Schlagwortarchiv für: Simon Bärtschi

Braucht Bärtschi Polizeischutz?

Oder ist er einfach dümmer als die Polizei erlaubt?

Die Augen zu Schlitzen verengt, Dreitagebart, schwarze Intellellenbrille, offener Hemdkragen, blaues Jacket, energisch zusammengekniffener Mund. So sieht sich Simon Bärtschi sicherlich selbst. Ein Macher halt, ein Manager, ein Führer mit Vision. Er sei «der Architekt der neuen Tamedia-Strategie», sülzt persoenlich.com, wo Nick Lüthi, früher mal medienkritischer Journalist, mit Bärtschi ein Gefälligkeitsinterview führt.

Obwohl es kaum kritische Nachfragen gibt, ist das Interview dennoch entlarvend. Denn Bärtschi führt sich als blutleerer, ideenloser Bürokrat der Macht vor, der mit wie Kieselsteine rundgeschliffenen Worthülsen um sich wirft. Und bei jedem, der ihm untertan ist, blankes Entsetzen auslöst: von dem ist meine berufliche Zukunft abhängig? Au weia.

Wenn man sein Geschwurbel etwas verdichtet, kommt ein solider Brocken Grau heraus, grau wie aschgrau.

«setzen künftig auf mehr publizistische Kraft … zielgerichteter für die digitalen Kanäle … nahtlose Abläufe auf der Redaktion … kann diesen Verlust nachvollziehen … Teil der neuen Strategie … sehe Potenzial … auf rund 55 Vollzeitstellen reduzieren können … ist und bleibt auch weiterhin eine ganz wichtige Aufgabe … für die Herausforderungen der Zukunft gut aufzustellen … die weniger zur Verfügung stehenden Ressourcen zielgerichteter … geplanten Personalmassnahmen in den Redaktionen sollten in einem gesunden Verhältnis zur Wirtschaftlichkeit … gute Geschichten sollen dort ausgespielt werden, wo sie ihr Publikum finden … jede Sparrunde ist schmerzhaft … haben uns intensiv mit einem zukunftsfähigen Zielbild für unseren Journalismus auseinandergesetzt … den Blick auch wieder nach vorne … schmerzhafter Prozess … macht niemandem Freude, diesen Weg gehen zu müssen … glauben an den Qualitätsjournalismus … kann nicht darum gehen, mit weniger mehr zu machen … mir als langjähriger Journalist … versuche transparent und direkt mit den Leuten zu sprechen … radikal und von Grund auf neu aufstellen … es wird nie langweilig

ZACKBUM würde verstehen, wenn Leser das als menschenrechtswidrige Folter empfänden und Klage führten. Aber wir mussten da schliesslich auch durch, und das Duschen danach dauerte besonders lang.

Nun versetzen wir uns kurz in einen Mitarbeiter von Tamedia, der seit mehr als drei Wochen nicht weiss, ob er aufs RAV muss oder nicht. Der überlegt sich einerseits, dass ein Rausschmiss eine Erlösung wäre. Dann muss er sich diesen Stuss nicht länger anhören und muss auch kein freundliches Gesicht machen, wenn Bärtschi an ihm vorbeihuscht. Auf der anderen Seite ist es menschlich verständlich, wenn der eine oder andere geschundene Newsroom-Knecht sich inbrünstig sagen muss: Gewalt ist auch keine Lösung.

Man kann Massenentlassungen, das Eingeständnis, dass auch die x-te Strategie gescheitert ist und durch die nächste zum Scheitern verurteilte ersetzt wird, auch einigermassen sozialverträglich rüberbringen. Man kann Empathie zumindest heucheln. Geschäftsleitung, Chefredaktion könnten wenigstens Mitgefühl versprühen, statt mit versteinerten Gesichtern jedem Dialog auszuweichen. Aber wer nach dem sensibel öffentlich verkündeten Todesurteil für den Züritipp, der noch kurz zuvor als überlebensfähig angepriesen wurde, lediglich sagt «kann diesen Verlust nachvollziehen», der ist ein eiskalter Zyniker.

Und ein Usurpator hinzu. Denn eigentlich soll doch diese Abwrack-Strategie auf dem Misthaufen von Jessica Peppel-Schulz gewachsen sein. Aber jetzt reklamiert Bärtschi die Vaterschaft für diese Missgeburt. Wieso nimmt sich Tamedia, TX, nicht ein Beispiel an Meyer Burger? Die bauen nicht nur Stellen ab, sondern wechseln auch die Führung aus.

Aber weil bei TX der Fisch definitiv vom Kopf her stinkt, wird das nicht passieren. Denn der Bigboss kann nur einigermassen das Gesicht wahren, wenn seine direkten Untergebenen noch grössere Versager sind. Bei Bärtschi weiss man allerdings nicht, ob er sich auch schon nach Polizeischutz erkundigt hat.

Folter à la Tamedia

Wer wird gefeuert, wer nicht? Der Stimmungskiller im Glashaus.

Am 27. August wurden die «Weichen für Qualitätsjournalismus» im Hause Tamedia gestellt. Dazu gehört, dass 200 Drucker und 90 Journalisten gefeuert werden sollten.

Nun schreiben wir den 18. September, es sind seither mehr als drei Wochen vergangen. Aber die Namen der rauszuschmeissenden Journalisten sind immer noch nicht bekannt gegeben worden.

Das gibt Raum für einige Überlegungen.

  1. Die kompetente CEO Jessica Peppel-Schulz hat einfach mal eine Zahl in den Raum gefeuert. 90 hört sich irgendwie gut an. 100 wäre zu gross, 89 zu wenig, 90 ist einfach zu merken. Können aber auch nur 55 sein. Oder so. Die Zahl mit Inhalt zu füllen, das überlässt sie dann anderen.
  2. Wie wurden denn die zu Feuernden ausgewählt? Namensroulette? Mit Pfeilen auf ein Poster mit allen Mitarbeitern geworfen? Oder Unbotmässige, Frechdachse («der hat sich doch über meinen letzten Kommentar lustig gemacht», «der wurde dabei beobachtet, wie er ZACKBUM las und dabei schmunzelte», «der hat doch gefragt, was Hasse, ausser Selfies, eigentlich macht») mit einem Kreuz versehen?
  3. Natürlich wissen die Häuptlinge inzwischen, wen’s trifft. Also laufen Raphaela Birrer und die anderen Verantwortungsträger durch die Grossraumbüros an der Werdstrasse, nicken dem und der freundlich zu, hören sich Pläne zu zukünftigen Artikeln geneigt an, merken an, dass man wegen der Gehaltserhöhung oder der Ferienplanung dann mal sprechen werde – und wissen gleichzeitig, dass sie mit lebenden Redaktionsleichen sprechen. Was für ein Gemüt muss man haben, um das ohne Psychopharmaka auszuhalten?
  4. Während sich die publizistische Leiter Simon Bärtschi unsterblich lächerlich und unbeliebt macht, hört man von der Chefredaktion kein Wort. Tauchstation, Schweigen, Führungsverantwortung, was ist das.
  5. Gleichzeitig fragt sich jeder, aber wirklich jeder Journalist seit drei Wochen unablässig, ob es ihn trifft oder nicht. Zu alt, zu teuer, zu widerspenstig, nicht genügend Leserzuspruch, zu wenig woke, zu wenig feministisch, zu kritisch, zu wenig Speichellecker, das Gesprächsangebot von Bärtschi ignoriert? Mit einem Kollegen beim Feierabendbier über die Chefetage abgelästert, und ob der dichthält?
  6. Oder gleich Durchmarsch; freiwillige Meldung bei HR, wie es denn mit einer Frühpensionierung so stehe. Ob die Umschulung zum Taxifahrer bezahlt werde. Ob bei Editorial Services noch ein Pöstchen frei sei. Ob man nicht als Moderator der Leserkommentare noch ein kleines Zubrot zur Sozialhilfe verdienen könne.
  7. Oder gar Aufruhr und Widerstand? Schliesslich rufen die Journalisten doch unablässig zu Zivilcourage auf, gegen Diskriminierung, Ausgrenzung, gegen raffgierige Besitzer und Unternehmer. Immerhin, in der Romandie gab es ein Streikchen. Einen Bonsai-Streik. Von einer Stunde. Aber wie wäre es, wenn eine Mehrheit der Redaktion eine ganze Ausgabe lang streiken würde? Die wenigen opportunistischen Streikbrecher mit Verachtung straften? Protestschreiben online stellen würden? Das Recht auf Meinungspluralismus einfordern? Die bittere Wahrheit ist: all diese Maulhelden in fremden Sachen sind in der eigenen viel zu feige.
  8. Es gibt sinnvolle Vorschläge, auch von ZACKBUM, wie man mit gezielten Sparmassnahmen in den Häuptlingshorden, von VR, Geschäftsleitung und Redaktionsleitung abwärts, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könnte. Die Massenentlassung würde überflüssig, weil man damit mindestens so viel Geld spart. Und wenn hier gefeuert würde, wäre das tatsächlich eine Weichenstellung für mehr Qualität. Denn wer braucht schon eine Peppel-Schulz, einen Bärtschi, eine Birrer? Um nur ein paar Namen zu nennen. Würde jemand (ausser ihnen selbst) ernsthaft behaupten, mit deren Einsparung würde die Qualität bei Tamedia spürbar sinken?
  9. Will wirklich, ausser Bärtschi natürlich, jemand ernsthaft behaupten, nach einer Massenentlassung sei der Inhalt des Kopfblattsalats von Tamedia gleich viel Geld wert wie vorher? Wird dann endlich der Abopreis auch mal gesenkt, anstatt ständig erhöht?
  10. Inzwischen wurde ein Stück der Katze aus dem Sack gelassen. Es gibt nur noch vier Redaktionen für alle Tages- und Sonntagstitel. In Zürich verschwinden die eigenständigen Rumpfredaktionen von «Landbote», «Zürichsee-Zeitung», «Zürcher Unterländer » und «SonntagsZeitung». Arthur Rutishauser bleibe Chefredaktor der SoZ. Chefredaktor wovon genau? Er bleibe «Kopf der SonntagsZeitung, wichtiger Inputgeber für die ganze Redaktion», säuselt die Medienstelle.
  11. Der «Züritipp» wird eingestellt, womit schon mal ein paar Stelleneinsparungen klar sind. Statt 90 Stellen sollen nun auf einmal nur 55 wegfallen. Soll das befriedende Salamitaktik sein? Und zeugt es von überlegener Menschenführung, wenn die Mitarbeiter des «Züritipp» zusammen mit allen anderen erfahren, dass sie überflüssig sind? Während man ohne zuvor noch Hoffnungen machte, dass das Magazin erhalten bleibe?
  12. Das hier wird sicherlich die Stimmung ungemein verbessern: «Tamedia ist sich der Schwere dieser Massnahmen bewusst. Es kommen Sozialpläne inklusive Möglichkeit von Frühpensionierungen zur Anwendung. Neben persönlicher Begleitung und Beratung bietet Tamedia den betroffenen Mitarbeitenden finanzielle Unterstützung für Weiterentwicklungs- und Umschulungsprogramme an.» So eine «Weichenstellung für Qualitätsjournalismus» geht halt nicht ohne schmerzliche Verluste.
  13. Eine solche Massenentlassung ist der Beleg für ein krachendes Versagen der Verlagsetage. Ein Beweis für die schreiende und anhaltende Inkompetenz der wohlbezahlten Manager. Das ist schon schlimm genug. Aber eine solche Massenentlassung über Wochen hinweg zur Folterkammer der potenziell Betroffenen machen, das ist nicht mehr bloss Unfähigkeit. Das ist schon Sadismus.

Wie sorgt man richtig für Stimmung?

Führung heisst in erster Linie: motivieren und für gutes Betriebsklima sorgen.

Es ist nun beinahe zwei Wochen her, dass die Leitung von Tamedia es krachen liess. Die publizistische Leiter Simon Bärtschi sorgte für den Brüller des Monats: «Weichenstellung für unabhängigen Qualitätsjournalismus». Richtig wälzen vor Lachen konnten sich allerdings nur diejenigen, die von dieser Weichenstellung nicht betroffen sind.

Denn sie erfolgt, indem 90 Vollzeitstellen im Journalismus gestrichen werden (und 200 in Druckereien, was eine weitere Sauerei ist).

Nun ist es im Kapitalismus durchaus so, dass Firmen, denen es nicht gut geht, Mitarbeiter entlassen müssen. Nicht völlig egal ist dabei, aus welchen Gründen. Die Umstände, der Markt, die Weltgeschichte, der Chinese – oder brüllende Inkompetenz des eigenen Managements.

Besonders störend ist dabei, dass den Medienerzeugnissen des Hauses TX zuerst alle Werbeplattformen abgeschraubt wurden, die dank ihnen überhaupt gross wurden. Wohnungs-, Auto-, Stellen-, Kleinanzeigenmarkt, nicht zuletzt durch die Zusammenlegung mit Ringier eine Goldgrube, ein Mehrwert, Anlass zu einer Sonderdividende für den gierigen und grossen Coninx-Clan.

Auch ohne diese Einnahmequelle sollen die Medienerzeugnisse mindestens 8 Prozent Rendite abwerfen. Noch absurder: weil «20 Minuten» das in der Vergangenheit problemlos schaffte, wurde der Gratisanzeiger auch abgeschraubt und in der Holding TX in ein eigenes Profitcenter verwandelt. Übrig blieb der elende Rest.

All das ist ist durchaus Anlass für Unmut in der Redaktionsmannschaft. Dass Bärtschi mit seinem selten bescheuerten Kommentar noch Öl ins Feuer giesst, ist das eine.

Das andere, Schlimmere ist aber: wenn es schon zu schmerzlichen Entlassungen in diesem Ausmass kommt, muss so schnell wie möglich Klarheit geschaffen werden, wen es trifft. Angesichts der Rumpfredaktionen unter dem Dach von Tamedia handelt es sich bei 90 Vollzeitstellen um sicherlich mehr als 100 Gefeuerte, einen gewaltigen Aderlass. Nur: es ist bis heute nicht bekannt, wer. Dass es 90 Stellen sein müssen, die entsprechende Einsparung lässt sich leicht ausrechnen, das schafft selbst CEO Jessica Peppel-Schulz.

Wieso allerdings nicht 100, oder 80, oder 95,5? Oder he, wäre es nicht einfacher jeder Zweite? Oder statt über 50 leitende Nasen nur noch 10? Oder so feuern, dass endlich auf jeder Hierarchiestufe 50 Prozent Frauenanteil erreicht wird? Nein, sorry, Quoten für Nonbinäre, Hybride und Transen gibt es nicht. Aber gut, die Wege des oberen Managements sind unerforschlich.

Wen trifft es denn nun? Das erinnert unweigerlich an ein altes Soldatenlied von Ludwig Uhland:

«Eine Kugel kam geflogen,
Gilt’s mir oder gilt es dir?
Ihn hat es weggerissen,
Er liegt mir vor den Füßen,
Als wär’s ein Stück von mir.»

Nun gibt es sicherlich Tagi-Redaktoren (irgendwie ist der Schweizer Plural passend), die sich sicher sind, dass sie unkaputtbar seien. Immer brav in jede Körperöffnung oberhalb der eigenen Gehaltsklasse gekrochen. Jeden Woke-Wahnsinn mitgemacht. Niemals auch nur leise Kritik an den vielen Häuptlingen geäussert. Bei jedem Kommentar von Raphaela Birrer, jedem Auftritt von Kerstin Hasse, jedem birreweichen Rempler von Loser, Tobler & Co. nur innerlich zusammengezuckt und ein freundliches Gesicht dazu gemacht.

Niemals bezweifelt, dass man mit immer weniger Nasen immer besseren und konzentrierteren Qualitätsjournalismus machen könne. Kein Wort dagegen gesagt, dass man in der Verrichtungsbox im Newsroom im Stundentakt Tickermeldungen zusammenschnetzeln und rauspusten muss. Begeistert begrüsst, dass die Verweildauer des Users und die Quantität der eigenen Werke das einzige Leistungskriterium ist.

Aber dennoch. In solchen Zeiten ist auf jeden Fall die Führung gefragt. Schliesslich gibt es bis hinunter zum stellvertretenden Irgendwas über 50 Nasen bei Tamedia, die irgend eine Führungsaufgabe haben. Da hätte man erwarten können, dass auf jeden Fall von der Chefredaktion aufmunternde, öffentliche Geräusche kommen. Dass der neugierigen Leserschaft mal ernsthaft erklärt wird, wie man zum gleichen Preis mit weniger Leuten mehr Qualität basteln kann.

Man hätte auch ein Wort dazu erwarten müssen, dass die Entlassung von über 100 Nasen ja bedeutet: ihr ward bloss Ballast, Bremser, habt nichts zum Qualitätsjournalismus beigetragen. Denn es geht doch problemlos auch ohne euch. Ohne euch sind wir «noch näher» beim Leser, fragen uns «noch mehr», was der eigentlich will, frönen bedingungslos dem relevanten, demokratiefördernden Journalismus, üben die Vierte Gewalt im Staate aus.

Schön, dass wir Euch los sind. Das ist doch die Message. Nur: wen trifft’s? ZACKBUM schlägt vor, dass jeden Morgen, vielleicht so gegen neun, über das interne Kommunikationssystem folgendes Lied abgespielt wird. Als Muntermacher, als Motivationsturbo, vielleicht gesungen von der Chefredaktion:

Falls dazu die stimmlichen Fähigkeiten nicht ausreichen – Wikipedia weiss: «Gesungen wird das Lied dabei nur im Ausnahmefall, sondern lediglich durch Intonation der allgemein bekannten Melodie mit einer Blaskapelle oder einer einzelnen Trompete angedeutet.»

Vielleicht kann ja jemand im weitverzweigten Coninx-Clan Trompete spielen …

Im Tagi bärtschiet es überall

So viele Redaktoren ahmen die publizistische Leiter nach unten nach.

CH Media hatte auch einmal eine publizistische Leiter nach unten. Pascal Hollenstein liess sich als Sprachrohr von Jolanda Spiess-Hegglin missbrauchen, beschimpfte seine Leser als Milchkühe – und wurde von einem Tag auf den anderen entsorgt. Wanners war es zu viel geworden.

Seit der letzten Reorganisation hat Tamedia (oder «Tages-Anzeiger», man weiss nicht einmal genau, wie der Haufen aktuell heisst) einen publizistischen Leiter. Simon Bärtschi ergriff die erste grosse Möglichkeit, sich unsterblich zu blamieren, indem er das nächste grosse Rausschmeissen als «Weichenstellung für Qualitätsjournalismus» hochschwurbelte. Seither gibt es die Bärtschi-Skala, mit der Peinlichkeit gemessen wird. Seine eigene Benchmark liegt bei 10 Bärtschis.

Die ganze «Bschiss»-Sause arbeitet sich daran ab und erklimmt neue Höhen; zurzeit liegt sie bei einer 13. Die 12 erreichte sie schon, als sie den «Campaigner» Daniel Graf interviewte, der schwere staatspolitische Bedenken äusserte und über seine Konkurrenz herzog. Was der Qualitäts-Tagi zu erwähnen vergass: auch Graf ist im Geschäft des Unterschriftensammelns unterwegs.

Aber nachdem man diverse Kreisch-Artikel zum Thema brachte, den Fachmann interviewte, sogar hübsch geframt die Stellungnahme der Bundeskanzlei in die Pfanne haute, was bleibt da noch, um die Mähre weiter zu Schanden zu reiten? Natürlich, der Kommentar.

Veredelt zum «Leitartikel» stellt Thomas Knellwolf eine knallharte Forderung auf:

Schon im Lead arbeitet er mit allen Triggerwörtern: «massive Fälschungen», «Skandal», «spielen Ernst der Lage herunter», «dringend Massnahmen».

Nur hat das Getobe ein kleines Problem: es ist beweisfrei. Es ist Vermutungs- und Unterstellungsjournalismus. Der Tagi ist auch nicht aus eigenen Kräften auf diesen angeblichen Skandal gestossen. Er wurde angefüttert mit einer Strafanzeige.

Um die herum schlingt er gewagt Girlanden. Die Bundeskanzlei habe das schon lange gewusst, «aber sie schlug nicht Alarm». Immerhin wird ihr nicht mehr unterstellt, sie habe nichts getan. Dass sie sich erklärte, was soll’s. Umhüllt von tropfender Häme durfte sie mal kurz zu Wort kommen:

«Das Amtsgeheimnis, die Unschuldsvermutung, die laufenden strafrechtlichen Verfahren sowie der Schutz der Abstimmungsfreiheit gebieten es der Bundeskanzlei, die bestehenden Verdachtsfälle diskret zu behandeln.»

Zudem: «Solange die laufenden Strafuntersuchungen nicht abgeschlossen sind, kann die BK (Bundeskanzlei, Red.) keine gesicherten Aussagen machen über das Ausmass mutmasslicher Unterschriftenfälschungen. Doch ihres Erachtens liegen keine belastbaren Indizien vor für die Vermutung, dass über Vorlagen abgestimmt wurde, die nicht rechtmässig zustande gekommen sind.»

Aber das ist natürlich für den Tagi nur blödes Gedöns, sonst könnte er ja nicht weiter «Skandal» rufen. Während also die Bundeskanzlei «herunterspielt», weiss Knellwolf: «Kontrolleurinnen und Kontrolleure wissen: Es fliegen nur die besonders dreisten oder dummen Fälscherinnen und Fälscher auf.»

Sich einfach an Recht und Gesetz halten, die Unschuldsvermutung gelten lassen, die Ergebnisse von Strafverfahren abwarten – ach was. Damit wäre es doch kein schön knackiger Skandal mehr. Deshalb stellt Knellwolf auch gleich noch ein paar knallharte Forderungen auf, was nun getan werden müsse. Dass sie allesamt untauglich oder illegal sind, was soll’s:

«Damit das Vertrauen in die direktdemokratischen Prozesse erhalten bleibt, müssen die Bögen von Abstimmungen, die anstehen, zumindest stichprobenweise nachkontrolliert werden – und zwar indem die Personen, die angeblich unterschrieben haben, abtelefoniert werden. Sollte es für solche Kontrollen keine rechtliche Grundlage geben, muss diese schnellstens geschaffen werden.
Zudem muss langfristig ein weniger anfälliges System installiert werden. Sicherer gemacht werden kann der bisherige Sammelprozess durch ein Unterschriftenregister bei den Gemeinden oder durch E-Collecting, also elektronisches Sammeln, zum Beispiel über das Handy. Will man das nicht, bleibt nur noch ein Verbot des kommerziellen Sammelns – was ohnehin die einfachste Lösung wäre

E-Collecting, die Lieblingsidee von Graf, mit der er seine beeindruckende Adresskartei noch wertvoller machen könnte, obwohl es hier gewichtige datenschützerische Probleme gibt.

Normalerweise, das kennt man von x Wiederholungen bei den Leaks und Papers, wird Tamedia noch ein Weilchen nachjapsen, bis dann alle Qualitätsjournalisten sich trollen (falls sie nicht vorher gefeuert wurden).

Umrahmt wird das mit einem faktenwidrigen Interview mit dem «deutschen Ökonomen Holger Schmiedin», der kühn behauptet: «Leute wie Sahra Wagenknecht liegen völlig falsch», denn der Westen, also Europa, befinde sich keineswegs im Niedergang. Das wird den deutschen Mittelstand aber freuen zu hören. Nur dürfte ihm der rechte Glaube fehlen.

Zwecks Messung an der Bärtschiskala führt ZACKBUM noch die Höchstleistung des «Magazin» an: «Fragebogen zu Liebe, Sex & Partnerschaft». So eine billige Nummer trauen sich selbst Boulevardmedien immer seltener.

Und schliesslich verdreht Daniel Schneebeli mit seinem woken Kommentar «Migranten Stipendien zahlen – und Sozialhilfe sparen» auf absurde Weise die Wirklichkeit, um Stimmung für eine Zürcher Abstimmung zu machen. Auch hier erspart der Tagi dem Leser Verwirrung durch Gegenmeinungen.

Das läppert sich alles zu einer beeindruckenden Zahl von 18 Bärtschis in einer einzigen Ausgabe.

Lieber Tages-Anzeiger, liebe Tages-Anzeigerin, da geht noch was. 20 Bärtschis ist in Reichweite. Gebt nochmal alles, bevor Eure Reihen gelichtet werden. Wobei, mit rund 100 Nasen weniger kommt ihr auch auf 20 Bärtschis. Man muss nur wollen.

 

 

 

Qualitätsjournalismus? My ass

Kurt W. Zimmermann knöpft sich den Qualitätsanspruch von Tamedia vor.

Eine Massenentlassung, die mehr als 100 Journalisten bei Tamedia die Stelle kosten wird. Gleichzeitig blamierte sich die publizistische Leiter nach unten Simon Bärtschi mit einem Kommentar in «eigener Sache» unsterblich.

Oder wie Zimmi in der «Weltwoche» schreibt:
«Die aberwitzigste Begründung für die Sparübung kam vom obersten publizistischen Leiter des Verlags. Die Massenentlassung, schrieb er, sei ein Glücksfall. Es sei eine «Weichenstellung für den unabhängigen Qualitätsjournalismus».
Qualitätsjournalismus durch Massenentlassung? Weichenstellung? Die Branche brüllte vor Lachen, von der nahen NZZ bis zu den ferneren Le Monde in Paris und der Frankfurter Allgemeinen.»
Seither gibt es endlich einen Masstab zur Messung von Peinlichkeit im Journalismus. Es ist die Bärtschi-Skala. Mit dieser Lachnummer legte er die Benchmark vor: 10 Bärtschis. Sie wird selten übertroffen, häufig unterboten.
Diese lachhafte Behauptung, die wohl nicht einmal karrierefördernd war, nimmt Zimmi zum Anlass, selbst Kriterien aufzustellen, nach denen sich «Qualitätsjournalismus» messen lässt. Nein, Massenentlassungen gehören nicht dazu. Dafür aber vier Dinge, die eben eine NZZ, eine Le Monde, eine FAZ oder eine NYT zu Qualitätsmedien machen.

Wie bei Bärtschi kann man das ganz einfach messen, es sind nur vier Kriterien:

– Auslandberichterstattung
– Feuilleton
–Wirtschaftsberichterstattung
– offene Meinungsbildung

Nun könnte man noch diskutieren, wenn ein Blatt nicht alle vier Kriterien erfüllt. Bei Tamedia hingegen ist es ganz einfach: hier wird Qualität nur behauptet, nicht geliefert. Das Medienhaus fällt bei allen vier Kriterien durch.

Statt eigener Auslandberichterstattung mit eigenen Korrespondenten übernimmt es flächendeckend die Berichterstattung der «Süddeutschen Zeitung», die mit sehr linker, teutonischer Sicht die Welt betrachtet und mit typisch deutscher Rechthaberei bewertet und benotet. Nicht nur hier, nebenbei, der halbe Tagi ist voll von Artikeln aus der SZ, wenn sie nicht von der DPA, SDA oder AFP stammen.

So etwas wie ein Feuilleton oder eine Kulturberichterstattung gibt es nicht mehr. Es gibt zwar noch ein Team «Kultur», das diesem Namen aber Schande macht. Man kann ja nicht im Ernst behaupten, dass Andreas Tobler oder Nora Zukker etwas mit Kultur zu tun hätten.

Tamedia hat sich gerade rumpelig von seinem Wirtschafts-Chef getrennt; niemand weiss, warum. Was früher mal eigenständig war, ist inzwischen ein Mischmasch von «Politik & Wirtschaft». Der einzig ernst zu nehmende Wirtschaftsjournalist Arthur Rutishauser kann das im Alleingang auch nicht rausreissen.

Debattenkultur ist das letzte Kriterium. Alle grossen Qualitätszeitungen pflegen den Gastkommentar, die andere Meinung, den Widerspruch. Bei Tamedia kommentieren meistens die eigenen Schreiber. Am liebsten auch noch sich selbst und ihren Bauchnabel. Will aber zum Beispiel René Zeyer einen Gastkommentar als Erwiderung zu einer unerträglichen Kriegstreiberei schreiben, dann wird ihm mitgeteilt, er habe «Schreibverbot». Ausgesprochen von zwei unsicheren Weibern der Chefredaktion, die sich durch ihn «diffamiert» fühlen.

Auf die Frage, ob sie dafür vielleicht ein, zwei Beispiele nennen könnten, verstummt die Chefredaktion. Das ist mal echte Debattenkultur.

Es ist schon lachhaft, ein grosses Rausschmeissen als Weichenstellung für Qualitätsjournalismus verkaufen zu wollen. Schlimmer noch, selbst der dümmste Leser merkt, dass er hier verarscht wird, auf den Arm genommen, über den Löffel balbiert.

Aber auch unabhängig davon ist Tamedia schon lange nicht mehr ein Qualitätsorgan. Der Tagi ist in weiten Teilen eine (oft schlechte) Kopie von «20 Minuten». Mit zwei Unterschieden: der Tagi ist nicht gratis, und er ist vollgesosst mit Meinungen und Kommentaren der Redaktoren, die meistens keinen Menschen interessieren.

Kein Qualitätsorgan käme auf die Idee, die Autoren eines angeblichen Scoops sich selber produzieren zu lassen, mit stolzgeschwellter Brust über ihre übermenschliche Leistung zu schwadronieren. Das dürfen auch die Autoren einer Podcast-Serie über eine Sprinterin, die vor langer Zeit gestorben ist und keinen Menschen mehr interessiert.

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung, heisst es. Den will Tamedia offenbar nicht tun. Ein erstes Zeichen wäre es, wenn sich das Medienhaus von seinem publizistischen Leiter trennen würde. Denn mit einer solchen Lachnummer kann es nicht besser werden.

Geht’s noch peinlicher?

Der Wettbewerb ist eröffnet. ZACKBUM misst mit der Bärtschi-Skala.

Simon Bärtschi hat vorgelegt. So wie es die Scoville Skala gibt, um die Schärfe von Chilis zu messen, gibt es neuerdings die Bärtschi-Skala, um den Grad von Peinlichkeit zu quantifizieren. Er selbst liegt mit seinem Kommentar bei 10 Bärtschis. Das ist ein solider oberer Wert. Er kann unterboten werden, aber nur schwer gesteigert.

Ausser natürlich von Patrizia Laeri. Die kennt inzwischen nichts mehr, wenn es darum geht, an die Öffentlichkeit zu drängen. Da arbeitet sie auf Dieter-Bohlen-Niveau. Vor mehr als zwanzig Jahren soll sie ein TV-Mitarbeiter bedrängt haben, was sie dermassen traumatisierte, dass sie erst viel, viel später öffentlich darüber sprechen konnte.

Leider ergab dann die Untersuchung, dass nichts dran war und es sich auch nicht so, wie von ihr behauptet, abgespielt haben konnte. Blöd auch.

Das war noch eine stabile 9 auf der Bärtschi-Peinlichkeitsskala. Nachher hörte man nichts mehr, obwohl sie vollmundig angekündigt hatte: «Sobald ich den Bericht geprüft habe, werde ich informieren.» Dafür geben wir eine glatte 10.

Das Problem ist: mit ihrer Finanzplattform für Frauen läuft es halt nicht so gut, also kann sie keine Erfolgsmeldungen herbeischwurbeln. Was tun, wenn sie trotzdem in die Medien will?

Da landete sie schon einen Treffer auf der Bärtschiskala im oberen Bereich, glatte 12 Bärtschis:

Damals musste sie noch mit der feministischen Forderung «Heiratet alle» nachlegen, um sich in den Medien zu halten, wofür ihr jede Geschmacklosigkeit recht ist. Dafür gibt’s wieder eine 10.

Eigentlich könnte man meinen, dass damit das Thema ausgereizt ist, tot ist tot. Aber doch nicht bei Laeri. Sie kann nachlegen, und damit stellt sie einen bislang nicht ansatzweise erreichten Rekord auf.

«Nun feierte sie erstmals nach seinem Tod den Geburtstag des Investment-Bankers», schwülstelt Berit-Silja Gründlers, «Redaktorin People» beim Qualitätsblatt «Blick».

Laeri hat in tiefer Trauer und in aller Stille des Geburtstags des Toten gedacht:

«Erster Geburtstag im Himmel», der Versuch, das Adjektiv geschmacklos zu steigern. Dazu das übliche Partyvolk im Partydress, Luftballons, und in der Mitte, wo sie sich am wohlsten fühlt, Laeri.

Dafür gibt es eine stolze 20; sie verdoppelt den Peinlichkeitsfaktor von Bärtschi mühelos.

Wer dermassen geschmacklos den Tod seines Partners, der sich nicht mehr dagegen wehren kann, öffentlich ausschlachtet, sollte man dem wirklich sein Geld anvertrauen? Die Frage stellen, heisst sie beantworten.

Neues vom Qualitätsjournalismus

«Prawda»-Bärtschi ist unermüdlich.

Sein grauenhafter Kommentar «Weichenstellung für den unabhängigen Qualitätsjournalismus» hat gute Chancen, als schlimmste Fehlleistung des Jahres an das Schandmal der höchsten Peinlichkeit genagelt zu werden.

Darüber hat es der Oberchefredaktorin Raphaela Birrer offenbar die Sprache verschlagen. Der gröbste Kahlschlag aller Zeiten in ihrer Redaktion, der dummdreiste Kommentar von Bärtschi, wäre es nicht angebracht, dass die oberste Redaktionsleitung mal einen Ton sagt? Ihrer Rumpfmannschaft Mut zuspricht, vielleicht gar gelinde Kritik übt? Aber doch nicht Birrer; dazu bräuchte es Rückgrat …

Die von Bärtschi publizistisch geleiteten Frauen und Männer von Tamedia, durch seine träfen Worte zu höchster Leistung und grandioser Motivation angestachelt, beschäftigen sich vornehmlich mit der Frage: trifft es mich oder trifft es dich beim nächsten Rausschmeissen zur Steigerung der Qualität?

Nebenher blubbern sie noch so etwas wie Artikel raus. Dabei begeben sie sich auch mal ins Reich des Raunens, der Andeutungen, der Leserverwirrung:

Die beiden Recherchiercracks Catherine Boss und Oliver Zihlmann machen etwas Originelles. Sie gehen mit einer unvollendeten Story an die Öffentlichkeit. An der ETH gebe es Vorwürfe «gegen einen renommierten Professor». Worum es allerdings genau geht, das zu beschreiben «verbietet das Bezirksgericht Zürich auf Antrag des Professors hin», wie es in leicht holprigem Deutsch einleitend heisst.

Qualitätsjournalismus würde bedeuten, dass man halt noch solange wartet, bis dieses Hindernis aus dem Weg geräumt ist. Aber doch nicht im Qualitätsblatt Tagi. Da wird nur etwas von «unangemessenem Verhalten» gemurmelt.

Dafür wird gleich eine Kampagne draus gemacht:

Und noch einer:

Da darf natürlich die selbsternannte Feministin nicht fehlen, die zwecks Gleichberechtigung die Offenlegung der Löhne fordert, nur nicht des eigenen. Also plappert Kerstin Hasse:

Ausser dieser wohlfeilen Forderung hat sie eigentlich nichts zu bieten. Denn sie kritisiert, dass Personen, die einen Vorgesetzten anschuldigen, ihre Anonymität aufgeben müssen. Andererseits räumt sie ein: «Gleichzeitig muss sich ein kritisierter Vorgesetzter auch gegen Vorwürfe wehren können. Und das kann er nur, wenn er weiss, worum es geht.» Das war beim via Spiess-Hegglin an die Öffentlichkeit durchgestochenen Protestbrief von erregten Tagi-Frauen, zu denen allerdings Hasse nicht gehörte, anders. Sie unterzeichneten zwar mit Namen, aber alle angeführten Beispiele von angeblichen sexistischen Belästigungen erfolgten anonym, wodurch kein einziger verifiziert – oder falsifiziert werden konnte.

Wohlgemerkt: es handelt sich hier um bislang nicht bewiesene Anschuldigungen von anonymen Denunziantinnen, während der Beschuldigte sagt, dass nichts davon zutreffe. Theoretisch würde da die Unschuldsvermutung gelten, aber wenn man gerne endlich mal wieder «Skandal» quäken möchte, kann man sich um solchen Pipifax doch nicht kümmern.

Nutzwert, Ratgeber, Leserbedürfnis, hat wahrscheinlich die publizistische Leiter nach unten gemurmelt, voilà, sagt die Redaktion:

Allerdings übersteigen solche Höchstleistungen im Banalen ihre Leistungsfähigkeit (wahrscheinlich nicht herzhaft gefrühstückt, die Sparrunde ist auf den Magen geschlagen). Also muss Johanna Adorján ran, die ihr Frühstück bei der «Süddeutschen Zeitung» verdient.

Noch mehr Nutzwert? Aber bitte:

Das Beste an dieser Ansammlung von Banalitäten: sie ist hausgemacht, Matthias Schüssler ist (noch) auf der Payroll von Tamedia.

Aber auch auf höchster Ebene nimmt man sich eines brennend aktuellen Themas an, das die Mehrheit der LeserInnen* dort abholt, wo sie nicht sind:

Denn der Tagi wüsste ja nicht, was er ohne die «Tages-Anzeigerin» machen würde. Hier blödeln Annik Hosmann und Kerstin Hasse als «Host» (was immer das sein mag), während Sara Spreiter die Produzentin macht. Daraus entstehen über 31 Minuten Gequatsche, die man problemlos als Folterinstrument verwenden könnte. Da gesteht jeder alles, wenn man es nur abschaltet.

Der SZ-Journalist Martin Wittmann hat ebenfalls den Blick fürs Wesentliche:

Das ist eine Frage, die unbedingt einmal beantwortet werden musste. Sozusagen mit einem Griff ins Klo.

Einen neuen Gipfel des Bauchnabeljournalismus erklimmt Nadine Jürgensen:

Selten, aber möglich: TA-Korrespondent Fabian Fellmann schafft es sogar in die SZ, allerdings auch in den Tagi. Aber während die Münchner noch gedämpft den Titel setzen «Trump entweiht die Gräber», haut das Qualitätsorgan von der Werdstrasse einen raus:

Echt jetzt, so weit geht der schon? Hat er nun doch einen erschossen, was ihm nicht schaden würde, wie er mal sagte? Nicht ganz, Donald Trump hat sich bei einem Besuch des Soldatenfriedhofs Arlington filmen lassen, was dort nicht erlaubt ist. Aber Qualitätsjournalismus heisst dann, daraus einen richtigen Brüller als Titel zu zwirbeln.

Und dann gibt es noch die qualitativ herausragende Kolumne von Ronja Fankhauser: «Ich will nicht, dass Roboter Gedichte schreiben». Wenn kümmert’s, hört ja auch niemand auf die Tagi-Leser, die nicht wollen, dass Fankhauser Kolumnen schreibt. Aber deren Inhalt, ZACKBUM hat nach dieser Galerie des qualifizierten Grauens ein Einsehen, ersparen wir unseren Lesern. Auch die sind keine Übermenschen.

 

 

 

Peinlicher

Kann Bärtschi peinlich steigern? Oh ja.

Seine Münchhauseniade «Weichenstellung für den unabhängigen Qualitätsjournalismus» hat, Stand Mittwochvormittag, über 250 Kommentare ausgelöst. Angesichts der Zensurpolitik des Tagi im Kommentarbereich, wo selbst harmlose und höfliche Stellungnahmen abgebürstet werden, dürften weitere 750 im Orkus gelandet sein.

Hier haben wir das Problem, dass dennoch fast alle negativ sind. Wobei man sicher sein kann, dass alle positiven Wortmeldungen ungefiltert aufgeschaltet wurden. Vielleicht auch redaktionsnahe Kräfte dazu animiert wurden, mal was Nettes zu sagen. Zum Beispiel das hier, was ganz einsam herausragt:

«Die Massnahmen sind leider notwendig, aber richtig. Wir brauchen unbedingt weiter einen eigenständigen und kompetenten Qualitätsjournalismus!»

Allerdings ergibt eine Auswertung der Kommentare im Rahmen des Qualitätsjournalismus, dass sehr wohlwollend gezählt haargenau 8 positive und 9 neutrale darunter sind. Alle anderen regen sich in mehr oder minder harschen Worten über die Schönschreibübung von Bärtschi auf:

«Das Wort heisst nicht Qualitätsjounalismus, sondern Konzernjournalismus. Und dieser hat über die letzten 30 Jahre die Qualität im Journalimus sukzessive abgebaut.»
«Tamedia will seinen Lesern das Verhältnis von Qualitätsjournalismus zur Anzahl Journalistenstellen als umgekehrten Dreisatz verkaufen?»
«Bei diesen Sparmassnahmen geht es alleine darum, das prallgefüllte Portemonnaie der Aktionäre noch weiter zu füllen.»
«Ein Stellenabbau in den Redaktionen führt zwangsläufig zu einem Rückgang des Angebots und der vielbeschworenen Qualität. Verständlich, dass immer weniger Leute bereit sind dafür zu bezahlen. Ich gehöre bald auch dazu.»

Wenn man versucht, den Leser zu verarschen, und dann von ihm dermassen eins über die Rübe kriegt, dann muss sich ein «publizistischer Leiter» schon fragen, ob er an der richtigen Stelle ist. Und ob so ein kontraproduktives Geschwurbel karrierefördernd ist.

Mehr Qualität

Im Sinne von «Prawda»-Bärtschi steigert der Tagi stetig seine Qualität.

Es ist eine tägliche Freude, zusehen zu dürfen, wie die Zeitung das Geschwurbel ihrer publizistischen Leiter nach unten  tagtäglich befolgt und umsetzt: «Die Qualität steht für uns zuoberst.»

Aber nicht nur das. «Glaubwürdigkeit, Relevanz, Wahrhaftigkeit und Fairness sind die Pfeiler unserer Publizistik.» Zu dieser verlangten und eingelösten Relevanz gehört sicher dieser Artikel, für den sich Angela Barandum zu höchster Qualität aufschwang:

«Mia erzählt», verspricht der Lead. Allerdings: «Mia möchte Mutter werden. Weil sie fürchtet, in der Kulturbranche keine Stelle mehr zu finden, sobald ihr Kinderwunsch bekannt wird, bleibt sie anonym.» Und dafür musste der Fotograf Jonathan Labusch (hohe Qualität eben) ran, um ein verschwommenes Porträt zu machen, auf dem man die Dame mit wenigen Handgriffen im Photoshop kenntlich machen könnte.

Auch die Tagi-Kultur gibt alles, denn genauso wie die Kampagne über sich in der Frauenbadi Zürich begafft fühlende Frauen (4 in den letzten 11 Jahren) bleibt Qualitätsjournalist Andreas Tobler einem kulturellen Randphänomen, um es sehr höflich auszudrücken, gnadenlos auf der Spur:

Wobei er zu erwähnen vergisst, dass er selbst seinen Beitrag zu dieser «Reality-Doku» geleistet hat, indem er schon mal darüber berichtete. Und so etwas läuft unter «TA Kultur». Da gackern die Hühner und der Hahn wälzt sich vor Lachen.

Da geht noch einer drüber, sagt sich Qualitätsjournalistin Alexandra Kedves mit ihrem kulturell hochstehenden Beitrag:

Vielleicht für die Leser, die sich nicht auf dieser kulturellen Hochebene bewegen: Ralf Schumacher war vor vielen Jahren mal Formel-1-Fahrer. Und hat sich vor vielen Jahren vom Erotik-Model Cora Schumacher getrennt. Er machte in der Yellow Press etwas Schlagzeilen, indem er sich als homosexuell outete. Daraus machte Cora Schumacher (berühmt aus «Promi Big Brother 2018» und Ähnlichem) auch Schlagzeilen.

Bis vor Kurzem konnte man freizügige Fotos des «Erotik-Models» auf «Only Fans» gegen Bezahlung anschauen. Aber durch ihr Gejammer hat sie es sogar zu einem Interview im auch qualitativ hochstehenden «Spiegel» geschafft.

Kann man aus dieser trüben Boulevardkiste aus der untersten Schublade noch etwas herausmelken, was selbst die Klatschblätter inzwischen aufgegeben haben, weil das Publikum immer lautere Gähngeräusche von sich gab? Natürlich, mit dem qualitativ urältesten Nachzugs-Trick: «Paartherapeutin Monika Röder erklärt, wie belastend ein Coming-out des Ex-Partners sein kann. Und gibt einen Tipp

Das ist natürlich wunderbar für die Paartherapeutin, dass sie so zu Gratiswerbung und einem eigenen Kästchen im Artikel kommt:

Allerdings hat es hier, im Gegensatz zum verschwommenen Foto von Mia, nicht für den Einsatz eines Fotografen gereicht, das Bild ist von Xing kopiert.

Welche tiefschürfenden und qualitativ hochstehenden Erklärungen teilt Röder mit dem Leser? «Auch das Vertrauen in Beziehungen, in Menschen dieses Geschlechts oder ins Leben kann dadurch tief erschüttert werden.» Wow, schön, dass wir das nun wissen. Und was ist denn der versprochene Tipp? «Mit welcher Entscheidung könnte ich im Rückblick auf mein Leben, etwa mit 80 Jahren, am besten leben

Also, abwarten, Tee trinken und sich dann vor einem Outing überlegen, mit welcher Entscheidung man mit 80 leben könnte. Hört sich realistisch und praktikabel an.

Aber: haben diese drei aktuellen Artikel irgend etwas mit dem Geschwurbel von Bärtschi zu tun? Wenn nein, wieso hat er als journalistischer Leiter nicht eingegriffen? Wieso taten das vor ihm nicht die beiden leitenden Damen in der Redaktion? Oder wollen Raphaela Birrer und die fürs digitale Storytelling zuständige Kerstin Hasse etwa sagen, dass das drei herausragende Qualitätsartikel seien?

Gut, Hasse kümmert sich um Fragen wie die, ob Frauen oben ohne herumlaufen sollten oder nicht. Und Birrer schreibt Kommentare, mit denen sie mindestens die Hälfte der Leserschaft stocksauer macht. Da kann man sich dann auch nicht um alles kümmern, in diesem Saftladen, der einstmals eine ernstzunehmende und qualitativ hochstehende Zeitung war.

 

Rad ab, Kopf ab

Wieso sagt TX nicht einfach die Wahrheit?

Die Wahrheit über das Siechtum von Tamedia ist eigentlich ganz banal. Sie besteht zunächst einmal aus Zahlen. «Seit Pietro Supino im Jahr 2007 VR-Präsident der TX Group wurde, hat er mit seinem Unternehmen einen operativen Gewinn von genau 3174,7 Millionen Franken gemacht» hat Kurt W. Zimmermann in der «Weltwoche» vorgerechnet.

Allerdings muss damit ein riesiger, geldgieriger Coninx-Clan unterhalten werden. Dafür hat er das Familienmitglied Supino an die Spitze des Konzerns entsandt. Der hat tatsächlich dieses Spitzenresultat erzielt, Chapeau.

Dafür hat er den «Tages-Anzeiger» in eine Holding mit vielen einzelnen Proftcentern aufgesplittet. Zersplittert ist dabei die Urzelle des Konzern, die Publizistik. Sie ist nichts mehr als ein Feigenblatt, mit dem gewedelt wird, wenn mal wieder der meist untaugliche Versuch unternommen wird, noch mehr staatliche Subventionen rauszuleiern.

Denn im Gegensatz zu Migros oder Coop behauptet dann TX, und nicht nur dieser Konzern, dass Journalismus unverzichtbar für die Demokratie sei und als Vierte Gewalt furchtbar wichtige Kontrollaufgaben habe. Allerdings: wenn das wirklich ernstgemeint wäre, hätte der Coninx-Clan ja vielleicht auch so sein kleines Scherflein dazu beitragen können.

Stattdessen hat Supino etwas fatal Cleveres gemacht. Offiziell wird über die rückläufigen Werbeeinnahmen gejammert; im Print, aber auch online. Dabei hat Supino sämtliche Inseratequellen dem Tagi weggenommen. Stellen-Anzeiger, Auto- und Wohnungsmarkt, Verkaufsanzeiger, selbst Tauschbörsen, alles ist ins Internet abgewandert. Aber nicht nur das, diese Einnahmequelle wurde dem Tagi, der sie ja erst jahrzehntelang aufgepäppelt hat, weggenommen und in eigene Profitcenter ausgelagert.

Der Zusammenschluss mit Ringier auf diesen Gebieten hat einen Wertzuwachs in Milliardenhöhe in die Bilanz gespült, der mit einer Sonderdividende gefeiert wurde.

Dem Tagi werden die Räder abgeschraubt, und dann wundert man sich, wieso die Karre nicht mehr so rund läuft. Und verlangt gleichwohl, dass die Abteilung Publizistik die konzernübliche Marge von 8 Prozent Gewinn erreicht. Das geht natürlich nicht, und das wissen auch alle Beteiligten. Sie schwafeln dabei unaufhörlich von Qualitätsjournalismus, während sie in Wirklichkeit die Publizistik zu Tode sparen. Was wortwörtlich zu nehmen ist.

Ein Konzern, der dermassen brutal mit einer seiner Sparten umgeht, zeigt damit ganz klar: Tagi & Co. ist ein Auslaufmodell. Eine Schindmähre auf dem Weg zum Abdecker, und man kann nicht mal mehr Seife aus ihr herstellen. Vielleicht wird «20 Minuten» überleben, zumindest noch ein Weilchen. Aber der Qualitätsjournalismus ohne Qualität und Quantität hat mit dem neusten grossen Rausschmeissen sein Totenglöckchen läuten hören.

Alles andere ist dummes Gedöns, auf primitivsten Niveau von Simon Bärtschi dargeboten, bei dem man sich fragen muss, ob sich der Mann morgens noch im Spiegel anschauen kann, ohne rot zu werden. Die Antwort ist leider ja. Roger Schawinski hat die führenden Figuren vors Mikrofon gebeten. Pietro Supino, Jessica Peppel-Schulz, Simon Bärtschi. Und hat nur windelweiche Absagen kassiert.

Bärtschi war auch hier unschlagbar: er müsse nun auf die Mitarbeiter zugehen und es ihnen erklären, daher keine Zeit. Aber das Problem ist ein anderes. Nicht der Befrager Schawinski, vor dem alle Angst haben. Sondern die Tatsache, dass der «Doppelpunkt» live ist. Das Biden-Problem: man kann sich von Wortschnitzern watteweiche Statements bereitlegen lassen, die man in einem schriftlichen Interview absondert, wie das Peppel-Schulz und Bärtschi in der NZZ taten.

Aber vor dem Mikrofon muss man spontan auf Fragen reagieren können. Bidens Problem war, dass er zunehmend senil ist. Das Problem er Führungscrew von Tamedia ist, dass sie auf die banale Frage, wie denn mehr Qualitätsjournalismus mit ständig weniger Qualitätsjournalisten gehen soll, keine Antwort wissen. Da Schawinski sie nicht mit Wortwolken davonkommen liesse, so vor dem Mikrofon, müssten sie eingestehen: keine Ahnung, natürlich geht das nicht. Aber dazu sind sie zu feige.

Die gleichen Leute, deren Organe jeden interviewen und ihm kritische Fragen stellen wollen, sich bitterlich beschweren, wenn sich jemand dem entzieht. Aber die obersten Verantwortlichen kneifen allesamt. Vorbildlich. Oder: der Fisch stinkt immer vom Kopf.