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Jubel, Trubel, Lächerlichkeit

Das Zurich Zensur Festival zieht Bilanz. Und keiner widerspricht.

Die Medien überschlagen sich: «Starschwemme – das Erfolgsrezept des Zürich Film Festival» (SRF), «ZFF-Hauptpreis für zwei Frauen» («Südostschweiz»), «Zurich Film Festival mit Zuschauerrekord» (CH Media), «VIP Lounge» («Blick»), Sendepause hingegen bei Tamedia. Wahrscheinlich war die «Kultur»-Redaktion gerade nicht besetzt.

Sehr aufrecht meckert die NZZaS: «Dass Filmfestivals Orte des Austauschs und Auseinandersetzung seien, ist bald nur noch eine Floskel. Denn sie geraten immer stärker unter Druck. Seit Putins Überfall auf die Ukraine 2022 und mehr noch seit dem Angriff der Hamas auf Israel 2023 gehören Proteste und Boykottaufrufe auf den roten Teppichen dazu. Festivals werden zum Schauplatz von ideologischen Machtkämpfen. Das führt zu Überforderung, schlimmstenfalls zu Selbstzensur.» Aufrecht deswegen, weil die NZZ Besitzerin des ZZF ist.

Völlig aus dem Häuschen ist das ZZF selbst. In einer Medienmitteilung jubiliert es in Cinemascope und auf der extra breiten Selbstlob-Leinwand.

«Historischer Meilenstein: mit 140’000 Besucherinnen und Besuchern … festigt seinen Ruf … an jedem Tag präsentierten Stars … ein Festival der Superlative … hochkarätige Filmvorführungen … unvergessliches Erlebnis … neues Festivalzentrum … neue Dimension der Professionalität und Exzellenz … fördert den Austausch zwischen aufstrebenden Regisseuren und dem Publikum

Da hat der PR-Manager Simon Keller schwer in die Harfe gegriffen und in die Schalmei gepustet. Zudem wurden jede Menge Preise verliehen, Hauptpreise in den Kategorien Spielfilm und Dokumentarfilm.

Verständlich, dass die Mannen (und Frauen and everybody beyond) um Big Boss Christian Jungen Lobeshymnen anstimmen. Das gehört sich so, und es wurde ja tatsächlich auch einiges geleistet. Nun ist es aber so, um es in den Worten des ehemaligen Festival-Financiers und CS-Versagerrats Urs Rohner zu sagen, dass das ZZF keineswegs eine weisse Weste hat.

Als im gepflegten Ambiente des Opernhauses die Hauptpreise verliehen wurden, fehlte selbst bei den Erwähnungen und der ellenlangen Preiseliste ein Dokumentarfilm, der absurderweise im Wettbewerb verblieben war, aber nicht gezeigt wurde. «Russians at War» ist eine Dokumentation über russische Soldaten an der Ukrainefront. Zunächst hatte Jungen noch tapfer getönt: «Filme sollen zu Diskussionen anregen», also zeige das ZZF die Arbeit von Anastasia Trofimowa.

Dann geschah Ungeheuerliches. Die ukrainische Regierung und die ukrainische Botschafterin in Bern mischten sich in innerschweizerische Angelegenheiten ein, schissen auf die Freiheit der Kunst und verlangten in harschen Worten, dass der Film nicht gezeigt werde. Begleitet wurde das, wie schon in Toronto, von Hassbotschaften anonymer, wahrscheinlich ukrainischer Feiglinge, die wüste Todesdrohungen ausstiessen.

Statt dass Politik und Festivalleitung diese Unverschämtheit mit kräftigen Worten verurteilt hätten und den Film als «jetzt erst recht» gezeigt hätten – zogen alle Beteiligten den Schwanz ein. Der Film wurde gecancelt; alle sich auf dem grünen Teppich in Begleitung von Hollywood-Promis spreizenden Politiker blieben stumm. Genau wie all die tapferen Künstler, die immer gerne für dieses und jenes Gute eintreten. So lubhudelte Richard Gere den Dalai Lama und beklagte Repressionen gegen diesen Gutmenschen.

Aber ein Wort zu diesem Skandal? Aber nein, mit dem Cüpli in der Hand und chauffiert in einer dicken ZZF-Limousine vom Luxushotel zum Teppich und zurück protestiert es sich schlecht.

Aber damit nicht genug. Die Medien, voller glamouröser Storys über das Festival, vermeldeten diese Zensur knapp – und schwiegen ansonsten verkniffen. Ausser, das ist ihr hoch anzurechnen, die NZZ. Die «Weltwoche» tat das, was alle anderen vermieden: sie gab der anderen Seite eine Stimme und interviewte die Autorin ausführlich.

Ist das die viel gerühmte Presse- und Kunstfreiheit in der Schweiz? Ist das das korrekte Verhalten von Regierungsverantwortlichen, wenn sie einmal im Blitzlichtgewitter Rückgrat beweisen könnten? Ehrt das die Stars und Sternchen, die von eigener Bedeutung besoffenen über den grünen Teppich wandeln, huldvoll posieren, bedeutungsschwangere Worte über Kunst und Film absondern – aber keinen Ton zu diesem Skandal dieses Festivals sagen?

Bei allem Respekt vor der organisatorischen und finanziellen Leistung von Jungen: dieser grosse, dunkle Fleck auf seiner blütenweissen Hemdbrust unter dem knapp sitzenden Smoking wird ihn von nun an begleiten. Statt Zurich Film Festival wird der Anlass Zurich Zensur Festival heissen müssen. Organisatoren, Gäste, Medien und Politiker haben versagt. Kein Happy-End in Sicht.