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Die Verfälscher

«20 Minuten» glorifiziert Migration — gerne auch mit falschen Zitaten.

Von Thomas Baumann
Die Pendlerzeitung «20 Minuten» berichtete kürzlich über einen Artikel in der «SonntagsZeitung», in welchem nach den Gründen gefragt wurde, warum in Schweden die Zahl der Auswanderer diejenige der Einwanderer erstmals seit fünfzig Jahren übersteigt.
Auswanderung ist natürlich nicht per se positiv. Schliesslich kommen die meisten Migranten hierzulande aus Auswanderungsländern — welche genau darum Auswanderungsländer sind, weil dort die Dinge nicht so laufen, wie sie sollten.
Der Fakt, dass Auswanderung nicht bloss positiv zu werten ist, wird auch in der «SonntagsZeitung» thematisiert. «20 Minuten» fasst die entsprechende Passage aus der «SonntagsZeitung» in seinem Artikel «Flüchtlinge bleiben fern: Schwedens Migrationskurs wirkt» so zusammen:
«Die negative Einwanderungszahl könnte sich langfristig aber als problematisch erweisen, insbesondere angesichts des Fachkräftemangels und der niedrigen Geburtenrate in Schweden, so die ‹SonntagsZeitung› weiter. Es gebe Bedenken, dass gut ausgebildete und ehrgeizige Migranten das Land verlassen, was die wirtschaftliche Zukunft Schwedens gefährden könne.»
Und jetzt die Passage im Original der «SonntagsZeitung»:
«Verlassen die Richtigen das Land? Die schwedische Regierung feiert die negative Einwanderungszahl als grossen Erfolg. Angesichts des Fachkräftemangels und der sinkenden Geburtenzahlen könnte sich eine Netto-Auswanderung allerdings auch als Eigentor erweisen – vor allem, wenn unter den Abgereisten viele gut Ausgebildete sind. «Das ist genau das Problem: Es gibt keine Daten darüber, wer genau das Land verlässt», sagt Parusel. «Aus der Forschung weiss man aber, dass oft jene Migranten weiterziehen, die auch andernorts gute Möglichkeiten haben, also die Fleissigen und Ambitionierten.»
(Anmerkung: Bernd Parusel ist ein deutsch-schwedischer Politologe, der im Artikel zitiert wird.)
Dass die wirtschaftliche Zukunft Schwedens durch die Auswanderung gefährdet sein könnte, steht in der «SonntagsZeitung» nirgends — noch viel weniger werden dort irgendwelche Bedenken in dieser Hinsicht wiedergegeben.
Oder anders gesagt (und um eine Phrase zu bemühen, welche im Zusammenhang mit Donald Trump von gewissen Medien bis zum Exzess bemüht wurde): Die Zeitung «20 Minuten» behauptet ohne Belege, dass Bedenken geäussert wurden, dass die Auswanderung «die wirtschaftliche Zukunft Schwedens gefährden könne».
Und das alles bloss weil man noch ein wenig politisch korrekt sein wollte. In diesem Fall führt politische Korrektheit direkt zu Fake News.

Meine Güte, NZZ

Das Intelligenzlerblatt tanzt neuerdings den Limbo.

Eigentlich wurde auf Trinidad eine Woche nach einem Begräbnis diese gelenkige Übung aufgeführt, nach dem Motto: how low can you go?

Inzwischen versucht sich die NZZ in dieser Übung. Allerdings tanzt sie nicht, sondern holzt. Unter dem geschmackvollen Titel «Xi macht den Putin» irrlichtern zwei Gastautoren: «Ein ukrainischer Sieg auf dem Schlachtfeld und die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine sind beste Mittel, um beider Revisionismus einzudämmen.»

Die tapferen Autoren «Andreas Umland und Hugo von Essen sind Analysten am Stockholmer Zentrum für Osteuropastudien (SCEEUS) im Schwedischen Institut für Internationale Angelegenheiten (UI)».

Armes Schweden, armes Institut. Schon wieder zwei, die gerne bis zum letzten Ukrainer westliche Werte wie hohe Korruption und Ersatz von Wahlen durch Kriegsrecht verteidigen wollen.

Die Stange liegt allerdings rekordverdächtig niedrig, wenn die beiden ungeniert solche Flachheiten herauspusten dürfen: «Der Krieg in Europa bindet westliche Ressourcen und lenkt die Aufmerksamkeit Washingtons von den Aktivitäten Pekings in anderen Teilen der Welt ab.» Hu, hu, nicht hinschauen, sagt Peking, die Action ist in der Ukraine. Und die dummen USA übersehen die Sache mit Taiwan und so. Man weiss nicht, ob das nur eine Beleidigung der US-Nachrichtendienste und des Aussenministeriums ist oder gleich auch noch des Lesers.

Wer sich bei solchen Sachen nicht auskennt, hat auch keine Ahnung von Wirtschaft: «Auch die chinesische Wirtschaft wird derzeit von Schwierigkeiten geschüttelt. Sie wächst jedoch weiter und importiert verbilligte russische Rohstoffe und überschwemmt Russland mit ihren KonsumgüternDas ist mal eine neue Definition von geschüttelten Schwierigkeiten. Die erkennt man daran, dass die Wirtschaft wächst.

Und noch ein analytisches Schmankerl: «So könnten beispielsweise Russlands wachsende Beziehungen zu einem ermutigten Nordkorea zu einer schwierigen Ménage-à-trois-Dynamik mit China führen.» Konjunktiv-Journalismus, bar jeder Logik und Vernunft. Nordkorea ist nur deswegen noch nicht zusammengebrochen, weil es von China gestützt wird, da gibt es überhaupt keine Probleme bei einem Dreier.

Und zum Schluss dann nochmal der geballte Wahnsinn:

«Ein mit westlicher Unterstützung errungener ukrainischer Sieg auf dem Schlachtfeld und die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine sind heute das beste Mittel, um russischen und chinesischen Revisionismus in Zukunft einzudämmen.»

Dass die Ukraine die Krim zurückerobern könnte, das wagt nicht einmal der realitätsfernste Selenskyj-Fan zu hoffen. Einen ukrainischen Sieg auf dem Schlachtfeld zu fordern, das ist schlichtweg zynisch, menschenverachtend – und brandgefährlich.

Natürlich darf jeder seine Meinung haben und sich öffentlich zum Deppen machen. Wieso aber die NZZ dafür eine Plattform bietet, ist unerfindlich. Es gibt nach wie vor Sträusse von intelligenten, unterhaltsamen und erkenntniserweiternden Artikeln. Da funkelt die Welt wie in einem Kaleidoskop und wird ordentlich immer wieder geschüttelt und angenehm zusammengesetzt.

Aber solche Versuche, den geistigen Limbo zu tanzen, das wird doch langsam rufschädigend. Zwei Vertreter eines vor wenigen Jahren gegründeten Thinktanks dürfen vorführen, wie überflüssig diese Versammlung von sogenannten Analysten ist. Und wie gut beraten die schwedische Regierung, ja nicht auf solche Irrlichter zu vertrauen.