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Deckel drauf

Wir erleben das Ende der Massenmedien.

Zur Einleitung müssen wir aus dem letzten Organ zitieren, das noch einigermassen dem entspricht, was Journalismus einmal war, also aus der NZZ:

«Die «Columbia Journalism Review» ist die Zeitschrift einer der renommiertesten Journalismusschulen der Welt. Im Januar veröffentlichte sie einen ausführlichen Artikel von Jeff Gerth, einem ehemaligen Top-Journalisten der «New York Times», über die Konfrontation zwischen den amerikanischen Medien und Donald Trump.
Im Kern geht es um die «Russiagate» genannte Russland-Affäre, also die Fake News über Trumps angebliche «geheime Absprachen» mit Präsident Putin.»

Und weiter: «Die ersten Gerüchte über Trumps Verrat kamen durch das gefälschte Steele-Dossier auf. Die Medien suchten nach einer Erklärung für Hillary Clintons Niederlage, und anstatt zu analysieren, warum Trump den Mittleren Westen für sich gewonnen hatte, konzentrierten sich die Medien auf Gerüchte über Trumps Loyalität gegenüber Putin. Darin liege der Schlüssel, nämlich bei Putin, behaupteten die Verfasser des Dossiers.
Kurz vor der Wahl 2020 kam zur Russland-Affäre der Skandal um Hunter Bidens Laptop hinzu. Joe Bidens Sohn hatte vergessen, seinen Rechner in einer Computerwerkstatt abzuholen. Auf der Festplatte befanden sich ausführliche Aufzeichnungen über sein Leben. Prostituierte, Drogenpartys, alles war dabei, ebenso Korrespondenzen zu (auch für seinen Vater) kompromittierenden Geschäften mit russischen, chinesischen und ukrainischen Firmen.»

Das schildert der Autor Leon de Winter im «Feuilleton», und im ganz Grossen beschreibt er zwei Sargnägel der Massenmedien. Sie fälschen News, das hat (leider) Donald Trump richtig erkannt. Das macht ihn nicht weniger zu einem Lügner, aber auch die Anzahl Lügen, die ihm von der «Washington Post» vorgeworfen werden, sind natürlich reine Erfindung.

Sie unterdrücken unliebsame News, das ist der zweite Sargnagel. Als Beispiel dafür eignet sich die Laptop-Affäre, die totgeschwiegen wurde, weil der US-Mainstream den Sieg von Biden über Trump nicht gefährden wollte.

Der dritte Sargnagel besteht darin, dass die Massenmedien festgelegten Narrativen glauben und dadurch sogar auf echt gefälschte Storys hereinfallen. Kronzeuge dafür ist Claas Relotius. Er konnte mit seinen erfundenen und gefälschten Artikeln beim «Spiegel» alle täuschen, weil er geschickt die gewünschten Narrative über die Welt einbaute. Sein Vorgänger Tom Kummer ist ein Waisenknabe dagegen.

Der vierte Sargnagel ist die zunehmende Inkompetenz der Journalisten. Historische Kenntnisse, Bildung, Intellekt, die Fähigkeit zum anspruchsvollen Essay: da herrscht zunehmend Wüste, Leere, arrogante Unwissenheit, Mediokrität, Flachdenken.

Der fünfte Sargnagel besteht aus einer zunehmenden Selbstverliebtheit, aus dem Bedürfnis, Bedeutungsverlust mit der Betrachtung des eigenen Bauchnabels zu kompensieren. Die eigene Befindlichkeit wird wie eine Monstranz vorangetragen, der Leser wird damit zu Tode gelangweilt.

Der sechste Sargnageln besteht aus der Vermischung zwischen News und Meinung. Der Korrespondent macht nicht mehr das, wofür er eigentlich bezahlt sein sollte: dem heimischen Leser fremde Gegenden, Gebräuche, Entwicklungen nahezubringen. Und daneben vielleicht noch seinen Kommentar zu liefern. Da die Gazetten von Kolumnen – neben Interviews die billigste, oft auch schäbigste Form des Journalismus – überquellen, verträgt es nicht noch zusätzlich einen Kommentar zu diesem und jenem und allem. Also wird der in die Nachricht eingebaut.

Der siebte Sargnagel besteht in einer immer aufdringlicheren Besserwisserei der Journalisten. Keiner zu klein, Notenverteiler zu sein. Politiker, Wirtschaftsführer, Institutionen, Organisationen sollten müssten, wären gut beraten, haben Nachholbedarf, haben versagt, sind dringlichst aufgefordert, haben umgehend. Das ist der lächerliche Wortschatz kleiner Redaktionswürstchen, die heilfroh sind, dass sie für ihre wohlfeilen Forderungen niemals die Verantwortung übernehmen müssen.

Der achte Sargnagel, ein riesengrosser, besteht im zunehmenden Bedürfnis, den Leser erziehen bessern, belehren, beschimpfen zu wollen. Er darf nicht einfach News zur Kenntnis nehmen. Er sollte sich dabei reflektieren, sein Verhältnis zur Umwelt überdenken, überhaupt zur Welt, seine Ernährungsgewohnheiten umstellen, nachhaltiger werden, die Heizung runterdrehen, mit diesem und jenem, was gerade in Mode ist, solidarisch sein. Er sollte unablässig Zeichen setzen, tolerant sein, ja nicht engstirnig werden, jeden Genderwahnsinn mitmachen, sich einer inkludierenden Sprache befleissigen, das Gendersternchen ehren.

Der neunte Sargnagel besteht aus einem kurzatmigen Gejapse im Lemmingerudel. Was ein Leitmedium vorgibt, wird von den anderen nachgebetet. Der daraus entstehende Einheitsbrei schmeckt nach Pappe, eingeschlafenen Füssen mit moralinsaurer Note und antirassistischem Oberton. Ist also ungeniessbar.

Der zehnte Sargnagel besteht aus einer zunehmenden Kritikunfähigkeit. Journalisten war es noch nie sonderlich gegeben, über sich selbst zu reflektieren und die Möglichkeit ins Auge zu fassen, dass sich der Schreiber auch mal täuschen könnte. Dabei ist Einsichtsfähigkeit, das Eingeständnis, das zunehmende Erkenntnis zu einer Veränderung der Position führt, das, was den Leser interessiert. Er möchte nicht die zum x-ten Mal nachgekaute Meinung lesen. Sondern konfliktiv bespasst werden.

Der zwölfte Sargnagel besteht aus einem oberflächlichen Schwarzweiss-Malen in einer kunterbunten, komplexen Welt. Mangels anderer Koordinatensysteme reduziert sich der Journalist wieder auf das alte Schema von richtig und falsch. Aus Unfähigkeit zum analytischen und dialektischen Denken begründet er das mit gut und böse, zwei moralischen Begriffen, die bei der Analyse eines Sachverhalts nichts zu suchen haben, weil sie zwar als Letztbegründung missbraucht werden, dafür aber nicht geeignet sind.

Der letzte Sargnagel schliesslich besteht aus emotionaler Haltung, die argumentatives Abwägen ersetzt. Gesinnungsjournalismus nimmt überhand, es werden nicht mehr Meinungen ausgetauscht, sondern Meinungsträger denunziert. Mit dem üblen Trick «wer das sagt oder denkt, ist dies» spart sich der Kleindenker jegliche intellektuelle Anstrengung, ein Argument zu widerlegen. Er denunziert einfach denjenigen, der etwas ihm Widerwärtiges äussert, als Rassisten, Menschenfeind, Populisten, Sexisten oder was ihm aus dem überschaubaren Vokabular der Beschimpfungen gerade einfällt.

Das alles wird in absehbarer Zeit zur Folge haben, dass das Duopol Tamedia und CH Media, nachdem es die Redaktionen restlos zu Tode gespart hat, als letzte Sparmassnahme die Print-Distribution einstellen wird. Da es im Virtuellen viel schwieriger ist, Geld für mediokre Leistungen zu verlangen, wird das die Begräbnisfeierlichkeiten zusätzlich beflügeln. Ausserdem ist im Internet die Konkurrenz viel grösser als im Print.

Das bedeutet letztlich für den Leser, dass er von lieben Gewohnheiten Abstand nehmen muss. Allerdings kann er die mit etwas Eigeninitiative problemlos ersetzen. Statt Hunderte von Franken für immer magerere Inhalte der Mainstream-Medien auszugeben, kann er sich massgeschneiderte Angebote aus der unendlichen Vielzahl der Quellen im Internet zusammenstellen. Oder zusammenstellen lassen.

Es zeugt auch von der Ideenlosigkeit der Journalisten, dass sie noch nicht massenweise in eine neue Berufsgattung emigriert sind. Der persönliche Medienberater. Schliesslich kennen sie sich immerhin mit Newsquellen aus, daher kommen ja per copy/paste rund die Hälfte aller Artikel. Aber hier ginge es nicht mehr um SDA, AFP oder Reuters oder Bloomberg. Sondern um kleine Pakete von Newsquellen, schön gebüschelt, die dem individuellen Interesse des Lesers entsprechen.

Nur so als Gratis-Überlebenshilfe, denn die verbleibenden Redakteure wissen (was auch sehr motivierend ist): nach der Sparrunde ist vor der Sparrunde. Gestern erwischte es den Kollegen in der Verrichtungsbox nebendran. Aber morgen?

Wumms: Silvia Aeschbach

Die Tamedia-Journalistin kann noch mehr als Tipps fürs Älterwerden geben.

Es kommt selbst im skelettierten Sparjournalismus äusserst selten vor, dass eine Redaktorin in ihrem Blatt ihr eigenes Buch rezensieren, also bejubeln darf. Die «SonntagsZeitung» hat das Silvia Aeschbach ermöglicht.

Dadurch gestärkt, hat Aeschbach nun wohl das Gefühl, sie könne eigentlich alles. Auch eine Filmrezension. Opfer dieses Trugschlusses ist «Blonde», das fiktionale Biopic über Marilyn Monroe. Das hat schon Tamara Wernli in der WeWo missverstanden, also sagt sich Aeschbacher: da capo.

Dass der Film nicht mehr der neuste ist, eigentlich überall von allen schon kommentiert wurde, na und. Jetzt kommt Aeschbach: «Warum dieser Film Marilyn Monroe missbraucht».

Hoppla. Aeschbach zieht ziemlich vom Leder:

«Der Spielfilm, der Marilyn Monroe und ihre Lebensgeschichte widerspiegeln will, beruht nicht nur auf falschen Fakten, sondern zeigt die Schauspielerin ausschliesslich als hypersexualisiertes Opfer ohne eigenen Willen, das selbstzerstörerisch veranlagt und fast keinen einzigen Tag in seinem Leben glücklich war.»

Welche «falschen Fakten» zum Beispiel? Da ist Aeschbach gnadenlos: «So wie beispielsweise die Eingangsszene, in der die kleine Norma Jean von ihrer psychisch kranken Mutter beinahe in der Badewanne ertränkt wird. … Aber es gibt keinen einzigen Beweis dafür, dass sie jemals gegen Norma Jean handgreiflich wurde oder sie sogar umbringen wollte.»

Nun, auch Beckmesserei will gekonnt sein. Natürlich gibt es dafür Belege. Ausser, Aeschbach will behaupten, der Ehemann von Monroe, Arthur Miller, habe gelogen, als er mehrfach berichtete, wie seine Frau ihm ihr Leiden darüber gestand, dass sie von ihrer Mutter misshandelt und auch beinahe umgebracht worden sei. Aeschbach unterschlägt auch die vorangehende Szene im Film, wo die psychisch kranke Mutter mit ihrer Tochter zum Haus des vermeintlichen Vaters fahren will – mitten in einen Waldbrand hinein. Davon wird sie nur durch die Intervention eines Polizisten abgehalten.

Genauso absurd ist die Behauptung von Aeschbach, «Marilyn Monroe war alles andere als ein dummes Blondchen, als das sie immer wieder dargestellt wird». Gerade in diesem Film wird gezeigt, wie sie den berühmten Autor Arthur Miller mit ihren literarischen Kenntnissen und ihrer Fähigkeit, sich in von ihm beschriebene Figuren hineinzudenken, schwer beeindruckt. Wie glücklich sie zeitweise in dieser Ehe war, zeigt der Film ebenfalls eindrücklich.

Richtig peinlich wird es, wenn Aeschbach mit ihrem Hang zur Selbstbespiegelung fortfährt: «Als ehemalige Filmjournalistin verfolge ich die Aufarbeitung des Lebens von Marilyn Monroe seit Jahrzehnten. Ich habe praktisch alle ihre Filme gesehen und zahlreiche Biografien gelesen

Da verbietet sich jeder Scherz darüber, dass Aeschbacher auch blond ist …

 

 

Die Läuse im Pelz

Wieso der Bauchnabel das wichtigste Körperteil des Journalisten ist.

In der Legende «Vor dem Gesetz» gibt es die Szene, dass der dort Wartende in seiner Verzweiflung sogar die Flöhe im Pelz des Türhüters um Hilfe bittet. Franz Kafka wollte das als groteske Übertreibung verstanden wissen.

Er kannte 1915 die modernen Journalisten nicht. Die haben sich grösstenteils von ihrer eigentlichen Aufgabe verabschiedet. Die bestünde darin, möglichst kenntnisreich, analytisch und wirklichkeitsgetreu über wichtige Ereignisse zu berichten, deren Kenntnis einem interessierten Publikum wichtig ist. Stattdessen kümmern sie sich um Flöhe. Um die eigenen und um fremde, weil diese Grössenordnung ihren intellektuellen Fähigkeiten entspricht.

Nach oder neben diesen Berichten kann der Journalist, aber nur, wenn er kann, in Form eines Kommentars seine persönliche Sichtweise darlegen. Das hätte aber zur Voraussetzung, dass hier intelligente, niveauvolle, lesenswerte Ansichten geäussert werden, die den Leser bereichern, zum Nachdenken anregen, die mit einem Wort bedenkenswert sind.

Richtig, das hört sich heutzutage wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht an. Denn den Kontakt zur Wirklichkeit haben die meisten Journalisten, eingepfercht in ihre Verrichtungsboxen im Newsroom, längst verloren. Hingehen, anschauen, aufschreiben, das war vielleicht noch zu Zeiten von Kisch das übliche Vorgehen. Heute ist es ersetzt durch Google, Agenturmeldungen, copy/paste aus fremdsprachigen Organen und dem willfährigen Gehorsam gegenüber den Stallordern des jeweiligen Konzerns, bei dem der Journalist (noch) angestellt ist.

Während über geschrumpfte Platzverhältnisse und gegroundete Redaktionen gejammert wird, könnte man meinen, dass nun der dünnere Umfang mit dickerem Inhalt kompensiert wird. Konzis, komprimiert, schlank auf den Punkt.

So, nun verlassen wir die Märchenstunde und wenden uns der Realität zu. In Wirklichkeit herrscht im Journalismus der Bauchnabel. Der Bauchnabel des Journalisten ist sein wichtigstes Körperteil, er steht im Zentrum seines Interesses, seines Schaffens. Das Gehirn, die Sinnesorgane, selbst der Geschlechtstrieb ist nicht so wichtig wie der Bauchnabel. Der Bauchnabel symbolisiert die Egozentrik, das Besinnen nicht mehr aufs Eigentliche, sondern aufs Eigene, das den modernen Elendsjournalismus auszeichnet.

Der Journalist schreibt über das, was er noch einigermassen kennt – im Idealfall. Über sich selbst. Über seine Befindlichkeiten, über seine Umgebung, sein Erleben, seine Probleme. Er interviewt oder beschreibt dabei alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Den Partner, die Kinder, die Eltern, die Verwandten. Die eigene Jugend, die Probleme mit dem Altern, in der Beziehung, beim Einkaufen, die Suche nach einem Parkplatz, das Verpassen eines Fliegers, die Hitze, Kälte, die Natur, die Stadt, der See, kein Thema zu beliebig, um nicht abgehandelt zu werden.

Besonderer Beliebtheit erfreuen sich auch Haustiere jeder Art. Die haben zudem den gleichen Vorteil wie das fernere Ausland: es ist keine Gegendarstellung zu befürchten. So müssen also Hunde, Katzen, Wellensittiche, Meerschweinchen, auch exotischeres Getier wie Schlangen, Papageien, Ameisen, dazu noch Hausschweine, Kaninchen, gar Kühe oder Schafe dafür herhalten, beobachtet und dem Leser serviert zu werden.

Andere müssen dafür in Selbsthilfegruppen, Therapien oder Urschrei-Kurse gehen. Journalisten können sich ungeniert öffentlich ausagieren. Hemmungslos, schamlos, von der überragenden Bedeutung des eigenen Bauchnabels zutiefst überzeugt. Ist er nicht schön, ist er nicht speziell, ist er nicht originell, kann man ihn nicht von oben, unten, seitwärts oder sogar von innen betrachten?

In Wirklichkeit sieht das zunehmend angewiderte Publikum dabei zu, wie ein ehemals anständiger und geschätzter Berufsstand auf peinliche Weise öffentlich Selbstmord begeht.

Wichtigtuer ohne Wichtigkeit

Interessiert die Botschaft oder der Botschafter? Tamedia ist unentschieden.

Früher hiess es: «the medium is the message». Form und Methode, die zur Kommunikation verwendet werden, haben einen bedeutenden Einfluss auf den Inhalt der Botschaft.

Im Rahmen des Elendssparjournalismus gibt es ein neues Phänomen zu beobachten. Man könnte es «the messenger is the message» nennen. Das äussert sich in verschiedenen Formen.

Zunächst einmal ist der eigene Bauchnabel des Schreibers ins Zentrum gerückt. Die eigene Befindlichkeit, Unwohlsein, Leiden, persönliches Erleben; der Leser wird zwangsweise in Beziehungsprobleme, Erziehungsknatsch, Essgewohnheiten, Hobbys und Vorlieben des Autors einbezogen.

Der geht durch eine Strasse, sieht einen Mohrenkopf an einer Hauswand – und ist betroffen. Er (kann auch eine Sie sein) verteidigt das Recht auf Burkatragen. Quält den Leser (kann auch eine Leserin sein) mit pseudofeministischen Sprachvergewaltigungen, verhunzt ganze Wörter mit Gendersternchen, Binnen-I und ähnlichen Folterwerkzeugen.

Der Autor (kann auch eine Autorin sein) fühlt sich diskriminiert, ausgeschlossen, eingeschlossen, leidet an seinem Arbeitsplatz unter männlicher Diskriminierung (eher selten unter weiblicher), kommt nicht zu seinem Recht als Mutter, Single, Lesbe, Dicker oder was auch immer.

Ablassventil für Frustrationen

Das ist offenbar das Ventil, um Frust über zunehmende Bedeutungslosigkeit abzudampfen. Inflationär gibt es daher auch Kommentare und Meinungen. Als ob es die Welt interessieren würde (oder den Leser), was ein Pseudo-Chefredaktor eines Kopfblatts eines Medienkonzerns zur Ukraine, Putin oder Biden meint. Als ob es jemanden interessieren würde, welche militärischen Sandkastenspiele veranstaltet werden.

Nun hat Tamedia seit einiger Zeit ein neues Wellnessprogramm für Journalisten aufgelegt. Unter jedem gezeichneten Artikel (also wenn nicht einfach SDA-Meldungen per copy/paste reinrutschen) wird der Leser – wenn er überhaupt so weit gekommen ist – mit ausführlichen Informationen über den Autor beglückt.

Eine unrepräsentative Sammlung:

Wollen wir wirklich wissen, dass eine Autorin vor vielen Jahren den Greulich-Kulturpreis gewann? Eine andere in Konstanz, Oxford und Freiburg i.Br. studierte? Jemand YB-Fan ist? Oder gar aufschreibt, was er hört und sieht, was natürlich für einen Journalisten schon bemerkenswert ist?

Woher diese neue Unsitte wohl kommt? Richtig, der abgehärtete Tamedia-Leser hat so seine Vermutung. Wenn schon jede Menge Inhalt von der «Süddeutschen» übernommen wird …

Original ist besser als Kopie

Allerdings gilt auch hier, dass das Original meistens eine Spur besser ist. Denn bei der SZ steht das nicht so aufdringlich am Schluss des Artikels. Sondern der Autorenname ist jeweils mit einem Link versehen, mit dem man auf eine Autorenseite kommt. Dort gibt es dann für Fans weitere biographische Angaben. Das hat Tamedia auch kopiert, aber zunächst wird der Leser mit ersten, launigen Hinweisen auf Vorlieben, Ausbildung, Themenbereiche und anderes belästigt.

ZACKBUM findet, dass das noch ausbaufähig ist. Irgend etwas stimmt noch nicht, wenn der Artikel länger als dieser Hinweis ist. Das scheint uns eine ganz falsche Gewichtung zu sein. Wir wären da für halbe, halbe. Mindestens. Zudem müssen wir an der Positionierung der Hinweise scharfe Kritik üben. Ganz am Schluss? Ganz falsches Signal. Das muss an den Anfang.

Schliesslich ist der Bote doch viel wichtiger als die Botschaft. Vor allem dann, wenn die Botschaft aus gebackener Luft besteht. Da ist man dann schon froh, dass wenigstens ein Mensch und kein Textroboter am Werk war. Wobei: wo ist genau der Unterschied?