Schlagwortarchiv für: Schweizer Illustrierte

D-Day als Gaga-Day

Die alliierte Landung in der Normandie vor genau 80 Jahren ist Anlass für viel Dada und Gaga.

Die «Schweizer Illustrierte» will hier auch mal erwähnt werden und schafft es mit diesem Beitrag zum D-Day: «Peinlicher Moment zwischen Königin Camilla und Brigitte Macron». Himmels willen, haben sich die beiden älteren Damen in die Haare gekriegt? Nein, fast noch schlimmer: als die beiden je eine Blume niederlegten, «griff die Präsidentengattin nach der Hand der Königin, was dieser ganz offenbar überhaupt nicht zu gefallen schien». Und dann sei Präsident Macron noch 20 Minuten zu spät zur Gedenkfeier erschienen.

Furchtbar, eine Königin anfassen, quel scandale. Dass Macron zu spät kam, ist hingegen unerheblich; die Franzosen spielten am D-Day sowieso keine grosse Rolle, obwohl natürlich alle nach dem Zweiten Weltkrieg in der Résistance waren.

Ansonsten wurde mit Worthülsen nur so um sich geschmissen, am beliebtesten: «Sie haben uns ein Beispiel gegeben, das wir nicht vergessen werden

Leichte Unsicherheiten im Kalender zeigt allerdings «watson». So schreibt das Magazin für die gebildeten Stände am Donnerstag: «Olaf Scholz wird am Dienstag am Omaha Beach erwartet», um dann gleich darauf zu behaupten: «Scholz wurde am Donnerstag zu der zentralen Gedenkfeier am Landungsstrand Omaha Beach in der Normandie erwartet.» Ja was denn nun?

Eine feine rote Linie zieht hingegen die «Süddeutsche Zeitung» vom D-Day zu heute: «Ein Strand in der Normandie wird am 6. Juni 1944 zum ewigen Sinnbild für Mut und Freiheit. Nun nimmt sich der Klimawandel die Küsten.» Und niemand kämpft so tapfer wie damals dagegen an …

Auf eine weniger schöne Aktion weist nau.ch hin. Englischen Fallschirmspringern widerfuhr, dass «nach der Landung auf einer Wiese in Sannerville bei Caen der französische Zoll die Soldaten für eine Passkontrolle erwartete». Da hatten ihre Kollegen am 6. Juni 1944 aber Schwein.

Der «Blick» drückt gewaltig auf die Tränendrüse: «König Charles und Königin Camilla weinen beim Jubliäum zu 80 Jahren D-Day». Auch das Blatt mit dem Regenrohr im Logo ist so gerührt, dass ihm die Buchstaben verrutschen.

Und dann haben wir noch Hobbyhistoriker Christof Münger, der Auslandchef ohne Ausland von Tamedia. Der weiss: «Die Befreiung Europas begann mit einem Martyrium». Dann widmet er sich ausführlich dem Wunsch des englischen Kriegspremiers Winston Churchill, persönlich bei der Landung anwesend zu sein. Das konnte, weil zu gefährlich, nur dadurch verhindert werden, dass ihm der englische König George VI. sagte, wenn Churchill gehe, sei er auch dabei.

Dann erzählt auch Münger nochmals die wieder und wieder erzählte Geschichte der Landung nach. Aber immerhin, was die meisten anderen Kommentatoren vergessen, am Schluss zitiert Münger einen deutschen Historiker, der darauf hinweist:

«Insgesamt kamen 344’000 Briten und 292’000 Amerikaner ums Leben, 50’000 davon im Pazifik. Gemäss Christian Hartmann, Historiker am Institut für Zeitgeschichte in Berlin und München, fielen derweil 6 Millionen Angehörige der deutschen Streitkräfte sowie 14 Millionen Rotarmisten. «Die Sowjetunion hat viel länger Krieg geführt als die Briten und Amerikaner», sagt Hartmann, «und dabei einen sehr viel höheren Blutzoll gezahlt.» Deshalb sei der Zweite Weltkrieg wohl an der Ostfront entschieden worden.»

Da aber der D-Day inzwischen unter Anwesenheit des ukrainischen Präsidenten Selenskyj (was hat der dort eigentlich verloren?) auch zu einem Anti-Russland-Tag geworden ist, wird auf diese historische Tatsache viel zu selten hingewiesen.

Im Februar 1943 hatte die 6. Naziarmee vor Stalingrad kapituliert, das war der Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs. In den USA und vor allem in England wuchs die Befürchtung, dass die Rote Armee bei ihrem Vormarsch nicht in Deutschland Halt machen würde, sondern ganz Europa bis hin zu Portugal erobern könnte. Nicht zuletzt, um das zu verhindern, wurde die Operation Overlord geplant und mehr als ein Jahr nach Stalingrad durchgeführt.

Aber nicht nur die Soldaten der Roten Armee kämpften mit Heldenmut und Tapferkeit; wer die Eingangssequenz von «Saving Private Ryan» gesehen hat, bekommt eine ungefähre Ahnung, welch unglaubliches Gemetzel der Anfang der Landung gewesen ist.

Aus «Saving Private Ryan» von Steven Spielberg.

Hier gab’s den gleichen Heldenmut, den sowjetische Soldaten bei Stalingrad bewiesen. Aber viel zu wenige kennen das Buch von Wassili Grossman «Leben und Schicksal», eine moderne Fassung von «Krieg und Frieden», das diesem Gewaltsmonument der Literatur ins nichts nachsteht.

 

Fan-Postille NZZ

Man muss hier von einer Obsession für ein Polit-Pin-up sprechen.

Es gibt Journalisten, die fahren auf High Heels ab. Es gibt viele Journalisten, die Äusserlichkeiten anhimmeln. Aber wieso ausgerechnet die gesetzte NZZ sich in eine schmachtende Fan-Postille verwandelt? Für die Wechseljahre ist die alte Tante dann doch etwas zu alt.

Oder ob sie inzwischen ein Faible für Modestrecken hat? Am 6. September bemühten sich Samuel Tanner und David Biner um ein Porträt der Dame mit Migrationshintergrund:

Das Wichtigste an solchen Artikeln war hier erfüllt: der Name wurde richtig geschrieben, und das Objekt der Schreibbegierde wurde gepflegt inszeniert fotografiert. Im taubenblauen Hosenanzug, züchtig zugeknöpft, der eine Arm abgewinkelt eingestützt, das lange vor dem Spiegel geübte Mona-Lise-Lächeln sitzt, wunderbar.

Am Sonntag 11. September dann – leider ohne Bild – eine Lobeshymne: «Es kommt wieder Schwung in die Europa-Initiative von Operation Libero und den Grünen.» Statt zu schreiben, dass diese Initiative eine Lachnummer ist, vorschnell angekündigt, dann ohne Initiativtext, dann nicht einmal von der eigenen Partei unterstützt, die Geldsammlung dafür hängt in den Seilen. Aber nein: «Ich habe eine Aufbruchstimmung erlebt, was mich natürlich sehr glücklich macht», darf die Initiantin schwurbeln.

Aber selbst die beiden Autoren Gina Bachmann und Andrea Kucera relativieren: «Bis die Initiative richtig Fahrt aufnimmt, dürfte es ein paar Monate dauern.» Wenn sie überhaupt jemals Fahrt aufnimmt.

Geht da noch einer im Bereich Anhimmle-Journalismus? Natürlich, wenn Rafaela RothRena Zulauf ist eine der geschicktesten Medienanwältinnen des Landes») gerade mal verhindert ist, geht Nadine A. Brügger ans Gerät. Die ist sonst für Rundumschläge zu haben, wenn’s beispielsweise um die Berichterstattung über den Roshani-Skandal geht. Hier holzte die NZZ kräftig mit, worauf Brügger dann allen übrigen Medien – ausser der NZZ natürlich – unverantwortliche Holzerei vorwarf.

Hier, am 13. September, ist sie aber ausgesprochen in Schmusestimmung:

Diesmal präsentiert sich die Dame in einer «Säuliamt-Tracht» beim Schachspiel. Dass die Figuren völlig idiotisch stehen, passt irgendwie zu ihr.

Über das gestellte Foto kann man wenigstens lachen, offenbar versucht die alte Tante, Tamedia zu zeigen, wie man ein Foto am besten stellt.

Tamedia versuchte es ganz am Anfang der Karriere der Dame mal so:

Ein Dream-Team. Dann holte der «Tages-Anzeiger» die staatsfrauliche Version vor die Linse:

Dann aber gab der Tagi richtig Gas, kleiner als mit einem Sprung vom Höllentor machte es die Dame nicht:

Zwischendurch erschien auch noch eine Modestrecke im «Magazin» der NZZaS. Unvergessen auch der Auftritt in der «Schweizer Illustrierte».

Aber zurück zu den Inhalten. Inhalten? NZZ-Brügger versucht sich in einer Imitation von «Bravo»: «Immerhin hat sie laut eigenen Angaben «das Selbstbewusstsein eines durchschnittlichen weissen Siebzigjährigen» Wann Ameti zur Selbstdarstellerin wurde, weiss sie nicht mehr.»

Was Brügger zu erwähnen vergisst: Auch Selbstdarsteller sollten etwas darstellen. Sonst ist man einfach ein Polit-Pin-up-Girl.

Nun legt Brügger richtig los: «Doch fünf Minuten reichen Ameti, um den Abend für sich zu entscheiden. In Anlehnung an Dürrenmatts Gefängnisrede wirft sie Blocher vor …»

Überhaupt, wenn sich die Dame mit jemandem vergleicht, dann natürlich nur mit ihm: «Es gibt nur einen, der mehr Spass hat in der Schweizer Politik als ich: Christoph Blocher. Darum ist er der Einzige, der mich nicht langweilt». Daher: «Nun, 31 Jahre später, will sie Blochers Erbin werden.» Selten so gelacht.

Ausser aber, sie muss weiterziehen: «Sie will den Koffer, der zu jeder Zeit gepackt in ihrer Wohnung steht, nie brauchen.» Welch ein Schicksal, als Flüchtlingskind in die Schweiz gekommen, hier wieder Zielschreibe von Fremdenfeindlichkeit, daher der gepackte Koffer. Drama, Baby, Drama.

Und die Drama-Queens treffen sich im Text; Brügger zitiert die Dame: ««Hier ist meine Heimat, aber was, wenn wir wieder vertrieben werden?» Der Koffer beruhigt. Es liegen darin etwa wetterfeste Stiefel, mit denen man auch durch den Wald laufen kann, wenn es in Strömen regnet.» Wow.

Dann wird aber schwer relativiert: «Im Schnitt bekommt Ameti zwanzig Hassnachrichten pro Tag.» Das waren auch schon mal bis zu 100, aber als ZACKBUM nachfragte, ob man mal eine anonymisierte Auswahl sehen könne, verstummte die Dame plötzlich.

Wie kann man eine solche Lobeshymne am Schluss noch zum Crescendo steigern? Wie kann man auf eine schriftliche Schleimspur noch einen Zuckerguss legen? Brügger gelingt das Unmögliche:

«Im Zug zurück nach Zürich ist sie stiller als sonst. Schaut aus dem Fenster. «Vielleicht», sagt sie plötzlich, «war Ankommen nie die Aufgabe meiner Eltern. Das ist jetzt mein Job.» Für einen Augenblick ist die Rüstung weg.»

Der Leser aber bleibt verwirrt zurück. Was ist nur mit der NZZ los? Wallungen? Alterssenilität? Ratlosigkeit herrscht.

 

Wie man’s nicht probieren sollte

Bud. Budweiser. Inbegriff eines US-Biers. Mit fataler Werbung. Wie bei der SI.

Das ging schwer in die Dose. Der Riesenkonzern Anheuser-Busch vertreibt neben vielen anderen Marken auch Budweiser. Das Bud gehört zu den traditionellen Marken und wird gerne gesoffen. Auch in der Light-Version.

Nun wollte der Konzern möglichst woke sein – und versicherte sich der Werbedienste der/die/des Transgender-Influencers Dylan Mulvaney. Mit durchschlagendem Erfolg: der Umsatz des Biers sank innert Wochenfrist um 26 Prozent. Denn Bier ist nun doch weiterhin eher Männersache, und auch der moderne männliche Biertrinker ist nicht gerade davon angetan, sein Gesöff von einer Transgender-Person angepriesen zu bekommen.

Das kann man als typischen Ausdruck von Diskriminierung, Phobie, Ausgrenzung, Ablehnung und allem Furchtbaren sehen. Aber der Markt (männlich!) ist eben unerbittlich.

Das leitet glatt zur ähnlich verunglückten Werbekampagne der «Schweizer Illustrierte» über.

Hier sitzt eine Frau barfuss statt auf dem bequemen Sessel auf dem Boden und schaut begeistert auf eine Schwingerhose. Echter Slapstick.

Frank Bodin von Bodin Consulting, dem neusten Namen seiner gelegentlich abröchelnden Werbebuden, wütet weiter im Ringier-Verlag, nachdem er schon der «Blick»-Familie ein Klötzchen-Design mit Regenrohr im Logo verpasste.

Auch diese Variante ist interpretationsbedürftig. Da sitzt ein Mann in spartanischem Umfeld, und statt das Glas Wasser zu kippen (wohl der kulinarische Höhepunkt auf dem Bild, oder ist der Strauss auf dem Nebentisch essbar?), glotzt er in eine Kochmütze, auf der «Schweizer Illustrierte» steht. Hä?

Auch nicht leichter verständlich. Ein wuschelköpfiger Jugendlicher (Musiker?) schaut schräg über ein Mini-Piano den Betrachter an. Neben sich ein Holzstoss und ein Blechtisch. Soll das ein versteckter Hinweis auf das kärgliche Leben in der Musikwelt sein?

Das hier verschliesst sich nun definitiv jeglicher Erklärung. Eine Frau lehnt sich in unbequemer Stellung gegen die Kante einer Bank. Links sieht man noch angeschnitten einen typischen Abfalleimer, der aber für diese Kampagne leider nicht verwendet wurde. Was sie in der Hand hält, und was daran sie näher an die «Prominenten» heranführen soll, ein Geheimnis.

Es gibt aber noch mehr Rätsel.

Das hier ist das Foto des kompetenten Teams, das diese Werbekampagne verbrochen, bzw. umgesetzt hat. Nur: «Frank Bodin fehlt auf dem Bild», macht ein Hinweis deutlich. Da fragt man sich natürlich, ob der Verantwortliche für «Konzept und Idee» dann doch kalte Füsse bekam, sich mit Konterfei in der Nähe dieses Schwachsinns zu zeigen.

Denn merke; wer eine Schwingerhose, eine Kochmütze oder ein Mini-Piano in der Hand hält und gebannt draufstarrt, ist damit weder Spitzenköchen noch Musikstars noch Prominenten in irgend einer Form näher. Nicht mal nahe. Abgesehen davon, dass die SI scheint’s ein Printprodukt ist, in dem man lesen und blättern kann. Beides ist bei diesen abgebildeten Gerätschaften eher schwierig bis unmöglich.

Man muss sich wieder einmal fragen, wieso sich ansonsten zurechnungsfähige Menschen so einen Blödsinn aufschwatzen lassen und dann auch noch so betexten: «Auf den Sujets sieht man eine Leserin oder einen Leser beim Schmökern in der SI in einer Alltagssituation: zu Hause, unterwegs, in einem Restaurant, beim Zurechtmachen für den Ausgang. Das Magazin selbst wird im Bild als Symbol für die Lebenswelten der Persönlichkeiten dargestellt: So ist die SI mal eine Schwingerhose, – weil näher beim König –, mal eine Filmklappe – weil näher bei den Filmstars – oder eine Kochmütze – weil näher bei den Spitzenköchen.»

Wenn das diesseits von 0,8 Promille verfasst wurde, ist dem Autor nicht mehr zu helfen.

Dagegen ist so eine Werbung geradezu genial:

Es darf gelacht werden: Lange Lunte im Puff

Valentin Landmann, Milieu-Anwalt. Feiert die Wiedereröffnung eines Bordells. Skandal!

Es ist zwar erst Anfang Juni. Aber die schwindende Möglichkeit, wegen der Pandemie mal wieder von Tausenden von Toten zu unken, strengere Massnahmen zu fordern, Lockerungen als grobfahrlässig, ja tödlich zu kritisieren, den zuvielten Wissenschaftler aufzubieten, der auch noch berühmt werden möchte – all das wirft einen Schatten aufs kommenden Sommerloch.

Oder so. Auch der ahnende und raunende Schriftsteller Lukas Bärfuss, der schon diagnostizierte, dass in der Schweiz Geld wichtiger als Menschenleben sei und daher bald Zustände wie in Norditalien herrschen werden, also wie in dem Videoschnipsel, wo ein paar Armeelastwagen Särge abtransportieren, belästigt längst andere Themen mit seinen unausgegorenen Zeilen.

Es kommt zu ersten Verzweiflungstaten der Medien

AHV-Alter für Frauen, nun ja, auch nicht so der Brüller in den News. Da kommt es zu Verzweiflungstaten. Und schon grüsst auch der Herdentrieb. Denn am 4. Juni kam die «Schweizer Illustrierte» ihrer Berichterstatterpflicht nach. Obwohl sie dafür keine Extra-Batzeli vom Steuerzahler kriegt, wagte sie die Investigativ-Recherche: «Endlich wieder ausgehen!» Die C- bis D-Prominenten Fabienne Bamert («Samschtig Jass») und Mario Gyr (rudert unglaublich schnell) schafften es aufs Cover der SI – und wagen ein «Candle Light Dinner» am helllichten Tag um 17.45. Oder gar 5.45 Uhr; weiss man’s?

Vorne Candle, hinten Sonne, in der Mitte Dreitagebart.

So weit, so schnarch. Aber als Nächster setzt sich Valentin Landmann in Szene. Länger nichts mehr gehört vom «Rotlicht-Anwalt», auch schon 71 Lenze alt. Aber nun wieder rein ins Vergnügen, er «steht im Globe in Schwerzenbach ZH, dem grössten Schweizer Sexclub», weiss die SI. Nun, auf dem Foto sitzt er, und auch der SI-Fotograf scheint das «riesige Nachholbedürfnis» zu spüren und lässt zwei Angestellte seinen Job tun.

Auf der nächsten Seite wird es dann richtig schlimm. Kaum ist die Pandemie auf dem Rückzug, sind neuerliche Attacken auf die hilflose deutsche Sprache zu befürchten – als ob ein virulenter Lukas Bärfuss nicht schon schlimm genug wäre. Zeichnet sich hier also ein Skandal ab?

Simone Meier, Sunil Mann und Milena Moser: Angriff der Killer-Literaten.

Aber nein, wir blättern eine Seite zurück, Dort sitzt der Skandal im Puff. Worin besteht nun der «Eklat» (Tamedia), wieso sorgt Landmann «für Empörung» (nau.ch)? Oder um es mit der NZZ entschieden staatstragender zu sagen:

«Der SVP-Kantonsrat Valentin Landmann lässt sich im Bordell fotografieren und verärgert damit Ratskolleginnen und -kollegen».

Wie man auf der Fotografie aber deutlich sieht, ist Landmann völlig bekleidet, begeht keinerlei unzüchtige Handlungen – aber er trägt weisse Socken!

Werden Landmann seine Prekariat-Socken zum Verhängnis?

Das geht nun gar nicht, nicht mal beim Puffbesuch. Aber darüber erregt sich die GLP-Kantonsrätin Andrea Gisler nicht in erster Linie. «Das ist eine degoutante Inszenierung mit einem Mann inmitten junger Frauen», kritisiert sie. Ohne näher zu erläutern, was daran degoutant sein soll. Hier werde eine «schummrig-plüschige Idylle im Rotlicht-Milieu geschildert», beschwert sich Gisler – mit 50 Mitunterzeichnern – gleich mal beim Ringier-Verlag. Denn den «Profiteuren der Prostitution» dürfe man keine mediale Plattform bieten.

Das bringt nun den allgemein als sanftmütig bekannten Landmann etwas in Rage: Es sei «unwürdig», ihn als «illegitimen Profiteur der Prostitution zu verunglimpfen». Schliesslich treibe ein Prostitutionverbot «die Frauen in die Unterwelt. Dort sind sie nicht geschützt, sondern Übergriffen und Ausbeutung ausgeliefert.»

Auch quer durch feministische Kreise geht der Streit, ob der Beruf der Sexarbeiterin Ausdruck weibliche Befreiung oder männlicher Ausbeutung sei. Was aber an Landmanns Auftritt – abgesehen von den weissen Socken – degoutant sein soll und was das andere Mitglieder (Pardon) des Kantonsrats angeht, ist unerfindlich.

In Bern wäre die verzögerte Reaktion normal – aber in Zürich?

Ebenso bleibt die verzögerte Reaktion ein Rätsel. Die SI erschien mit diesem Eklat-Foto letzten Freitag. Niemand machte einen Eklat draus. Erst am Montag schwoll der Protest im Kantonsrat an. Ob da alle 50 Mitunterzeichner des Schreibens an Tamedia wissen, was sie genau unterschrieben haben? Und wieso berichtet die Journaille flächendeckend erst ganze 5 Tage nach dem Bild des Anstosses? Auch bemerkenswert: niemand interessiert sich für das Schicksal der drei leicht- oder nicht bekleideten Damen auf der Fotografie.

Zwei von ihnen sind offenbar ganz nackt, dazu gesichtslos, also zum Sexobjekt herabgewürdigt. Und als Helferinnen beim Shooting (schon alleine dieser Ausdruck in dieser Umgebung, igitt) missbraucht. Wobei sie zudem die Handleuchten so falsch halten, dass sicherlich wieder Herrenwitze über «Frau und Technik» auf ihre Kosten gemacht wurden. Schliesslich: hat der Fotograf nur an seiner Kamera abgedrückt?

All das wäre doch einer investigativen Recherche wert. Eigentlich müssten in diesem Sexclub schon längst Massen von Journalisten stehen, die mit dem Presseausweis winken und Rabatt verlangen. Aber eben, kein Pfupf mehr in den Redaktionsstuben. Wo bleibt die knallharte Recherche über das traurige Schicksal der auf der Fotografie missbrauchten Frauen? Keine der 78 Unterzeichner des Protestschreibens hat Zeit dafür? Sehr bedauerlich.

Das ist bitter für ein Boulevardblatt

Blöd läuft’s nur für den «Blick». Die einzige Zeitung mit im Titel eingebauten Regenrohr kann nun schlecht in die Kritik einstimmen; schliesslich erscheint die SI im gleichen Verlag. Landmann den Rücken stärken, das könnte aber in der Verlagsetage auch nicht gut ankommen. Das ist natürlich voll den Bach runter für das Blatt der gehobenen Lebensart

Was könnte man da für Boulevard-Storys rausmelken. Besucht Landmann das Puff auch als Gast? Wenn ja, gibt’s Freifahrschein? Was sagen denn Damen, die ihn schon bedient haben, über sein Verhalten im Bett? Ist sein Alter denn kein Problem? Oder sein Bluthochdruck? Kann man ihm dabei juristische Fragen stellen?

All diese gnadenlos guten Storys werden nun nie erscheinen – dabei ist es noch mindestens einen Monat hin bis zum echten Sommerloch. Das kann noch heiter werden.

Ex-Press XL

Blasen aus dem Mediensumpf.

Diesmal nicht anhand unerschrockener Griffe in diesen Sumpf, sondern als Potpourri (weniger) guter und (viel) schlechter Nachrichten. Wohlriechend ist dabei wirklich nicht alles (Nora Zukker, das ist eine Anspielung auf den Sinn des Wortes, aber der lässt sich googeln).

Zunächst schlechte Nachrichten für die «Schweizer Illustrierte». Sie wollte natürlich auch an die Geldtöpfe des Bundes in Sachen Covid-19. Reichte ein entsprechendes Gesuch vor knapp einem Jahr ein, dann mahlten die Mühlen und mahlten und mahlten.

Bis nun das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die SI keine Kohle aus diesem Topf kriegt. Denn sie erfülle die Kriterien dafür nicht. Verlangt sind aktuelle Nachrichten und eine breite Themenpalette.

Sternchengeburtstage, Berichte über den Zustand von Unterleib, Gesichtsstraffung oder Liebes-Aus, natürlich auch Liebesrausch, vermögen diese Bedingungen nicht zu erfüllen. Auch die ewige Nummer «XY zeigt zum ersten Mal ZZ», wobei ZZ ein Baby, ein Haustier, ein neuer Lover oder ein neues Haus sein kann, trägt offensichtlich nicht wesentlich zum Informationsauftrag bei.

Eigentlich unverständlich, bei diesem geballten Gehalt von News:

Gutes Selbstmarketing ist die halbe Miete, heutzutage. Das weiss auch Florian Imbach, der nach knapp sechs Jahren bei der «Rundschau» woseliwo gelandet ist? Genau, bei der Bundesverwaltung.

Damit ihm nicht das Gleiche passiert wie Putzfrauen, Pardon. Raumpflegerinnen, Pardon, Facility Manager*Innen, deren Stellenwechsel auf Agenturen nicht immer mit der nötigen Akkuratesse bei persoenlich.com nachverfolgt wird, hat sich Imbach noch was Tolles einfallen lassen, was ihm einen Jubelartikel mit grossem Foto einbringt:

Da korrigieren wir uns gerne; vorgestern schrieben wir noch, dass Roger Schawinskis Petition «Rettet UKW» mehr als 48’000 Unterschriften gesammelt habe. Nun sind bereits die 50’000 überschritten, und selbst die für den damaligen Entscheid verantwortliche Alt-Bundesrätin Doris Leuthard spricht sich inzwischen klar für einen «Marschhalt» beim Abschalten aus. Das kratzt aber Jürg Bachmann, den Präsidenten des Verbandes Schweizer Privatradios, überhaupt nicht. er holpert eine schriftliche Stellungnahme für Tamedia raus: «Ich habe die Aussagen von Doris Leuthard gelesen, aber keine neuen Gedanken gefunden, die für eine Abweichung vom vorgesehenen Plan sprechen würden.»

Vielleicht sollte sich der Verband ernsthaft überlegen, einen geistig etwas agileren Präsidenten zu ernennen und den hier abzuschalten. So wird das nämlich nix mit dem Abschalten.

Endlich, money for free im Journalismus? Da gibt es «Le Pacte», und hier wird Geld wie mit dem Füllhorn ausgeschüttet. Für «journalistische Projekte», in erster Linie von halb- oder ganz freien Journalisten. Bis zu 15’000 Franken werden lockergemacht, wenn der Vorschlag die Zustimmung der Jury findet. 225’000 Franken sollen zur Verfügung stehen. Wunderbar.

Wunderbar? Nun, an dieser Hürde dürften schon mal die meisten Bewerber scheitern, denn sie müssen begründen, «inwiefern das Projekt der allgemein anerkannten Definition von Investigativjournalismus entspricht». Tja, liebe Relotius-Klone und Liebhaber von anonymen Denunziationen mittels angeblicher «Quellen»: das wird dann nix.

Ausserdem entscheidet eine knallharte «Fachjury» von ausgewiesenen Könnern und Kennern über die Vergabe. Echt jetzt. Auf Deutsch gehören zu ihr:

  • Der mehrfache Bruchpilot David Sieber, der zuletzt den «Schweizer Journalist» in den Boden rammte
  • Albina Muhtari, Chefredaktorin «baba news»
  • Adrienne Fichter, Redaktorin «Republik»
  • Marcel Hänggi, Journalist, schreibt «Bücher und Texte für Museen und hält Vorträge, Hühner und Schafe»
  • Alexandra Stark, freie Journalistin
  • Elvira Wiegers, «Vertreterin der Zivilgesellschaft», dazu befähigt als Nationalratskandidatin der AL
  • Nikki Böhler, ebenfalls Vertreterin, dazu Geschäftsführerin bei opendata.ch
  • Giulia Meier, ebenfalls Vertreterin, Staatsangestellte in Bern und zuständig für «Theater, Tanz, Literatur»

Vielleicht müssen wir darauf aufmerksam machen, dass das KEINE Satire ist. Nun ist es auch so, dass der Vorstand von «Le Pacte» aus nicht bekannten Mitgliedern besteht, die vor allem eine Gewerkschaftskarriere hinter sich haben, vielleicht mit Ausnahme von Jean-François Tanda.

Dieses Gerümpelturnier soll dann über die Vergabe von fast einer Viertelmillion entscheiden. Ganz objektiv und kompetent. Glaubt jemand, dass dieser Haufen einen Antrag von ZACKBUM oder von René Zeyer wohlwollend prüfen und befürworten würde? Wohl nicht mal, wenn er von Hühnern und Schafen begleitet wäre oder als Foxtrott auf offener Bühne dargeboten würde.

 

Der Bezwinger des Matterhorns

Peter Rothenbühler wechselt das Organ. Damit setzt er ein Zeichen.

Wenn man nicht mehr der Jüngste ist, aber immer noch aktiv, dann wird man zum Urgestein. Peter Rothenbühler (wir haben mal zusammengearbeitet und mögen uns wohl) hat seine Karriereplanung mit der Besteigung des Matterhorns verglichen.

Früh aufstehen, schnell an die Spitze, dort nur kurz jauchzen und gleich an den Abstieg denken. Er hat das Matterhorn bestiegen, und einige Chefredaktorsessel auch. Mehr als das; als er als letzter Notnagel die serbelnde «Schweizer Illustrierte» übernahm, erfand er den Schweizer People-Journalismus.

Er hielt gegen alle Häme durch und machte damit die SI zu einem hochprofitablen Organ. Sehr zum Verdruss eines grossen Teils der Redaktion. In den damaligen goldenen Zeiten des Journalismus mussten wir nur einmal den Redaktionsgang runterlaufen, schon hatten wir wieder drei Kündigungen im Rücken.

Mit seinen Kolumnen auf Wanderschaft

Aber genug der Nostalgie, das Leben ging weiter, 2000 brach Rothenbühler zu neuen Ufern auf, nachdem man ihn bei Ringier nicht mehr wirklich wollte. Nach einem misslungenen Abstecher zu Roger Schawinski zeigte er als Chefredaktor von «Le Matin» nochmals, wie man ein erfolgreiches Blatt macht.

Auch mit seiner Kolumne ging er auf Wanderschaft, bis er wieder bei der SI damit landete. In einem vergnüglichen Interview auf persoenlich.com, das er möglicherweise mit sich selbst geführt hat, begründet er die Wahl banal: «Die hat am meisten bezahlt.»

Mit dem ihm eigenen Geschick und Schalk manövriert er sich durch die Fragen, wieso er schon nach sieben Jahren gehe, normal bei ihm seien doch zehn: «Das sind die neuen zehn Jahre.» Wieso zur «Weltwoche»? «What else, kann ich da nur sagen.» Und der politische Kurs des Blatts? «Den suche ich immer noch.»

Vom Piksen und Quälen

Und wie steht es mit dem Widerhall seiner Kolumnen? «Doch, doch, es läuft gut. Grosse Persönlichkeiten lassen sich immer etwas sagen. Nur die Kleinen weinen, wenn man sie pikst.»

Sticheln kann er natürlich auch nicht lassen, er setzt sogar zu einem wahren Manifest an, was bei ihm eher selten ist: «Ja, ich glaube, die Weltwoche hat eine grosse Zukunft. Ich bin ein Überzeugungstäter, glaube an den freien Diskurs, der heute gefährdet ist. Ich schreibe fortan für eine Publikation, wo das offene Wort etwas gilt, wo es keine Zensur, keine vorauseilende Unterwerfung unter die Hüter der Korrektheit, keine Genderpolizei und keine Diversity-Manager gibt.»

Das kleine Wörtchen «fortan» deutet dezent darauf hin, dass das in seinem bisherigen Organ anders war. Da Rothenbühler wirklich ein treuer Mensch ist, muss man ihn längere Zeit garstig gepikst haben, bis er sich entschloss, dass es nun aber reicht.

Ringier und sein unglückliches Händchen beim Personal

Als ich ihm zum Wechsel gratulierte, fragte ich auch, was denn der eigentliche Grund sei. Darauf schweigt Rothenbühler, denn auch dazu hat er eine unschlagbare Erkenntnis aus seinen jahrelangen Aufenthalten in Schlangengruben gewonnen: Er komme leise und gehe leise. Nur dazwischen gebe es manchmal Mais.

Wie schon bei Helmut-Maria Glogger selig zeigt hier Ringier wieder einmal, dass der Verlag ein eher unglückliches Händchen in seiner Personalpolitik hat. Nachdem eine Rabauken-Truppe aus Deutschland den «Blick» fast an die Wand gefahren hatte und ihn zur teuersten Entschuldigung aller Zeiten zwang, wechselte ein belangloser Chefredaktor den letzten ab. Nun leitet Christian Dorer mit seinem Schwiegersohn-Charme das, was von der «Blick»-Familie noch übrig ist.

Auch die SI ist nur noch ein Schatten ihrer selbst; 20 Jahre ohne Innovation, nur Imitation von Rothenbühlers erfolgreicher Idee, das reicht in den garstigen heutigen Zeiten nicht. Ohne Rothenbühler wird das Blatt noch beliebiger, um ein Lieblingswort des Hausgespensts Frank A. Meyer zu benützen, der Meister der Beliebigkeit.

Der leise Niedergang der Schweizer Illustrierten

Die Schweizer Illustrierte wird von der Glückspost auflagenmässig hart verfolgt. Inhaltlich hat das Flaggschiff von Ringier-Axel Springer weniger Swissness, dafür mehr Frauenthemen.

Die «SI» vom 18. September hat ein untypisches Titelbild. Die Köpfe von Schlagersänger Marc Trauffer und seiner Brigitte sind nur passfotogross abgebildet. Grund: Brigitte Traufers riesiges Hochzeitskleid. Für den Spontankäufer am Kiosk eher ein Ablöscher. Ebenfalls gewöhnungsbedürftig: als weitere Titelthemen gibt’s nur noch einen Minianriss über den «TV-Star Fabienne Bamert» und den Hinweis aufs «Extra zum Zurich Film Festival». Diese Zurückhaltung lässt das Cover dafür edel erscheinen. 4 Franken 90 für 84 Seiten sind ok. Allein schon Sonntagszeitungen sind oft teurer.

A propos Preis. Als ich die «SI» im Coop Pronto kaufen wollte, gab es einen kleinen Stau. Grund: der Verkäufer fand den Strichcode nicht auf dem Heft. Ich fand ihn auch nicht. Er scheint irgendwie vergessen gegangen zu sein. Der Verkäufer tippte dann die Fr. 4.90 ein und machte ein Handyfoto vom Heft. «Für die Buchhaltung», brummelte er. Zum Glück war’s kein Sexheftli. Ich wäre gestorben vor Scham.

Nun beginnt das Blättern

Wie schon in der Glückspost setzt sich der Chefredaktor auf Seite 3 in Szene. Immerhin schreibt Werner de Schepper Pro zwei Wochen Vaterschaftsurlaub (Abstimmungstermin am 27.9.). Darüber, dass er in höherem Alter nochmals eine Familie gründete, verliert er aber keine Silbe. Dafür über das Flüchtlingselend. Immerhin. Das ist löblich.
Übrigens ist De Schepper Co-Chefredaktor. Er teilt sich den Job mit Nina Siegrist. Co-Leitungen sind im Trend, die Sozialdemokraten lieben dieses Führungsmodell. Ich habe gemischte Gefühle. Wenn’s heiss wird, ist immer das «Co» zuständig. Obwohl: bei ZACKBUM.CH sind wir sogar zu dritt.

Nachschub für die Kakteenzucht

Die Seiten 6 und 7 bieten ein buntes Potpurri mit Promis und Sternchen. Stefan Schmidlin, Ex-Schmirinski und heute Holzbildhauer, posiert mit Auto-Unternehmer Walter Frey im neuen Skulpturenpark in Glattfelden. Was die beiden miteinander zu tun haben, bleibt zwar offen. Aber das Bild ist ziemlich gut. Ebenfalls auf der Doppelseite: der Klassiker mit der Rose und dem Kaktus. Wer lieb war aus Sicht der «SI», bekommt eine Rose, wer weniger lieb war, einen Kaktus. Es soll Leute gegeben, die im Laufe dieser Jahrzehntetradition schon eine Kakteenzucht betreiben können.

Auf Seite 9 schreibt Peter Rothenbühler wie jede Woche einen offenen Brief an irgend jemanden. Diesmal an die Waadtländische Regierungspräsidentin. Er kritisiert ihre lasche Haltung wegen Corona. Ist das relevant für die Deutschschweiz? Man zuckt mit den Schultern. Herr Rothenbühler hat halt seinen Zweitwohnsitz im Jura, das scheint der Grund zu sein. Rothenbühler ist übrigens jener Chefredaktor, der in den 1990er Jahren das damals hochpolitische, aber erfolglose Heft zum Schweizer Promiblatt Nummer 1 trimmte. Das sollte für viele Jahre das Erfolgsrezept der «SI» bleiben.

Nun kommt die Doppelseite «Meine Woche». Einer Art Fragebogen für ZeitgenossInnen wie Sina, Bastien Girod und Katharina Locher. Ich kenne drei von fünf aufgeführten. Damit liege ich wohl im Leserschnitt. Der etwas bemühende Link in die Digitalwelt: Die Spalte «Mein Handybild».

Jetzt folgt die 8-seitige Bild- und Textstrecke über Marc Trauffer und seine Gattin. «Klammheimlich gaben sie sich das Jawort». Wahnsinn! Nur die SI war dabei. Der Klassiker. Ein Exklusivvertrag. Vielleicht hat sich aber auch niemand sonst interessiert?

Achtung, es wird literarisch. Immerhin 6 Seiten lang wird der Schriftsteller Thomas Hürlimann porträtiert. Er ist 70 geworden und musste eine schwere Krankheit durchstehen. Der Text ist sehr gut. Aber ob er wirklich in die SI passt und nicht eher in die NZZ am Sonntag oder in dessen Folio? Nicht ganz klar ist, ob er nun noch mit seiner Freundin zusammen ist oder nicht. «Seine Partnerschaft mit Schriftstellerin Katja Oskamp fiel nach 20 Jahren der Krankheit zum Opfer.» Tönt kompliziert! «Gesund, aber wieder Single», hätte Peter Rothenbühler als Überschrift wohl ins Blatt gerückt. Der Titel unter dem studierten Theologen De Schepper: «Das Schreiben rettete mich». Amen.

Näher bei den Stars und Sternchen

Nestlé. Vevey. Die Reportage über eine Fotoausstellung steht unter dem Motto: «Eine Herzensangelegenheit für Mark Schneider, CEO von Nestlé». Ein Text, der die traditionelle Nähe der SI-Journalisten zur Wirtschaft bestätigt. Aber Nestlé ist nun mal ein Weltkonzern und hat seinen Sitz in der Schweiz. Dass der Autor der Nestlé-Story, Onur Ogul, auch anders kann, zeigt sein berührendes Interview mit einer Frau, die im abgebrannten Flüchtlingslager auf Moria (Lesbos) hilft. Doch vielleicht einen Tick zu anteilnehmend und zu wenig auf die junge Schweizer Helferin fokussiert. Das wäre eigentlich die Stärke der «SI».

Ja, genau wie auf den folgenden Seite, wo Fabienne Bamert zeigt, wie sie ihre an MS erkrankte Mutter pflegt – neben ihrem Job als Samschtig-Jass-Moderatorin! Man erfährt zudem, dass Bamert bald «SRF bi de Lüüt – live» moderieren wird. Das wurde doch perfekt eingefädelt vom SRF-Mediendienst. Good job!

«Jetzt reden die Väter!» Das ist eigentlich klassisch «SI». Zehn «prominente Papis» zeigen sich zuhause – mit ihren Kindern. Doch man muss die Texte schon sehr genau lesen, um herauszufinden, wer nun für und wer gegen die Vorlage zum Vaterschaftsurlaub ist. Ein klares Ja oder Nein findet man fast nicht. Eine steife Sache.

Klarer drückt sich dafür Tatjana Haenni ab Seite 50 aus. Die ehemalige Natispielerin im Fussball ist heute Frauen-Chefin beim Schweizer Fussballverband. Eine ideale Markenbotschafterin. Und ein guter Text, der die Veränderung der Frauenrolle in der Praxis aufzeigt. Und wo liegen die Probleme? «Bei Entscheidungsträgern und sportpolitischen Gremien».

Nun wird die SI «stylischer». Kaufen, reisen, schön sein, essen. Hautcrèmes, BH’s, das Luxus-Hotel in Lugano, noch eins auf Madeira. Werbeseiten nochundnoch. Und natürlich voll nicht deklariert als Publireportagen. Gut zu wissen, dass der Presserat nur reagiert. Und wohl die SI sowieso nicht beachtet.

Mmh, fein. Die Themen Kulinarik und Kochen. Während in der «Glückspost» die Lebensmittelädeli von Volg als Köche agierten, ist es nun Betty Bossi. «BB» war eine Zeitlang Teil des Ringierkonzerns, da macht eine Partnerschaft durchaus Sinn. Dann folgt die obligate GaultMillau-Seite mit Spitzengeköchel in Vevey. Eine Herzensangelegenheit von Urs Heller (67). Das Ringier-Urgestein entwickelte Zeitschriften wie SI Style und Landliebe. Im Nebenamt ist er nach wie vor Chefredaktor des Gourmetführers GaultMillau Schweiz. Wohl bekomm’s.

Umrahmt von Inseraten über Biomed-Brausetabletten und Burgerstein Nahrungsergänzungsmittel lernt man mehrere Seiten weiter einiges über das eigene Selbstbewusstsein. Man muss nur an sich glauben.

Urgesteine und alte Traditionen

Und dann jubelt das Herz jedes kritischen Beobachters. Die Doppelseite über eine Kämpferin gegen Food-Waste, also Lebensmittel wegschmeissen, ist schulbuchmässig mit «Publireportage» angeschrieben. Warum? Weil die porträtierte Anastasia Hofmann einen Toyota fährt. Also. Geht doch. Die Doppelseite scheint ein regelmässiges Format zu sein «12 Frauen, 12 Fragen». Bemerkenswert: im Interview kommen Autos und vor allem Toyota nicht vor. Die Brücke muss sich der Leser selber zimmern. Das ist durchaus clever.

Nun folgen die Rätselseiten und – ach nein. Peter Hürzelers «Willi», der Schweizer Nationalheld, der jede Woche ein aktuelles Thema ironisch kommentierte, wurde 2015 abgesetzt. Er erschien seit 1972, die Ermunterung kam durch den damaligen Chefredaktor Hans Jürg «Fibo» Deutsch. Womit wir noch ein Ringier-Urgestein erwähnt hätten.

A propos Urgestein: Chris von Rohr, auch schon 68, doziert nun in seiner Kolumne über Grenzen und lobt Neuseeland und Kanada. Er plädiert für den goldenen Schnitt und gegen eine staatenlose Welt. Auf gut Deutsch: Ich bin gegen die EU. Geschrieben hat das von Rohr, nicht Gölä. Da haben sich aber zwei Musiker gefunden. Rührend.

Applaus – endlich die Promiseite. Dafür stand die «SI» jahrelang. Sehen und gesehen werden. Die Schönen und die Reichen. Diesmal: Der neue Schoggi-Tempel von Lindt in Kilchberg (ZH). Roger Federer war auch dabei, diesmal in feinem Tuch und mit schwarzen Lederschuhen. Seine ON-Treter liess er zuhause. Es hätte wohl wieder ein Gezeter bei SRF gegeben. Schleichwerbung! Moderiert wurde die Eröffnungsfeier von Sandra Studer (Sandra Simo, Canzone per te). Roger Federer und seine Gattin Mirka werden in der «SI» so zitiert: «Wir sind vom Home of Chocolate tief beeindruckt».

Wird die SI die Nase vorn behalten?

Abgerundet wird die Schweizer Illustrierte von der Rubrik «so mache ich das». Antonia Kälin, Miss August im Bauernkalender, wird in der Ich-Form beschrieben. Kurze Sätze, klare Ansagen. Lesenswert. Sogar sehr gut. Eigentlich wird damit die Tradition des Magazin (Tamedia, Ein Tag im Leben von…) perfekt umgesetzt. Besser als im Original. Original? Seit letztem Samstag weiss man, dass die Kultrubrik «Ein Tag im Leben von …» abgesetzt und durch  «Zu hause bei» ersetzt wurde. Schade.

Noch ein Wort zur Beilage: Diesmal sind es satte 76 Seiten über das Zurich Film Festival. Solide, informativ, zum Teil gar originell. Etwa die Reportage über ein Auto des Hauptsponsors mit einem herrlich überdrehten Fabian Cancellara als Regisseur. Autor des Textes: David Schnapp. Man kennt ihn als Autotester für die Weltwoche. Zudem arbeitet er für GaultMillau von Urs Heller. Die «SI», eine ganz besondere Familienbande.

Fazit: Der SI-Inhalt wirkt ein bisschen orientierungslos. Aber es ist auch ein schwieriges Umfeld. Denn Promigeschichten findet man auch in «20 Minuten» oder auf SRF in «Glanz & Gloria». Auflagemässig dümpelt das ehemalige Promi-Flaggschiff der Schweiz mit sinkender Auflage (aktuell ca. 131000) herum. Nur noch gut 9000 Exemplare mehr als die Glückspost werden von der SI verkauft. Das scheint irgendwie typisch. Die SI erinnert je länger je mehr an einen Abklatsch der Schweizer Familie. Daher bald an dieser Stelle: Eine Blattkritik über jenes Tamedia-Erzeugnis.