Für Militärfreaks ist «Der Schweizer Soldat» eine willkommene Lektüre. Für kritische Geister auch.
«Du musst Deinen Feind kennen, um ihn zu besiegen», heisst es im Sport, in der Wirtschaft und natürlich bei militärischen Auseinandersetzungen. So gesehen ist die Auflage des «Schweizer Soldaten» eigentlich zu tief mit gut 16’500 Exemplaren. Das monatlich erscheinende Heft müsste Pflichtlektüre sein für die GSoA (Gruppe Schweiz ohne Armee) und für die Mehrheit der Grünen und der SP. Aber vielleicht haben die ja die Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift (ASMZ) abonniert. Das ist quasi das CEO-Magazin für höhere Militärs. Jenes eher behäbige Blatt wird von der Schweizerischen Offiziersgesellschaft herausgegeben. Im Gegensatz dazu ist «Der Schweizer Soldat» das Prolo-Heft der unteren Chargen. Laut Eigenwerbung richtet es «in erster Linie an höhere Unteroffiziere, Unteroffiziere, Gefreite und Soldaten». Und noch ein Satz aus der Eigenwerbung: «Sie wird von einer privaten Genossenschaft herausgegeben und ist kein Kommunikationsmittel der Schweizer Armee.» Dann wollen wir doch mal reinsehen.
Wir gehen in den Nahkampf mit der Oktober-Ausgabe
Begutachtet wird die Ausgabe vom Oktober 2020, die man am Kiosk für 8 Franken kaufen kann. 64 Seiten. Vierfarbig. Neun Seiten Inserate sind aber nicht gerade viel, auch wenn es prozentual mehr sind als bei der Weltwoche. Und die soll ja Gewinn abwerfen.
Mit Ruag, Iveco, General Dynamics, Lockheed Martin, sowie Pratt & Wittney sind prominente Rüstungsfirmen präsent. Wenn das nur nicht auf Kosten der Objektivität geht.
Laut Impressum ist es dann doch eine Zeitschrift von und für Armeeangehörige und Fans. Denn bei jedem aufgeführten Mitarbeiter ist auch der militärische Grad angegeben. Chefredaktor ist Hptm Frederik Besse, Stellvertreter Fachof Andreas Hess, für «Rüstung + Technik» ist ein Oberstlt. zuständig, das Korrektorat übernimmt ein Wm, im Korrespondentenstab findet man militärische Grade wie Oberst, Div, Gfr, Major und Oberst i Gst. Lediglich die «Rubrikenredaktorin SUOV» hat keinen militärischen Grad, typischerweise eine Frau.
Im Impressum findet man «Details» zum ziemlich knackigen Titelbild: «Panzer fährt über Personenwagen». Welcher Panzertyp es ist, wird offensichtlich vorausgesetzt. Schade.
Chefredaktor Frederik Besse schreibt in seinem launischen Editorial zum Kampfjet-Sieg an der Urne: «Bei der Verteidigung unseres Landes gibt es keine Silbermedaille und keine Trostpreise. Knapp nicht erfüllt, bleibt eben eine Niederlage». Dann wird auf der GSoA herumgeprügelt, wie es sich für ein Militärmagazin gehört. Immerhin bekommt Lewin Lempert von der GSoA Raum für eine Twitternachricht.
Ein wenig sebstkritischer dann ein weiterer Kommentar auf Seite 6, verfasst vom stellvertretenden Chefredaktor. Dieser ortet Handlungsbedarf bei der «urbanen, städtischen Schweiz». Diese verstehe die Argumente und Anliegen der Schweizerischen Sicherheitspolitik und insbesondere die der Armee nicht mehr. Das würde in einem offiziellen Hoforgan der Armee wohl so nicht stehen.
Nicht unbedingt journalistischen Grundsätzen genügt ein Artikel von Wm Joelle Pfister. Sie schreibt in der Ich-Form über die Wichtigkeit der Truppengattung Panzersicherungssoldat. Dafür ist der Text praxisnah.
Auffallend: Chefredaktor Frederik Besse haut selber oft und gerne in die Tasten. Dafür geht er auch ins Feld. Eine gelungene Doppelseite über ein Panzergefechtsschiessen auf dem Schiessplatz Wichlen zeugt davon. Die Soldatenportraits sorgen sicher für Leserbindung und werden wohl da und dort zuhause aufgehängt.
Recht aufschlussreich dann ein zweiseitiger Rückblick von Major aD Willy P. Stelzer mit aktuellen Forderungen zum Thema «Bodenkampftruppen» . Stelzer gründete 1975 eine Fachoffiziergesellschaft Panzer. Grund waren Mängel beim Panzer 68. Ins Rollen gebracht hatte die Diskussion ein Bericht in der «Weltwoche». Wie es scheint, birgt der Text einigen Zunder. Aber auch einige Aussagen aus der militärischen Mottenkiste sind dabei. Zum Beispiel «die aktuellen Konfliktbeispiele zeigen, dass der Kampfpanzer keineswegs ausgedient hat». Das mag stimmen. Doch oft eskalieren diese Konflikte zwischen dem Volk und den Machthabern. So kann man die innere Sicherheit wahren. Übles Beispiel: die Niederschlagung des Volksaufstandes in Peking 1989.
Eher schräg rüber kommt der Bericht «In Memoriam». Es geht um einen Gedenkstein für einen WK im März 2020 mit Rund-um-die-Uhr-Einsätzen. Erstens sind Berichte mit den korrekten militärischen Funktionen der Beteiligten fast nicht lesbar. Und zweitens wirkt ein Bericht über diesen Corona-Einsatz im Frühling 2020 einige Monate später recht eigenartig – im Kontext zu den aktuellen Fallzahlen und der medialen Dramatik. Doch eines ist sicher. Der Gedenkstein aus Granit wird auch den Corona-Herbst 2020 überstehen.
Das Militär und die Kirche. Das hat durchaus Tradition, zumindest auf dem Land. So wie die Schweizergarde und die CVP. Darum macht die Doppelseite über eine «nationale Militärwallfahrt» als Ersatz für ein Coronabedingt abgesagtes internationales Pendant Sinn. Wenn es hart auf hart ging, war die Kirche immer auf Seiten der Armee. Das war im Zweiten Weltkrieg auch so. Und ja, auch in Deutschland und in Österreich.
Dann wieder ein Artikel in der Wir-Form. Ein Erlebnisbericht eines Aspiranten zum Werdegang als Berufsunteroffizier. Eine Spezie, die man im urban-liberalen Umfeld fast nicht mehr kennt. Für junge Leute, die eine solche Karriere einschlagen wollen, scheint der Text aber ganz ok, wie die Erlebniswoche für den Autoren: «Der vermittelte Stoff, sowie die praktischen Arbeiten, waren für mich äusserst lehrreich. Die Woche in Andermatt war aus meiner Sicht eine grosse Bereicherung.»
Wichtig in Magazinen wie dem «Schweizer Soldat» ist die Pflege der Vereinsmitglieder. Zwei Seiten sind darum einem Treffen der «Vereinigung der Spezialkräfte» gewidmet. Das tönt zwar weniger spannend als der frühere Name «Community der Kader der Aufklärungs- und Grenadierformationen der Schweizer Armee (AGFACo)». Aber sie ist wenigstens aussprechbar. Welchen Teufel die Namensfindungskommission der AGFACo wohl geritten hat?
Und nun: Minderheiten aufgepasst! «Heute wird Romanisch bei der Rekrutierung gar nicht mehr abgefragt», sagt Divisionär Lucas Caduff (Foto) in einem Interview. Ein Skandal? Weit gefehlt. Es wird nicht nachgebohrt. Das Interview, geführt von einem Hauptmann mit einem Divisionär, kommt zahnlos rüber. Ähnlich kriecherisch wie kürzlich jenes von «Blick»-Oberchefredaktor Christian Dorer mit Fifa-Boss Gianni Infantino.
Dieses leicht Unterwürfige liegt auch beim Interview mit dem israelischen Botschafter für die Schweiz in der Luft. Das Interview beginnt tatsächlich mit «Exzellenz. Vielen Dank, dass wir Sie interviewen dürfen.»
Aber vielleicht ist das im diplomatischen Umfeld nötig oder Herr «Exzellenz» Botschafter Jacob Keidar hat darauf bestanden. Grundsätzlich ist das Interview durchaus lesenswert. Der Botschafter räumt sogar ein, dass der Klimawandel zu einer Instabilität im Nahen Osten führe, nicht die Politik
Der Bericht über die Hilfe in Beirut nach der verheerenden Explosion am 4. August ist sehr realitätsnah. Wohl mehr, als viele Berichte von Korrespondenten aus dem Nahen Osten, die nur so taten, als seien sie ganz nah am Geschehen.
Was nicht fehlen darf ist das Hinaufschauen zu den grossen Brüdern, zur US Army und zur US Navy. In der aktuellen Ausgabe geht’s um Flugzeugträger, bei jedem Quartett der Supertrumpf. Der Flugzeugträger USS Gerald Ford kostet 13 Milliarden Dollar und soll 2024 fertig werden.
Dann darf auch noch Thierry Burkhart, Aargauer FDP-Ständerat, auf zwei Seiten über die GSoA herziehen. Das macht in so einem Magazin darum wenig Sinn, weil die Meinungen eh gemacht sind. Aber vielleicht ist es einfach psychologisch wichtig, Dampf abzulassen, wenn die jüngste Abstimmung mit nur 50,13 Prozent gewonnen wurde. Ende November geht’s schon wieder um eine Schlacht an der Urne. Die GSoA will tatsächlich den Kriegsmaterial-Export verbieten. Es droht wieder ein knappes Resultat.
Im Oktober ein bisschen spät dran ist der Artikel «Operation Centerboard Teil 1: «Am 6. August jährt sich zum 75. Mal der Abwurf der ersten Atombombe». Es scheint ein eingekaufter Text. Muss nicht, darf aber sein.
Sonst besticht das Heft durch viel Swissness und Herzblut. Das äussert sich auch in einem transparent gemachten Dialog zwischen einem Leser und der Redaktion.
Es geht um den verunglückten Auftritt der Schweizer Armee in Paris am Französischen Nationalfeiertag. Der Leser wirft der Redaktion Beschönigung vor. Die Redaktion erklärt ihr Handeln und betont, man habe als einzige Zeitschrift den Mangel an Truppenköchen aufgedeckt. Gut so!
«Der Schweizer Soldat» ist durchaus ein interessantes Magazin von und für die Soldaten und das untere Militärkader. Es wird zwar keinen einzigen Militärkritiker «bekehren», aber das verbleibende «Militär-Trüppli» bei guter Laune halten oder zumindest den Durchhaltewillen stärken. Und der ist nötig beim Gegenwind, der gegenüber dem Militär und den Milliardenausgaben herrscht.