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Die Linke und die Waffen

Waffenexporte sind pfui. Bührle und so. Ausser aber …

Eine vornehmste Aufgabe des Intellektuellen besteht darin, Locken auf der Glatze zu drehen. Sogar Glatzen auf der Locke. Also mit viel Hirnschmalz etwas hin- oder wegerklären, was für den Normal-Vernünftigen ein schreiender Widerspruch ist.

Paradebeispiel dafür die die grüne Energiepolitik. Wenn etwas noch schlimmer als AKW sei, dann Kohlekraftwerke. Dreckschleudern, Umweltverschmutzer, widerwärtig. Niemals würde ein Grüner dafür plädieren, Kohlekraftwerke weiter laufen zu lassen, gar neue zu bauen. Ausser, er ist grüner Wirtschaftsminister in Deutschland.

Wenn die SP mit den Grünen, überhaupt mit allen Linken und Alternativen etwas eint, dann ist es die Abscheu gegen Krieg. Ausser, man ist grüner deutscher Aussenminister und befürwortet den völkerrechtswidrigen Krieg gegen Serbien und die Abspaltung des Kosovo, obwohl auch Deutschland die territoriale Integrität Serbiens nach dem Zerfall Jugoslawiens garantierte. Und die Schweizer SP-Aussenministerin dafür sorgte, dass die Eidgenossen zu den ersten und bis heute wenigen Ländern gehört, die den Kosovo anerkennen.

Niemals würde ein grüner Minister seinen Staatssekretär entlassen, nur weil der mal einen Fehler gemacht hat. Ausser, er entlässt ihn, weil der einen Fehler gemacht hat. Es gäbe auch in der Schweiz genügend Beispiele für unsinnige und widersprüchliche Forderungen von Molina, Wermuth, Glättli, Arslan, Seiler Graf oder Schlatter.

Besonders peinlich ist aktuell das Eiern in der Frage «Waffenlieferungen an die Ukraine». Denn eigentlich sind Kriegsmaterialexporte des Teufels, die Schweizer Rüstungsindustrie profitiert von Leid und Tod auf der Welt, Bührle lässt grüssen, jede Verschärfung des Waffenexportgesetzes ist zu unterstützen, stopft hier die letzten Löcher.

In all diesen Fällen wird (vergeblich) viel Hirnschmalz, Rabulistik, Rhetorik, geradezu scholastische Umdeutung, Auslegung, Verbiegung und absurde Logik verschwendet, um am Schluss sagen zu können: die Erde ist doch eine Scheibe, und auch das Gegenteil vom Gegenteil ist wieder richtig. Je nachdem.

Blöd nur für all diese Schwurbler: die Kirche kann sich wenigstens auf das geoffenbarte Wort Gottes berufen, bei freibleibender Interpretation. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt? Nun ja, also ausser, er kauft sich mit einem Ablass von dieser Sünde frei. Du sollst nicht töten? Im Prinzip niemals, besonders keine ungeborenen Kinder. Aber im Krieg, nun, wenn der Pfaffe die Kanone gesegnet hat, wenn der Papst die Kreuzritter mit «deus vult» (Gott will es) dazu aufstachelt, Jerusalem zu «befreien» und dafür in Blut zu waten, dann ist das etwas anderes.

Vor ähnlichen Problemen stehen Schweizer Grüne und SP-Genossen, wenn es um die strikte Einhaltung des Rüstungsexportgesetzes geht, um den entschlossenen Kampf gegen das Töten von Menschen mit Schweizer Waffen. Ausser …

Wenn man sich eher unter sich fühlt, wird man gesprächig. Daher ist ein Interview, das die beiden Sicherheitspolitikerinnen Priska Seiler Graf (SP) und Marionna Schlatter (Grüne) der WoZ gaben, herausragend komisch. Seiler Graf muss die Kehrtwende wegsalben, die die SP bei der Frage von Waffenexporten vollführte. Von strikt dagegen zu «im Prinzip nein, aber über Drittländer schon». Das sei, was sonst, «ein relativ schmerzhafter Prozess» gewesen. Denn natürlich bleiben Waffenexporte das, was dieselbe Seiler Graf noch im September 2021 anprangerte:

«Es kann nicht sein, dass der Bundesrat über die Hintertüre wieder Waffen in Länder wie die Ukraine oder die Türkei exportieren kann.»

Dumm gelaufen, da gilt natürlich das gute Politiker-Wort: Was geht mich mein dummes Geschwätze von gestern an, und hoffentlich erinnert sich niemand mehr an meine damalige Pressemitteilung. Denn nach vielen Schmerzen hat Seiler Graf nun ein geniales neues Argument gefunden: «Wir versuchen, eine extreme Aufweichung des Kriegsmaterialgesetzes zu verhindern

Augustinus jubelt im Himmel über diese geniale Verdrehung. Die SP ist nicht mehr strikt gegen Waffenexporte, sondern für ein bisschen, aber nur, damit es nicht zu viel wird. Grossartig. Und warum sollten eigentlich über Drittstaaten Waffen an die Ukraine geliefert werden? «Die Ukraine verteidigt unsere demokratischen Werte, da braucht es Unterstützung, nötigenfalls auch mit Waffen.»

Ach was, gehört auch zu den verteidigungswerten demokratischen Werten die korrupten Präsidialherrschaft in der Ukraine, in der oppositionelle Parteien verboten werden und eine Pressezensur wie in Russland herrscht, in der gerade ein Richter des obersten Gerichts wegen Annahme von Schmiergeld verhaftet wurde? Aber gut, Seiler Graf kann sich natürlich nicht enthalten, auch noch eine Spitze gegen die Schweizer Grünen abzuschiessen: «Die Grünen in Deutschland sehen das ja auch so.» Denn die tragen sogar Regierungsverantwortung dafür, dass unter klarem Rechtsbruch immer mehr und immer schwerere Waffen, inklusive Panzer (was kurz zuvor noch «ausgeschlossen» war), an die Ukraine geliefert werden.

Die Schweizer Grünen sind aber strikt dagegen. Was fällt da Schlatter Schlaues ein? «Deutschland ist Mitglied der Nato und damit Teil eines Militärbündnisses. Wenn ich in Deutschland in der Regierung wäre, würde ich auch anders entscheiden als hier in einem kleinen, neutralen Land.» Ach so, die Frage von Waffenlieferungen kann so oder so beantwortet werden. Je nach Grösse und so.

Wie meint Schlatter dann noch weise: «Der Krieg hat viele Linke in ein Dilemma gestürzt, das wir aushalten müssen.» Aber während es momentan nur Geeier im Dilemma geben kann, ein klares «Jein», ein «ja zu nein, aber auch ein nein zu ja, trallala», stimmt die grosse Perspektive noch, auf die sich beide Schwurbler (generisches Maskulin) einigen können: «Langfristig können wir diesen Teufelskreis nur mit globaler Abrüstung durchbrechen, besonders der Atomwaffen

Kurzfristig Waffenlieferungen für einen Krieg, was beide grundsätzlich befürworten, die eine will das nur nicht mit Schweizer Beteiligung. Aber langfristig werden wir dann alle Brüder (und Schwestern), Amen. Und da soll noch einer sagen, Politiker (generisches Maskulin) täten nichts gegen den zunehmenden Vertrauensverlust.