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Gesetzesbrecher

Journalisten kennen nix, wenn es um Waffenlieferungen geht.

Das Kriegsmaterialgesetz der Schweiz lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Jeder Laie versteht den Artikel 22a, «Bewilligungskriterien für Auslandgeschäfte».

Die werden nicht bewilligt, «wenn das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen Bewaffnete Konflikt verwickelt ist».

Um das scheunentorgrosse Schlupfloch von erlaubten Lieferungen an Staaten zu schliessen, die das Kriegsmaterial dann flugs weiterverkaufen, gibt es zudem die Pflicht der «Nichtwiederausfuhr-Erklärung». Auch das versteht jeder Laie.

Das verstehen aber viele Politiker und auch Journalisten nicht. In geradezu nordkoreanischem Dreiklang meinen die grossen meinungsbildenden Konzerne Tamedia, CH Media und NZZ, dass der Export von 25 Leopard 2 nach Deutschland schon voll in Ordnung sei. Maja Briner ist seit fast 5 Jahren Bundeshausredaktorin in Teilzeit bei CH Media. Sie ist Militärexpertin und Rechtsspezialistin. Oder nein, sie hat einen BA in Medien- und Kommunikationswissenschaft. Also kommuniziert sie: «Die Schweiz aber steht abseits. … Nun kommt endlich etwas Bewegung in die verhockte Debatte … dass sie auf eingemotteten deutschen Panzern hockt, die sie nicht braucht, während andere sie dringend benötigen: Das ist in dieser Situation kaum zu rechtfertigen.» Dieser Verkauf sei «ein erstes Zeichen von gutem Willen».

Dass Mario Stäuble von vielem wenig versteht, ist bekannt. Nun outet er sich auch noch als Nicht-Gesetzesversteher bei Tamedia: «Der Bundesrat will alte Kampfpanzer nach Deutschland zurückgeben, um die Ukraine zu unterstützen. Das ist pragmatisch und richtig … er verletzt weder das Neutralitätsrecht noch verursacht er grosse Kosten … das Narrativ eines Staates, der Mühe damit hat, sich auf die neue europäische Sicherheitslage einzustellen, wird abgeschwächt».

Georg Häsler ist Philologe und Oberst der Schweizer Armee. Mit dieser Autorität ausgestattet, verkündet er in der NZZ, dass gegen diesen Entscheid nichts einzuwenden sei «– im Gegenteil. Die Schweiz als westliches Land hat ein Interesse daran, dass die ukrainische Armee die Besatzungstruppen zurückschlagen und im besten Fall vertreiben kann. Auch aus militärischer Sicht ist die Rückgabe von 25 von 96 stillgelegten Leopard 2A4 knapp vertretbar».

Aber immerhin, es ist dann doch die NZZ, fügt er hinzu: «Zuerst reagiert Bern mit grossen Worten, dann wahlweise taub oder gekränkt – und knickt dann schliesslich ein.»

Die Beschreibung ist nicht schlecht. Sie beinhaltet aber unausgesprochen, dass in der Schweiz Gesetze, die aus irgend einem Grund nicht genehm sind, nicht mehr auf dem vorgeschriebenen Weg geändert – sondern schlichtweg umgangen werden. Wie das Deutschland und diverse andere europäische Staaten auch tun.

Blasen wir die Nebel des Krieges von diesem Thema. Und kehren wir zu den einfachen Worten des Gesetzes zurück. Waffenlieferungen an die Ukraine sind verboten. Verboten heisst hier verboten, wie in verboten. Waffenlieferungen an nicht kriegführende Staaten sind erlaubt, wenn sie nicht in Kriegsgebiete weiterexportiert werden. Das ist verboten. Verboten wie in verboten.

Nun kommt eine Schlaumeierei. Wie ist es denn dann, wenn die Schweiz an Deutschland Panzer liefert, damit Deutschland Panzer an die Ukraine liefern kann? Machen wir einen kleinen Multiple Choice Test: Das ist

a) erlaubt
b) verboten
c) eine Schlaumeierei
d) eine verdammte Schlaumeierei

Natürlich ist die Antwort b) richtig. Erlaubt ist es auf keinen Fall, und Schlaumeiereien sind in Gesetzen eigentlich nicht vorgesehen. Die betreiben normalerweise Winkeladvokaten, die nach Auslegungen, Auswegen und Umwegen suchen, um trotz klarem Wortlaut eines Gesetzes einen Verstoss wegzuschummeln. So à la Bill Clinton: «Ich hatte keinen Sex mit dieser Frau.» Nein, das war nicht gelogen, in den Südstaaten gilt Oralverkehr nicht als Sex, ätsch.

Zu den vielen Gebieten, auf denen die Medien versagen, gesellt sich nun noch ein ziemlich wichtiges. Sie behaupten unverzichtbar zu sein, weil sie die Vierte Gewalt seien, eine Kontrollfunktion wahrnähmen, vor allem staatliches Handeln kritisch unter die Lupe nähmen. Wie schon während der Pandemie …

Das obrigkeitshörige, manchmal geradezu kriecherische Verhalten der Mainstreammedien gegenüber der Regierungspolitik bei Corona war bereits hochbedenklich. Nun wiederholen aber die Medien beim Ukrainekrieg ungehemmt den gleichen Fehler. Statt kritisch zu begleiten, Fragen nach Gesetzestreue zu stellen, sich Gedanken zu machen, was die Aufgabe der Neutralität bewirken könnte – lobhudeln sie fragwürdige Regierungsentscheidungen, rufen sogar nach mehr und direkteren Waffenlieferungen an die Ukraine.

Mit dem absurden Argument, dass das den «Druck des Auslands» auf die Schweiz nehme, sie damit zu den «guten» Staaten gehöre, nicht länger «abseits stehe», «berechtigten Forderungen» nachgebe. Welch ein Niedergang.

Politiker sind flexibel, das ist bekannt. Der gleiche Bundesrat Berset, der in Berlin noch tapfer verkündete, dass sich die Schweiz an ihre Gesetze halte, sich zuvor sogar gegen einen «Kriegsrausch» aussprach, gehört nun plötzlich zu den Befürwortern dieses Gesetzesbruchs.

Wenn aber der vermeintliche Wächter des Staates, die Vierte Gewalt, klarem Rechtsbruch applaudiert, sogar noch mehr fordert, dann kann er die Behauptung dieser Funktion auch gleich selbst beerdigen. Denn das Publikum glaubt auch hier kein Wort mehr.

 

Geschäftsgelaber

Wenn die «Republik» einen Geschäftsbericht schreibt. Und schreibt. Und schreibt.

Das ist mal eine Ansage: «Wir legen alles offen: unsere Finanzen, Arbeitsweisen, Fehler, Löhne – weil wir überzeugt sind, dass Transparenz wichtig ist.»

Wunderbar; überprüfen wir das doch am aktuellen Geschäftsbericht 2021/2022: «Was Sie schon immer über die Republik wissen wollten». Vielleicht will man gar nicht so viel wissen. Denn immerhin 11 Nasen (plus eine Revisionsgesellschaft) brauchte es, um 55 Seiten vollzulabern. Das ist immerhin weniger als ein GB der CS oder der UBS. Aber doch Lektüre satt.

Schon im «Editorial» wird der düster-dräuende Ton gesetzt, der eigentlich alle Machwerke des Magazins auszeichnet:

«In den USA, aber auch in Europa hebt der Faschismus sein Haupt, in der Ukraine herrscht Krieg, Russland droht dem Westen mit Atomschlägen, die Inflation kehrt zurück, die Pandemie ist zwar aus den Schlagzeilen verschwunden, aber nicht aus der Atemluft, die öffentliche Debatte ist voller Dummheiten und Gereiztheit – und das ehemals harmloseste Gesprächsthema, das Wetter, verlor seine wohltuende Belanglosigkeit.»

Schlimme Zeiten; gut, dass es die «Republik» gibt. Meint die «Republik». Dieser Ansicht schliessen sich aber immer weniger Leser, Pardon, «Verleger», an. Dafür verordnet sich die Crew klare Massnahmen: «Diesen Trend gilt es umzukehren.» Das hört sich nun doch nach CS an.

Auch im besten Bankertalk werden gute Nachrichten verkündet: «Der Zielwert für die Gewinnung neuer Mitglieder lag bei rund 4800. Erreicht haben wir 5462.» Das wäre wunderbar, aber: «Parallel dazu verloren wir jedoch 4973.» Das bedeutet netto ein Plus von 489 Abos.

Immerhin fasst die «Republik» für den nicht bilanzsicheren Leser ihre Zahlen in einer «Milchbüchleinrechnung» zusammen: 6,91 Millionen Einnahmen, 6,84 Millionen Ausgaben, davon fast 5 Millionen fürs Personal, macht einen Überschuss von haargenau 64’908 Franken. Minus «Rückstellungen für Steuern» von 930’000, bleibt ein Defizit von rund 865’000 Franken.

Jetzt kommt eine Formulierung, die die Corporate Communication einer Bank auch nicht besser hingekriegt hätte: «Im vergangenen Jahr haben wir festgestellt, dass ein Teil der Spenden aus den Jahren 2017 bis 2020 wahrscheinlich als Schenkungen zu qualifizieren sind, auf die Schenkungssteuern anfallen. Zudem hat die Project R Genossenschaft zwischen 2017 und 2021 Zahlungen an die Republik AG getätigt, um die Ausbildung von Journalistinnen und grosse Recherchen zu finanzieren, die möglicherweise mehrwertsteuerpflichtig sind. Entsprechende Nachdeklarationen sind zum Zeitpunkt des Jahresabschlusses bei den Steuerverwaltungen eingereicht, um gegebenenfalls anfallende Steuern nachträglich zu bezahlen.»

Liebe Leute: «Im vergangenen Jahr haben wir festgestellt»? Das ist nun eindeutig eine Beleidigung der Intelligenz aller Leser dieses Geschäftsberichts.

Dann folgt seitenlange Selbstbespassung mit ausgewählten Texten und Fotos, ab Seite 30 dann Bespassung mit kommentarlosen Fotos aller «Crew»-Mitglieder und des «Genossenschaftsrats».

Ab Seite 39 folgt dann endlich der durchaus professionell aufgemachte «Finanzbericht». Bei der Rubrik «Kurzfristige Rückstellungen» wird nochmals mit Sternchen diskret auf zwei Punkte hingewiesen:

«* Diese Rückstellungen beziehen sich auf Spenden aus den Jahren 2017 bis 2020 an die Project R Genossenschaft, die wahrscheinlich als Schenkungen zu qualifizieren sind.» Und: «** Diese Rückstellungen beziehen sich auf Zahlungen aus den Jahren 2017 bis 2021 der Project R Genossenschaft an die Republik AG, die wahrscheinlich mehrwertsteuerpflichtig sind.»

Interessant ist zwischendurch auch die Auflistung der Darlehen. Angeführt von den Gebrüdern Meili mit 1,13 Millionen Franken schiebt die «Republik» hier einen Schuldenberg von insgesamt 2,41 Millionen Franken vor sich her. Einzig gute Nachricht: er ist im Vergleich zum Vorjahr nicht gewachsen.

Wenn man den «übrigen Personalaufwand» von rund 100’000 Franken (grösstenteils Spesen) ausser Acht lässt, hat die «Republik» 4,8 Millionen Franken für 46 Mitarbeiter (vier mehr als im Vorjahr) rausgehauen. Interessant ist hier der Posten «Mandatsleistungen und Aushilfspersonal» von immerhin 172’786 Franken, fast eine Verdreifachung zum Vorjahr.

Abgerechnet werden hier insbesondere «Mandatsleistungen von Verwaltungsrats- und Vorstandsmitgliedern in der Höhe von CHF 169’465 (Vorjahr CHF 60’931).» Happig, happig.

Beim «Verwaltungs- und Informatikaufwand» sind dann nochmals 167’165 Franken für «übrige Beratungsdienstleistungen» aufgeführt. Ein Sternchen erklärt: «Darin enthalten sind im Berichtsjahr Aufwendungen für die Revision in der Höhe von CHF 46’207 (Vorjahr CHF 40’049) sowie Rückstellungen in der Höhe von CHF 35’000 für noch nicht abgeschlossene juristische Verfahren

Bleiben noch rund 86’000 für Dies-und-das-Beratungen. Insgesamt liess sich die «Republik» also ganz allgemein für immerhin 256’000 Franken «beraten», pro Monat waren das 21’333 Franken.

Schliesslich bestätigt die Revisionsgesellschaft BDO, dass in der Konzernrechnung alles mit rechten Dingen zu und herging. Allerdings ringt sie sich eine Anmerkung ab: «Wir machen auf die Anmerkung zur Fortführungsfähigkeit im Anhang zur Konzernrechnung aufmerksam, wonach eine wesentliche Unsicherheit an der Fähigkeit des Konzerns zur Fortführung besteht.»

Das heisst auf Deutsch: Feuer im Dach, Eigenkapital im roten Bereich, au weia.

Aber buchen wir das mal unter der Vorsicht einer Revisionsbude ab. Viel bezeichnender ist, dass sie keinerlei Anmerkung zu einer Rückstellung von fast einer Million für «plötzlich» festgestellte mögliche Steuernachzahlungen macht.

Will die «Republik» (und die BDO) wirklich ernsthaft behaupten, dass angesichts dieser Beratungskosten, angesichts der Tätigkeit von ausgewiesenen Finanzcracks es tatsächlich so sei, dass all diese Fachleute Jahr für Jahr die Steuerrechnung durchwinkten und für korrekt befanden – um sich dann plötzlich am Hinterkopf zu kratzen und zu sagen: ui, könnte es sein, dass wir vielleicht nicht alles ordentlich versteuert haben?

Das, liebe Republikaner, würdet Ihr doch keiner Firma abnehmen, die Euch vor die journalistische Flinte läuft. Daraus würdet Ihr doch einen Riesenskandal hochzwirbeln. Das wäre für Euch doch ein Beispiel dieser schweinebackigen Versuche, mit cleveren Beratern alle Lücken, Grauzonen und Schlaumeierein auszutesten, die es ermöglichen, Steuerzahlungen so gut wie möglich zu minimieren, zu vermeiden.

«Wir legen alles offen», «Transparenz ist wichtig». Einverstanden. Aber zu Transparenz gehört auch die Erklärung, wie dieser Skandal möglich wurde. War es wirklich Schlamperei, ein «Formfehler»? Shit happens? Kommt in den besten Buchhaltungen vor? Oder war es Absicht? War es «wir probieren’s mal»? War es «wenn’s keiner merkt, ist’s doch super»?

Da erwarten wir doch sehr gerne vollständige Transparenz. Und nicht erst in einem halben Jahr, sondern noch vor der anstehenden Abo-Erneuerungsphase ab Januar …