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Ausländer als «Metastasen» bezeichnet

Der Tages-Anzeiger bietet Oberrichter mit ausländerfeindlichen politischen Ansichten eine «lustige» Plattform.

SD-Politiker Christoph Spiess ist seit einigen Tagen der breiteren Öffentlichkeit ein Begriff. Er und seine Frau Justyna Spiess haben einige Filmchen aufs Netz geladen, die originell sein sollen.

Ins Rollen brachte die Story Tamedia-Redaktorin Lisa Aeschlimann. Sie stellt die Frage aller Fragen: «Man stelle sich vor: Am Morgen verurteilt Spiess Straftäter, am Abend hält er für ein lustiges Video mit seiner jüngeren, lebenslustigen Frau her. Darf sich ein Richter – eine Magistratsperson – in den sozialen Medien so zeigen?»

Langer Rede, kurzer Sinn. Man darf, auch wenn man knapp am guten Geschmack vorbeischrammt.

Ausländer als «Metastasen»

Was den Tagi-Lesern vorenthalten wurde. Alt-Gemeinderat Christoph Spiess (61) darf in seiner Freizeit auch üble rassistische Thesen verbreiten. So schrieb er 2015 in Zusammenhang mit der erleichterten Einbürgerung von Ausländern dritter Generation, dass sie sich zwar so weit «integrieren», dass sie nicht ständig anecken. Im Herzen bleiben sie aber mit der Heimat ihrer Vorfahren verbunden. Sie bilden eigentliche Parallelgesellschaften, sozusagen «Metastasen» fremder Kulturen. Dass ein Oberrichter Teile der Gesellschaft als sinngemäss als Krebstumor, als bösartigen Geschwulst, bezeichnet, ist speziell.  Verbürgt ist laut der «NZZ», dass Christoph Spiess bereits 1975 der Nationalen Aktion beigetreten ist, die damals vor allem gegen Italiener Stimmung machte. 20 Jahre lang war Spiess Gemeinderat in der Stadt Zürich, für die Rechtsaussen-Partei Nationale Aktion gegen die Überfremdung von Volk und Heimat, die sich später in Schweizer Demokraten umtaufte.

Laut dem «NZZ»-Artikel von 2015 ist Spiess «unter Juristen geschätzt, aber für viele ein politisches Schreckgespenst, ein rechtsextremer Fremdenfeind, dem man allerlei niedere Instinkte zutraut». Immerhin, so nochmals die «NZZ»,  sei der stramme Schweizer Demokrat vor Gericht kein Ausländerschreck. Vielmehr gelte als besonnener Jurist, der alle Angeklagten mit Respekt behandle und auch gerne einmal eine mildere Strafe verhänge als die Vorinstanz.

ZACKBUM hat nachgefragt bei Christoph Spiess.

Herr Spiess, wie waren die Reaktionen auf den grossen Artikel im Tages-Anzeiger?

Die Reaktionen auf den von Ihnen erwähnten Artikel gingen mit einer sehr grossen Mehrheit (ich schätze so um die 80 %) dahin, dass die im Artikel thematisierten Videos auf dem TikTok-Account meiner Ehefrau völlig unproblematisch seien, offensichtlich nichts mit meiner Amtstätigkeit zu tun hätten, und dass die daran geübte Kritik deshalb unberechtigt sei.

Hatten Sie früher auch schon Reaktionen/Reklamationen Ihres Arbeitgebers auf Ihre privaten Aktivitäten, etwa die Parteiarbeit für die SD/NA?

Nein, wieso denn auch? Ich war fast 20 Jahre im Zürcher Stadtparlament und bin auch heute noch, wenn auch nicht mehr so intensiv wie damals, politisch aktiv. Das steht mir genau so zu wie jedem anderen Stimmbürger. Es ginge nicht an, mich wegen dieser Aktivität im Berufsleben zu kritisieren, und das geschieht richtigerweise auch nicht. Meine Amtstätigkeit als Richter ist demgegenüber nicht politischer Natur. Hier geht es um die korrekte Anwendung der geltenden Gesetze auf Einzelfälle. Dabei dürfen politische Meinungen keine Rolle spielen, und sie tun dies auch nicht. Im Gerichtshaus hat die Politik nichts verloren.

In einem Text von Ihnen aus dem Jahr 2015 bin ich auf eine diskutable Passage gestossen. Sie argumentieren in Zusammenhang mit der erleichterten Einbürgerung von Ausländern dritter Generation, dass sie sich zwar so weit «integrieren», dass sie nicht ständig anecken. Im Herzen bleiben sie aber mit der Heimat ihrer Vorfahren verbunden. Sie bilden eigentliche Parallelgesellschaften, sozusagen «Metastasen» fremder Kulturen. Würden Sie das heute noch unterschreiben?

Viele junge Immigranten integrieren sich voll und identifizieren sich dann auch wirklich mit unserem Land. Leider gibt es aber auch viele, die zwar unsere Sprache lernen und im beruflichen und sozialen Leben gut eingegliedert sind, innerlich aber nicht die Schweiz, sondern ihr Herkunftsland (bzw. dasjenige der Eltern und Grosseltern) und dessen Kultur als Heimat empfinden. So bilden sich in der Tat «Parallelgesellschaften» fremder Kultur. Das geschieht nicht nur bei uns in der Schweiz, sondern noch viel ausgeprägter in gewissen Quartieren von Grosstädten in anderen europäischen Ländern (Paris, London, Marseille, Berlin, Brüssel-Molenbeek usw.). Leider gibt es sogar Länder, deren Regierung das gut findet und ihre ausgewanderten Bürger aktiv dazu ermuntert, sich ja nicht zu assimilieren. Konkret erinnere ich mich an derartige Äusserungen des amtierenden türkischen Staatspräsidenten.

«Parallelgesellschaften» passen also nicht in Ihr Weltbild?

Diese Nicht-Assimilation und Bildung von «Parallelgesellschaften» kann zu erheblichen gesellschaftlichen Spannungen führen, die sich in Zukunft wohl eher noch akzentuieren werden. So etwas ist meines Erachtens in niemandes Interesse. Im Rahmen der politischen Debatte – ich glaube, dass der von Ihnen erwähnte Text in der Zeitung «Schweizer Demokrat» erschien – darf (und soll meiner Meinung nach) auf diese Problematik hingewiesen und postuliert werden, eine Einbürgerung erst nach erfolgter Assimilation vorzunehmen. Nichts anderes habe ich getan.

Dann finden Sie Ihre Aussage mit den Metastasen also nicht diskutabel?

«Diskutabel» ist das nur in dem Sinne, dass andere Stimmberechtigte – vielleicht auch Sie – diese Auffassung nicht teilen müssen und ihre andere Ansicht in die politische Diskussion einbringen dürfen (und das in einer lebendigen Demokratie hoffentlich auch tun). Das Berufsleben der an der politischen Debatte teilnehmenden Bürger betrifft das nicht, auch nicht bei einem Richter. Denn wie schon gesagt: In der Gerichtsarbeit haben politische Meinungen nichts zu suchen und spielen sie auch keinerlei Rolle. Demgemäss gibt es da auch nichts zu beanstanden.

Uih, lange Antworten, Herr Spiess. Aber danke trotzdem.

Noch dies als Abrundung: Gesetzt der Fall, Christoph Spiess wird 2022 wieder für den Stadtzürcher Gemeinderat und – wer weiss – sogar für die Exekutive kandidieren, einige Stimmbürgerinnen und Stimmbürger werden sich vielleicht an den lustigen Oberrichter erinnern, wie er ihnen vom Tagi präsentiert wurde.