Birrers Leidartikel
Wenn die Chefredaktorin von Tamedia in die Tasten greift, muss Mann in Deckung gehen.
Prostitution ist bekanntlich das älteste Gewerbe der Welt. Es existiert auch im Geschäftsleben und im Journalismus. Es wird von Frauen und Männern ausgeübt, und wohl auch von allen weiteren Genders, die es heutzutage geben soll.
Schon aus Mesopotamien (ca. 3000 v.u.Z) gibt es Überlieferungen, auch aus dem alten Ägypten (ca. 2000 v.u.Z.), und in Griechenland (ca. 800 v.u.Z.) gab es Hetären, die hochangesehen ihrem Gewerbe nachgingen, wobei viele Männer auch der Knabenliebe frönten.
Es ist ein Aufregerthema, und obwohl die Debatte über ein Verbot nicht ganz taufrisch ist, generiert man (und auch frau) damit fleissig Klicks und Kommentare. Das nennt man dann, eine Leserdebatte angestossen zu haben.
Raphaela Birrer hat eine dezidierte Ansicht: «Frauen für Sex zu kaufen, gehört verboten». Nur ist sie nicht ganz sattelfest, wenn man diesen Ausdruck verwenden darf: «Prostitution zementiert ein frauenverachtendes System. Nur eine Bestrafung der Freier führt zu einem Umdenken in der Gesellschaft.»
Aufgepasst, ihr Männer und everybody beyond, wie das die «Republik» nennt: wir leben in einem frauenverachtenden System, in dem Prostitution der Zement ist.
Zunächst einmal werden keine Frauen «gekauft», sondern es werden sexuelle Dienstleistungen bezahlt. Von der gehobenen Form der Escort-Services bis zu den Niederungen der Strassenprostitution, wo häufig Zwangsprostituierte zum Anschaffen gezwungen werden. Wer sich hier bedient, ist ein verachtenswertes Subjekt. Dass Frauen, meist aus Osteuropa oder aus Drittweltländern, übel ausgebeutet werden, ist strafbar und verboten.
Bei der Durchsetzung solcher Sanktionen ist noch viel Luft nach oben.
Birrer legt sich zunächst mit den «Linken» an, die lieber von «Sexarbeiterinnen» sprechen und diese Tätigkeit als Ausdruck von Selbstbestimmung sehen. Dabei zeigt sie ein lustiges Frauenbild:
«Mit dem Begriff wird eine in vielen Fällen traumatisierende Tätigkeit normalisiert. Fragen Sie die vermeintlichen «Arbeiterinnen» doch einmal, ob es sich wie kochen, putzen oder pflegen anfühlt, wenn sie ihren Körper verkaufen.»
Frauen kochen, putzen oder pflegen? Offenbar sind sie für Birrer sonst nur für einfachere Tätigkeiten zu gebrauchen. Das riecht streng nach Sexismus.
Auch mit ihren historischen Kenntnissen steht sie auf wackeligem Boden: «Die ersten Prostituierten waren nicht etwa Geschäftsfrauen, sondern Sklavinnen», behauptet sie belegfrei.
Dann wiederholt sie ihre These: «Nur ein Verbot, Sex zu kaufen, schützt die Frauen effektiv.» Dabei ist es offenkundig, ähnlich wie bei Drogen, dass solche Verbote in erster Linie bewirken, das dieser Handel weiter in die unkontrollierte Illegalität getrieben wird, wo Schwerkriminelle Reibach machen, weil mehr Risiko immer höhere Preise bewirkt.
Dann widerspricht sie sich gleich selbst: «Schon heute spielt sich der Sexmarkt meist im Verborgenen ab.» Und ein Verbot sollte das Treiben dann ans Tageslicht befördern und ihm Einhalt gebieten?
Schliesslich schwingt sie sich zu einem Satz auf, an dem sie sicherlich lange gearbeitet hat: «Die Unfreiheit der Gezwungenen muss höher gewichtet werden als die Freiheit der Freiwilligen.» Kann man locker variieren: Die Gezwungenheit der Unfreien muss man höher gewichten als die Freiwilligkeit der Freien. Oder: Die Ungezwungenheit der Freiwilligen muss man niedriger gewichten als die Unfreiheit der Unfreiwilligen. Macht dann genauso wenig Sinn, hört sich aber alles irgendwie nach tiefer Denke an.
In ihrem Bedürfnis, einen schönen Aufreger als Leidartikel, Pardon, Leitartikel, zu produzieren, ist ihr leider ein fundamentaler Fehler unterlaufen, der ihrem ganzen Argumentationsversuch einen schalen Beigeschmack gibt. Sie schreibt von Misogynie, sie beklagt das Schicksal der Frauen, sie fordert, dass der «Kauf» von Frauen verboten gehört.
Aber wie steht es denn mit den Männern? Mit Strichern, Callboys, Gigolos, Escorts? Von all den vielen weiteren Genders ganz zu schweigen. Soll das dann nicht verboten werden? Gibt es hier keine Zwangsprostitution, keine kriminellen Zuhälter? Wird hier niemand gezwungen, wird hier kein Profit aus Elend oder Drogenabhängigkeit geschlagen?
Wenn ZACKBUM Birrer richtig versteht, und das ist gar nicht so einfach, gehört Männer «für Sex zu kaufen», nicht verboten. Weil Männer Schweine sind? Oder weil ihr das – nun wird es frauenfeindlich – gar nicht in den Sinn kam, als sie ihren Kommentar absonderte? Auf jeden Fall ist das dann Misandrie, aber das ist dann schon ein Fremdwort. Vielleicht auch für Birrer.
Wie auch immer: ist das peinlich.