Schlagwortarchiv für: Sanktionen

Schmerzhaft peinlich

Oliver Zihlmann unterbietet alles, diese Schande für seinen Beruf.

«Jetzt äussert sich der frühere Topbeamte der USA Juan Zarate erstmals zu den Erwartungen an die Schweiz.» Der «Co-Leiter des Recherchedesks von Tamedia» (heisst das nicht «Tages-Anzeiger»?) hat einen Coup gelandet. Er hat Zarate ein Exklusiv-Interview entlockt. Bravo. Denn: «Er gehört zu den wichtigsten Experten, wenn es um die Umsetzung der Russlandsanktionen geht.»

Nur: exklusiv hat man das, was kein anderer will. Denn «Zarate war stellvertretender nationaler Sicherheitsberater der USA», prahlt Zihlmann. Was er nicht sagt: diese bedeutende Position hatte Zarate ein Jährchen lang inne. Von 2004 bis 2005. Unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush. Das ist der, der Massenvernichtungswaffen im Irak erfand. Und die «Achse des Bösen».

Zarate hingegen, dieser «wichtige Experte», ist seit 2014 für das «Institut für die religiösen Werke» (IOR) tätig, die hochkorrupte und dubiose Vatikanbank, auch bekannt als «ein Offshore-Paradies mitten in Europa». Dazu ist er bei zwei der zahlreichen Think Tanks in den USA an Bord. Diese qualifizierte Fachkraft darf sich nun zur Schweiz äussern. Zihlmann interviewt ihn – natürlich in der neuen Tagi-Tradition – dermassen unterwürfig und liebedienerisch, dass es einem beim Lesen übel wird. Teilweise stellt er nicht einmal mehr Fragen, sondern gibt lediglich Stichworte: «Die G-7 erwartet einen Sondereffort von der Schweiz wie nach 9/11.»

Zarate hingegen darf unwidersprochen Ungeheuerliches sagen. Eigentlich müsste man Zihlmann die Lizenz zum Journalistsein wegnehmen, so peinlich ist das: «Neutralität hilft nur noch Moskau», behauptet der Vatikan-Mann zum Beispiel. Vielleicht hätte man ihn fragen können, wieso dann seine IOR-Bank die Sanktionen nicht mitträgt, oder was er von der scharfen Kritik des Papstes hält, der imperiale Interessen als Kriegsursache sieht und klar urteilt: «Man führt Krieg, verkauft die alten Waffen und probiert neue aus

Aber das hätte ja etwas Recherche, etwas Vorbereitung bedeutet, und dafür ist der «Co-Leiter» irgendwie nicht qualifiziert. Auch ohne solche Bemühungen: Der Satz, dass Neutralität nur Moskau helfe, ist von einer solch impertinenten Dummheit, dass jeder anständige Journalist eingehakt hätte. Der Satz ist so bescheuert, wie wenn man während des Zweiten Weltkriegs behauptet hätte, die Schweizer Neutralität helfe nur Berlin oder Hitler-Deutschland.

Zarate darf das ganze Interview hindurch unwidersprochen eine fragwürdige Aussage auf die nächste stapeln: Länder wie die Schweiz müssten verstehen, «dass es sich im Fall Russland zwar effektiv um normale Sanktionen handelt wie zum Beispiel gegen Nordkorea. Politisch und strategisch sind sie aber viel relevanter».

Ein reiner Nonsens-Satz, abgesehen davon, dass diese relevanteren Sanktionen gegen Russland lediglich von einer Handvoll Staaten mitgetragen werden; wenn man die EU als ein Gebilde betrachtet, sind es gerade mal 10 von 199.

Denn Gipfelpunkt der Unverfrorenheit erreicht Zarate, der «weltweit führende Sanktionsexperte» –wahrscheinlich mit Gottes Segen – hier: «Es wird klar erwartet, dass jedes Land aktiv die Netzwerke der Russen bei sich aufdeckt und diese Informationen unaufgefordert mit den anderen teilt. Einfach nur zu reagieren, also auf Sanktionen anderer Staaten zu warten und diese rein technisch umzusetzen, ist zu passiv. Wird ein für die Russen wichtiger Finanzplatz wie die Schweiz hier als Bremser wahrgenommen, kann das sehr schnell zum Problem werden

Netzwerke der Russen aufdecken? Solch Unsinn mag vielleicht im Vatikan praktiziert werden, in einem Rechtsstaat wie der Schweiz ist das dann doch etwas komplizierter. Immerhin räumt Zarate ein: «Natürlich, es muss rechtlich korrekt ablaufen. Die Fakten müssen stimmen. Die Schweiz oder jedes andere Land kann nach einer Prüfung zum Schluss kommen, dass diese Villa oder jene Firma nicht blockiert werden muss. Das wird niemand kritisieren.»

Dann kann er es wieder nicht lassen, sein mehr als fragwürdiges Verständnis der Grundprinzipien eines Rechtsstaats raushängen zu lassen: «Aber entscheidend ist, dass man alle diese Vermögen aktiv sucht und prüft.» Mit anderen Worten: Es gilt nicht mehr die Unschuldsvermutung, das Prinzip eines Anfangsverdachts. Sondern:

«all diese Vermögen stecken seit letztem Jahr unter einem Generalverdacht

Das ist ein Satz, der deswegen ganz übel riecht, weil man hier statt Russen nur eine andere Bezeichnung einsetzen müsste, und schon wäre man wieder mitten in den dunklen Zeiten des Hitler-Faschismus. Damit keine Missverständnisse aufkommen, wes Geistes Kind Zarate ist, doppelt er nach:

«Die Vermögensnetzwerke der Russen sind jetzt von sich aus suspekt. Sollte sich nach Ermittlungen herausstellen, dass alles in Ordnung ist, dann ist das gut. Aber man muss sie zwingend prüfen. Dieser Übergang zu einem generellen Korruptionsverdacht ist ein entscheidender globaler Wandel

Die Frage, die Zihlmann (neben vielen anderen) hier nicht stellte: Sie fordern also, dass die Schweiz ihre Neutralität noch mehr aufgibt, nicht nur alle EU- und USA-Sanktionen gehorsam übernimmt, sondern dass sie fundamentale Prinzipien ihres Rechtssystems über Bord wirft und einen Generalverdacht gegen Russen ausspricht, die dann beweisen müssen, dass mit ihren Vermögenswerten alles in Ordnung ist, eine glatte Umkehr der Unschuldsvermutung?

Nicht nur deswegen, sondern weil dieses Interview Bestandteil einer ganzen Kampagne ist, die das Recherchedesk des «Tages-Anzeiger» losgetreten hat, ist Zihlmann eine Schande seines Berufs. Damit ist er allerdings auf seiner Redaktion in guter, schlechter Gesellschaft.

Mehr als ein Geschmäckle hat die Tatsache, dass diese Kampagne rechtzeitig zur Debatte über die «Lex Ukraine» im Nationalrat losgetreten wurde. Aber auch hier muss Tamedia eine Niederlage einstecken: die Ausnahmeregelung für die Weitergabe von Schweizer Waffen via Drittstaaten an die Ukraine wurde im Nationalrat bachab geschickt.

 

Nur die allerdümmsten Kälber …

Neben Genderfragen beschäftigt Tamedia Unterwürfigkeit sehr.

«Hinter der Trommel her
Trotten die Kälber                                 
Das Fell für die Trommel                          
Liefern sie selber.»

Das ist von Bertolt Brecht. Es ist denkbar, aber nicht sehr wahrscheinlich, dass Oliver Zihlmann oder Christian Brönnimann, die beiden Heros vom «Recherchedesk» von Tamedia, es kennen. Normalerweise beschäftigen sie sich mit dem Ausschlachten von gestohlenen Geschäftsunterlagen, die sie als «Leaks» oder «Papers» schönreden.

Nun haben sie ein anderes Thema auf die Hörner genommen:

Die USA hätten bereits «16 Schweizer Personen und 14 Schweizer Firmen auf ihre Sanktionsliste gesetzt». Sauber recherchiert, nur wären hier die Fragen: aufgrund welcher Kriterien, welcher Indizien, mit welcher Begründung? Haben sich die Betroffenen tatsächlich eines Verstosses gegen die Sanktionsbestimmungen schuldig gemacht? Wer hat das wo entschieden? Werden hier US-Gesetze oder Schweizer Bestimmungen angewendet? Handelt es sich wieder um einen rechtsimperialistischen Übergriff der USA?

Das alles wären interessante Fragen für Recherchierjournalisten. Daher fühlen sich Zihlmann und Brönnimann davon nicht angesprochen.

Nun haben sich die beiden Asse den Brief nochmals vorgenommen, den die Botschafter der G-7-Staaten an den Bundesrat richteten. Tapfer unterschrieben von allen:

Der US-Botschafter hatte die Schweiz bereits mit dem Loch in der Mitte eines Donuts verglichen, was ihre Teilnahme an den Sanktionen betrifft. Das wären eigentlich zwei Gründe gewesen, ihn zur persona non grata zu erklären. Erstens der Vergleich als solcher, zweitens die Verwendung des Donuts, ein grauenhaftes US-Süssgebäck.

In diesem Brief vom April wird die Schweiz nun nochmals aufgefordert, «verdächtige Finanzstrukturen aktiv zu untersuchen». Mehr noch: «Das Schreiben ignoriert die üblichen diplomatischen Gepflogenheiten und kritisiert die Schweiz massiv für ihr zögerliches Sanktionsregime.»

Um hier die Kirche im Dorf und das Loch im Donut zu lassen: Die Schweiz übernimmt sklavisch und ohne Prüfung alle neuen Sanktionslisten der EU und der USA. Wie klug das für einen neutralen Staat ist, sei dahingestellt. Die rechtsstaatlichen Implikationen sind hingegen gravierend und beunruhigend. Denn ein von solchen Sanktionen Betroffener hat keine Möglichkeit, sich auf dem Rechtsweg dagegen zu wehren.

Das ist ein Skandal, nicht mehr und nicht weniger. Er kann sich lediglich an den Bundesrat wenden, der damit die Aufgaben der Exekutive, Legislative und Judikative auf sich vereint. Ein Skandal. Allerdings beantwortet der Bundesrat solche Anschreiben schlichtweg nicht, sondern schmeisst sie in den Papierkorb. Ein weiterer Skandal.

Darüber hätte dieses Duo von angeblichen Recherchierjournalisten auch schreiben können. Tat es aber nicht. Denn es betreibt keinen Recherchier-, sondern einen Thesenjournalismus. Und die These ist: die Schweiz beteilige sich zu wenig an den internationalen Sanktionen gegen Russland. Aber immerhin mehr als die überwältigende Mehrheit aller Staaten. Denn lediglich 36 Länder haben Sanktionen gegen Russland beschlossen. Zählt man die EU als eine Staatenunion, sind es noch ganze 10, von 199 Staaten auf der Welt.

Aber auch das interessiert die beiden einen feuchten Furz. Stattdessen kommen sie zum Höhepunkt, zum wirklichen Knaller ihrer «Recherche»: «Liechtenstein zeigt, wie man es besser macht.» Liechtenstein? Das Raubritter-Fürstentum in der Mitte Europas, in dem wenige Treuhänder unablässig für Riesenskandale sorgen, die fürstliche Justiz weder willig noch fähig ist, diesen Sumpf auszutrocknen? Wo Stiftungen dekantiert, ausgenommen und bestohlen werden, die Besitzer am ausgestreckten Arm der Justiz gehalten werden, bis sie nach Jahren aufgeben?

Selten so gelacht. Aber nun marschieren die beiden in die Zielgerade: «Im Laufe des Jahres 2022 wuchs in den diplomatischen Vertretungen der G-7 und der EU in Bern die Frustration. Meint die Schweiz es ernst mit den Sanktionen? Oder macht sie nur mit, damit sie nicht weiter unter Druck gerät

Der «Londoner Sanktionsexperte Tom Keatinge» bekommt dann das Schlusswort: Nach dem Problem mit dem Bankgeheimnis sei es nun so: «Wenn jetzt in den Hauptstädten der G-7 ein Verdacht aufkommt, dass die Schweiz den Russen hilft, und sei es nur durch Untätigkeit, dann sind viele bereit, das sofort zu glauben. Das ist politisch brandgefährlich.»

Vielleicht sollte man die beiden tapferen Eidgenossen darauf aufmerksam machen, dass die Schweizer Politik eigentlich in Bern gemacht wird. In den «Hauptstädten der G-7» Stirnrunzeln oder schallendes Gelächter ausbrechen würde, wenn die Schweiz sich dort mit irgendwelchen «Verdächten» melden würde.

Den Russen helfen? Durch Untätigkeit? Das Einzige, was in der Schweiz zählen sollte, ist das Befolgen der Regeln des Schweizer Rechtsstaats. Die Anwendung von Notrecht – oder gar das Einknicken vor Drohungen aus dem Ausland – war noch nie eine gute Idee.

Wenn die G-7 oder die wenigen anderen Staaten, die diese Sanktionen anwenden, sich einen feuchten Kehricht für ihre eigenen Gesetze interessieren, für Rechtsstaatlichkeit, für die fundamentale Eigentumsgarantie, um die Möglichkeit jedes gerade von staatlichen Massnahmen Betroffenen, sich dagegen rechtlich wehren zu können, dann ist das deren Problem. Sie werden die Auswirkungen davon zu tragen haben.

Aber es ist sicherlich nicht ratsam, dass sich die Schweiz auf diesen schlüpfrigen Boden begibt. Dass hier ungeniert und ohne Rücksicht auf diplomatische Gepflogenheiten gedroht wird, ist eine Unverschämtheit. Dass willige Schreiberlinge dem applaudieren, ist eine Dummheit.

Die Kamikaze-Krakeeler

Widersprich nie deinen Lesern. Alte Journalistenregel. Pfeif drauf.

Von Strack-Zimmermann aufwärts und abwärts gibt es Flachdenker, die meinen, Massenimmigration führe zu einer multikulturellen Durchmischung und Bereicherung der Gesellschaft.

Es gibt auch Flachdenker, die meinen, eine militärische Auseinandersetzung mit einer Atommacht könne man auf dem Schlachtfeld gewinnen. Die wollen als strahlende Sieger in den atomaren Holocaust marschieren.

Unterwegs dahin plappern sie ein Sammelsurium von Narrativen nach, die von geschickten US-PR-Buden in die Welt gesetzt wurden.

Kurze Packungsbeilage: natürlich ist der Überfall Russlands auf die Ukraine völkerrechtswidrig, geschieht unter Bruch eigener Versprechen und macht Russland zu einer Atommacht, der man längere Zeit nicht vertrauen kann, selbst wenn sie heilige Eide schwört.

Warum genau soll Russland eine militärische Niederlage in der Ukraine erleiden?

– weil hier der freie Westen gegen eine slawische Diktatur kämpfe

– weil Putin nach der Ukraine den übrigen Ostblock aufrollen wolle, gebietet man ihm dort nicht Einhalt

– weil es darum gehe, die ukrainische Demokratie, Souveränität und den heldenhaften Wehrwillen zu unterstützen

– weil Russland als Verlierer für die angerichteten Schäden aufkommen müsse. Ersatzweise können auch beschlagnahmte russische Vermögen dafür eingesetzt werden

– weil ein solcher Bruch aller Regeln des friedlichen Zusammenseins nicht geduldet werden könne

– weil die ganze Welt diese Invasion verurteile und Russland mit Sanktionen bestrafe

– weil Putin und seine Kamarilla vor ein internationales Kriegsgericht gehörten

– weil Präsident Selenskjy und seine Getreuen die Werte des freien Westens und die Demokratie verteidigten

– weil Putin zweifellos böse, irr, verbrecherisch, wahnsinnig, machtgierig, hinterhältig und keinem vernünftigen Argument zugänglich sei

– weil er und ganz Russland bestraft werden müssten

– weil Russland die Fähigkeit genommen werden müsse, das nochmal zu probieren

Einige dieser Argumente sind dermassen bescheuert, dass sich eine Widerlegung kaum lohnt. Es genügt, den wahren Satz des wohl einflussreichsten Intellektuellen der Welt wieder und wieder zu wiederholen. Noam Chomsky sagt:

Kriege werden nur auf zwei Arten beendet. Durch eine vollständige Niederlage einer der beiden Kriegsparteien – oder durch Verhandlungen.

Eine vollständige Niederlage Russlands ist ausgeschlossen, eine vollständige Niederlage der Ukraine ist denkbar, aber nicht sehr wahrscheinlich.

Nun gibt es Schlaumeier, die sagen: ja, sicher, irgendwann muss es Verhandlungen geben. Aber vorher muss Russland so geschwächt werden, so herbe Verluste hinnehmen, dass auch seine Verhandlungsposition geschwächt ist.

Diese Sandkastengeneräle wünschen also aus ihrer wohlig beheizten Klause heraus, dass es noch möglichst viele weitere Tote in der Ukraine gibt, noch mehr Infrastruktur zerstört wird, noch mehr Leid und Gram über die Bevölkerung hereinbrechen. Das ist schlichtweg widerwärtig.

Da nicht die ganze Welt, sondern nur eine einstellige Zahl von Staaten (wenn man die EU als ein Staatsgebilde nimmt) Sanktionen gegen Russland verhängt haben, ist es auch illusorisch anzunehmen, dass die Atommacht mit angeschlossener Rohstoffindustrie wirtschaftlich in die Knie gezwungen werden kann. Im Gegenteil, in erster Linie leiden unter den Sanktionen schwächere europäische Staaten.

Völlig pervers werden sie, wenn sie beispielsweise die Produktion von Düngemitteln betreffen. Darunter leidet dann nicht Russland (oder die Düngemittelfabrtikanten), sondern die Dritte Welt, von allem afrikanische Staaten, die sich den Import von dringend benötigten Düngemitteln nicht mehr leisten können. In Afrika ist von einer heraufziehenden schweren Hungersnot die Rede, was aber im Westen keinen interessiert. Oder in Umkehr von Ursache und Wirkung wird das auch Russland in die Schuhe geschoben.

Vielleicht sollten sich diese Kriegsgurgeln eine einfache Frage stellen: ist die Unterstützung eines zutiefst korrupten Oligarchenregimes eines Staates, der erst seit etwas mehr als 30 Jahren taumelnde Schritte in die Selbständigkeit unternimmt, das Risiko eines Atomkriegs wert?

Ist ein Präsident, der ein begabter Schauspieler ist, unter martialischem Olivgrün seine Muskeln spielen lässt, sich mitsamt Gattin sogar in der «Vogue» wie von Leni Riefenstahl inszeniert ablichten lässt, ist ein Präsident, der sich seine Präsidentschaft von einem Oligarchen kaufen liess, der damit ein eigenes Milliardenproblem löste, ist ein Präsident, der selbst Multimillionär ist und prominent in den letzten geleakten Papieren über Offshore-Konstrukte vorkam, ist ein Präsident, der masslose Korruption duldet, bis er nicht umhin kann, fürs Schaufenster durchzugreifen, ist ein Präsident, der die Opposition und potenzielle politische Konkurrenten übel unterdrückt, ist ein Präsident, der eine Pressezensur betreibt, die der russischen in nichts nachsteht, ist ein solcher Präsident wirklich die Lichtgestalt, für die wir alle in den Tod gehen wollten?

Früher gab es den blöden Spruch «Lieber tot als rot.» Dabei wäre «lieber rot als tot» viel intelligenter, hoffnungsfroher, subversiver, lebensbejahender gewesen.

Daher hat ZACKBUM eine klare, eindeutige Meinung, insofern die überhaupt eine Rolle spielt, was die Unterstützung der Ukraine mit noch mehr Waffen und mit noch gewaltigeren Waffen betrifft.

Sie lautet nein. Nein, und nochmals NEIN.

Wir sind da nicht ganz alleine. Das Manifest für den Frieden ist innert kürzester Zeit bereits von knapp einer halbe Million Menschen unterschrieben worden.

Die Zauberlehrlinge

Wenn Dummheit schreibt, schweigt die Vernunft.

Bildungsferne ist etwas Schädliches. Nur ist sich der Bildungsferne dessen nicht bewusst. Sonst würden sich ach so viele Schreiberlinge an dieses Gedicht von Goethe erinnern:

«O du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
steh doch wieder still!»

«Schwere Waffen müssen her», wer sich an geltende Waffenexportgesetze halten will, fängt sich das «Kopfschütteln» anderer Staaten ein. Bejubelt wird, dass unter Bruch klarer und geltender Gesetze die Ukraine nun auch mit Kampfpanzern ausgerüstet wird.

Ganze Jubelchöre erschallen mit Lobpreisungen des grossen Freiheitskämpfers Selenskyj. Die Welt hängt an seinen Lippen, diesen Eindruck versuchen wenigstens die europäischen Massenmedien zu erwecken. Es ist auch perfekt inszeniert, was der Schauspieler abliefert, der vom komischen ins ernste Fach gewechselt hat. Inzwischen mit martialischem Bart, olivgrüne Leibchen spannen über dem muskulösen Oberkörper, jede Rede ist perfekt durchkomponiert.

Es wird eine ganze Reihe von Langfingern in Spitzenpositionen der Regierung ausgewechselt? Wird vermeldet, aber ohne den Hintergrund, dass die Ukraine das korrupteste Land Europas war und ist. Kein Wort darüber, dass auch Selenskyj Besitzer hübscher Immobilien im Ausland ist und sein verschlungenes Finanzimperium sogar in einem der vielen «Leaks» und «Papers» als besonders abstossendes Beispiel erwähnt wurde. Kein Wort darüber, dass er genauso korrupt ist wie viele andere, kein Wort darüber, dass ihm von einem reichen Oligarchen die Präsidentschaft gekauft wurde, der damit ein eigenes Problem elegant löste.

Kein Wort darüber, dass die Auftritte von Selenskyj perfekt inszeniert und gescriptet sind. Kein Wort über Andrij Jermak, ehemaliger Filmproduzent. Kein Wort über Mychajlo Podoljak. Oder über Olexij Arestowitsch. Kein Wort über die US-PR-Bude Hill & Knowlton. Das sind die Spin Doctors, die zur Legitimation des ersten Golfkriegs die Mär erfanden, dass entmenschte Soldaten von Saddam Hussein bei der Invasion Kuwaits Säuglinge aus Brutkästen gerissen und auf den Boden geworfen hätten.

Hill & Knowlton präsentierte eine Krankenschwester als tränenreiche Zeugin. Dass die in Wirklichkeit die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA war und noch nie im Leben etwas mit Säuglingen zu tun gehabt hatte, was soll’s.

Die gleiche Agentur überwacht heutzutage die Auftritte des ukrainischen Präsidentendarstellers. Die dazu führten, dass die westlichen Staaten ihren anfänglichen Widerstand gegen die Lieferung immer schwererer Waffen aufgaben.

Während aber noch die Zauberlehrlinge in den Redaktionen diesen angeblich überfälligen Entscheid bejubeln, «schwere Waffen müssen her», Europa «schüttelt den Kopf», weil sich die Schweizer Regierung an ihre Gesetze hält, sind Selenskyj und sein Mann fürs Grobe, der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland, bereits einig: das kann’s ja wohl nicht gewesen sein.

Panzer ist ja gut, aber viel mehr davon, bitte. Panzer ist gut, aber wo bleibt die schwere Artillerie? Wo bleiben die Kampfjets? Die U-Boote? Mittelstreckenraketen? Wo bleiben zudem Bodentruppen, vielleicht taktische Atombomben?

Dass das Regime von Selenskyj kein Mass kennt, mag noch verständlich sein. Schliesslich wurde die Ukraine unter Bruch aller Verträge und Zusicherungen überfallen. Aber dass die meisten Medien in der Schweiz wie Papageien seine Forderungen nachplappern, das ist beelendend.

Keiner dieser Sandkastenstrategen, dieser Videogame-Generäle stellt sich die einfache, naheliegende und banale Frage: welche Strategie soll eigentlich hinter der Eskalation der Waffenlieferungen stehen? Soll die Ukraine tatsächlich «siegen», wie das die Schande für grüne Prinzipien, die deutsche Aussenministerin Baerbock, lauthals fordert?

Was wäre dann ein Sieg der Ukraine? Die völlige Vertreibung russischer Truppen, inklusive von der Krim? Kann man solche absurden Kriegsziele, sozusagen einen modernen Endsieg, wirklich ernsthaft ins Auge fassen? Wohin soll die Eskalation in der Ukraine führen? Glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass Russland mit konventionellen Waffen besiegt werden kann? Glaubt jemand ernsthaft, dass ein Autokrat wie Putin  – wie jeder Potentat, der sich gegen die Wand geklatscht fühlt – nicht an den Einsatz von Atomwaffen vor dem Eingeständnis einer totalen Niederlage denken würde?

Ist es wirklich so, dass von der deutschen Aussenministerin abwärts bis zu all den kleinen Schreibtsichgenerälen in der Schweizer Etappe, die so gerne andere in den Tod schicken möchten, dass all die wirklich glauben, in der Ukraine spiele sich der Endkampf zwischen Gut und Böse ab? Zwischen westlichen Werten und russischen Unwerten? Zwischen der Zivilisation und der Barbarei?

Und wenn das so wäre, gibt es all diesen Kriegsgurgeln auf dem Kreuzzug gegen das Böse nicht zu denken, dass lediglich etwas mehr als 30 Länder Sanktionen gegen Russland verhängt haben? Von insgesamt 195? Also halten 165 Länder Russland nicht für die Inkarnation des Bösen, das gnadenlos bestraft werden muss? Darunter so bedeutende Wirtschaftsmächte wie China oder Indien.

Die USA haben 2045 einzelne Sanktionen gegen Russland verhängt. Der Musterknabe Schweiz folgt auf dem zweiten Platz mit 1379. Dann Grossbritannien mit 1167, die EU mit 1155, Australien mit 894 und Japan mit 692. Mit entsprechenden wirtschaftlichen Eigenschäden, vor allem in Europa.

Wo soll das alles hinführen? Wer Krieg führt, hat normalerweise Ziele und eine Strategie. Die Ziele der ukrainischen Regierung sind klar formuliert: Zurückeroberung aller durch russische Truppen okkupierten Landesteile. Die russischen Kriegsziele hingegen sind nicht so klar. Wirklich die Beseitigung eines angeblich faschistischen Regimes in Kiew? Sicherung der Krim? Landverbindung zu Russland? Donbass? Man weiss es nicht.

Was sind die Ziele der westlichen Alliierten der Ukraine? Die gleichen wie die der dortigen Regierung? Eine Demütigung Russlands? Ein militärisches Ausbluten auf Kosten der ukrainischen Bevölkerung? Gar ein Umsturz oder Systemwechsel in Russland? Für wie gefährlich wird die Möglichkeit eines atomaren Schlagabtauschs eingeschätzt? Man weiss es nicht.

Man weiss nur: Munition, schwere Waffen, Artillerie, Flugabwehrgeschütze, Kampfpanzer, Flugzeuge, U-Boote – taktische Atomwaffen, Atomkrieg. Muss nicht sein. Kann aber.

Schnäppchen

Bis gestern konnte man auf diese Yacht bieten. Auktion, schlappe 70 Mio. wert.

Zugegeben, es gibt grösser Yachten. Und neuere. Diese ist 2013 gebaut, hat die üblichen Annehmlichkeiten, kann 177’000 Liter Sprit tanken, auf 17 Knoten (33 km/h) beschleunigen und bei einer sparsamen Geschwindigkeit von 8 Knoten 5000 nautische Meilen (9260 km) zurücklegen, ohne nachzutanken. Eigentlich wäre sie so schlappe 70 Millionen Dollar wert, aber bei einer Auktion weiss man ja nie.

Vor allem, wenn es eine Zwangsauktion ist. Eigentlich gehört die Yacht dem Milliardär Dmitri Pumpyansky. Konnte der etwa die Benzinrechnung nicht bezahlen? Wurde die letzte Kaviar- und Wodkalieferung nicht beglichen? Nein, keines davon. Im Rahmen der Sanktionen wurde die Yacht im Hafen von Gibraltar beschlagnahmt. Denn der Besitzer ist natürlich ein russischer Milliardär.

Nun dürfen aber eigentlich beschlagnahmte Besitztümer nicht einfach verkloppt werden, heisst es doch immer. Auch wenn es ständig Forderungen gibt, auch in der Schweiz, dass man alles bei reichen Oligarchen Beschlagnahmte doch verkaufen sollte – um mit dem Erlös irgendwie die Ukraine zu beschenken. Was eine tolle Idee wäre, weil dort die Gesellschaft mindestens so korrupt ist wie in Russland.

Wieso dann diese Ausnahme? Weil der Milliardär einen Kredit an die US-Bank JP Morgan nicht zurückzahlen kann. Aha, und da hat dann die Bank in Gibraltar vorgesprochen, und die englische Gerichtsbarkeit hat in ihrer unendlichen Weisheit beschlossen: gut, wenn der nicht zahlt, dann wird verwertet. Und da haben wir ja zufällig seine Yacht bei uns im Hafen dümpeln. Die ist beschlagnahmt und stört, also weg damit.

Nun gut, wenn der Milliardär nicht zahlt, dann ist es doch wie bei jedem Schuldner üblich, dass man dann halt verwertet, was rumsteht und nicht lebensnotwendig gebraucht wird. Und selbst ein russischer Oligarch braucht nun keine Yacht zum Überleben. Aber wieso zahlt er denn nicht? Ganz einfach, er könnte schon, aber JP Morgan darf wegen den Sanktionen kein Geld von ihm annehmen.

Das nennt man auf Englisch «Catch 22». Der Doppeltrick. Was, Sie wollen und können Ihren Kredit zurückzahlen? So sorry, aber wir können ihr Geld nicht annehmen, damit ist der Kredit überfällig und wir verwerten.

Dabei gibt es noch ein weiteres Problem. Der Kredit läuft laut «Blick» über rund 20,4 Millionen US-Dollar. Es ist doch anzunehmen, dass bei der Versteigerung einer 70-Millionen-Yacht etwas mehr in die Kasse des Auktionshauses gespült wird. Davon gehen dann 20,4 Mio. an die Bank, das Auktionshaus kassiert auch für seine Bemühungen. Gibraltar wird die Liegegebühren geltend machen. Aber es bleibt wohl noch das eine oder andere Milliönchen übrig. Kriegt das nun der weiterhin rechtmässige Besitzer der Yacht? Aber nein, der ist doch sanktioniert.

Hat das alles etwas mit Rechtsstaat, Eigentumsgarantie, Unschuldsvermutung, kein Eingriff ohne rechtliche Grundlage und ohne die Möglichkeit, sich vor Gericht dagegen zu wehren, zu tun? Die Frage stellen, heisst sie beantworten.

Ausser, man kehrt ins Faustrecht und die Willkür zurück und sagt: reich, Russe, sowieso ein Gangster, der sein Vermögen gestohlen hat. Beweis? Beweis überflüssig. Gerichtsverfahren? Überflüssig. Urteil? Überflüssig.

Sancta Sanktion

Mainstream jubiliert. Endlich kein Öl mehr aus Russland.

Fast wäre es dem Urteil im Streit zwischen Amber Heard und Johnny Depp gelungen, die Hammermeldung der Woche zu verdrängen: die EU wird kein Erdöl mehr aus Russland importieren.

Da waren sich die Mainstream-Medien einig: das ist ein weiterer, schwerer Schlag für den kriminellen Kreml-Herrscher. Denn bekanntlich hängt vom Erdöl-Export die russische Wirtschaft ab. Und wenn die EU da nach den USA nicht mehr kauft, dann ist Putin doch wohl am Ende, nicht?

Im Kleingedruckten sind allerdings ein paar Feinheiten versteckt. Der Verzicht auf den Import von russischem Erdöl beginnt – Ende 2022. Also in sechs Monaten. Er betrifft zudem nur Erdölimporte per Schiff; was über Pipelines nach Europa rauscht, fliesst weiter. Schliesslich gibt es jede Menge Ausnahmen und Sonderregeln, damit auch Ungarn diesem Boykott zustimmte.

Sonst noch Fragen? Allerdings.Die USA sind bereits mit gutem Beispiel vorangegangen. Nur: sie importierten ganze 3 Prozent Erdöl aus Russland. Das sieht bei der EU etwas anders aus: 25,4 Prozent, fast ein Viertel.

Auf der anderen Seite, wohin exportiert Russland eigentlich? An erster Stelle steht wenig überraschend insgesamt China; fast 60 Milliarden US-Dollar Exporte, 13,4 Prozent des gesamten Volumens. Danach folgen die Niederlande (44,8 Milliarden, gleich 10,5 Prozent), Deutschland (28 Milliarden, 6,6 Prozent) und nach Weissrussland kommen dann nur noch niedrige einstellige Prozentzahlen.

Bei Erdgas sieht das ganz anders aus, aber die EU hat ja Erdölboykott beschlossen. Wie dramatisch sind diese Sanktionen nun für Russland? Kurze Antwort: überhaupt nicht. Denn ein Boykott funktioniert nur dann, wenn sich ihm die meisten Länder der Welt anschliessen.

Im Fall Erdöl sind das bislang die USA und die EU. Ist das ein «maximaler Druck», von dem EU-Ratspräsident Charles Michel schwärmt? Nicht einmal Japan ist bei dieser Boykottmassnahme dabei, von rund 150 weiteren Ländern der Welt ganz zu schweigen. China, Indien profitieren gerne von Sonderangeboten an russischem Erdöl. Selbst wenn der Kreml Preisnachlässe von bis zu 30 Prozent einräumt: angesichts der Verdoppelung des Rohölpreises innerhalb eines Jahres schmälert das die Gewinne nur unwesentlich.

Mit anderen Worten: die Ankündigung eines Erdöl-Boykotts, der in sechs Monaten in Kraft treten soll, nur Schiffslieferungen betrifft, nicht für alle EU-Staaten gleich gilt, ein Boykott, dem sich mehr als 150 Ländern nicht anschliessen, darunter Schwergewichte wie China und Indien, nutzt genau – nix.

Hingegen schadet er bedeutend den Binnenwirtschaften in der EU; sorgt für stramm steigende Energiepreise, wobei natürlich die verarbeitende Industrie, vor allem, was den Benzinpreis betrifft, kräftig Extraprofite absahnt.

Ist das also ein Erfolg, ein weiterer Sargnagel für Russland, eine wirksame Massnahme, den völkerrechtswidrigen und kriminellen Krieg in der Ukraine zu beenden? Nein, es ist ein Witz, ein jämmerliches Zeichen der Uneinigkeit in der EU. Eine Sanktion, die mehr Löcher als ein Sieb hat.

Es ist ein weiteres Trauerspiel der EU, dem sich die Schweiz aber wohl tapfer anschliessen wird, denn sie hat sich verpflichtet, alle EU-Sanktionen sklavisch zu übernehmen. Die Auswirkungen werden die Völker Europas mindestens so hart wie Russland treffen. Nun gibt es Stimmen, die fordern, dass auch schmerzliche Massnahmen ergriffen werden müssen, um den Expansionsdrang Russland oder sein Bedürfnis, die UdSSR wieder aufleben zu lassen, in die Schranken zu weisen.

Das ist im Prinzip sicherlich bedenkenswert. Nur: ausserhalb der Selbstbekundungen der EU-Politiker und ausserhalb der Mainstream-Medien, die das abfeiern, ist jedem analytischen Beobachter völlig klar: das ist reine Kosmetik. Gehampel, wirkungslos und zum Scheitern verurteilt. Verblüffend ist nur, dass das mal wieder so in keinem Mainstream-Medium dargestellt wird. Hier boykottiert man seit einiger Zeit und sehr erfolgreich die Wirklichkeit.

Die Welt gegen Russland?

Die Verurteilung ist überwältigend. Aber Sanktionen? Da ist die Medienwelt abgekoppelt.

Nimmt man UNO-Vollversammlung, stimmte von wenigen Ausnahmen abgesehen die Mehrheit aller Staaten weltweit einer Resolution zu, die den Einmarsch Russlands in die Ukraine verurteilt.

5 Nein-Stimmen und 35 Enthaltungen (sowie einige Absenzen) standen 141 Ja-Stimmen gegenüber. Ein solches Resultat wird jeweils nur von Verurteilungen des US-Handelsembargos gegen Kuba übertroffen.

In Europa – und auch in der Schweiz – wird das als weltweite Zustimmung auch für Sanktionen gegen Russland verstanden. Das ist aber ein Trugschluss.

Einige wenige Länder mit vielen Sanktionen (Quelle: statista).

Es wird ausgeblendet, dass im Gegensatz zu den USA, der EU, Japan, Australien alle anderen Länder der Welt keine Sanktionen gegen Russland mittragen.

USA, Kanada, EU, Australien, Neuseeland, Japan – und die Schweiz …

Auch auf dem für Sanktionen wichtigsten Gebiet herrscht zumindest Uneinigkeit. Während die USA bereits einen völligen Ölboykott gegen Russland beschlossen haben, die EU noch daran herumlaboriert, sind die grossen Volkswirtschaften China und Indien, mitsamt vielen weiteren Ländern, nicht bereit, mitzumachen.

Noch fataler für den westlichen Ölboykott: Der grösste Ölproduzent der Welt, Saudi-Arabien, ist nicht bereit, seine Ölförderung wesentlich zu steigern und damit für einen Ersatz ausbleibender russischer Öllieferungen in den Boykottländern zu sorgen. Das Land mit den grössten Ölreservern der Welt, Venezuela, ist aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage, mehr Öl auf den Markt zu giessen. Nach jahrelanger Misswirtschaft ist die Ölinfrastruktur völlig verrottet und bräuchte Milliardeninvestitionen sowie Jahre, um alte Höchststände wieder zu erreichen.

Zudem ist das Öl bereits auf Jahre hinaus an Kreditgeber verpfändet – darunter in erster Linie China und auch Russland. Auch bei arabischen Gasproduzenten sieht es nicht viel anders aus. Sehr reserviert zeigen sich auch afrikanische Staaten gegenüber einem Ölboykott, insbesondere Nigeria oder Angola sind ebenfalls nicht bereit, ihre Ölproduktion zu steigern und damit gegen Vereinbarungen der OPEC, bzw. OPEC+ zu verstossen.

Gleichzeitig profitieren alle grossen Erdölproduzenten, inklusive Russland, von den hohen und weiterhin steigenden Ölpreisen:

Quelle: statista.

In einem Jahr fast eine Verdoppelung, das ist Bonanza für alle ölexportierenden Länder der Welt, inklusive Russland.

Der Rubel ist wieder so stabil wie vor dem Überfall

Nicht zuletzt damit erklärt sich das Erstarken des Rubels, der im Gegensatz zu allen Prognosen nach einem ersten Taucher inzwischen wieder seinen Vorkriegswert im Vergleich zu den wichtigsten Devisen erreicht hat.

Das bedeutet natürlich nicht, dass die Sanktionen Russland nicht schwer treffen. Da es das Land bis heute nicht geschafft hat, vor allem im Hightech-Bereich nennenswerte eigene Produktionskapazitäten zu entwicklen, ist vor allem der Stopp des Verkaufs von IT-Produkten an Russland sehr schmerzhaft. Auch im Westen leiden ganze Wirtschaftszweige schnell, wenn es bei Halbleitern oder Chips Produktionsengpässe gibt. Denn das Fehlen dieser Komponente bedeutet, dass ganze Fahrzeuge oder Industrieprodukte stillstehen.

Dramatisch muss das in Russland auch bei Militärausrüstung sein. Gerüchteweise wird vermeldet, dass die geplante grosse Flugschau zur Feier des 9. Mai nicht wegen Wetterbedingungen, sondern wegen mangelnden Ersatzteilen abgesagt wurde.

Narrative und Realitäten

Wer sich auch hier genauer mit der Realität beschäftigt, kann im Gegensatz zum Narrativ in den Mainstream-Medien Folgendes konstatieren:

  1. Die Verurteilung des Einmarschs in die Ukraine ist weltweit grossmehrheitlich. Nur 5 Staaten haben in der UNO dagegen gestimmt, immerhin 35 haben sich der Stimme enthalten und 12 weitere schwänzten die Abstimmung.
  2. Ganz anders sieht es bei der Unterstützung von Sanktionen gegen Russland aus. Hier stehen wenige westliche Staaten einer überwältigenden Mehrheit von Staaten gegenüber, die sich nicht daran beteiligen. Darunter Schwergewichte wie China oder Indien.
  3. Auch der Versuch, Russland durch einen Ölboykott massiv zu schädigen, kommt nicht recht vom Fleck. Die USA haben es umgesetzt, deckten aber zuvor nur rund 8 Prozent ihres Importbedarfs mit russischem Öl. Die EU laboriert noch an einem entsprechenden Beschluss.
  4. Wichtige erdölproduzierende Länder wie Saudi-Arabien, Nigeria oder Angola weigern sich, ihre Ölproduktion wesentlich zu steigern und halten sich an die Abmachungen der OPEC. Länder wie Venezuela sind nicht in der Lage, mehr Erdöl zu fördern.
  5. Sanktionen im Hightech-Bereich schädigen zurzeit die russische Wirtschaft und wohl auch das Militär am empfindlichsten.
  6. Die Beschlagnahmung von Guthaben der russischen Notenbank oder von Vermögenswerten reicher Russen im Ausland haben bislang keine spürbare Wirkung erzielt. Auch die gehoffte Abkehr von russischen Oligarchen vom Putin-Regime hat nicht stattgefunden.
  7. Ob die massive Belieferung der Ukraine mit westlichen Waffen den Kriegsverlauf dort wesentlich beeinflusst, ist zurzeit noch nicht absehbar. Russland hat allerdings offenbar seine Strategie geändert und konzentriert sich auf die Gebiete im Südosten der Ukraine und versucht, dem Land den Zugang zum Meer abzuschneiden.
  8. Da Russland und die Ukraine zu den grössten Getreideproduzenten der Welt gehören, hat der Krieg bereits spürbare Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise. Vor allem in Ländern der Dritten Welt wird das zu einer explosiven Situation führen, wenn immer mehr Bevölkerungskreise nicht mehr in der Lage sind, wie gewohnt ihre Lebensmittel zu kaufen.

 

 

Mehr Wildwest im Rechtsstaat

Reich, Russe, Oligarch: her mit dem Geld.

Die Schweiz ist erfolgreich auf der Jagd nach hier verstauten Vermögen. Bereits 1100 Personen und 80 Institutionen sind ihr Geld losgeworden. Immerhin rund 9 Milliarden Franken.

In der ganzen EU sind 30 Milliarden Euro eingefroren worden. Warum, von wem? Nun, von allen, die auf sogenannten «Sanktionslisten» stehen. Wie kommt man da drauf? Wenn der Verdacht besteht, die Person habe aktiv etwas mit dem Krieg in der Ukraine zu schaffen, produziere für Russland Waffen oder stelle seine Jacht für kriegerische Handlungen zur Verfügung?

Ach was, ein Eintrag in der «Forbes»-Liste der reichsten Menschen der Welt oder der USA reicht bereits, wenn der Reiche einen russischen Nachnamen trägt. Also Geldwäscher, Mafiosi oder Blutdiamentenhändler Miller hat kein Problem deswegen. Aber ein Vekselberg, Abramowitsch hingegen schon.

Es handelt sich hier einwandfrei um eine perverse Umkehr eines Grundprinzips unseres Rechtsstaats. Niemals muss ein Beschuldigter seine Unschuld beweisen. Immer muss ihm über jeden vernünftigen Zweifel hinaus seine Schuld bewiesen werden. Gibt es daran den geringsten Zweifel, gilt «in dubio pro reo». Eigentlich unterscheidet schon dieses Prinzip geordnetes gesellschaftliches Zusammenleben von Willkür, Unrecht und Wildwest: es gilt nicht die Schuld-, sondern die Unschuldsvermutung.

Der Beschuldigte muss seine Unschuld beweisen

Bei den sogenannten Oligarchen wird dieses Prinzip pervertiert und auf den Kopf gestellt. Sie stehen unter Generalverdacht und sind gezwungen, nachzuweisen, dass sie ihr Vermögen rechtmässig und ohne kriminelle Geschäfte zu betreiben, erworben haben.

Das gilt wohlgemerkt nur für russische Oligarchen. Saudische Kriminelle, Despoten aus der Dritten Welt, Mafiosi, Menschenhändler, der Abschaum der Menschheit profitiert davon, dass ihm individuell kriminelle Herkunft seiner Gelder nachgewiesen werden muss. Das mag für einige störend sein, ist aber gut und richtig so.

Nun weiss man, dass Reiche dazu neigen, ihre Vermögenswerte zu verstecken, den sogernannten «beneficial owner» hinter Tarnkonstruktionen zu verschleiern. Dazu dienen Konstrukte auf kleinen karibischen und pazifischen Inseln, die teilweise zum Rechtsraum von Grossbritannien, den USA oder Frankreich gehören. Was dort aber kein Problem ist. Ausser, man ist Russe.

In der Schweiz wird gerne das Anwaltsgeheimnis benützt. Hansueli Schöchli geht in der NZZ der Frage nach, was die entsprechene Verordnung des Bundesrats genau bedeutet: «Alle, die wissen oder vermuten, dass von Sanktionen Betroffene Vermögen in der Schweiz haben, müssen dies dem Staatssekretariat für Wirtschaft «unverzüglich melden»

Was ist mit dem Anwaltsgeheimnis?

In der ersten Fassung der Verordnung galt das auch für Anwälte. Da gibt es aber das Anwaltsgesetz, das glasklar definiert, dass Anwälte «zeitlich unbegrenzt und gegenüber jedermann dem Berufsgeheimnis über alles, was ihnen infolge ihres Berufes von ihrer Klientschaft anvertraut worden ist», unterstünden.

Dritterseits gibt es das 2002 beschlossene Embargogesetz, das verlangt:

«Wer von den Massnahmen nach diesem Gesetz unmittelbar oder mittelbar betroffen ist, muss den vom Bundesrat bezeichneten Kontrollorganen die Auskünfte erteilen und die Unterlagen einreichen, die für eine umfassende Beurteilung oder Kontrolle erforderlich sind.»

In solchen Gemengelagen kann eine Fachauskunft helfen: «Ein vom Anwaltsverband bestelltes Gutachten des Freiburger Strafrechtsprofessors Marcel Niggli kommt zu dem Schluss, dass die Ukraine-Verordnung des Bundesrats das Anwaltsgeheimnis nicht übersteuern kann.»

Was also bedeuten würde, dass Anwälte nicht auskunftpflichtig sind, was bedeuten würde, dass Oligarchen sich hinter dem Anwaltsgeheimnis verstecken könnten. Was sowohl bei Volkes Stimme wie im Ausland Protest auslösen könnte. Also was tun? Da gelingt Schöchli eine fast genialische Formulierung:

«In der Praxis ist vorderhand anscheinend künstlerische Unschärfe mit pragmatischer Toleranz angesagt: Die Rechtsfrage bleibt offen, aber der Bund dürfte kaum den Anwälten nachjagen.»

Künstlerische Unschärfe mit pragmatischer Toleranz. So kann man das Ende von klaren rechtsstaatlichen Verhältnissen auch bezeichnen. In den USA herrscht einerseits Wildwest in Rechtsfragen. Andererseits herrscht ein ungeheuerlicher Formalismus zum Schutz der Gesetze.

Die USA machen’s uns vor

Wir kennen das aus unzähligen US-Krimis: bei der Verhaftung müssen dem Verhafteten seine Rechte verlesen werden, Recht auf Anwalt, von jetzt an kann und wird alles, was er sagt, vor Gericht gegen ihn verwendet werden. Sollte das hingegen vergessen gehen oder nicht korrekt erfolgen, kann selbst ein Geständnis nicht gegen den Angeschuldigten verwendet werden.

Das kann durchaus dazu führen, dass ein geständiger Mörder freikommt. Was sehr stossend ist. Aber immer noch besser als eine Beschädigung des Rechtsstaats durch Rechtsbeugung.

Wenn ein Oligarch mit seinem kriminell erworbenen Vermögen, das er sogar in den Dienst der russischen Regierung stellt, davonkommt, ist das stossend. Aber immer noch besser, als dass eine Sippenhaft und eine Beweisumkehr für alle Oligarchen gilt.

Den Schaden, den ein Einzelner so anrichten kann, ist völlig vernachlässigbar im Verhältnis zu einer gravierenden Beschädigung des Rechtsstaats. Applaudiert von Medien und Politikern wird daran gerade mit Energie gearbeitet.

Kritische Stimmen, Protest? Wird als Gemopse von Putin-Verstehern abgekanzelt, die sich von der russischen Propaganda einlullen liessen.

 

 

 

 

Kleine Geldkunde

Wo sind die Spezialisten, die einfache Geldthemen verstehen?

Präsident Putin hat angekündigt, dass er die Bezahlung seiner Gas- und Öllieferungen auf Rubel umstellen wird. Da gibt es ein paar technische Details zu beachten; den VO und den INN oder KIO Code. Das beherrscht noch der überlebende Bürogummi in unseren Banken.

Aber wie steht es denn mit dem Verständnis, was das genau bedeutet? Da wird viel heisse Luft gebacken. Zunächst: Wann soll das in Kraft treten? Laut Putin haben die Handelspartner eine Woche Zeit, sich auf die neuen Zahlungsbedingungen einzustellen.

Von welchen Summen sprechen wir? Nehmen wir die EU -Staaten und das Gas. Hier schwanken die Zahlungen zwischen 200 und 800 Millionen Euro. Pro Tag. Laut Gasprom wurden im Januar 2022 – also vor Beginn des Überfalls auf die Ukraine – 58 Prozent des Gasexports in Euro fakturiert. 39 Prozent in US-Dollar und 3 Prozent in englischen Pfund.

Im Gegensatz zu den USA hat sich die EU noch nicht darauf verständigt, ihrerseits auf den Import von russischem Gas oder Öl zu verzichten. Zu gross sind die Abhängigkeiten und die Befürchtung schwerer Nebenwirkungen auf die eigenen Volkswirtschaften.

Was wären die Folgen einer Umstellung auf Rubel?

Was passiert also, wenn statt zum Beispiel 500 Millionen Euro täglich der entsprechende Betrag in Rubel bezahlt würde? Der Käufer müsste sich die entsprechende Menge Rubel besorgen, das ginge nur bei der CBR, der russischen Zentralbank. Eigentlich unterliegt die ja strengen Sanktionen, wobei allerdings Gas- und Ölgeschäfte (sowie weitere Rohstoffe) davon ausgenommen sind.

Eine offensichtliche Nebenwirkung der Ankündigung ist, dass der Rubelkurs im Vergleich zu den westlichen Währungen einen Sprung nach oben machte, nachdem er zuvor gewaltig abgesackt war.

Die Ankündigung der Umstellung ist natürlich eine Folge der westlichen Politik, Guthaben von russischen Privatpersonen, Firmen und auch des Staates in US-Dollar oder Euro einzufrieren. Das bedeutet, dass beispielsweise ein grösserer Teil der russischen Devisenreserven von schätzungsweise 630 Milliarden Dollar nicht verfügbar sind.

In erster Linie die USA zeichnen sich hier durch eine besonders ruppige Politik aus. So hatte die afghanische Notenbank nach der neuerlichen Machtübernahme der Fundamentalisten in Kabul rund 7 Milliarden Dollar Guthaben in den USA. Die wurden sofort arretiert, anschliessend wurde der neuen afghanischen Regierung lediglich die Hälfte ausgehändigt. Die andere Hälfte soll für Schadenersatzzahlungen an durch terroristische Akte Geschädigte ausgegeben werden. Reines Raubrittertum.

Währung ist egal, Kaufkraft entscheidet

Obwohl es weiterhin Ausnahmebewilligungen für Devisenzahlungen für Rohstoffe gibt, fürchtet Russland natürlich, dass in einem nächsten Schritt auch diese beschlagnahmt werden könnten. Dann hätte das Land die Rohstoffe sozusagen umsonst geliefert.

Viel wichtiger als die Frage, ob in Rubel oder Devisen fakturiert wird – oder ob das einen Vertragsbruch darstellt, wenn die Zahlungswährung dort definiert wurde –, ist die Frage, was sich Russland mit diesen Devisen kaufen kann.

Denn im Westen kann Russland nur schlecht mit Rubeln zahlen. Ob sich Putin also in Rubel, Dollar oder Euro bezahlen lässt, ist weniger wichtig als die Frage, was man Russland damit im Westen kaufen lässt.

Wenn’s im Portemonnaie richtig schmerzt …

Statt grosses Geschrei über den mehr symbolischen Akt der Umstellung anzustimmen, könnte man, wenn man Russland wirklich in den Schraubstock nehmen will, zwei Dinge unternehmen. Man könnte den Ankauf dieser Rohstoffe herunterfahren. Das ist nicht von einem Tag auf den anderen möglich. Und vor allem: das wird weit mehr als die 100 Franken kosten, die Ex-Bundesrätin Leuthard mal postulierte, als es um den Ausstieg aus der Atomenergie ging.

Auch wenn Umfragen ergeben, dass eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung gewillt wäre, die Folgen eines Verzichts auf russisches Gas (fast 50 Prozent der Importe) auf sich zu nehmen: verbales Bekenntnis und schmerzliche Auswirkungen aufs Portemonnaie – das sind immer noch zwei verschiedene Dinge.

Dagegen könnte man strenge Restriktionen aufstellen, welche Waren von Russland im Westen gekauft werden dürfen. Das ist sofort umsetzbar. Natürlich gäbe es Umgehungsversuche, Zwischenhändler, Firmen wie die von Marc Rich, der als Middle Man Handelsbeziehungen zwischen Todfeinden möglich machte oder Beihilfe dazu leistete, dass beispielsweise das Apartheit-Südafrika weiterhin seinen Ölbedarf decken konnte.

Aber heutzutage sind Big Data kein Problem mehr, sind die Möglichkeiten, Geld- und Warenflüsse zu kontrollieren, viel weiter entwickelt. Schon alleine das Verbot, Ersatzteile für westliche Flugzeuge nach Russland zu liefern, hat zum Fast-Grounding der Aeroflot geführt. Ein gezielter Masterplan solcher Verbote wäre wohl die effizienteste Waffe, um der russische Wirtschaft schwer zu schaden.

Restriktionen bei erlaubten Käufen sind die Waffe

Da geht es nicht um Pipifax wie Luxusprodukte auf der neusten Sanktionsliste. Sondern um eine Sammlung strategisch überlebenswichtiger Güter. Denn sowohl eine Volkswirtschaft wie auch nur schon die Versorgung der Bevölkerung mit dem Lebensnotwendigen, das sind komplizierte und sehr störungsanfällige Mechanismen. Wenn also Russland sagt, dass den Kreml die westlichen Sanktionen nicht kratzen und die auch keine grossen oder schädlichen Auswirkungen hätten, ist das brandschwarz gelogen.

Ein solches Kaufverbot ist auch die einzig sinnvolle Waffe. Denn jedem vernünftigen Menschen – abgesehen von Kriegsgurgeln und Schreihälsen auch in Schweizer Medien – ist es klar, dass die Ukraine es nicht wert ist, einen atomaren Weltkrieg zu riskieren. Das ist bitter für die Ukrainer, aber Geopolitik war noch nie ein Ponyhof.

Die Ukraine ist nicht Mitglied des westlichen Militärbündnisses. Also sind alle Forderungen nach dem Errichten einer No-Fly-Zone, gar dem Entsenden von «Friedenstruppen» unsinnig, gar gefährlich. Eine UN-Friedensmission wird es nicht geben, dank Vetorecht Russlands. Eine nicht von der UN sanktionierte militärische Intervention wie in Ex-Jugoslawien erst recht nicht.

Denn in welchem Zustand sich die russische Armee auch immer befindet, das Land verfügt über die grösste Atomstreitmacht der Welt. Nassforsch zu postulieren, dass man sich davon doch nicht zu sehr beeindrucken lassen sollte, ist grobfahrlässig und unverantwortlich.

Wenn man nicht mit militärischen Mitteln reagieren kann, bleiben nur wirtschaftliche. Denn auch ein Krieg hat seine Ökonomie. Er kostet. Den Verteidiger wie auch den Angreifer. Das Leid der ukrainischen Bevölkerung kann nicht mit Geld aufgewogen werden. Aber man kann die täglichen Kosten für Russland mitsamt allen Kollateralschäden in schwindelerregende Höhen treiben.

Selbst wenn es der Kreml-Regierung gelingen sollte, sich auf Umwegen weiterhin westliche Produkte und Waren zu besorgen: die Transaktionskosten steigen bei einer strikten Sanktionspolitik in den Himmel. Und China ist bei Weitem noch nicht in der Lage, alle diese Produkte zu substituieren.

Also ist das ganze Geschrei um Rubel oder Dollar, Vertragsbruch oder Lieferstopp, nur eine Nebelpetarde, gezündet vom Kreml. Und in ihr irren nun mal wieder all die Spezialisten und Koryphäen herum und produzieren ihrerseits Wortwolken und Analysequalm.

Sanktionen! Boykott!

Hinweg mit allem Russischen. Da gilt es noch nachzuarbeiten.

Sportler: sowieso. Ob behindert oder nicht: sie müssen zu Hause bleiben, ganz klar. Selbst wenn sie sich von Präsident Putin distanzieren würden: sie verletzen die Gefühle ukrainischer Athleten.

Wodka Gorbatschow? Weg damit. Wird in Deutschland hergestellt? Macht nix, in den Ausguss. Überhaupt alles Kulinarische. Sorry. Kaviar, Borschtsch, Soljanka, Blinis, Kwas? Gestrichen.

Jetzt tut’s einen Moment weh, aber das muss auch sein: Lada, Niva, die beiden unkaputtbaren Autos für herbere Strassenverhältnisse? Hinweg.

Russische Literatur? Tolstoi und Dostojewskij werden doch überschätzt. Scholochow, der Kommunist, also wirklich. Pasternak? Nein, was sein muss, muss sein, auch gestrichen. Musik: logo, Schwanensee, Tschaikowsky, kann doch keiner mehr hören. Sowjetische Revolutionskunst, Majakowski, Ilja Ehrenburg, Gogol, Gorki – kennen viele nicht, brauchen wir nicht. Eisenstein, Bondartschuk? Wer will denn alte Filme schauen.

Das kyrillische Alphabet ist sowieso ein Unding, weg mit all diesen unverständlichen Beschriftungen. Die russische Geschichte, Iwan der Schreckliche, Katharina die Grosse, Lenin, Stalin, Putin: pfui. Gorbatschow? Nun ja, etwas schmerzlich, aber schliesslich ist der auch Russe, also muss er boykottiert werden.

Hammer und Sichel, die Wintermütze der Roten Armee, Gilbert Bécauds «Nathalie»: wieso läuft das noch auf YouTube?

Der pavlowsche Reflex? Abgeschafft. Also nicht ganz, der darf in einem Zusammenhang funktionieren. Russe, reich? Sofortiger Speichelfluss und die spontane Reaktion: alles wegnehmen.

Taiga, Balaleika, Ivan Rebroff? War zwar Deutscher, hat sich aber als Russe verkleidet. Boykottiert seine Lieder. Überhaupt, all die Iwans, Nathalies, Irinas, aber auch Sergejs und Michails: sofortige Namensänderung. Ist schon schlimm genug, wenn man Adolf heisst, oder.

Apropos, auch die Geschichte muss aufgeräumt werden. Hitler hat die Sowjetunion überfallen? Unsinn, das war ein Präventivschlag, ein Verteidigungskrieg, Notwehr. Deutsche KZ? Nur ein müder Abklatsch russischer Gulags.

Letztlich muss jeder mit sich selber ins Reine kommen: ist irgend etwas Russisches an mir? Habe ich mal Kasatschok getanzt? Sowjetisches Eishockey geliebt? Für Alexander Malzew oder Sergej Makarow geschwärmt? Halte ein, tue Busse, du Sünder, reinige dich, bereue und verkünde Abscheu.

Keiner ist zu klein, ein Zeichen zu setzen. Putin mit Hitlerschnäuzchen versehen. «Stop Putin» auf ein Plakat malen. Russische Geschäfte, Bars, Restaurants boykottieren. Spricht einer mit russischen Akzent, sofort Konversation abbrechen, vor die Füsse spucken und Abscheu zeigen.

Den schmerzlichsten Akt haben wir bis zum Schluss aufgespart. Einen Zobel besitzt ja ein anständiger Mensch schon lange nicht mehr. Aber vielleicht ein Fabergé-Ei? Nun, das tut nur einen Moment weh: auf den Boden legen. Draufhopsen. Wahlweise Hammer nehmen und draufhauen. Muss sein.