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Geld wert? CH Media

Teil drei der kleinen Serie: Als Beispiel der CH Media-Kopfblätter das «Badener Tagblatt».

Hier fing’s eigentlich an, und aus dem «Badener Tagblatt» ist dann ein Zeitungsimperium geworden, mitsamt Privat-Radio und -TV. Alles in der Hand des Wanner-Clans, der inzwischen auch die Mehrheit am Joint Venture mit der NZZ übernommen hat.

Beim «Badener Tagblatt» bekommt man für Fr. 3.50 an diesem Mittwoch 32 Seiten geliefert. Man zahlt also pro Seite rund 11 Rappen. Das ist bislang der Discount-Preis im Sektor Tageszeitungen im Print gegen Bezahlung.

Damit will das Tagblatt die Leser zum Kauf verführen:

Für Aargauer sicher interessant; im Kopfzeitungssystem achtet CH Media darauf, dass neben der Einheitssauce aus der Zentralredaktion in Aarau auch genügend Lokales auf die Front kommt.

Hauptstory und Kommentar beschäftigen sich mit dem kantonalen Budget, sauber. Dann das obligatorische «Bundesratskandidaten»-Schauen. Löblich, dass nicht «Kandidierende» verwendet wird.

Etwas unverständlich ist dann der vierte Titel: «Als gäbe es sie nicht: Keine Hilfe für Kinder mit Long Covid». Das mit der doppelten Verneinung ist auf Deutsch immer eine kitzlige Sache und sollte daher keinesfalls in der Provinz nicht verwendet werden. Oder so.

Auf Seite zwei kommt ein grosser Bericht über – schlaue ZACKBUM-Leser ahnen es – China. Riesenfoto mit ein paar Polizisten neben Polizeiauto, dazu der Knaller «Chinas Staatsapparat schlägt zurück». Das ist nun wirklich nichts Neues, aber immerhin von einem Mann aus Peking geschrieben. Allerdings schreibt Fabian Kretschmer als «Kindersoldat» aus Peking, wie ZACKBUM-Mitarbeiter Felix Abt schon höhnte.

Gleichzeitig für die NZZ, CH Media, die taz und wohl auch sonst alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Darunter erklärt der ausgewiesene China-Kenner Bruno KnellwolfNeues aus Forschung & Technik»): «Die Null-Covid-Strategie ist gescheitert».

Seite drei widmet sich, Überraschung, der «rasanten Aufholjagd» von Baume-Schneider im Rennen um einen Sitz im Bundesrat.

Da China schon auf Seite zwei verbraten wurde, der Iran gerade nichts Neues hergibt, muss halt nichts Neues aus dem Ukrainekrieg berichtet werden:

Autor ist Bojan Stula, bis vor Kurzem im Lokalressort der «BZ Basel» tätig. Seither hat er sicherlich in einem Schnellkurs Militärstrategie gelernt und ist fit für eine neue Aufgabe der Welterklärung. Ist ja auch was anderes als das Lokale in Baselland.

Dann Denksport, TV-Programm und «Zum Gedenken». Dazwischen war noch irgendwas mit Wirtschaft, aber das hat man so schnell vergessen, wie man die Seite umblättert.

Etwas lebendiger wird das Blatt ab Seite 15 («Leben & Wissen»): «Wie häufig haben Kinder Long Covid?» Antwort: kommt darauf an.

Passend darunter ein Rehash der sattsam bekannten Provokation der Modefirma Balenciaga mit komischen Teddys.

Auf Seite 16 dann allerdings wohl das Highlight der Ausgabe: ein Bericht der grossartigen Kulturjournalistin Daniele Muscionico über eine Fotoausstellung mit Thema Ukraine im Lausanner «Musée de l’Élysée».

Schliesslich das Nah-Lokale aus Baden, das Relativ-Lokale aus dem Aargau, dazu Lokales aus Baden-Wettingen, dem «Zurzibiet» und Brugg-Windisch.

Dann der Ratgeber, knackiger Titel: «Ein Hoch auf das Tief», daneben der Arzt über postnatale Depressionen, immer wieder gern genommen.

Unvermeidlich, der «Aargauer Sport», und dann drei Seiten Fussball-WM. Auch der Fensterplatz auf der letzten Seite wird einfach mit Fussball gefüllt.

Was soll man hier als Fazit sagen? Man erahnt, welche Koordinationsarbeit es bedeutet, die lange Latte von Kopfblättern von Basel über den Aargau, in der Innerschweiz und bis in die Ostschweiz, mit Einheitsbrei aus Aarau, aber auch mit Lokalem abzufüllen. Das ist in dieser Ausgabe – zumindest auf das «Badener Tagblatt» bezogen – durchaus gelungen.

Was CH Media in Ausland und Wirtschaft zu bieten hat, ist allerdings eher bescheiden. Kultur lebt von einer der besten Autorinnen, und da die wohl nicht täglich publiziert, dürfte das ein einsames Highlight gewesen sein.

Denksport, Leserbriefseite, Abdankungen und Todesanzeigen, TV-Programm, eine «Agenda», das Blatt atmet noch sehr den Geist des letzten Jahrtausends in seinen Gefässen. Ist es sein Geld wert?

Für den Badener, für den Aargauer durchaus. Allerdings nur dann, wenn sich der Träger von weissen Socken über die internationale Politik und Wirtschaft anderweitig informiert. Der Lokalteil atmet auch den Geist von früher ein und aus. Das ist aber in diesem Fall durchaus positiv, denn im Gegensatz zu Tamedia geht es hier nicht in erster Linie um die Befindlichkeit des Berichterstatters oder seine Meinung zu diesem und jenem. Sondern es wird einfach berichtet.

Das war ja mal eine der wichtigsten Aufgaben des Journalismus. Also sind Fr. 3.50 für im lokalen Einzugsbereich wohnende Leser durchaus akzeptabel investiertes Geld. Wenn auch 32 Seiten natürlich Magerkost ist – im Vergleich zum letzten Jahrtausend.