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Widerwärtige Kriegsgurgel

Da ist man mal weg, und schon schreibt Nicolas Freund einen Kommentar.

Der Mann ist eigentlich Filmkritiker, hat «Komparatistik, Germanistik und Kulturjournalismus» studiert, behauptet die Autorenseite der «Süddeutschen Zeitung».

Also geradezu überqualifiziert, um sich dem Pack der Kriegsgurgeln anzuschliessen, die als Schreibtäter mit markigen Worten Ukrainer in den Tod schicken wollen. Da gibt es üble Gestalten, die auf ZACKBUM bereits ausführlich gewürdigt wurden.

Aber Nicolas Freund schlägt sie alle. Dass die SZ so eine Schmiere abdruckt, wohlan, das ist ein Münchner Problem. Dass Tamedia diesen Kommentar übernommen hat, ist ein Zürcher Problem. Ist ein Versagen aller Kontrollinstanzen. Wieso spült Pietro Supino Pipifaxartikel, lässt aber solche Schweinereien durchgehen?

Was für Schweinereien? Eigentlich eine doppelte. Die erste ist noch fast harmlos. Freund schreibt: «Wolodimir Selenski hat einen Gesetzentwurf unterzeichnet, der das Alter für die Einberufung zum Militärdienst von 27 auf 25 Jahre senkt.» Das ist natürlich blühender Unsinn; aber was versteht ein Student der Komparatistik schon vom Militär. Sonst würde ihm auffallen, dass es doch eher merkwürdig wäre, wenn in der Ukraine Soldaten erst mit 27, bzw. 25 Jahren einberufen würden.

In Wirklichkeit handelt es sich natürlich um die Senkung des Einberufungsalters von Reservisten. Also in der Sache hat Freund schon mal nix kapiert.

Aber das verblasst hinter der zweiten Schweinerei: «Es ist klar, dass Selenski für viele von ihnen ein Todesurteil unterschrieben hat.» Da habe Selenskyj doch länger gezögert, aber: «Es ist dennoch der richtige Schritt.» Denn: «So schwer diese Entscheidung fallen mag: Russlands Angriffskrieg lässt ihm gar keine Wahl.»

Freund meint also, dass junge und mangelhaft ausgebildete Reservisten als Kanonenfutter in den Tod zu schicken, für ihn ein richtiger Schritt sei. Vom fotografierten Bubigesicht auf der Autorenseite zu schliessen, dürfte Freund selber auch in diese Alterskategorie fallen.

Da sei ihm doch nahegelegt, Krieg nicht als Spielwiese für menschenverachtende Kommentare zu missbrauchen, sondern selbst mannhaft und beherzt ein Beispiel zu geben. Ein Zeichen zu setzen, wie man in seinen Kreisen so gerne sagt. Denn wir möchten unbedingt die Kriegsreportage von Freund an der Front lesen.

Die Kriegsgurgel müsste dafür nicht mal eine Waffe in die Hand nehmen. Einfach hingehen, aufschreiben, berichten. Kann doch nicht so schwer sein. Ausser, Freund wäre zu feige dafür. Aber das ist er doch sicher nicht, so abgebrüht wie er die Notwendigkeit von Todesurteilen befürwortet.

Oder um seinen Titel zu paraphrasieren: was Freund da hinschmiert, ist furchtbar und wichtig genug, um in die grosse Halle der Schandmale des verantwortungslosen Journalismus aufgenommen zu werden.

Panoptikum der Heuchler

Verächtlicher als Putin sind nur unsere schreibenden Kriegsgurgeln.

Lassen wir aus juristischen Gründen Namen weg. Es gibt Besitzer und Benützer grosser Medienplattformen, die hemmungslos andere Menschen in den Tod schicken wollen.

Diese Sandkastenkrieger wollen NATO-Truppen in die Ukraine abkommandieren, fordern, dass das westliche Verteidigungsbündnis bei einem Nicht-Mitglied eine No-Fly-Zone durchsetze. Sie krähen mutig, dass man sich von russischen Drohungen, dass gewisse Aktionen mit einem Atomschlag beantwortet werden könnten, doch nicht in die Knie zwingen lassen darf.

Vor etwas mehr als hundert Jahren endete der Erste Weltkrieg. Es war der erste Krieg, in dem Propaganda flächendeckend eingesetzt wurde. In dem erkannt wurde, dass Erfolge auf dem Schlachtfeld durchaus wesentlich für den Kriegsverlauf sind. Aber die Beeinflussung der eigenen Bevölkerung auch.

Der Feind wird dämonisiert und entmenschlicht. Er ist grausam, barbarisch, unzivilisiert. «Jeder Schuss ein Russ», «Gott strafe England», solche Reime und Slogans wurden geboren, der Deutsche war der «Hunne», eine Bedrohung für die ganze Menschheit. Die Massenmedien wurden zu hysterischen Propagandaschleudern. Meistenteils freiwillig.

Rassistische Archetypen wurden angerufen. Jeder Angehörige einer Nation wurde kollektiv schuldig gesprochen. Nicht nur der Soldat war der Feind, jeder Russe, Deutsche, Engländer, Österreicher. Der Künstler, der Buchhalter, der Musiker. Wehe, wer auf der Strasse als Angehöriger einer feindlichen Nation erkannt wurde. Der Lynchmob drohte.

Was vor Kurzem noch fern schien, kommt näher und näher

Was für ein mutiger Mann war da John Heartfield, der Erfinder der politischen Fotomontage (Kindersoldaten: googeln). Er hiess eigentlich Helmut Herzfeld und benannte sich 1916 in Heartfield um – als Protest gegen den englandfeindlichen Nationalismus in Deutschland.

«Krieg und Leichen – die letzte Hoffnung der Reichen.» John Heartfield.

All dieses Geschrei, dieser Nationalismus und Patriotismus, diese Hetzer am Schreibtisch, das erschien uns bis vor Kurzem fern und unverständlich. Der russische Überfall auf die Ukraine löst aus, dass sich die Geschichte wiederholt. Wie kommen ansonsten zurechnungsfähige Schweizer Publizisten auf die perverse Idee, Soldaten in den Tod schicken zu wollen? Reicht es ihnen nicht, dass das der russische Präsident tut, den sie deswegen als wahnsinnigen Verbrecher verurteilen?

Der Unterstand im Ersten Weltkrieg.

Sind sie wirklich bereit, einen weltverschlingenden Atomkrieg zu riskieren, den ein militärischer Einsatz der NATO in der Ukraine ohne Weiteres auslösen könnte? Wollen sie sich wirklich zu «Masters of War» aufschwingen, über die schon Bob Dylan sang, dass ihnen nicht einmal Jesus vergeben würde?

In der Blutmühle von Verdun.

Sind sie einfach verantwortungslos, weil sie wissen, dass ihr Wort nicht zählt? Ist ihnen bewusst, dass ihre markigen Forderungen nach Beschlagnahmung aller «Russengelder» in der Schweiz, nach sofortigem Stopp von Handelsgeschäften an den Grundfesten unseres Rechtsstaats rütteln? An der Eigentumsgarantie und der Gewerbefreiheit?

Dass niemand seine Unschuld beweisen muss und schuldig sei, bis er das widerlegen kann? Dass das Abfordern von Bekenntnissen für und gegen ein Rückgriff in die Zeiten der mittelalterlichen Inquisition ist?

Hat natürlich niemand gewollt. Niemals.

Ist diesen Heuchlern nicht bewusst, wie wohlfeil Kriegsgeschrei aus mit russischem Gas beheizten Redaktionsstuben ist? Die Heimfahrt im mit raffiniertem russischen Öl betriebenen Schlitten? Ist ihnen nicht bewusst, wie entlarvend es ist, wenn sie auf die Frage antworten, was sie denn persönlich – ausser andere in den Tod schicken wollen – so täten, um zu helfen, dass sie dann schon mal spenden werden, irgendwann in der Zukunft?

Ist diesen Heuchlern bewusst, dass die Konzentration auf die friedliche Forderung, sofort jegliche Handelsbeziehungen mit Russland einzustellen, die wirksamste Waffe gegen den Ukraine-Krieg ist? Das wäre aber mit eigenen, nicht mit fremden Opfern verbunden.

Der Präsident der Ukraine hat alles Recht der Welt, auf dem Klavier der Propaganda, der PR, der rhetorischen Kriegsführung zu spielen. Er hat den Propagandakrieg gegen Russland haushoch gewonnen. Die Schweizer Medien, und nicht nur die, haben ihn elend verloren. Was nach Covid noch an Reputation vorhanden war, geht gerade in den Orkus.

Die Visuals dieses Artikels sind nichts für schwache Nerven. Aber sie bebildern, was in letzter Konsequenz passiert, wenn jemand den feigen Kriegsrufen in unseren Medien Folge leisten würde. Dass sich diese heuchlerischen Kriegsgurgeln damit der völligen Lächerlichkeit aussetzen, ist ihnen, das ist wahrhaft Anlass für homerisches Gelächter, nicht einmal bewusst in ihrer bedeutungsschweren Aufgeblasenheit.