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Realitätsverlust beim Tagi

Verdrängung als journalistische Disziplin.

ZACKBUM-Leser erinnern sich. Vor einem Jahr brachte der Tagi eine Skandalgeschichte gross heraus. Unerträgliche Zustände im Jugend-Asylheim Lilienberg. Personalmangel, demotivierte Mitarbeiter, Alkohol- und suizidgefährdete Bewohner, schrecklich, furchtbar, ungeheuerlich.

Gestützt war der Bericht in bester «Republik»-Manier im Wesentlichen auf Aussagen anonymer Ex-Mitarbeiter. Anschliessend zog ein Jahr ins Land, und das Asylheim wurde von einer externen Kommission gründlich durchleuchtet. Frustrierendes Resultat für den Tagi: es wurden keinerlei «systemische», systematische oder gravierende Probleme festgestellt, daher wurden keinerlei prinzipielle Veränderungen oder personelle Konsequenzen gefordert.

Das kam dem Tagi schon sehr quer in den Hals; statt die Ergebnisse korrekt zu referieren, machte er nochmals auf angebliche Skandale aufmerksam, berichtete ellenlang über die Verbesserungsvorschläge und tat überhaupt so, als ob sein Bericht bestätigt worden sei.

Zunächst «vornweg» ein verkniffenes Eingeständnis: «Die Firma hat keine «schwerwiegenden Feststellungen gemacht, die auf systemische Mängel der Organisation hindeuten».» Um dann zur verblüffenden Schlussfolgerung zu gelangen: «Trotzdem bestätigt der Bericht im Wesentlichen die von den Mitarbeitenden erhobenen Vorwürfe.»

Irre Logik, aber so ist halt der moderne Qualitätsjournalismus. Der für den Zürich-Teil verantwortliche Schrumpf-Co-Chefredaktor Mario Stäuble hatte vor einem Jahr markig eine solche Untersuchung gefordert, um «menschenwürdige» Zustände wieder herzustellen. Seither schweigt er zum Thema und zum Schrumpf-Skandal. Hat aber einen weiteren Flachsinn zu verantworten:

Logisch, dass die Linke hier Nachklappern muss, auch die kümmert sich eher weniger um Fakten oder Untersuchungsergebnisse. Verständlich, dass der Tagi darüber berichtet. Ganz schräg wird aber dann diese neuerliche Behauptung:

«Wie diese Zeitung kürzlich berichtet hat, sind im Heim Streit und Gewalt an der Tagesordnung. Lärm, Alkohol, fehlende Regeln und beengende Platzverhältnisse machen den Teenagern zu schaffen. Einige seien suizidgefährdet, sagen Insider. So komme es immer wieder zu Notfallplatzierungen und Spitaleinweisungen.» Wie diese Zeitung noch kürzlicher berichten musste, sind das alles keine systemischen Probleme …

Dann berichtet der Tagi korrekt, dass das Sozialamt eine «Untersuchung durch unabhängige Experten angeordnet» habe. Der Betreiber, das AOZ, habe eingeräumt, es gelinge «nicht immer, das Optimum für unsere Mitarbeitenden und die Geflüchteten herauszuholen».

Was aber Autor Pascal Unternährer dem Leser verschweigt: diese Untersuchung ist beendet, die Resultate wurden publiziert, die massiven Vorwürfe entkräftet.

Das ist nun schon höhere Kunst der Leserverarschung. Weil die Ergebnisse nicht in den Kram passen, werden sie einfach unterschlagen und so getan, als seinen alle Vorwürfe bestätigt und nun sogar Anlass für politische Vorstösse.

Mal ehrlich, liebe Tagi-Redaktion: glaubt Ihr wirklich, jemand nehme Euch so noch ernst?

Abgerundet wird dieses traurige Bild durch einen Kommentar der sonst noch nicht gross in Erscheinung getretenen Kerstin Hasse:

Lila Populismus? Populismus ist ganz schlecht. Wenn er rechts ist. Er ist aber gut, wenn er weiblich ist. Die neue Chefredaktorin reiste mit leichtem Gepäck von der «Annabelle» zu Tamedia, ist ansonsten eher den angenehmen Seiten des Lebens zugetan:

So im Goldspiegel des Luxushotels «Trois Rois» in Basel kann man sicherlich sehr gut Populismus fordern und die Benachteiligung der Frau bedauern.