Schlagwortarchiv für: Samantha Zaugg

Schweizer Journalist:ex

:in kann man streichen. Die Chefredaktorinnen gehen von Bord.

Es ist eine fortgesetzte Tragödie. Umso wichtiger Medienkritik wird, desto weniger Medienkritiker gibt es. Auf desto weniger Plattformen können sie sich äussern.

Die NZZ spülte ihren langjährigen Medienredaktor und anschliessend auch gleich die regelmässige Medienseite. Tamedia und CH Media widmen sich dem Thema nur sehr sporadisch, Ringier eigentlich überhaupt nicht.

Dann gibt es noch das sehr konfliktscheue persoenlich.com, die früher einmal professionell gemachte «Medienwoche», schliesslich den «Schweizer Journalist» und – last, but not least – ZACKBUM natürlich.

In den Mainstreammedien besteht das Problem, dass es innerhalb von Tamedia genauso wenig eine gute Idee ist, eigene Produkte zu kritisieren, wie das bei CH Media auch der Fall ist, ebenso in der NZZ. Dort rempeln in der NZZaS zwei Autoren regelmässig andere Medien an – natürlich niemals die eigenen.

Den steilsten Weg nach unten hat allerdings der «Schweizer Journalist» zurückgelegt. Markus Wiegand hebelte ihn auf die Landkarte und überzeugte zehn lange Jahre mit Sachkompetenz, einer spitzen Feder und guten Ideen wie die Preisverleihung des Journalisten des Jahres. Dann schwirrte er zu höheren Aufgaben Anfang 2016 zum «Kressreport» ab. Kurt W. Zimmermann übernahm und behielt Drive und Kantigkeit bei*.

Nicht zum Wohlgefallen des Besitzers und Herausgebers, der ihn nicht wegen Erfolglosigkeit, sondern wegen inhaltlicher Differenzen durch Pfarrer Sieber, Pardon, David Sieber, ersetzte. Der lieferte dann wunschgemäss Schaumteppiche und Zuckerwatte ab, gestaltete die Preisverleihung zu einem Gender-Event um und tat auch sonst alles, allen gefällig zu sein. Aber auch ihm reichte es dann mal, bzw. er war nicht mehr bereit, für ein ständig schrumpfendes Honorar weiterzuarbeiten.

Auftritt Samantha Zaugg und Charlotte Theile, die sich erst noch ins Minihonorar teilten. Verständlich, dass der genderdeutsch umbenannte «Schweizer Journalist:in» gleich mal Werbung für das «Storytellingkollektiv Elephant Stories» machte. Gründerin: Charlotte Theile.

Ansonsten fiel auf, dass nichts mehr auffiel. ZACKBUM trennte sich sogar von seinem Gratis-Abo, verschwendete Lebenszeit. Nach knapp einem Jahr werfen nun die beiden auch den Bettel hin. Grund? «Auffassungsunterschiede über die redaktionelle Weiterentwicklung des Hefts». Weiterentwicklung ist ein kühnes Wort in diesem Zusammenhang, denn aus Spargründen wurden immer mehr Artikel aus den Schwesterblättern in Deutschland und Österreich übernommen.

Wie schon bei Sieber dürfte es etwas gerumpelt haben, denn ein(e) oder mehrere Nachfolger:Innen stehen offenbar noch nicht fest. Normalerweise ergänzt man ja den Abgang der Leitung unter Verdankung geleisteter Dienste mit der Ankündigung der Nachfolge. Des Nachfolgenden. Des oder der Nachfolgenden. Der oder die natürlich auch zur Sammelgruppe «divers» gehören darf. Obwohl nicht zuletzt die Konzentration auf solchen Pipifax, der mangelnde Schweiz-Bezug und das völlige Fehlen von kritischen Artikeln die mangelnde Relevanz des SJ verstärkte.

*Packungsbeilage: René Zeyer publizierte regelmässig in der Amtszeit von Zimi.

Kurzmeldung der Woche

Wir haben den «Schweizer journalist:in» bekommen. Das ist zu viel.

Die Nummer 04/2021 umfasst 82 Seiten. Im Editorial fragen die beiden Chefredaktorinnen: «Warum kaufen Sie dieses Heft?» Tun wir nicht, wir bekommen es gratis zugestellt.

Das hat wohl damit zu tun, dass wir mal für den «Schweizer Journalist» geschrieben haben. Als es noch etwas zu schreiben gab und auch die Grundregeln der deutschen Sprache respektiert wurden.

Wir haben die 82 Seiten lustlos durchgeblättert und sind nirgends hängen geblieben. Beiträge über Schweizer Themen? Gähn. Aus den anderen deutschsprachigen Ausgaben übernommen? Schnarch.

Die «SRF-Moderatorin Angélique Beldner beleuchtet Rassismus im Schweizer Journalismus», barmt die Titelzeile. Luxusprobleme einer gut bezahlten TV-Frau. Die Chefredaktorinnen wollen ein Zeichen setzen und und dem «Süssigkeitfabrikanten aus dem Aargau» eine reinwürgen. Roland Dubler wagte es doch, Kritiken am traditionsreichen Namen seines Produkts zu entgegnen: «Im Zusammenhang, wie ich das Wort benutze ist es positiv. Der M*kopf ist qualitativ hochstehend». Das  Urteil der beiden Scharfrichterinnen:

«Das steht beispielhaft für den Schweizer Rassismus.»

Beispielhafter Schweizer Rassist? Nein, bodenloses Dummschwätzen.

Nein, die Verhunzung eines Wortes mit einem Sternchen und diese unqualifizierte, unbegründete Schmähkritik steht beispielhaft für den Niedergang der Medienkritik im Allgemeinen und des «Schweizer journalist:in» im Speziellen.

Leider stimmt es: was gratis ist, ist nichts wert. Deshalb hat ZACKBUM die weitere Belieferung abbestellt. Dafür ist das Leben dann doch zu kurz.

«Schweizer Journalist» jetzt mit Taylor-Swift-Poster!

«Bravo Girls» übernehmen früheres Fachmagazin.

Eigentlich ist es ja nur eine Personalie. Okay, Samantha Zaugg und Charlotte Theile werden zusammen ab 1. März den «Schweizer Journalisten» leiten, zumindest die Schweizer Abteilung. Zwei junge Frauen, zwei engagierte Journalistinnen.

Die Zeitschrift heisst dann «Schweizer Journalist:In». Prophetische Veranlagungen helfen im Alltag. Manchmal geht’s es aber auch ohne: Der SJ wird in den kommenden Ausgaben die Lohnungerechtigkeit zwischen Frau und Mann thematisieren, die sexuellen Übergriffen auf den Redaktionen erwähnen und in jeder Nummer die Frage aufgreifen, warum der Frauenanteil im oberen Kader nur bei soundso Prozent liegt. Mutige Journalistinnen werden porträtiert und Patrizia Laeri erhält hoffentlich eine Kolumne, die sich ebenfalls der Lohnungerechtigkeit und den unsittlichen Berührungen widmet.

Die zentrale Frage wird aber folgende sein: Können Zaugg und Theile auch noch mehr? Ein Blick in ihr Oeuvre lässt daran zweifeln. Beginnen wir mit Charlotte Theile. In der «Annabelle» hat sie bisher drei Artikel über die Popsängerin Taylor Swift geschrieben: «Deshalb treffen ihre Lockdown-Alben den Zeitgeist», «Darum liebe ich Taylor Swifts neues Album», «Warum ich auch mit 32 noch ein Taylor-Swift-Fan bin».

Für die «Süddeutschen Zeitung» berichtete sie von 2014 bis 2018 als Korrespondentin aus der Schweiz. Die Texte sind okay. Bei komplizierter Materie, oder wenn es schnell gehen musste, erhielt sie Unterstützung von Tamedia, zum Beispiel von Philipp Loser oder Mario Stäuble.  Seit drei Jahren ist Theile nicht mehr im Tagesjournalismus. Sie versucht, sich als Freischaffende über Wasser zu halten. Theile bittet ernsthaft darum, sie mit 1,50 Euro pro Monat zu unterstützen.

In der Branche wird gemunkelt, Johann Oberauer, der Verleger, habe verzweifelt herumgefragt, wer am besten ins gewünschte Profil passe. Nämlich: weiblich, jung und billig.

Oberauer sagte zu ZACKBUM, dass er in der Ausmarchung «komplett offen» mit allen geredet habe: Männer, Frauen, Alte, Junge. Und was ist mit den billigen Arbeitskräften? «Wir bezahlen nun relativ sogar mehr, absolut jedoch weniger, weil wir mit der neuen DACH-Organisation die Stellenprozente je Land reduziert haben.»

Auch die andere Co-Leiterin, Samantha Zaugg, besitzt die gleiche Lochkarte. Zaugg ist natürlich ebenfalls Freischaffende. Ein paar Jahre auf einer grossen Redaktion? Irgendwelche Führungserfahrungen? Error 404. Zauggs Texte sind dafür süss: «Die Schwestern Ruth und Maja Weiss haben ihr ganzes Leben in Hegi verbracht. Sie erlebten die Entwicklung vom Bauerndorf zum Industriestandort und nun zur neuen Wohnzone. Wie gefällt es ihnen?»

Zaugg reagiert wütend auf Zackbum.ch: «Die Aussage, ich hätte keine Erfahrung im Tagesjournalismus und ich würde den hektischen Alltag nur vom Hörensagen kennen, ist schlicht falsch. Ich war vier Jahre Videojournalistin für die tagesaktuelle News Sendung beim Regionalsender Tele Top.» Und: «Gerade diesen Sommer habe ich mehrere Monate bei einer regionalen Tageszeitung gearbeitet, Tagesgeschäft kann ich also immer noch.» Ob das reicht?

Nach dem unspektakulären und gescheiterten David Sieber nun zwei unerfahrene Journalistinnen ohne Seilschaften. Alpinist Oberauer siehts gelassen: «In Seilen kann man sich auch verfangen. Frei klettern hat grosse Vorzüge. Ich habe da grosses Vertrauen.»

Der Verleger macht sich immerhin keine Illusionen: «Die nächsten zwei, drei Jahren werden vermutlich auch nicht einfach.» Und wenn die zwei Freien es vermutlich nicht packen? Was kommt dann als Nächstes? Ein binärer und metrosexueller Praktikant?

Neues von «*, In, Innen*, der_die, m/w/d, und -innen»

Wer der Sprache ans Mieder geht, ist zu allem fähig. Nur nicht zu gutem Deutsch.

Eigentlich heisst das ganze Zitat von Karl Kraus: «Heinrich Heine hat der deutschen Sprache so sehr das Mieder gelockert, dass heute alle Kommis an ihren Brüsten fingern können.»

Aber seine Verwendung bedingt, dass der Leser (von der Leserin und von allen, die sich als non-binär bezeichnen, ganz zu schweigen) wüsste, wer Karl Kraus, Heinrich Heine oder ein Kommis war. Also fällt das Zielpublikum dieses Artikels schon mal vollständig weg.

Denn nur jemand, der auf Sprachregeln pfeift, mutwillig seine persönliche Meinung ihr als Stempel aufdrücken will, ihr also schlichtweg ans Mieder geht und sie vergewaltigt, kommt auf die absurde Idee, dass der Männersprache eine weibliche Seite aufs Auge gedrückt werden müsste.

Was Sprachverbrecherinnen nicht auffällt

Damit geht auch meistens einher, das ganz allgemein Sprach- und Literaturkenntnisse – sowohl weiblicher wie männlicher Autoren – eher rudimentär vorhanden sind. Von anderen Sprachen ganz zu schweigen. Sonst würde es diesen Sprachverbrecherinnen auffallen, dass das Bestehen auf der Inkludierung von allen möglichen und unmöglichen Geschlechtern auf einem Irrtum beruht.

Den einen Teil haben wir schon abgehandelt. Der andere: Zum Beispiel Türkisch kennt kein Genus (für Nicht-Lateinerinnen: schlecht mit Geschlecht auf Deutsch übersetzt). Türkisch ist also geschlechtlich nicht diskriminierend. Keine unterdrückerische Männersprache. Sondern strahlt Chancengleichheit aus. Wenn die Furzidee, dass eine «Verweiblichung» der Sprache ungeheuerliche Auswirkungen auf das gesellschaftliche Rollenverständnis hätte, müssten also die Türkinnen zu den emanzipiertesten und gleichgestelltesten Frauen der Welt gehören.

Das wüssten die grösstenteils in mittelalterlichen Umständen unterdrückten Türkinnen aber. Das hindert allerdings unwissende Missbraucherinnen der deutschen Sprache nicht daran, die Schraube immer weiter ins Absurde zu drehen.

Eine Berufsvereinigung, die sich schon im Namen disqualifiziert

Das führte jüngst dazu, dass es schon wieder eine Vereinigung mehr gibt, bei der ich sicher nicht Mitglied werden möchte. Nämlich ab 2021 ist «Das Reporter-Forum Schweiz» auch dem Zeitungeist zum Opfer gefallen. Es heisst nun «Reporter:innen-Forum Schweiz». Haben wir ein Glück, dass Schweiz weiblich ist. Aber warum diese Verunstaltung? Das erklärt die neue Vorstandsmitglied*:in* Samantha Zaugg so:

«Vielleicht ist es für den Lesefluss noch ungewohnt, vielleicht aus typografischer Sicht unschön.

Aber noch unschöner ist es, wenn mehr als die Hälfte der Menschen nicht mitgemeint ist.

Deshalb sind wir neu das Reporter:innen-Forum.»

Die Fotografin und Kunststudentin Zaugg bezeichnet sich auch noch als Journalistin. Wir glauben immer noch, dass es für gute Fotografien und für gute Kunst eine mindestens rudimentäre Beherrschung des Handwerks braucht. Dass Regelverstösse (unscharfes Foto, Bilder von Jackson Pollock) zwar begangen werden können, aber dann mit verständlicher Begründung.

Regelverstösse brauchen verständliche Begründungen

Zaugg behauptet nun, dass ohne die ungewohnte, unschöne, in Wirklichkeit schlichtweg kreuzfalsche Missgeburt eines neuen Namens «die Hälfte der Menschen nicht mitgemeint» wäre. Das ist ungefähr so bescheuert, wie wenn man Picasso vorwerfen würde, dass er abstrakte Kühe malte, weil er eine wirklichkeitsnahe Kuh nicht hinkriegte.

Oder dass Robert Capa* ein schlechter Fotograf war, weil er die meisten seiner Fotos, die er unter Lebensgefahr bei der Invasion des D-Day schoss, beim Entwickeln zerstörte.

Oder dass Karl Kraus und viele, viele, viele andere durch ihren Verzicht auf diesen Sprachunsinn die Hälfte der Menschen nicht mitmeinten. Ihnen war (und ist) einfach – im Gegensatz zu Zaugg – der Unterschied zwischen einem generisch neutralen Plural und einem angeblich nur Männer umfassenden Plural bekannt.

Angebliche Korrektheit predigen, aber auf der eigenen Webseite …

Und Hand aufs geschlechtsneutrale Herz, liebe Frau Zaugg, Sie selber glauben doch auch nicht an diesen Quatsch. Sonst sähe diese Auflistung auf Ihrer eigenen Webseite anders aus:

Das müsste eigentlich zum freiwilligen Rücktritt der neuen Vorständerin führen …

 

*Zuerst hiess es hier fälschlicherweise Frank Capra. Danke für den Hinweis von Samantha Zaugg.