Zufälle gibt’s,
die gibt’s gar nicht.
Beim «Blick» löst normalerweise in eher hoher Kadenz eine mässige Story die nächste ab. Der wertvolle Platz auf der Homepage wird natürlich nach Verweildauer der Konsumenten geregelt. In Echtzeit. Was nicht interessiert, wandert nach unten oder verschwindet.
Meistens innert Stunden. Da ist’s dann schon erstaunlich, dass ein am Sonntag veröffentlichtes Interview am Donnerstag noch zuoberst in der Rubrik «People» steht. Das muss ja dann mindestens ein Exklusiv-Gespräch mit Madonna im Spital sein. Oder die Homestory: Selinskyj ganz privat.
Nicht wirklich:
Es handelt sich um ein liebedienerisches Interview mit dem deutschen Anwalt des Rammstein-Sängers Till Lindemann, der nicht zuletzt vom «Blick» vorverurteilt wurde. Nun begab es sich, dass das Nicht-mehr-Boulevard-Organ einen dieser Schmierenartikel löschen musste und auch eine «strafbewehrte Unterlassungserklärung» abgeben. Also versprechen, das nie mehr zu tun.
Zudem gab der Flop-King Reza Rafi im SoBli Anwalt Schertz Gelegenheit, mit «den Medien abzurechnen». Und zwar vom Gröberen: «Ich finde diese Entwicklung, diese Form von Verdachtsberichterstattung, verheerend.» Rafi tat dabei das ganze Gespräch hindurch so, als ginge diese Abrechnung sein Blatt überhaupt nichts an.
Nun fragte man sich, wie um Himmels willen der «Blick» auf die Idee kommt, sich eins in die Fresse hauen zu lassen und dazu noch ein freundliches Gesicht zu machen.
Inzwischen ist sonnenklar – und hier handelt es sich um Verdachtsberichterstattung unter Berücksichtigung der Unschuldsvermutung –, dass es sich bei dem Interview um einen Teil eines Deals handeln dürfte, mit dem der «Blick» schmerzliche Kostenfolgen seiner Berichterstattung vermeiden konnte.
Dass finanziell schmalbrüstige Organe wie ZACKBUM oder «Inside Paradeplatz» gelegentlich in die Knie gehen, wenn sie juristisch mit einem finanziellem GAU bedroht werden, ist verständlich. Das nennt man einen Vergleich, der horrende Gerichts- und Anwaltskosten abwendet.
Dass aber ein trotz Auflagenschwund immer noch potentes Organ wie der «Blick» ebenfalls in die Knie geht, dass sich der frischgebackene Chefredaktor Rafi dafür hergibt, das ist hingegen bedenklich.
Aber es gilt natürlich die Unschuldsvermutung, versteht sich.