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Neues vom Seibt

Der Long-Form-Schwurbler hat zugeschlagen.

Natürlich könnte Constantin Seibt etwas hierzu sagen:

Das «Wachstumsziel» von 33’000 Abonnenten ist weiterhin in weiter Ferne. Aber vielleicht weiss Seibt, dass die Millionäre, die hinter der «Republik» stehen, schon nochmals ein Einsehen haben werden. Schliesslich macht das Hansi Voigt mit seinem Loser-Projekt «bajour» vor. Nach der Geldspritze ist vor der Geldspritze.

Seibt könnte vielleicht auch einen Ton dazu sagen, wieso sein Chefredaktor a. i. Daniel Binswanger, obwohl intimer Kenner des «Magazin», keinen Ton zur Affäre Roshani sagt.

Oder Seibt könnte etwas dazu sagen, wieso die «Republik» schon lange aus sämtlichen Schlagzeilen verschwunden ist und ihr unendlich langes Stück über «Google» höchstens als Beitrag gegen Schlaflosigkeit Aufmerksamkeit erzielte.

Aber das sind für Seibt Themen minderer Bedeutung. Pipifax, Kleinklein. Ihm geht es um das Nachzeichnen der grossen Linien, er will dort sein, wo die Action ist. Wenn auch nur im Geiste. Also titelt er:

«Ruhm der Ukraine, Schande der Schweiz». So ein Titel erinnert leise an so was:

«Ruhm dem siegreichen Volk», nach dem Sieg über Hitler-Deutschland. Aber das meint Seibt wohl eher nicht. Er beginnt etwas wolkig-dunkel mit ganz allgemeinen Bemerkungen: «Man macht ein paar Dinge richtig, man vermasselt ein paar – aber am Ende kommt es fast immer unsensationell okay.»

Oha, sagt da der Leser, Zeit für eine Lebensbilanz? Nein, nicht ganz, Seibt wird nun eine Idee konkreter: «Politik etwa ist wie Fussball: Mal gewinnt die eigene Mannschaft, mal die andere. Dann freut man sich. Oder flucht. Und dann folgt das nächste Spiel

Oha, sagt der Leser nochmal, das Runde muss ins Eckige, und ein Spiel dauert 90 Minuten. Aber auch das meint Seibt nicht: «Aber es gibt eine Ausnahme: wenn der Faschismus marschiert.»

Oha, sagt der Leser, nun wird es ernst, und Seibt erklärt uns das Wesen des Faschismus: «Er ist das Gegenteil des Lebens selbst. Er ist der Kult der Vernichtung.» Oha, sagt der Leser zum vierten Mal, schön, dass wir das nun wissen, hätte ja niemand gedacht. Bis Seibt es in Worte zu fassen vermochte. Die er irgendwo abgeschrieben hat.

Aber wo läuft er denn, der Faschismus? «Seit einem Jahr marschiert der Faschismus in der Ukraine.» Unglaublich, denkt da der Leser zunächst, eine Kritik von Seibt an den Asow-Brigaden, an der Verehrung für den Nazikollaborateur und Kriegsverbrecher Stepan Bandera, eine Abrechnung mit der braunen Vergangenheit der Ukraine?

Nein, nicht wirklich, aber nun spannt Seibt urplötzlich einen ganz grossen Bogen: «Und der Faschismus marschiert nicht nur in Russland: Von Ungarn bis zum Iran, von Ankara bis Peking, von «Weltwoche» bis Fox News wächst eine autoritäre Internationale

Oha, sagt der Leser zum letzten Mal, also der Faschismus durchquert Russland, hat Ungarn erfasst, die Mullahs im Iran wissen es zwar nicht, sind aber auch Faschisten, dazu die Türken und erst recht die Chinesen. In diese Reihe passt dann auch noch «Fox News» und natürlich die WeWo. Die sind dann aber, wenn wir Seibt richtig verstehen, nicht faschistisch, sondern autoritär, sehen sich aber dennoch in der Tradition der kommunistischen Internationale.

Sozusagen braune und rote Fäuste vereint. Nun fragt sich der Leser, welche Medikamente oder verbotenen Substanzen Seibt eingenommen haben könnte, damit er solch einen kunterbunten Schwachsinn aufschreibt. Aber er ist, unangenehme Begleiterscheinung von unkontrolliertem Sprachdurchfall, noch nicht am Ende: «Und wie vor hundert Jahren stellt sich wieder die Frage: Wer bist du, wenn es wirklich zählt?» Also 1923?

Das fragt man sich beim Schreibtischhelden Seibt allerdings auch 2023. Denn er hebt nun zur grossen Klage an:

«Wer seinen Job nicht tat, sind wir. Wir, die Schweizer. Alle Schweizer. Denn: Das Einzige, was wir taten, war das Minimum: nach einigen Windungen die Sanktionen der EU zu übernehmen. Plus humanitäre Hilfe.»

Schlimm, ganz schlimm: «Der Rest ist Abwarten, Abwehr, Gefummel.» Keine Waffenlieferungen, auch nicht mit Schlaumeiereien. Schlimm. Ukrainer in der Schweiz «müssen nun ihr Auto verkaufen, falls sie weiter Sozialhilfe erhalten wollen». Noch schlimmer. Ein Ukrainer ohne SUV, unvorstellbar, unmenschlich.

Seibt verzweifelt an uns, an sich: «Es ist schwer zu sagen, was an dieser Politik überwiegt: ihre Miesheit oder ihre Dummheit.» Denn eigentlich wäre jeder Schweizer Mann, jede Schweizer Frau gefordert (und everybody beyond, wie Seibt zu sagen pflegt):

«Das Schlimmste ist: Der Faschismus marschiert und die ganze freie Welt handelt. Nur wir nicht.»

Er mahnt, warnt und weist uns darauf hin: «Als wären es Zeiten wie immer. Als ginge es um nichts. Und nicht um alles: Demokratie, Freiheit, Zukunft.» Aber wenn es um die Zukunft geht, muss Seibt in die Vergangenheit blicken: «Ein Leben lang hing der Geruch nach Verwesung über der Aktivdienst­generation. Fast niemand, der später geboren war, konnte sie ernst nehmen.» Hä?

Doch, doch, alles «kalte Krieger an jedem Kneipen- und Sitzungstisch». Kalte Krieger, war das nicht mal ein Begriff für Antikommunisten? Ist Seibt selbst nicht so ein Held am Schreibtisch? Egal: Aktivdienst, das ist «die Generation, die neutral blieb, als der Faschismus marschierte». Diese Feiglinge, endlich vom Nachgeborenen Seibt an ihren Platz verwiesen.

Wie schliesst der Wortkrieger, der Verzweifelte, der Unverständliche und Unverstandene? «Ruhm der Ukraine. Ruhm den Verteidigern. Keinen Ruhm uns.»

ZACKBUM plädiert dafür, dass wir es eine Nummer kleiner halten. Ruhm für niemanden. Insbesondere keinen Ruhm für Seibt, der den Verteidigern der Schweiz im Zweiten Weltkrieg eins in die Fresse haut. Der wohl erwartet hätte, dass die Schweiz damals – obwohl umrundet von tatsächlich faschistischen Staaten –mutig in den Krieg gegen Deutschland, Österreich, Italien und auch den besetzten Teil Frankreichs gezogen wäre. An der Seite der Sowjetunion womöglich. Gegen die ukrainischen Faschisten zum Beispiel.

Was für ein Irrwisch. Es ist beelendend, wie ein einstmals begabter Schreiber völlig die Fassung, die Fähigkeit zur Analyse und die Selbstbeherrschung verliert. Das erinnert tragisch an den späten Niklaus Meienberg, der auch einen Endkampf zwischen Gut und Böse sehen wollte. Und daran verzweifelte, dass niemand diese Ansicht mit ihm teilte.

Hoffentlich hält Seibt auf diesem Highway to Hell noch rechtzeitig inne und besinnt sich auf die Wirklichkeit. Man muss sich aber ernsthaft Sorgen machen. Oder besser: ihn schlichtweg ignorieren.

 

 

Corona-Blues

Der wird in Deutschland gesungen. In der Schweiz bleibt’s (noch) stumm.

Ganz neue Töne im «Spiegel». Gut, auf das deutsche Nachrichtenmagazin war auch schon mal mehr Verlass, seit dem Fall Relotius und der Affäre Roshani ist der Lack ziemlich ab.

Aber so forsch die Deutschen auch sind, den kleinen und grossen Überwacher zu spielen, der nichts lieber als «das ist verboten!» sagt, so schnell sind sie dann auch bereit, in sich zu gehen. Schon zweimal murmelten sie im letzten Jahrhundert: «haben wir nicht gewollt und gewusst».

Nach der Corona-Hysterie ist nun auch Asche aufs Haupt angesagt. So titelt der «Leiter Meinung & Debatte» beim «Spiegel»: «Wir Coronaversager». Und greift in die Vollen:

«Inzwischen wissen wir, dass viele Pandemiemaßnahmen unsinnig, überzogen, rechtswidrig waren. Kein Ruhmesblatt, auch nicht für uns Medien.»

Hoppla. Dann haut sich Alexander Neubauer eins nach dem anderen selbst über die Rübe: «Inzwischen wissen wir, dass einige Coronamassnahmen nicht nur fragwürdig oder unsinnig waren, sondern auch rechtswidrig. Das Brandenburger Verfassungsgericht hat gerade entschieden, dass das sogenannte kommunale Corona-Notlagegesetz gegen die Landesverfassung verstieß, weil es die Gewaltenteilung aushebelte. Geklagt hatte die AfD-Fraktion, die sich jetzt als Verfassungsheldin aufspielen kann, ausgerechnet

Natürlich muss man sich in Deutschland immer gleich grundsätzliche Fragen stellen: «Nun ist es hinterher immer leicht zu sagen, was besser gewesen wäre. Doch was mich im Nachhinein umtreibt, ist, wie leicht die Freiheitsrechte in unserer angeblich so liberalen Gesellschaft suspendiert wurden.»

Bitteres Resümee: «Zu wenige widersprachen, als die Politik vor drei Jahren erstmals Schulschließungen anordnete und dann über Monate immer wieder verlängerte: kein Bundesverfassungsgericht, keine Nationale Akademie der Wissenschaften, kein Deutscher Ethikrat, kein Christian Drosten. Was, wie ich heute sagen würde, ein Riesenversäumnis war.»

Dem schliesst sich noch eine Selbstkritik an, eine Kritik an seinem eigenen Blatt. Dazu passt, dass der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der immer vorne dabei war mit Alarmismus und Lobgesängen auf die Wirkung der Impfung, nun plötzlich ganz betroffen ist, weil es doch tatsächlich Nebenwirkungen und Long Covid geben soll. Dafür den nahezu vollständigen Schutz durchs Impfen nicht mehr.

Jeder vernünftige Mensch, und davon gab es öffentlich während der Corona-Hysterie sehr wenige, hatte während der gesamten Pandemie vor überzogenen Massnahmen, vor der Verteufelung von Kritikern, vor Freiheitsverlust und Kontrollgewinn gewarnt.

Auch hier – wie inzwischen bei der Ukraine – kam es zu einer Vertauschung der Rollen. Während vor allem rechte Kreise davor warnten, dass Corona-Massnahmen zu einer vollständigen Überwachung des Staatsbürgers missbraucht werden könnten, war die Linke, allen voran die SP, hellauf begeistert von noch mehr Kontrolle.

Aber während in Deutschland immerhin eine Art Reflexion beginnt, sind es in der Schweiz bislang nur vereinzelte Stimmen wie die von Katharina Fontana, die ein kritisches Resümee ziehen. Die Corona-Kreischen bei Tamedia und Ringier (bei dem Verlag weiss man inzwischen wenigstens, warum), all die Befürworter von Zwangsimpfungen, die jeden Ungeimpften als potenziellen Massenmörder beschimpften, all die besinnungslosen Vertreter der Meinung, dass das elende und einsame Sterben in Altersheimen halt leider ein notwendiges Übel sei, also all die schon damals unangenehm auffallenden Hetzer und Rechthaber, sie bleiben einfach mal stumm.

Die  Wissenschaftler in der Schweiz, die sich einen Platz an der Sonne der öfffentlichen Wahrnehmung eroberten, indem sie immer absurdere Todeszahlen an die Wand malten; die Mitglieder der «Task Force», die regelmässig den Bundesrat in den Senkel stellten, den sie eigentlich beraten sollten – all die Apokalyptiker, die ihre Unkenrufe in fette Forschungsaufträge und die Verbesserung der eigenen Stelle ummünzen konnten: wo sind die heute?

Journalistische Meinungsführer aus dem Hause Tamedia, denen die Massnahmen des Bundesrats viel zu weich waren, die unverfroren Impfzwang forderten, eine Westentaschenpolitikerin, die öffentlich darüber nachdachte, ob Ungeimpfte nicht ihre Krankenhauskosten selber zahlen sollten; all die üblen Selektionierer, die öffentlich darüber nachdachten, ob Ungeimpfte nicht bei Behandlungen ausgeschlossen werden sollten: hört man von denen ein Wort der Selbstkritik? Der Einsicht? So etwas Ähnliches wie die Ausführungen von Neubacher im «Spiegel»?

Nein, die schweigen stumm in der Schweiz. Und haben schon längst einen neuen Feind ausgemacht. Friedensdemonstranten, die sich angeblich von ehemaligen Corona-Leugnern wieder für deren üble Ziele einspannen lassen. Reichsbürger, Rechtsradikale, einmal etikettiert als Verschwörungstheoretiker, immer Verschwörungstheoretiker, einmal Staatsfeind, immer Staatsfeind, mit oder ohne Aluhut.

Mit der gleichen parteilichen Gehässigkeit, mit der früher über sogenannte Corona-Leugner hergezogen wurde, geht es nun gegen Teilnehmer an Demonstrationen, wenn die Veranstalter nach Meinung der gleichen Kreischen nicht über jeden Zweifel erhaben seien. Und was zweifelhaft ist, das bestimmt natürlich die Kreische mit ihrer natürlichen Autorität und der unbezweifelbaren Fähigkeit, zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können.

Man kann ja Fehler machen, das ist menschlich. Man kann hysterisch werden, was für Journalisten eher abträglich ist, wie man bei Marc Brupbacher beobachten kann. Man kann den Rechtsstaat in die Tonne treten, wie das der Politchef Denis von Burg bei Tamedia regelmässig tut. Man kann «Berset Superstar» lobhudeln, weil einem das von oben eingeblasen wird.

Was man damit aber nicht kann: seine Glaubwürdigkeit wiederherstellen. Den Weg nach unten der Massenmedien abbremsen. Das Zufallen des Sargdeckels verhindern.

 

Dumm gelaufen

Das EU-Parlament verweigert Ungarn Milliarden. Wegen Korruptionsverdacht.

Ihr freiwilliger Beitrag für ZACKBUM

Ein schlechter Tag für alle Euro-Turbos in der Schweiz. Während die EU zum ersten Mal in ihrer Geschichte einem Mitgliedsland zugesagte Unterstützungszahlungen in Milliardenhöhe verweigert, platzt im EU-Parlament der wohl grösste Korruptionsskandal aller Zeiten.

Eine der viel zu vielen Vizepräsidentinnen, plus weitere Betroffene, haben ihre bequemen Sessel im EU-Monster in Brüssel und Strassburg gegen eher unbequeme Pritschen in Gefängniszellen vertauscht. Natürlich gilt auch hier die Unschuldsvermutung, aber es sprechen doch deutliche Indizien dafür, dass sie sich ihre Lobyydienste für Katar unziemlich bezahlen liessen.

Unziemlich deswegen, weil Beeinflussung des zahnlosen Parlaments eine der Hauptbeschäftigungen in den beiden Tagungsorten ist. Insgesamt 25’000 Lobbyisten treiben hier ihr Unwesen, laut Lobbycontrol verpulvern sie dabei jährlich 1,5 Milliarden Euro. Immer wieder zeigte sich das EU-Parlament «besorgt» über mögliche Korruption und gekauften Einfluss. Geschehen ist bis heute – genau nichts.

Wie steht es denn mit Reaktionen aus der Szene der Schweizer Euro-Turbos? Da hört man bislang – genau nichts. «Foraus»: Sendepause. «Operation Libero»: hat zwar  eine «Europa-Initiative in den Startlöchern» und braucht «500’000 Franken zum Loslegen». Aber zum Korruptionsskandal fällt auch hier kein Wort. Vielleicht muss sich Sanija Ameti den Vorfall zuerst schöntrinken, politisch gesehen.

Die SP fordert immer mal wieder den EU-Beitritt, steht schliesslich verschämt im Parteiprogramm. Die Partei fordert und verurteilt dies und das, aber auch hier: kein Ton zum Korruptionsskandal. Christa Markwalder, die auch nach ihrem Rücktritt bei der Nebs (Neue Europäische Bewegung Schweiz) immer für einen Eu-Beitritt weibelt: Sendepause.

Und die Europäische Bewegung selbst, präsidiert von Eric Nussbaumer (SP)? Schweigen, tiefes Schweigen.

Schliesslich «Vorteil Schweiz», die mit grossem Trara und Geld des Milliardärs Hansjörg Wyss und des Millionärs Jobst Wagner ins Leben gerufene Bewegung für eine Entkrampfung des Verhältnisses zur EU, ausdrücklich als Gegenkraft zu Christoph Blocher gegründet? Ist im Internet nicht mehr auffindbar.

Oder Witzveranstaltungen wie RASA (Raus aus der Sackgasse)? Unauffindbar.

Es ist immer wieder verblüffend, wie mit peinlichem Schweigen auf unangenehme Nachrichten reagiert wird. Oder Krokodilstränen vergossen werden in Organen, die sich für eine angeblich weltoffene Schweiz in der EU und gegen eine angebliche abgeschottete Schweiz ausserhalb der EU starkmachen. «Super-GAU für die Glaubwürdigkeit», schimpft nun Tamedia. «Jetzt kann sich Urban die Hände reiben», fäustelt der «Blick».

Immerhin gibt es eine gute Nachricht. Bei solchen Befürwortern engerer Beziehungen zur EU muss man sich über die Gefahr eines EU-Beitritts keine Sorgen machen.

Report auf den Spuren von Relotius

Verdient der Spiegel die Disqualifikation «Lügenpresse»?

Von Felix Abt

Es liegt mir nicht, Mainstream-Journalisten generell als Lügner zu bezeichnen, denn erstens lügen sie nicht immer und zweitens sind sie viel eher Unterlasser, d.h. sie berichten schlicht und einfach nicht über Dinge, die ihnen aus ideologischen oder anderen Gründen nicht in den Kram passen.

Doch nun hat der «Spiegel», der sich selbst als «das führende deutsche Nachrichtenmagazin» bezeichnet, den Vogel abgeschossen. Ein umtriebiger «Spiegel»-Reporter berichtete aus «Zug, Basel, Lugano und Zürich», die bösen russischen Oligarchen würden von der Schweiz untertänigst hofiert und seien dort in beschützenden Händen.

Ihm ist vielleicht völlig entgangen, dass die Schweizer Regierung schon Wochen vor seinem «Bericht», sklavisch die «Sanktionen» der Europäischen Union gegen russische Reiche übernommen hat, was gegen die Verfassung verstösst, die die staatspolitische Neutralität vorschreibt und dem Land verbietet, sich an Kriegen fremder Mächte zu beteiligen, darunter auch an dem von Washington und Brüssel angezettelten Wirtschaftskrieg gegen Russland.

Der «Spiegel», ein antirussisches Hetzblatt, erfindet die «Schweizer Willkommenskultur» für «Russlands Reiche, unter ihnen Kleptokraten und Kriegsverbrecher», während die Schweizer Regierung tatsächlich Jagd auf alle reichen Russen in der Schweiz macht. Was der «Spiegel» ebenfalls verschweigt, ist, dass die üppigen russischen Partys auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum, zu denen Russen nicht mehr zugelassen waren, ausblieben. Dafür feierten die ukrainischen Oligarchen in Davos umso heftiger, trotz des Krieges in ihrem Land.

 Nicht nur die Neutralität, sondern auch die humanitäre Tradition, politisch Verfolgten und Kriegsopfern Schutz zu gewähren, sind seit Jahrhunderten Eckpfeiler der Eidengenossenschaft. Inzwischen wird das Asylrecht von «Gutmenschen» in der Politik zunehmend missbraucht. Sie nehmen vor allem Wirtschaftsflüchtlinge aus aller Welt auf, darunter auch radikale Islamisten, die in Schweizer Moscheen Hass predigen und nicht wenig Sozialhilfe kassieren, was den Schweizer Steuerzahlern jedes Jahr Milliarden kostet. Aber statt der fiktiven «Willkommenskultur» des «Spiegels» ist auf reiche Ausländer, die in der Schweiz nicht zu knapp Steuern bezahlen und unauffällig leben, eine regelrechte Hatz entfacht worden.

Der bekannteste der gejagten Russen ist Andrey Melnichenko, ein Physiker und erfolgreicher Selfmade-Unternehmer, der vom international ausgezeichneten Banker zum Industriellen aufstieg und sogar eine Megayacht baute, die ihm Apple-Gründer Steve Jobs abkaufen wollte.

Melnichenko ist in Weissrussland geboren. Seine Mutter ist Ukrainerin, sein Vater Weissrusse.

Der Unternehmer ist Eigentümer von EuroChem, einem weltweit führenden Düngemittelproduzenten, und von Kohleunternehmen. Seine Unternehmen beschäftigen weltweit 130 000 Mitarbeiter.

Melnichenko wird beschuldigt, ein «Putin-Anhänger» zu sein, natürlich ohne jeden Beweis. In einem Interview sagte er der «Weltwoche», der einzigen europäischen Zeitung, die sich für sein Schicksal interessierte: «Ich werde bestraft, weil ich Russe und reich bin.» Dabei ist er weder ein «Oligarch», noch gehört er zu «Putins innerem Kreis», wie die EU und die Schweiz behaupten. Selbst seine Frau, ein kroatisches Model, wurde sanktioniert. Wenige Wochen nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine erklärte er, der Krieg in der Ukraine sei «wirklich tragisch», und er rief zum Frieden auf. Ein Sprecher von Melnichenko sagte damals auch, dass er «keine politischen Verbindungen» habe. Seine Anwälte protestieren seit Monaten in Brüssel und Bern, aber er und seine Frau erhalten nicht einmal eine juristische Anhörung.

Sein Unternehmen EuroChem produzierte im Jahr 2021 19,1 Millionen t Düngemittel, womit 80 Millionen Tonnen Getreide produziert und 280 Millionen Menschen ernährt wurden. Da er und seine Frau keinen Zugang mehr zu ihrem Unternehmen haben und es aufgrund der Sanktionen von Banken, Behörden und Geschäftspartnern geächtet wird, ist die Düngemittelproduktion gefährdet und damit die Ernährung von Millionen von Menschen, vor allem in armen Ländern.  Selbst wenn in der Ukraine 15 Millionen Tonnen Getreide blockiert sind, ist dies nur ein winziger Bruchteil der riesigen Ernteverluste, die jetzt durch die Sanktionen der Europäischen Union gegen die Düngemittelhersteller verursacht werden. Obwohl es sich hier um einen handfesten Skandal handelt, scheren sich der Spiegel und der Rest des Mainstreams einen feuchten Kehricht darum.

Melnichenko lebte seit 2009 mit seiner Frau und seinen Kindern in St. Moritz. Da er nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine auf eine EU-Sanktionsliste gesetzt wurde, wurden alle seine Vermögenswerte, Häuser, Autos usw. beschlagnahmt. Er und seine Familie dürfen nicht in ihr Haus in der Schweiz zurückkehren. Sie haben inzwischen Zuflucht in den Vereinigten Arabischen Emiraten gefunden. Die Schweizer Regierung hat nicht einmal auf seine Briefe und die seiner Anwälte geantwortet.

Sowohl die Europäische Union als auch die Schweiz haben bisher zivilisierte Werte wie Eigentumsgarantie, Rechtsstaatlichkeit, keine Strafe ohne Gesetz, Unschuldsvermutung und das Recht, sich zu verteidigen, gepflegt. Natürlich berichten Medien wie der «Spiegel» nicht über deren Rückfall in Stammesjustiz, Sippenhaft und Willkür. Stattdessen putzen sie sich lieber die Schuhe an der Schweiz ab und lügen dreist über eine nicht existierende «Willkommenskultur», die angeblich «Russlands Reiche, darunter Kleptokraten und Kriegsverbrecher», freudig willkommen heisst und hofiert.

Wumms: Michael Hermann

Bei Tamedia versagt die Qualitätskontrolle kläglich.

Eigentlich hatten wir schon alles Nötige über diese Mietmeinung gesagt. Aber Hermann wiederholt sich, also müssen wir uns auch wiederholen:

Der «Geograph und Politwissenschaftler» ist eine der beiden Allzweckwaffen, wenn es darum geht, vorgefassten Meinungen einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben.

In seiner neusten Kolumne schleicht er sich zunächst ganz harmlos an seine Lieblingsforderung heran:

Dass Hegemonialmächte hegemonial agieren, das ist zwar weder eine neue, noch eine originelle, noch eine weiterführende Erkenntnis. Aber das ist nur einleitendes Beiwerk für Hermann, deshalb geht er recht oberflächlich zur Sache und verteilt so nebenbei ein paar Noten. Denn auf der einen Seite haben wir das hier:

«Russland und China sind Gefahrenherde für die friedliche Ordnung der Welt weit mehr als Kirgistan, Vietnam oder Katar – obwohl Letztere ebenso zu den autokratischen Regimes zählen wie Erstere.»

Aber da gibt es doch noch den grössten Hegemon von allen, den kann Hermann nun schlecht ignorieren, also quält er sich das hier ab:

«Und auch in der demokratischen Hemisphäre geht von den grossmächtigen USA weit mehr Unwägbarkeit aus als von Kanada.»

Gefahr gegen Unwägbarkeit, so schaut’s aus im wissenschaftlichen Blickwinkel.

Aber das ist nur Beiwerk, mit raschen Schritten nähert sich Hermann seinem eigentlichen Anliegen: «Alle kleinen und mittelgrossen Staaten, die sich nicht wie Belarus zum blossen Sidekick degradieren lassen wollen, haben heute ein strategisches Interesse, der Dominanz der Grossen etwas entgegenzusetzen.»

Der aufmerksame Leser fragt sich hier bereits, ob Belarus nicht ein Platzhalter für die Schweiz ist. Denn die Nicht-Hegemonialländer nah und fern müssen doch etwas unternehmen, aber hallo. Nur was? Bevor wir nun alle an den Fingernägeln zu knabbern beginnen, hat der «Politikwissenschaftler» eine «Lösung» zur Hand, die ebenfalls an Originalität schwer zu unterbieten ist:

«Als Taktgeber einer solchen IG der kleinen und mittleren Staaten ist niemand besser geeignet als die Europäische Union.»

Wir wischen uns kurz die Lachtränen aus den Augen. Die EU als Taktgeber? Die dysfunktionale, undemokratisch organisierte, seit der Eurokrise ständig vom Zerfall bedrohte EU? Als IG kleiner Staaten? So wie Griechenland? Dem Kleinstaat wurde ein brutaler Rettungsplan gegen den Willen der eigenen Regierung aufs Auge gedrückt. Dessen Umsetzung von einer demokratisch überhaupt nicht legitimierten Troika überprüft wurde. Wie Zypern? Dem Kleinstaat wurde das Rasieren von wohlhabenden Bankkunden aufs Auge gedrückt. Wie Ungarn? Der Kleinstaat wird mit Subventionsentzug drangsaliert, weil er auf einigen Gebieten seine eigene Gesetzgebung über EU-Recht stellen will.

Und dieser Haufen, dessen Parlament nicht mal Gesetze vorschlagen darf, dessen Präsidentin nicht mal für dieses Amt kandidierte, sondern im letzten Moment aus dem Hut gezaubert wurde, diese «Werteunion», die sämtliche Werte ihrer Verfassung oder die Bestimmungen von Maastricht oder Schengen kübelt, durchlöchert, übergeht, aussetzt, das soll eine Interessensgemeinschaft für kleine Staaten sein?

Zum Schluss irrlichtet Hermann über der EU noch in hoher Kadenz:

«Gerade weil sie aufgrund ihrer eigenen Vielfalt und Vielstimmigkeit keine echte Grossmacht und damit auch kein Hegemon ist, kann sie jedoch zur glaubwürdigen Organisatorin der Interessen der «KMU»-Staaten dieser Erde werden. Viele dieser Staaten sind alles andere als perfekt und genügen nicht den demokratischen Ansprüchen. Eine bessere Koordination, mehr Austausch und mehr defensive Macht unter ihnen würde jedoch einen Beitrag leisten zur dringenden Einhegung der globalen Hegemonen.»

Also, liebe KMU-Staaten, schliesst Euch der EU an, oder lasst zumindest Eure Interessen von ihr vertreten. Von ihren Kommissaren, Dunkelkammern und demokratisch in keiner Form legitimierten Machthabern. Vor allem aber, das ist ja Hermanns Mantra: liebe Schweiz, endlich in die EU eintreten.

Kümmert sich bei Tamedia wirklich niemand mehr um Qualitätskontrolle? Denkt niemand mehr an den Leser? Darf der wirklich von jedem Flachdenker gequält werden? Auf jedem Niveau, so unterirdisch es auch sein mag?

Sicher, Kolumnitis ist ein Ersatz für aufwendige Recherche und Analyse. Aber dann doch lieber noch mehr Texte aus der «Süddeutschen» als sowas. Lieber noch mehr Katzengeschichten von ehemaligen Münchner Bürgermeistern. Bitte, mit Fotos!

Wo liebt man sein System?

Bürger in der Schweiz und in China am zufriedensten.

Von Felix Abt

Die Schweizer und die Chinesen fühlen sich durch ihr Regierungssystem besser demokratisch vertreten als die Bürger jeder anderen Nation durch das ihre, so das Ergebnis einer grossen neuen Studie. Die Umfrage wurde von einer europäischen Einrichtung organisiert, die für ihre leidenschaftliche Verteidigung der westlichen liberalen Demokratie bekannt ist.  Der jährlich erscheinende «Democracy Perception Index» ist die weltweit grösste Studie über demokratische Einstellungen und erhebt jährlich Daten aus 52 Ländern in Asien, den USA, Lateinamerika und Europa. Er wird von dem Meinungsforschungsinstitut Latana für die Stiftung «Alliance of Democracies» in Europa durchgeführt.

Aus der Studie geht hervor, dass in der Schweiz und in China die geringste Lücke (9 %) klafft zwischen den demokratischen Erwartungen der Bürger und dem Umfang der tatsächlichen Vertretung, die sie als gegeben ansehen. In den USA dagegen sagten 63 %, dass die US-Regierung nur einer Minderheit diene.

Interessanterweise beschweren sich in den Vereinigten Staaten auch weit mehr Menschen über mangelnde Meinungsfreiheit als in vielen anderen Ländern, auch in den angeblich «zensierten» asiatischen Ländern. Wie kommt das? Der Individualismus und die im Westen als sehr wichtig empfundene freie Meinungsäusserung geniesst bei den Bürgern in Japan, Singapur, China und Malaysia, wie auch in Saudi-Arabien und Russland, einen weit geringeren Stellenwert als im Westen. Der Unterschied ist wichtig, wenn man unterschiedliche Gesellschaften verstehen will. Er wird aber zugunsten einer «der Westen hat Recht, der Osten hat Unrecht»-Haltung zum Thema ignoriert.

Wie jedes Jahr werden Politiker und Medienschaffende wieder behaupten, dass die Zahlen Chinas falsch sind, weil die 1,4 Milliarden Einwohner rund um die Uhr in Angst leben und nichts Negatives über die Behörden sagen können. Dies ist jedoch eine lächerliche Ansicht in einer Zeit, in der jeder, der Chinesisch versteht, Millionen von kritischen Kommentaren finden kann, wenn er sich in soziale Medien einloggt oder sich in Cafés in China unterhält.

Die auffälligen Ähnlichkeiten in den Einstellungen zwischen China,  Japan und Singapur zeigen, dass es an der Zeit ist, sich von dem Stereotyp «China als riesiges Gefängnis» zu verabschieden und offen zu sein für die Tatsache, dass sich die Einstellungen in Asien schlicht und einfach von denen im Westen unterscheiden.

Und «anders» bedeutet ja auch nicht unbedingt «schlecht». Aber das Gros der westlichen Medienberichterstatter haben diese Lektion, auf die viele Asiaten jahrzehntelang gewartet haben, immer noch nicht gelernt.

 

 

Dilemma banal

Gas und Öl gegen Rubel? Einfach erklärt.

Die meisten Medien sind nicht in der Lage, ein einfaches Dilemma einfach zu erklären. Die EU (und auch die Schweiz) ist zu fast 50 Prozent von russischen Gaslieferungen abhängig.

Ihr freiwilliger Beitrag für ZACKBUM

Während scharfe und schärfste Sanktionen verhängt werden, die armen Russen keine Luxusprodukte aus dem Westen mehr kaufen dürfen und die Vermögenswerte vieler reicher Russen im Westen beschlagnahmt werden, zahlt die EU brav und pünktlich die Gaslieferungen.

Das sind keine Peanuts, wir sprechen hier von rund 660 Millionen Euro oder Franken. Täglich. Nun befürchtet Russland, dass diese Devisen plötzlich auch von Sanktionen betroffen sein könnten. Nach der Devise: bitte sehr, hier die heutigen 660 Mio. Aber ausgeben dürft ihr sie nicht, sorry.

Das hiesse dann faktisch, dass Russland Gas gratis geliefert hätte. Auch wenn die EU das Gegenteil behauptet: die Beschlagnahmungen, auch die Restriktionen gegenüber der Russischen Notenbank, belegen, dass es mit Eigentumsgarantie und Rechtsstaat nicht allzu weit her ist, wenn es um Russland geht.

Also verlangt Russland, dass ab Freitag seine Rohstofflieferungen in Rubel bezahlt werden. Denn so wie die EU Herr des Euros ist, beherrscht Russland den Rubel. Das löste das Problem der Enteignung. Es bleibt aber das Problem, was sich Russland mit Rubel kaufen kann. Denn wer will im Westen schon diese Währung haben.

Die Auswirkungen eines Lieferstopps wären unüberschaubar

Aber das grössere Problem ist, dass die EU angekündigt hat, keinesfalls in Rubel, sondern weiterhin in Euro zu zahlen. Das entspräche auch den abgeschlossenen Verträgen. Wenn nun beide Seiten hart bleiben (und man hat sich in einen Clinch begeben, aus dem man ohne Gesichtsverlust nur schwer rauskommt), dann bedeutet das, dass Russland die EU-Zahlungen nicht akzeptiert und deshalb den Gashahn zudreht.

Das wiederum hätte unübersehbare Auswirkungen auf die Wirtschaft der EU-Staaten. Eine Substitution der Hälfte des Gasverbrauchs ist auf die Schnelle nicht machbar. Fachleute sprechen von zwei Jahren.

Was wären die Auswirkungen? Industriell würde Chemie, Stahl- und Metallverarbeitung leiden, auch Düngemittelproduktion. Angesichts der hohen Vernetzung hätten solche Ausfälle flächendeckende Auswirkungen. In Deutschland ist die sogenannte Bundesnetzagentur dafür zuständig, die Zuteilung in Mangelsituationen zu regeln. Nach einem geheimen Schlüssel würden zuerst gewisse Industrieteile leiden, Privathaushalte nur im verschärften Fall, und ganz zuletzt sind Krankenhäuser oder Altersheime dran.

Deutschland verfügt über Gasspeicher; die sind allerdings nur zu 26 Prozent gefüllt und werden privat betrieben. Die Schweiz verfügt über keine Gaslager. Das sogenannte Pflichtlager soll für 4,5 Monate reichen; statt Erdgas wird hier aber Heizöl extra leicht gelagert.

Die Auswirkungen sind sehr komplex

Die Schweiz importiert 47 Prozent ihres Gasverbrauchs aus Russland. Genauer aus EU-Staaten. Rund 15 Prozent der verbrauchten Energie in der Schweiz wird aus Erdgas gewonnen. Am direktesten merken das Privathaushalte, die mit Gas beheizt werden.

Aber auch hier wären die Auswirkungen eines Lieferstopps komplexer. Denn die Schweiz muss in den Wintermonaten Strom importieren, der wird teilweise ebenfalls mit Gaskraftwerken hergestellt. Elektrizität macht 27 Prozent der verbrauchten Energie aus, auf Platz eins steht Erdöl mit 44 Prozent.

Das ist noch nicht alles. Russland ist weltweit der grösste Exporteur von Weizen, die Ukraine folgt hinter Frankreich auf Platz fünf. Für die Herstellung von Nahrungsmitteln ist Dünger unabdingbar. Kanada, USA, Russland und Belarus bilden ein Oligopol, das diesen Markt dominiert. Weniger Weizen, weniger Dünger: explodierende Nahrungsmittelpreise, eine Katastrophe für die Dritte Welt.

Hungersnöte in Gesellschaften, die zuvor mehr oder minder die Ernährung breiter Bevölkerungsschichten zu bezahlbaren Preisen garantieren konnten: das beinhaltet Sprengstoff, kann mit Leichtigkeit zu Unruhen, Bürgerkriegen, Explosionen, Umstürzen führen.

Die militärische Katastrophe in der Ukraine ist nur die Spitze des Eisbergs. Dass damit das Verhältnis zwischen dem Westen und Russland auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zerrüttet ist, ist ebenfalls ein bedeutender Kollateralschaden.

Die dramatische Abhängigkeit der EU (und auch der Schweiz) von russischem Erdgas rächt sich nun. Eine Eskalation – keine Zahlungen in Rubel, kein Erdgas mehr – hätte dramatische wirtschaftliche Auswirkungen im Westen wie in Russland selbst.

Nahrungsmittelknappheit und damit verbunden Hungerrevolten würden die Länder der Dritten Welt in ihrer Entwicklung um Jahre zurückwerfen.

Der militärische Angriff ist kein singuläres Ereignis

Also alles in allem ein unüberschaubares Desaster. Der Waffengang gegen einen souveränen Staat, der keinerlei Angriffshandlungen plante, ist ein Verbrechen. Es bricht das Völkerrecht und der Aggressor begibt sich damit ausserhalb der Weltgemeinschaft. Gleichzeitig sind das Machtdemonstrationen, wie sie Imperien lieben.

Daher ist dieser Krieg keinesfalls singulär. Erinnert sei nur an die völkerrechtswidrige und verbrecherische Invasion des Iraks, unter dem Fake-Vorwurf, dort würden Massenvernichtungswaffen hergestellt und Terroristen beherbergt. Oder an die Attacken der NATO während des Zerfalls von Jugoslawien. Ohne UNO-Mandat und mit dramatischen Verlusten unter der Zivilbevölkerung.

Das ist keine Auf- oder Abrechnung. Aktuelle Verbrechen wiegen immer schwerer als vergangene. Es soll nur dazu dienen, dass im Westen nicht zu aufdringlich mit dem moralischen Zeigefinger gewackelt werden sollte. Machtpolitik ist Machtpolitik und grauslich, amoralisch, menschenverachtend. Immer und überall.

Der grösste Schurke USA

Nehmt den reichen Russen ihre Jachten weg. Am lautesten schreit immer der grösste Schurke.

Die Schummeleien mit CumEx, eine Methode, sich einmal gezahlte Steuern zwei- oder mehrfach zurückzahlen zu lassen, richtete in Europa einen Schaden von geschätzten 60 Milliarden Franken an.

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Über Jahre hinweg waren die Steuerämter, in erster Linie der deutsche Fiskus, nicht in der Lage eine offenkundige Gesetzeslücke zu stopfen – obwohl sie ständig darauf hingewiesen wurden. In der Schweiz wurde der Trick auch versucht – und scheiterte an eidgenössischen Steuerkommissären, die sich weder ins Boxhorn jagen, noch hinters Licht führen liessen.

Der Mastermind des Schwindels flüchtete in die Schweiz. Und sitzt in Auslieferungshaft Richtung Deutschland. Glaubte halt das Märchen der Alpenfestung, hätte sich besser in die USA abgesetzt.

Wenn man an westliche Rechtsstaaten glaubt

Über viele Jahre hinweg war das Geld von reichen Russen, aus unerfindlichen Gründen Oligarchen genannt, im ganzen Westen hochwillkommen. Die reichen Russen befeuerten den Bau von Superjachten, kauften teuerste Immobilien an bester Lage und verstauten ihr Geld auf westlichen Bankkonten.

Solche Geldflüsse sind naturgemäss sehr schwer aufzudecken, weil es durchaus im Interesse der Besitzer ist, zwar mit ihrem Reichtum anzugeben, aber nicht offenzulegen, wo sie ihn gebunkert haben. Deshalb gibt es nur Schätzungen. Eine aus dem Jahr 2017 geht davon aus, dass reiche Russen rund 800 Milliarden Dollar auf Banken in England, Zypern, der Schweiz und Offshore-Paradiesen gelagert haben.

Natürlich sind damit nur Gelder gemeint, die mehr oder minder direkt mit einem solchen reichen Russen in Verbindung gebracht werden können. Die meisten dieser Superreichen sind zwar stinkreich, aber leider auch furzdumm. Denn sie glaubten an Dinge wie Eigentumsgarantie, Rechtsstaatlichkeit und daran, dass man zwar in Russland einfach enteignet werden kann, aber doch nicht in zivilisierten, westlichen Staaten.

Am sichersten ist das Geld immer in den USA

Geschickter waren schon die, die ihr Geld im sichersten Ort auf Erden für alle Arten von dunklen Geldflüssen investierten. In den USA natürlich. Von Sunny Isles in Florida über Cleveland bis hin zu Hochhäusern in Manhattan ist das Geld der postsowjetischen Oligarchen in den letzten Jahrzehnten in die Grossstädte und das Kernland geflossen.

Das liegt daran, dass die Regierung nur sehr wenig tun kann, um herauszufinden, wem welche Immobilien in den USA gehören, die zu einem «Ziel der Wahl» für Geldwäscher auf der ganzen Welt geworden sind, sagt Louise Shelley, Direktorin für grenzüberschreitende Kriminalität und Korruption Center an der George Mason University, die als Sachverständige darüber auftrat, wie russisches Geld durch Immobilien gewaschen wird.

Auf mehr als 2,3 Milliarden Dollar wird das Geld geschätzt, dass in den letzten Jahren so gewaschen wurde.

«Es gibt dieses Missverständnis, dass Sie einfach rausgehen und diese Villen beschlagnahmen können, diese Yachten beschlagnahmen. Bei so vielen ist der Besitzer eine komplette Blackbox»,

sagt Casey Michel, der Autor von «American Kleptocracy: How the U.S. Created the World’s Greatest Money Laundering Scheme in History».

«Die USA haben den Oligarchen alle Werkzeuge der Anonymität zur Verfügung gestellt, die sie brauchten», sagt er, und es gebe keine unmittelbaren exekutiven Massnahmen, die Präsident Biden ergreifen kann, um das Problem zu beheben.

Übrigens, nebenbei, natürlich sollte auch Igor Kolomoisky auf der Liste sanktionierter Oligarchen stehen, der Förderer des ukrainischen Präsidenten und Kriegshelden Selinskyj.

Die Schweiz stellt sich selbst an den Pranger

Die ewigen Leak-Ausschlachter bei Tamedia überbieten sich gerade mal wieder in Selbstanklagen: «Die Schweiz, entblösst als Putins Geldträgerin», leitartikelt Oliver Zihlmann. Ohne sich der unfreiwilligen Komik bewusst zu sein, beginnt der Tamedia-Redaktor:

«Die USA haben zur wohl grössten Schatzsuche der Geschichte geblasen.»

Da ist was dran, denn mit rechtsstaatlicher Abklärung des korrekten Besitzes von Vermögen, Jachten oder Immobilien hat diese Schatzsuche wenig zu tun. Es geht darum, Symbole des Reichtums schlichtweg zu arretieren – auf nichts hin. Denn die gleichen Besitzer, denen heute ihre Bankkonten eingefroren werden, konnten sie jahrelang problemlos benutzen.

Was hat sich geändert? Präsident Putin hat die Ukraine überfallen, das hat sich geändert. Sonst eigentlich nichts, was die Besitzer dieser Vermögen betrifft. Aber Zihlmann geht noch einen Schritt weiter: «Doch jetzt jagen die mächtigsten Länder der Welt diesen Geldern nach, und sie werden immer wieder auf Schweizer Bankkonten stossen

Richtig, so wie sie auf Bankkonten überall auf der Welt stossen werden. Dass reiche Russen ihre Vermögenswerte nicht Banken in Angola, Cabo Verde oder Paraguay anvertrauten, sondern in erster Linie dem nach wie vor grössten Finanzplatz für Privatvermögen, nämlich der stabilen Schweiz, was Wunders.

Zihlmann sieht schwarz: «Wir riskieren, dass man uns als Geldträgerin und Gehilfen für ein Regime wahrnimmt, das für eine humanitäre Katastrophe historischer Dimensionen verantwortlich ist. Einmal mehr muss das ganze Land den Kopf hinhalten für die Skrupellosigkeit einiger Akteure auf dem Finanzplatz.»

Wenn Akteure auf dem Schweizer Finanzplatz gegen Schweizer Gesetze verstossen haben, gehören sie selbstverständlich bestraft. Aber so die «Schatzsuche» verlumpender Staaten bejubeln, das ist schon nassforsch.

Moderner Imperialismus geht mit dem Big Stick Dollar

Gerade die Schweiz musste schmerzlich erfahren, wie die USA rechtsimperialistisch die Gültigkeit ihrer Gesetze innerhalb der Schweizer Grenzen durchsetzten – im sogenannten Steuerstreit. Man kann es nicht oft genug wiederholen, vielleicht kapiert’s dann auch Zihlmann irgendwann:

Die meisten Schwarzgelder der Welt liegen in den USA. Die undurchsichtigsten Firmenkonstruktionen zwecks Verschleierung des wirklichen Besitzers sind in den USA möglich. Die grössten Geldwaschmaschinen für alles kriminelle Geld der Welt, aus Drogenhandel, Menschenhandel, Prostitution, Sklaverei und Ausbeutung von Kindern – stehen in den USA.

Im Vergleich dazu stehen die Schweizer Gnome inzwischen mit blütenweisser Weste da. Das Land, das den Kampf gegen Steuerhinterziehung auf alle Flaggen geschrieben hat, nimmt nicht am Automatischen Informationsaustausch über ausländische Kundenvermögen teil. Wenn ein Ami in der Schweiz Geld vor dem Fiskus verstecken will, dann hat er schlechte Karten. FATCA. Und sollte sein Finanzinstitut diese Meldung unterlassen und es kommt doch heraus, dann hat es drakonische Strafen zu befürchten.

Versteckt aber ein Schweizer sein Schwarzgeld in den USA, dann hat er schlichtweg nichts zu befürchten. Genauso wenig wie der Drogenbaron, der Blutdiamantenhändler, der Kinderausbeuter. Und da macht sich Zihlmann echt Sorgen, dass das Image der Schweiz leiden könnte? Nun, wenn solche nützliche Idioten für grosse Multiplikatoren schreiben, muss man sich darum tatsächlich Sorgen machen.

Weil die ihren Beitrag dazu leisten, dass der grösste Schurke beim Verstecken, Waschen, Investieren von schmutzigem Geld, mit dem Zeigefinger auf alle anderen zeigen darf. Ohne dass alle Zeigefinger auf ihn deuten, ohne dass die USA weltweit aufgefordert werden, zuerst mal den eigenen Saustall aufzuräumen.

 

 

Viertes Sanktionspaket der EU

So geht’s halt: die Schweiz übernimmt und übernimmt.

Eisen, Stahl und Luxusgüter. So könnte man die Massnahmen des inzwischen vierten Sanktionspakets der EU zusammenfassen. Plus der Entzug des Meistbegünstigtenstatus und die Erweiterung der sogenannten Oligarchenliste.

Was schon beim gescheiterten Rahmenvertrag ein Problem darstellte, manifestiert sich hier deutlich. Mitgegangen, mitgefangen. Wer einmal Sanktionen der EU übernimmt, muss auch alle weiteren automatisch nachvollziehen.

Hier geht es um ein fast vollständiges Verbot jeglicher Transaktionen mit 12 bedeutenden russischen Staatsbetrieben wie Gasprom oder Rosneft. Allerdings, neckisch, der Erwerb «fossiler Energieträger», sowie von Titan, Aluminium etc. ist ausgenommen. Man will ja schon sanktionieren, aber bitte in der warmen Stube.

Köstlich ist auch ein Ausfuhrverbot für Luxusgüter, also

Luxusautos, Schmuck, Haushaltsgegenstände, Porzellan, Elektrogeräte, Bekleidung und Taschen, Lebensmittel und Alkoholika, reinrassige Zuchttiere.

Viel souveräner handhaben das die USA. Deren Sanktionen sind schlichtweg weltweit gültig und verbindlich. Denn eigentlich jeder (und jede) verwendet entweder US-Dollar oder Produktebestandteile oder Technologien made in USA. Und im Zweifelsfall hat man ja eine Filiale im Land of the Free, und was da eine vertiefte Prüfung der hygienischen Zustände samt Werksschliessung alles anrichten könnte …

Wie sagte EU-Präsidenten Ursula von der Leyen pompös: «Diejenigen, die Putins Kriegsmaschinerie am Laufen halten, sollten nicht länger ihrem pompösen Lebensstil frönen können, während Bomben auf unschuldige Menschen in der Ukraine fallen.»

Nehmt das, ihr Kriegsmaschinenwarte. Chanel, Rolex, Gucci, Single Malt, Meissen, Dysonfön, könnt ihr euch alles abschminken. Fertig mit Versace, der Brioni muss aufgebügelt werden, die Louboutins ausgetragen.

Kein Nachschub für Oligarchinnen …

Wer nach einem Beispiel sucht, um das Wort lachhaft zu illustrieren …

 

 

Russen-Zensur

Schreckliches Russland, freier Westen. Echt jetzt?

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«Russia Today» (RT) ist ein russischer Staatssender. Seine Selbsteinschätzung: «RT DE ist ein Medium, dessen Blick auf die Entwicklungen in Deutschland, Europa und der Welt durch Pragmatismus, Kompetenz und gesunden Menschenverstand geprägt ist», mögen nicht viele teilen.

Der dysfunktionalen EU fiel es aber ein, die weitere Ausstrahlung von«Russia Today» und von «Sputnik» schlicht zu verbieten.

Das verkündete Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission. Das ist, so mehr oder minder, die europäische Regierung, und von der Leyen war gar nicht als Kandidatin angetreten, wurde aber dennoch gewählt.

Das alles führt offenbar zu bedauerlichen rechtsstaatlichen Verwirrungen. Denn man mag von RT und Konsorten halten, was man will: In einem Rechtsstaat braucht es entsprechende Gesetze, die ein solches Verbot legitimieren. Es kann in erster Linie nicht sein, dass eine Regierungspräsidentin selbstherrlich und ohne Verweis auf die gesetzliche Basis ihres Handelns verkündet, dass ein Sender einfach verboten wird.

Der Vizepräsident fügte noch hinzu, diese Sender stellten «eine erhebliche und unmittelbare Bedrohung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Union dar.» Echt jetzt? Würde der Randgruppen-Sender RT, den ja nur fanatische Russland-Fans ernst nehmen können, tatsächlich Ordnung und Sicherheit innerhalb der EU bedrohen? Womit? Mit seinen Sendungen? Echt jetzt?

Mindestens so kläglich wie dieses Verbot war die Reaktion der übrigen Massenmedien in Deutschland. Knappe Meldung, kein Kommentar. Die grossartige westliche Medienfreiheit, eines der wichtigsten Assets im Direktvergleich mit autoritären Staaten? Gesetzliche Regeln bilden die Grundlagen für das Handeln der Regierung, zweiter wichtiger Unterschied zu Russland oder China?

Gesetzliche Grundlagen für Entscheide? Ach was

Nun, das ist die EU; schön, dass die Schweiz nicht Mitglied ist und autark und souverän entscheiden kann, was sie ihren Eidgenossen zumutet. Es steht zu vermuten, dass RT hierzulande keine erhebliche Bedrohung der Ordnung und Sicherheit darstellt. Also kann man ihn als freier Schweizer doch frei empfangen?

Leider nein, so weit geht dann die Freiheit doch nicht mehr. Denn was der EU billig ist, ist der Schweiz, die ja die Sanktionen unbesehen übernimmt, billiger. Also ist hierzulande auch Mattscheibe. Aber nicht nur das. «Swisscom» und «Salt» haben beschlossen, den Sender aus ihrem Angebot zu nehmen. Aufgrund welcher gesetzlichen Grundlagen? Keine vorhanden.

Ist es lebenswichtig, sich mit der Sicht der russischen Regierung, genauer des Kreml-Herrschers Wladimir Putin, beschallen zu lassen? Natürlich nicht, wer das tut, ist selber schuld. Sollte man aber in der freien Schweiz die Möglichkeit haben, das zu tun? Solange RT nicht klar gegen gesetzliche Bestimmungen verstösst, sollte das doch möglich sein.

«Die Swisscom hat aufgrund der ausserordentlichen Situation entschieden, Russia Today per sofort und bis auf weiteres nicht mehr auszustrahlen», lässt sich eine Sprecherin bei CH Media zitieren.

Natürlich herrschen deswegen in der Schweiz keine russischen Zustände. Natürlich sind in der Schweiz weiterhin kritische Recherchen möglich. Natürlich gibt es in der Schweiz weiterhin ein breites Informationsangebot. Natürlich kann man mit ein wenig Geschick weiterhin RT live verfolgen. Natürlich interessiert das eigentlich fast keinen.

Aber das nassforsche Vorgehen einer unter merkwürdigen Umständen ins Amt gewählten Präsidentin, die kommentarlose Übernahme durch Schweizer TV-Anbieter, das völlige Fehlen einer rechtlichen Grundlage für diese Entscheidungen, das ist leicht beunruhigend. Nein, das ist sehr beunruhigend.