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Kann das wahr sein?

Die ZHAW wählt jeweils die Wörter der Jahres. Sind sie das wirklich?

Auf Deutsch seien das in dieser Reihenfolge:

– Unterschriften-Bschiss
– divers
– Murgang

«Mensch und Maschine haben die Wörter des Jahres 2024 gewählt», verkündet das Departement für Angewandte Linguistik der ZHAW in Winterthur. Das sei «wissenschaftlich analysiert» und dann von Jurys ausgewählt. «In der Deutschschweiz waren dies zehn Sprachforschende, Autor:innen, Sprachvirtuosen, Sprachstudierende und Journalist:innen.»

Schon alleine diese Sprachvergewaltigung lässt Übles ahnen. «Sprachforschende» sind eigentlich Sprachforscher, da sie auch mal essen oder schlafen. «Autor:innen» sind eigentlich Autoren, auch «Sprachstudierende» oder «Journalist:innen» müssten sich eigentlich als «Sprachvirtuosen» gegen solche Fehlbezeichnungen verwahren. Und wenn schon, denn schon: wieso eigentlich nicht «Sprachvirtuos:innen»? Ist schliesslich männlich, da fühlen sich doch Frauen, Non-Binäre, Hybride und was es alles sonst noch geben soll, ausgeschlossen und diskriminiert. Wie unsensibel.

Aber das ist ja nur der Hintergrund. Die Eintagsfliege, der Kurzzeit-Skandal von Tamedia, der sogar noch eine kürzere Halbwertszeit hatte als die Soufflee-Skandale der «Republik», soll das Wort des Jahres auf Deutsch sein? Keine Chance für «Ukrainekrieg» oder «Trumpismus» oder «Gazastreifen»?

Und stimmt die Begründung? «Der Unterschriften-Bschiss hat das Vertrauen in das demokratische Schweizer Abstimmungssystem angeknackst.» Vielleicht hätte das ZHAW zur Kenntnis nehmen sollen: der «Unterschriften-Bschiss» ist eigentlich gar keiner. Es war vielmehr ein Skandal-Bschiss, künstlich aufgepumpt, schneller im Nichts versunken als eine Seifenblase.

Platz zwei dann «divers». Begründung: «Im Wort divers verdichten sich Themen, die 2024 in der Schweiz Schlagzeilen machte.» Rettet den Plural am Linguistischen Departement. Ach ja, und die da wären? «Wie sollen etwa Personen amtlich eingetragen sein, die sich weder als Mann noch als Frau sehen?» Das machte vielleicht in gewissen Organen Schlagzeilen, aber alle Umfragen beweisen immer wieder aufs Neue, dass der grossen Mehrheit der Bevölkerung solche Genderthemen schwer an einem Körperteil vorbeigehen, das alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, besitzen.

Und schliesslich noch Nummer drei: «Murgang». Endlich die Umwelt, das Klima. Begründung: «Der Klimawandel führt nicht nur zu höheren Temperaturen und vermehrten Wetterextremen, er wird auch die Schweizer Berge stärker ins Rutschen bringen.» Hilfe, das Matterhorn bröckelt, die Dufour-Spitze ist nicht mehr spitz, den nächsten Gotthard-Tunnel kann man mit der Nagelfeile bohren.

Masseneinwanderung, 13. AHV, Staus auf Autobahnen und sonst, Mieten, Krankenkassenprämien, Militärausgaben, alles keine Themen, die die Schweizer bewegen?

Man sieht wieder mal: selbst die ausgefeilteste KI, selbst eine gigantische Wörtersammlung scheitert, wenn die Jury aus voreingenommenen Fachidioten besteht, die ihre eigene Befindlichkeit wichtiger nehmen als die Befindlichkeit der Bevölkerung. Denn die ist bekanntlich tendenziell doof, denkt Quatsch und muss erzogen und belehrt werden.

Mit solchen Hitparaden kommt man natürlich immer schnell in die Gazetten, was ja auch der Sinn der Sache ist. Denn eigentlich ist die Wahl des Wortes des Jahres ungefähr so Pipifax wie die Wahl der Miss Universe. Allerdings muss man zugeben: die hässlichste Kandidatin wird’s nicht unbedingt. Während aber an den Kriterien bei Miss-Wahlen kräftig rumgenörgelt wird, kommen die Mainstream-Medien nicht auf die Idee, die Auswahl dieser angeblichen Jahreswörter zu hinterfragen oder gar zu bezweifeln. Dafür ist nicht genug Platz in den Verrichtungsboxen im Newsroom.

Daher plustert sich Tamedia auf:

Spassfaktor eins «Nach Recherchen dieser Redaktion» muss es in der Spitzmarke heissen, weil die Meldung ja im ganzen Kopfblattsalat von Tamedia rausgepustet wird, Spassfaktor zwei: selbst ein solches Eigenlob kann die Skelettredaktion nicht mal selbst basteln, sie verwurstet eine SDA-Tickermeldung.

Wieso hier zuerst mit grossem Aufwand und einem «ZHAW-Computerprogramm» aus sagenhaften 1’293’364’381 Wörtern diejenigen herausgesucht wurden, die angeblich «hervorstachen», nur damit dann eine Jury diese Quatschwahl treffen kann: ist das überflüssig wie ein zweiter Kropf oder nicht?