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Was ist das für eine Welt,

bei der ZACKBUM nicht weiss, in welche wir in zehn Tagen zurückkehren.

Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist.
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschliesst!

An die Nachgeborenen. Bertolt Brecht, 1938

Es geschieht, was wir uns nicht vorstellen konnten. Manche hatten eine Vorahnung, aber la réalité dépasse la fiction, wie Niklaus Meienberg selig zitierte. Nicht die Welt ist übergeschnappt, also nicht mehr, als sie es ohnehin war. Aber an den mächtigsten Schalthebeln der Macht sitzt ein Mad Man, ein gekränkter Narzisst, so viel mal gescheitert, dass ihm schlichtweg alles zuzutrauen ist.

Als er wie ein Berserker mit presidential orders alles zu übersteuern versuchte, was Checks and Balances in den USA seit vielen Jahren einigermassen im Gleichgewicht hält, sahen das einige als erfrischenden Neuanfang nach der Agonie eines senilen Greises, der zwar nicht mehr ganz Herr seiner Sinne und Wahrnehmung war; vielleicht gaga, aber nicht verrückt.

Nun kommt der grosse Baumeister, der nichts als Trümmer hinterliess. Gescheiterter Grössenwahn, noch schlimmer als seine reine Form.

Die Annexionspläne für Grönland und Panama, nötigenfalls mit Waffengewalt. Der moderne Big Stick («ich liebe das Wort Zölle»), die sofortige Amnestie für die Kriminellen, die das Capitol stürmten, um die demokratische Bestätigung seines Nachfolgers zu verhindern.

Und nun der völlig irre Plan, den Gazastreifen wie ein gigantisches Immobilienprojekt zu schaukeln, wo nicht Mieter, sondern die Bewohner ihrer Heimat rausgeschmissen werden. Wohin mit ihnen? Ach, das wird sich schon ein «gutes, frisches, schönes Stück Land» finden, irgendwo im Nirgendwo.

Es gibt seit dem Zweiten Weltkrieg durchaus wackelige supranationale Institutionen, ein Völkerrecht, eine Deklaration der Menschenrechte. Alles Stückwerk, unvollkommen. Aber zumindest der Versuch, unbeschränkte Macht zu begrenzen. Und den Rechtsstaat, auch nicht über jeden Zweifel erhaben. Aber unsere letzten Bollwerke gegen Willkür, Faustrecht, Barbarei.

Nun ist der neighborhood bully wieder zurück. Nicht nur aus eigener Kraft. Sondern auch, weil seine Gegner sich in woken Korrektsprech-Transgender-Wahnsinn verlaufen hatten, nur lachhafte Alternativen zu bieten im Stande waren.Wer in Biden oder Harris valable Gegenkandidaten sah, ist mindestens so plemplem wie der grösste Lümmel aller Zeiten (Grölaz). Der sich selbst als Dealmaker sieht, dabei zieht er eine Spur der Verwüstung durch sein Geschäftsleben, hat anderen Milliardenverluste beschert, ist selbst nur mit Hilfe einer Anwaltriege und dem merkwürdigen Justizsystem der USA dem Knast bislang entgangen.

An seinen Taten zerschellen alle Worte, jegliche Vernunft schleppt sich verwundet vom Schlachtfeld der Lufthoheit über die öffentliche Meinung. Man bekommt wieder einen tiefen Einblick in die Abgründe der Dummheit, wenn man die viel zu vielen liest und hört, die so tun wie der Besitzer eines kläffenden Köters, der seine Zähne bleckt, während er sagt: er will doch nur spielen, und ich habe ihn an der Leine.

Der Mann hat erst angefangen, und wie die Welt aussieht, wenn er in knapp vier Jahren abtritt, wagen wir uns nicht vorzustellen. Die Fantasie reichte auch nicht dazu aus. Welches Genies bedürfte man, um die passenden Bilder, Metaphern dafür zu finden. Stattdessen Gewäffel und wortvolles und fassungsloses Erstaunen.

Niemals war es so offensichtlich, dass wir Wortkünstler, wir eingebildeten Intellektuellen mit unseren Kriegstänzen um verlöschende Feuer der Rationalität zwar mit grossem Tamtam auf die Resonanzkörper der Multiplikatoren hauen. Warnen, raten, mahnen und labern – aber völlig wirkungslos sind. Eine Zierleiste, die sich selbst zu wichtig nimmt und um das Eingeständnis mit Selbstbetrug herumbiegt, dass sie die Oberhoheit über den Diskurs hätte. Dabei sind wir wie Schmeissfliegen, die über einem grossen Haufen Scheisse summen, dabei sogar viele in Lohn und Brot stehen.

Oder einen kleinen Blog betreiben. Mit keiner anderen Letztbegründung als: Schreibzwang. Es macht Spass, aber das lässt nach.

Eine regelbasierte Ordnung, die es dem Menschen erlaubt, das zu suchen und zu finden, was er für sein kleines Glück hält. Die Abwesenheit von Gewalt, Unrecht, eine Kraft, die die Macht in die Schranken weist und ihr die Begründung verweigert: ich bin stark, du bist schwach, was willst du gegen mich. Ist das zu viel verlangt?

Nie war das vollkommen, so viele Male wurde es aufgebaut, um wieder zerstört zu werden. Die grosse Hoffnung der Menschheit, das langsame Voranschreiten auf dem schmalen Weg der Vernunft durch dunkle Nacht, die nächste Generation steht auf den Schultern der vorhergehenden, das Paradies kann von dieser Welt sein. Davon träumte der Marxismus und so viele mehr. Die Aufklärung, el siglo de las luces, das Jahrhundert des Lichts, wie das nicht nur der grosse Poet Alejo Carpentier nannte. Montesquieu (nur geteilte Macht ist gezähmt), Voltaire, Diderot, die grosse Französischen Revolution, die zuerst festlegte, dass jeder Mensch unveräusserliche Rechte habe, nur weil er Mensch ist, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung zuvor, die den pursuit of happiness, das Streben nach Glück, zum Menschenrecht ernannte.

Und die grosse Oktoberrevolution, angeführt von einem Jahrhundertgenie namens Lenin. Und wie endete das alles. In Terreur, im Stalinismus. Wenn die Tugend den Absolutheitsanspruch erhebt, l’ami du peuple, der zu seinem schlimmsten Feind wird, ist sie nicht minder schrecklich als jede diktatorische Herrschaft. Ihre Adepten sind noch heute unter uns, die Inquisitoren der zweifellosen Rechthaberei.

Also ist die Geschichte doch wohl wie ein Rad. Es dreht sich unablässig am Ort, was hinaufkommt, geht wieder darnieder, ewiglich. Wie es das Genie Shakespeare in seinen Königsdramen beschrieb, die eine zeitlose Gültigkeit haben wie kein Werk danach.

So kann man gut klugscheissen, wie es schon so viele zuvor vergeblich taten. Karl Kraus, Kurt Tucholsky, Egon Erwin Kisch, Lincoln Steffens, Carl von Ossietzky und so viele mehr, die Ahnengalerie wie Schatten an der Wand. Die Philosophen mit ihren Welterklärungen, von Platon über Kant, Hegel bis Habermas. So voller kluger Gedanken, so viel Reflexion über das Selbst als sich erkennendes Subjekt und Objekt und sein Verhältnis zur Wirklichkeit.

So gültige Sitze wurden gefunden und sind verweht, wirkungslos: Das Unrecht, das dem Einzelnen widerfährt, ist eine Bedrohung für alle.

Letztlich ist es doch so, wie es Tucholsky vor seinem Ende beschrieb:

Die religiösen Welterklärung auf der Suche nach Sinn und Halt, voller leerer Versprechungen, immer endend in einer degenerierten Pfaffenkaste, die es sich hier Wohlergehen lässt und die Gläubigen auf die Verheißungen eines Jenseits vertröstet. Und wer nach dem Tod erwachte, müsste schmerzlich erkennen: es kommt nichts nachher.

Wenn die Worte alle werden und nur hohl verwehen, hilft einzig der Rückgriff auf einen, der es, soweit es uns gegeben ist, in Gedanken fasste.

Gegen Verführung

Laßt Euch nicht verführen!
Es gibt keine Wiederkehr.
Der Tag steht in den Türen,
ihr könnt schon Nachtwind spüren:
Es kommt kein Morgen mehr.

Laßt Euch nicht betrügen!
Das Leben wenig ist.
Schlürft es in vollen Zügen!
Es wird Euch nicht genügen,
wenn Ihr es lassen müßt!

Laßt Euch nicht vertrösten!
Ihr habt nicht zu viel Zeit!
Laßt Moder den Erlösten!
Das Leben ist am größten:
Es steht nicht mehr bereit.

Laßt Euch nicht verführen
Zu Fron und Ausgezehr!
Was kann Euch Angst noch rühren?
Ihr sterbt mit allen Tieren
und es kommt nichts nachher.

Brecht

 

 

Ein Stein und kein Ende

Das «Investigativ-Team» von SRF ist an allem schuld.

Die zwölfköpfige Truppe tat Anfang 2023 etwas für ihr Geld (1,2 Millionen Gebührenfranken gurgeln hier jährlich runter): «Ein Nazi-Denkmal steht mitten in Chur».

Hat also der Steinbock nicht nur manchmal ein braunes Hinterteil? Verkappte Nazis in Graubünden? Skandal? Ach was. Schon damals sagte ein Kommentarschreiber das Nötige: «Warum ein Grabstein für gefallene Deutsche im Ersten Weltkrieg ein Nazi-Stein sein soll, verstehe ich nicht

Nun könnte man meinen, dass es mit dieser aufgeblasenen Aufregung sein Bewenden hatte. Und irrt sich natürlich, denn eine Leonie C. Wagner nimmt in der NZZ den Stein des Anstosses nochmal in die Hand, bzw. in die Feder. Denn die Volontärin im Feuilleton will weiter zündeln und wagt den recht schrägen Titel: «Der Churer «Nazistein» entzündet eine alte Debatte neu».

Das Problem mit diesem Nazistein ist allerdings, dass er gar keiner ist. Denn er wurde im Gedenken an deutsche Gefallene im Ersten Weltkrieg errichtet. Und die konnten nun beim schlechtesten Willen keine Nazis sein; nicht mal Hitler war damals einer. Allerdings, errichtet wurde das Denkmal 1938 vom «Deutschen Volksbund Kriegsgräberfürsorge», der sich hingebungsvoll um die Überreste von im Ersten Weltkrieg Gefallenen kümmerte und zu dieser Zeit natürlich nationalsozialistisch war.

Also könnte man den Stein, der an keine Nazis erinnert und auch keine Nazi-Insignien trägt, endlich in Ruhe lassen. Aber doch nicht in der Schweiz. Da müsse aufgearbeitet, nicht verdrängt werden, und überhaupt. Also bequemte sich das städtische Parlament von Chur dazu, für Steuergeld den Stadtarchivar damit zu beauftragen eine Informationstafel zu betexten. Neudeutsch Kontextualisierung. Aber oh weh, der könne gar nicht objektiv sein, als Angestellter der Stadt, wurde gemeckert. Vom medialen Tausendsassa Sacha Zala, den es vor jede Kamera, jedes Mikrofon drängt.

Aber noch schlimmer, im letzten Absatz des Texts heisst es: «Die Regierung des Kantons Graubünden sowie der Gemeinderat und der Stadtrat von Chur gedenken mit dieser Tafel der Opfer, welche die Kriege des 20. Jahrhunderts gefordert haben.»

Kann man da etwas zu meckern dran finden? Kein Problem für Wagner: «Kein Wort zu den Opfern des Nationalsozialismus. Stattdessen eine Pauschalformel für das gesamte 20. Jahrhundert.» Zu einem Gedenkstein für deutsche Gefallene im Ersten Weltkrieg sollen also mahnende Worte zu den Opfern des Nationalsozialismus gestellt werden. Wie wäre es konkret mit den sowjetischen Opfern? Oder überhaupt allen Opfern, von Stalinismus, Apartheid in Südafrika, Pol Pot in Kambodscha? Damit könnte man dann problemlos den ganzen Friedhof dekorieren.

Viel Lärm um nichts, würde Shakespeare sagen. Sturm im Wasserglas, würde Montesquieu sagen. Platzverschwendung in der NZZ, sagt ZACKBUM.

World gone mad

Wohin flüchtet die Vernunft, wenn es dunkel wird?

Ihr Schlaf gebiert Ungeheuer, das wusste schon Goya, der die Augen vor den Desastern des Kriegs nicht verschloss.

Wenn die Welt richtig verrückt wird, kann man ihr nur noch mit Schweigen, mit Stammeln, mit Gelächter, mit Dadaismus begegnen.

Wenn ein Seminar über Dostojewski abgesagt wird, eine Aufführung von Rachmaninow, wenn sich russische Künstler vor oder nach ihrem Auftritt von ihrem Präsidenten distanzieren müssen, sonst gibt es keinen mehr im Westen. Wenn in Moskau Schweizer Luxus-Uhren beschlagnahmt werden, als Vergeltung für das Einfrieren russischer Guthaben im Westen.

Wenn Mode-Fuzzis und Fashion-Marken Blau-Gelb zu den Farben der Saison erküren. Wenn jedes kleine Würstchen meint, mit einem handgemalten Schild «No War in Ukraine» habe es einen Beitrag zum Weltfrieden geleistet. Wenn endgültig keine Meinungen mehr ausgetauscht werden können, sondern nur noch Haltungen der Inquisition zugeführt werden.

Wenn noch radikaler, brutaler und rabiater als bei der Pandemie vom herrschenden Narrativ abweichende Diskurse denunziert, verurteilt, abgeurteilt, ins Lager der irrationalen Verschwörungstheorien gesperrt werden.

Wenn nur noch Zeichen gesetzt, Grenzen gezogen, rote Linien gemalt werden. Wenn zwei Züge auf dem gleichen Gleis mit zunehmend Dampf im Kessel aufeinander zurasen – wer zuerst bremst, verliert: dann ist es wieder einmal so weit: die Welt ist verrückt geworden. Aus den Fugen geraten.

Vor einem allfällig bewaffneten Showdown gibt’s nun noch einen wirtschaftlichen. Russland will die Zahlung seiner Rohstoffe in Rubel. Die EU, der Westen verweigert das. Wenn keiner auf die Bremse tritt: ab Freitag keine Bezahlung mehr, dafür kein Gas und Öl mehr.

Hoffentlich nicht zum letzten Mal …

Die Welt ist aus den Fugen. Nicht zum ersten Mal und hoffentlich nicht zum letzten Mal. Denn was im Kalten Krieg manchmal mirakulös vermieden wurde, ist weiterhin jederzeit möglich: die atomare Vernichtung des Planeten.

Düstere Propheten kriechen aus ihren Löchern und sammeln Anhänger. Keiner zu klein, Kriegsgurgel zu sein. Schreibtischstrategen, Sandkastengeneräle, Kritikaster aus der zweiten und dritten Reihe, umweht vom Mantel der Geschichte, Bedeutung saugend aus Begriffen wie Zeitenwende, Zivilisationsbruch, nie dagewesen, neue Weltlage.

Sie fordern und verurteilen, kritisieren und wissen besser, wollen Hähne zudrehen, Flugverbotzonen einrichten, den Sturz Putins, die Niederlage Russlands.

Dabei ist es das älteste Schauspiel der Welt, seit sich der Mensch zu organisieren begann. Ein Mächtiger überfällt einen Schwächeren. Weil er’s kann und weil er nicht weiss, dass solche Eroberungen immer nur zeitgebundene Phänomene sind. Nationen haben eine unglaubliche Resilienz. Polen gab es für viele Jahrzehnte überhaupt nicht, in der jüngeren Geschichte. Dennoch ist es nie vollständig untergegangen.

Imperien sind traditionell zum Untergang verurteilt

Im Gegensatz zu länderübergreifenden Imperien. Das römische Reich, das Reich der Habsburger, das Dritte Reich, die Reiche der Kolonialmächte: alles vergangen, verweht. Nicht zuletzt die Sowjetunion, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Immer strahlen diese Imperien den Anspruch aus, gekommen zu sein, um zu bleiben. Dabei sind sie vergänglich wie der Schnee vom letzten Jahr.

Wenn wir die hoffnungsvolle Idee der Aufklärung aufgeben, dass die Geschichte selbst sozusagen als Subjekt danach strebt, sich weiterzuentwickeln, vom Minderen zum Besseren, vom Barbarischen zum Zivilisierten, dann bleibt eigentlich nur das Rad, wie es Shakespeare unermüdlich beschrieb.

Das ewige Auf und Ab, der Aufstieg, der unweigerlicher in der Klimax und dem anschliessenden zermalmendem Abstieg endet. Begleitet von unendlichem Geschrei. Einem Geschrei, dass man sich wenigstens Stille wünscht.

In diese Stille würde man, könnte man es, das Selbstgespräch vortragen, das Macbeth mit sich führt, als ihm vom Tod der Lady Macbeth berichtet wird:

She should have died hereafter;
There would have been a time for such a word.
— To-morrow, and to-morrow, and to-morrow,
Creeps in this petty pace from day to day,
To the last syllable of recorded time;
And all our yesterdays have lighted fools
The way to dusty death. Out, out, brief candle!
Life’s but a walking shadow, a poor player
That struts and frets his hour upon the stage
And then is heard no more. It is a tale
Told by an idiot, full of sound and fury
Signifying nothing.

 

Wer eine Übersetzung benötigt:

Sie hätte später sterben können;
es hätte die Zeit sich für ein solches Wort gefunden. –
Morgen, und morgen, und dann wieder morgen,
Kriecht so mit kleinem Schritt von Tag zu Tag,
Zur letzten Silb der aufgezeichneten Zeit;
Und alle unsre Gestern erleuchteten Narren
Den Pfad zum staubigen Tod. Aus, kleines Licht!
Leben ist nur ein wandelnd Schatten,
Ein armer Komödiant, der spreizt und knirscht
Sein Stündchen auf der Bühne und dann nicht mehr
Vernommen wird. Ein Märchen ists, erzählt
Von einem Idioten, voller Klang und Wut,
Das nichts bedeutet.