunkturforschungsstelle KOF» der ETH, die auf das falsche Pferd setzen. Sie prognostizieren mit wissenschaftlicher Überlegenheit, dass beispielsweise die Inflation sinken wird. Während sie dann steigt. Oder umgekehrt. Das Gleiche natürlich auch bei der Konjunkturprognose. Nach der Prognose ist vor der Korrektur der Prognose. Grund: Na, du laienhaftes Dummerchen, das Unvorhersehbare hat mal wieder zugeschlagen.

Nun erklärt Simon Schmid vom «Tages-Anzeiger» recht launig, «warum so viele Ökonomen falsch lagen», was Prognosen über die weitere Entwicklung der Inflation betrifft. Das ist lustig zu lesen; noch lustiger wäre es, wenn er Beispiele aus dem Schaffen seines eigenen Hauses wählen würde. Weniger lustig ist, dass er den eigentlichen Grund für das zunehmende wilde Gerate der Ökonomen nicht nennt: seit der Finanzkrise eins im Jahre 2008 und der anschliessenden turmhohen Staatsverschuldung, für deren hemmungslose Fortsetzung immer neue Gründe gefunden werden (Eurokrise, Covid, Ukraine, Naher Osten), bewegen wir uns in der Finanzwelt auf nicht kartografiertem Gebiet.

Alle Inflationstheorien, die an der HSG und anderen Kraftorten der vermeintlichen Wirtschaftswissenschaft gelehrt werden, sind für den Papierkorb. Haben mit der geldpolitischen Realität nichts zu tun, aber wenn der Professor seine Vorlesung schon seit zwanzig Jahren so hält, will er sich dadurch doch nicht Arbeit aufhalsen.

Daher kommt Schmid am Schluss seiner Ausführungen zur erschütternden Erkenntnis: «Die Geschichte wiederholt sich, trotz aller Warnungen inflationsfürchtender Experten, nicht.»

Nun überlässt es aber der geballte Sachverstand der Wirtschaftsredaktion von Tamedia der SDA, folgendes Phänomen zu schildern: «Festhypotheken sinken auf neues Tief». So was. Das führt natürlich zur drängenden Frage: wie geht’s damit weiter? Darauf hat selbst die SDA nur eine etwas unbefriedigende Antwort: «Wie es 2024 weitergeht, hängt allerdings von vielen Faktoren ab.» Immerhin, ZACKBUM dachte, das hängt einzig und alleine von der Schneehöhe in Andermatt und dem Profil von Winterreifen ab.

Angesichts dieser erschütternden Erkenntnis, die eigentlich einen Wirtschaftsnobelpreis verdient, serviert die SDA eine grosse Portion Geeiertes. Wir lassen es bei einem Mütterchen bewenden:

«Beim Ausblick tut sich Moneyland etwas schwer, denn es gebe viele Faktoren, die die Zinsentscheidung der Schweizer Nationalbank beeinflussen. Daher bestünden grosse Unsicherheiten. Sollte beispielsweise die Konjunktur wider Erwarten deutlich schwächeln, könnte die SNB zu früheren Leitzinssenkungen gezwungen werden. Andererseits seien unerwartete Inflationsschübe mit einer nötigen Straffung der Geldpolitik ebenfalls nicht unmöglich.»

Da war selbst Paul, die Krake, zukunftssicherer und sagte sämtliche Ergebnisse der Fussball-WM für Deutschland richtig voraus.

In diesem «einerseits, andererseits, wobei, wenn nicht, falls, oder doch» setzt der Schluss dann doch noch einen humoristischen Akzent. Aber nur für den Leser, dem die weitere Entwicklung der Inflation eigentlich egal ist:

«Obwohl sich die Inflationsraten in der Schweiz nun schon den sechsten Monat in Folge deutlich unterhalb der von der SNB anvisierten 2-Prozent-Obergrenze befänden, beobachteten die Währungshüter die Entwicklung der Inflation. Es bestünden neben geopolitischen Unsicherheiten weitere Kostentreiber wie etwa Mietzinserhöhungen und Strompreise.»

Das Beobachten des Beobachters beim Beobachten. Könnte fast ein Titel von Handke sein, aber der ist nicht Ökonom, sondern Schriftsteller.

 

Wumms: Simon Schmid

Das sinkende Schiff «Republik».

Chaos, Schulden, ungeklärte Verhältnisse in der Chefetage, Output nicht nennenswert, Arroganz und Selbstherrlichkeit ungeschmälert. Die «Republik» bietet ein Bild des Jammers, das nur die verbleibenden Macher und die schwindende Unterstützerschar nicht sehen wollen.

Constantin Seibt hat Sprachdurchfall, die schreibende Schmachtlocke ordnet einmal pro Woche die Welt – ohne dass das jemand zur Kenntnis nimmt. Das Netteste, was man über sie sagen kann: Die Leiche lebt noch.

Interna dringen, das muss man der Schrumpfcrew lassen, selten bis nie nach aussen. Aber es gibt andere Signale, an denen man den Zustand des Blatts messen kann. Zum Beispiel an Simon Schmid. Bis 2022 arbeitete er als Wirtschaftsjournalist bei der «Republik». Zuvor war er beim «Tages-Anzeiger», dann bei der «Handelszeitung». Er ist ein stiller Schaffer, der leise kommt und leise geht.

So ging er nach der x-ten Bettel- und Angeberrunde bei der «Republik» und wechselte zum «Beobachter». Um nun wieder zum Tagi heimzukehren. Dessen Wirtschaftsredaktion hatte unlängst einen Aderlass zu beklagen. Also ist Schmid sicher willkommen.

Er hat auch recht. Dass der Monatslohn pünktlich eintrifft, dafür bietet Tamedia entschieden mehr nachhaltig Gewähr als die «Republik». Die kann zwar immer wieder in die tiefen Taschen von zwei Millionären fassen oder aber immer wieder das Publikum zu Spenden auffordern. Aber irgendwann sagen sich selbst Millionäre, dass sie nicht weiter gutes Geld schlechtem hinterherwerfen wollen. Und die Spendenfreudigkeit des Publikums nimmt, trotz Selbstmorddrohungen, auch ab, wenn sich herausstellt, dass die «Republik» mutmasslich Steuern hinterzogen  hat.

Da ist es ein interessantes Signal, dass Schmid vom Tagi zur «Republik» wechselte – und nun wieder zurück beim Tagi angekommen ist. Natürlich still und ohne Aufsehen zu erregen.