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Tiefflieger Loser

Niemand ist vor ihm sicher. Konkurrenten, Bundesräte, die Justiz. Wo bleibt das Qualitätsmanagement?

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Tamedia ist furchtbar stolz darauf, dass angeblich die Qualität der Produkte streng und objektiv und unabhängig kontrolliert werde.

Dass diese «Qualitätssicherungsmassnahmen» vom ehemaligen Tagi-Chefredaktor Res Strehle verantwortet werden, dem wohl schlimmsten Wendehals der Schweizer Publizistik, was soll’s.

Dass der letzte Rapport zufällig dann erschien, als 78 Tamedia-Frauen sich wie wild über unerträgliche Zustände auf den Redaktionen beschwerten – und davon kein Sterbenswörtchen im Bericht stand, was soll’s.

Dass die Corona-Kreische Marc Brupbacher ungeniert Bundesräte und überhaupt alle, die ihm nicht passen, anrempeln kann («völlig übergeschnappt»), was soll’s.

Gnädig gegen sich selbst, hart gegen die Wahrheit.

Aber dann haben wir noch Philipp Loser. Die Allzweckwaffe des Hauses. Höchstens noch egalisiert von Andreas Tobler, dem Versteher von Mordaufrufen. Allerdings nur, wenn sie sich gegen Roger Köppel richten. Toblers neuer Schwerpunkt ist Frauenverstehen.  Beide sind immer gerne bereit, Konzernjournalismus zu betreiben. Tobler kläfft gegen Jonas Projer, wenn der Chefredaktor der NZZaS wird («widerspricht auch dem Qualitätsanspruch der «NZZ am Sonntag» – und der linksliberalen Positionierung des Blattes».)

Wohlgemerkt lange, bevor Projer sein Amt antrat. Da will auch Loser nicht hintanstehen. Der drosch schon so unfair und ungehemmt auf den Konkurrenten Hanspeter Lebrument ein («Über dem «Alten vom Berg» sollen «Geier kreisen», aus dem «Palast Lebrument» sei ein «MausoLöum» geworden»), dass das selbst die tiefliegende Latte der «unter jeder Sau»-Qualität bei Tamedia riss. Der Artikel wurde aus dem Archiv gespült, Loser musste zum «Alten vom Berg» kriechen und sich entschuldigen.

Wieso allerdings all den vielen Qualitätskontrolleuren vor Publikation nicht auffiel, was für ein Schmierenstück das war – und dass der Angerempelte nicht mal Gelegenheit erhalten hatte, Stellung zu nehmen –, nun Qualitätskontrolle ist nicht so einfach.

Nun ist die Schweizer Klassenjustiz fällig

Bei anderen schon, denn nun nimmt sich Loser die Justiz vor. «Gnädig gegen rechts, hart gegen links», behauptet er in seiner Kolumne, als wäre in der Schweiz die alte Klassenjustiz wiederauferstanden. Dass das in der Weimarer Republik kritisiert wurde, zum Beispiel von Carl von Ossjetzky, Kurt Tucholsky und Ernst Ottwalt, dazu würde Loser wohl sagen: Was ist denn die Weimarer Republik? Und wer waren denn die?

Er lamentiert über die Verfolgung von Sibel Arslan. Denn sie vereine «drei Feindbilder rechter Politik. Sie ist eine junge, unabhängige Frau. Sie hat einen Migrationshintergrund. Sie ist links».

Jung, unabhängig, links mit Migrationshintergrund.

Das mag so sein, aber was hat das mit «seltsamen Ermittlungen gegen eine Nationalrätin» zu tun? Alles das Gleiche, behauptet Loser. Das zeige sich «in den Kommentarspalten der Online-Medien», ebenso bei «unangebrachten Sprüchen von rechten Ratskollegen» und eben, in einer Untersuchung der Basler Staatsanwaltschaft. Denn die erdreistete sich, dem Parlament den Antrag auf Aufhebung der Immunität als Nationalrätin zu stellen. Ein nötiger Schritt, um allenfalls Einvernahmen durchführen zu können.

Denn es bestand der Anfangsverdacht, dass sie an einer unbewilligten Demonstration teilgenommen habe, behauptet Loser. Allerdings nicht als «Freiheitstrychlerin». Wenn bei solchen Demonstrationen nur schon «Ueli, Ueli» gerufen wird, bekommt Bundesrat Ueli Maurer gleich eine rein, dieser Zeusler, Zündler und Gefährder des Friedens im Lande.

Der Antrag gegen Arslan wurde abgelehnt, also könnte die Karawane weiterziehen. Zurück bleibt aber Beller Loser. Hart gegen links, blind gegen rechts, als Beleg kann Loser die Meinung eines Christian von Wartburg anführen: «Es darf keinen Moment auch nur den Anschein machen, dass eine so mächtige Behörde wie die Staatsanwaltschaft nicht streng nach Strafprozessordnung vorgeht.»

Ein Jurist und SP-Grossrat auf Stammtischniveau

Von Wartburg ist Grossrat für die Basler SP und «Präsident der parlamentarischen Oberaufsicht» in Basel. Nun ist er auch Jurist und sollte daher wissen, dass Anschuldigungen gegenüber Strafverfolgungsbehörden mit grosser Vorsicht und noch grösseren Belegen vorgebracht werden sollten.

Sonst herrscht Stammtischniveau. Die einen regen sich über angeblich zu hartes Vorgehen gegen Arslan auf. Die anderen beklagen, dass den illegalen Besetzern des Bundeshausplatzes nichts passierte, dass sogar Blockierer vor einem Eingang der CS dank edler Motive Freisprüche geschenkt werden.

Für Loser «bleibt allerdings ein banges Gefühl zurück nach einem Fall wie jenem in Basel». Er stellt sich und seinen Lesern die bange Frage: «Durchaus möglich, dass auch andere Strafverfolgungsbehörden der Schweiz politisierte Entscheidungen treffen. Ob es dort auch jemand bemerkt?»

Ob Loser etwas bemerkt? Arslan wurde nicht wegen Teilnahme an einer Demonstration strafrechtlich verfolgt, sondern wegen des Verdachts der Behinderung einer Amtshandlung. Ist etwas anderes. Loser führt kein einziges Beispiel für Kuscheljustiz gegen Rechte an. Kann er auch schlecht, denn bei Demonstrationen der Massnahmenkritiker kommt es regelmässig zu Verhaftungen und Anzeigen.

Was tut Loser also da? Er senkt das gesenkte Niveau von Tamedia noch weiter ab. Ohne dass eine Qualitätskontrolle eingreifen würde. Aber wer nach seinem Blattschuss aus dem Hinterhalt gegen einen missliebigen Konkurrenten offensichtlich weiter unkontrolliert eine Kolumne bestreiten darf, ist der lebende Beweis dafür, dass es gar nichts zu kontrollieren gibt. Mangels Qualität.

«Gnädig gegen rechts»? Leere Behauptung ohne ein einziges Beispiel. «Hart gegen links»? Soll denn die Staatsanwaltschaft nicht mehr einem Anfangsverdacht nachgehen, auch gegen eine Nationalrätin? Dummes Gequatsche ohne Sachverstand. Wird sicherlich im nächsten Qualitätsbericht als herausragendes Beispiel für eine Meinungskolumne gelobt werden.

Weltmeisterschaft der Heuchler

Es sollte eine olympische Disziplin werden. Pflicht, Kür, Medaille im Heuchel-Wettkampf. Verliehen wird ein Tartuffe in Gold, Silber oder Bronze.

Ich sage Afghanistan. Was sagst du? Die Flüchtlingsorganisation der UNO sagt: «UNHCR ruft aufgrund der humanitären Krise in Afghanistan zu einem dauerhaften Waffenstillstand und einer Verhandlungslösung im Interesse des afghanischen Volkes auf.»

Was sagt die UNICEF, die Kinderhilfsorganisation der UNO? «Wir fordern die Taliban und andere Parteien auf, dafür zu sorgen, dass UNICEF und unsere humanitären Partner sicheren, rechtzeitigen und ungehinderten Zugang haben, um Kinder in Not zu erreichen, wo immer sie sind. Darüber hinaus müssen alle humanitären Akteure die Möglichkeit haben, nach den humanitären Grundsätzen der Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit zu handeln.»

Was sagt CH Media? «Deutscher Afghanistan-Veteran: «Die Menschen fürchten die Rache der Taliban – sie haben Todesängste»»

Was meldet der «Tages-Anzeiger»? «James Dobbins war der erste US-Botschafter in Afghanistan nach der Invasion von 2001 und Berater von Bush und Obama. Er sagt unter Tränen: Ich trage eine Verantwortung.»»

Was sagen die USA über das Schicksal der bereits Ausgeflogenen, die in Doha zwischengelagert werden? «Man sei sich der «schrecklichen hygienischen Zustände in Katar» bewusst, die dort geherrscht hätten, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby. Man habe bereits daran gearbeitet, sie zu verbessern», berichtet «20 Minuten».

Die St. Galler Stadträtin Sonja Lüthi:

«Ich bin persönlich – wie auch der gesamte Stadtrat – tief betroffen von den erschütternden Bildern, die uns aus Afghanistanerreichen.»

Auch Balthasar Glättli, Präsident der «Grünen», ist aufgewacht und will das Feld nicht Afghanistan-Kreische Fabian Molina und seiner SP überlassen: «Der Bundesrat zeigt sein kaltes Herz: 230 Personen aufzunehmen, während Millionen Menschen in Gefahr sind, ist ein Hohn. Wir GRÜNE fordern die Aufnahme von mindestens 10’000 Menschen, die besonders bedroht sind.»

Hauptsache gut im Bild: Balthasar Glättli.

Das sieht die Schweizerische Flüchtlingshilfe auch so:

«Afghanistan: Die Schweiz muss mehr leisten für den Schutz der Flüchtlinge»

Neben diesem Maulheldentum, was passiert denn konkret? In Deutschland versucht ein EU-Abgeordneter der Grünen, einen Charterflug nach Kabul zu organisieren und sammelt dafür Spenden ein. Leider hatte der gleiche Erik Marquardt schon rund 300’000 Euro für das Chartern eines Bootes zur Seenotrettung im Mittelmeer gesammelt. Zu einem Einsatz des Schiffes kam es nicht

Aber Marquardt unterscheidet sich von den fordernden Heuchlern immerhin dadurch, dass er etwas Konkretes auf die Beine stellen will. Er antwortet allerdings nicht auf journalistische Anfragen; man sei zu sehr mit der Organisation des Charterflugs beschäftigt. Mangels anderer Nachrichten ist es wohl eher ausgeschlossen, dass der vor dem 31. August noch stattfinden wird.

Reine Heuchelei, absurde Forderungen

Alles Betroffenheitsgesülze ist reine Heuchelei. Konkrete Hilfe ist gar nicht so einfach. Vielleicht sind da alle unter talibanartigen Zuständen bei Tamedia leidende Frauen konsequent, wenn sie zum Thema Afghanistan und Frauen einfach schweigen. Betrifft ja nicht ihren eigenen Bauchnabel, und der interessiert sie halt schon am meisten.

Es ist schwierig, konkret etwas zu tun. Angesichts all dieser hohlen Forderungen, Solidaritätsadressen, dem mehr oder minder lyrischen Ausdruck der Erschütterung kann man nur festhalten: das ist alles so widerlich, dass es eine neue Wettkampfdisziplin geben sollte. Wir schlagen den Namen «Radfahrer-Dreisprung» vor. Gemessen werden die Sprungweite, die Haltung dabei und die Eleganz der Landung.

Dabei gibt es eine Pflicht- und ein Kürnote. Pflicht bewertet die obligatorischen Sprünge, Kür besondere Einlagen dabei.

Gehupft wie gesprungen: leiden und fordern.

Der erste Sprung besteht in der möglichst eindrücklichen Darstellung der eigenen Betroffenheit. Der zweite ist das Anprangern des allgemeinen Versagens, ausgenommen das eigene. Der dritte Sprung besteht schliesslich aus einem Forderungskatalog.

Kürnoten gibt es für Zusatzsaltos, Schrauben und besonders beeindruckende Luftblasen beim Springen. In der Schweiz sind zurzeit Cédric Wermuth, Fabian Molina und neu Balthasar Glättli in den Medaillenrängen. Aber eine endgültige Bewertung steht noch aus; alle Sprünge bis zum 31. August zählen für die Wertung.

Von links nach links: Wermuth und Molina sowie Molina.

Der Wettbewerb steht auch für Frauen, Transgender oder Non-Binäre offen, obwohl wir hier noch keine beeindruckenden Leistungen gesehen haben; vielleicht mit Ausnahme von Sibel Arslan oder Tamara Funiciello. Aber beide haben noch keinen gültigen Versuch hingelegt, nur unkoordinierte Kurzsprünge.

Wenn du für alle kämpfst, kämpfst du für niemanden …

Nur meckern und polemisieren?

Natürlich ist die Frage erlaubt: Was macht dann ZACKBUM eigentlich? Wir haben gespendet, obwohl wir nicht sehr optimistisch sind. Wir setzen uns zudem für den in die Schweiz geflüchteten ehemaligen BBC-Bürochef in Kabul ein, der verzweifelt versucht, seine Familie aus Afghanistan herauszukriegen. Es ist bekannt, dass die fundamentalistischen Irren hinter ihrer freundlichen Fassade für blöde westliche Medien schon längst dabei sind, Listen abzuarbeiten, auf denen auch kritische Journalisten oder deren Familienangehörige stehen.

Dafür halten wir uns mit Betroffenheitsgesülze zurück, stellen keine absurden Forderungen auf und schimpfen auch nicht über das Versagen des Westens in Afghanistan, nachdem wir jahrelang nichts zu diesem Thema sagten. Uns hält das, im Gegensatz zu den Berufsheuchlern, etwas von Verurteilungen ab.