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Endlich: Tamedia packt die wichtigsten Probleme an

Es ist gut, dass wenigstens der zweitgrösste Medienkonzern der Schweiz weiss, wo aktuell der Schuh drückt.

Weniger Recherche, weniger Nachrichten, weniger Analyse und Einordnung. Dafür mehr Meinung. Keiner zu klein, Kommentator zu sein. Das ist der neue Spielplatz, das Frustablassbecken für Redaktoren.

Die Meinung gibt wenigstens einen Hauch alter Bedeutung zurück. Der Redaktor (mit Foto!) darf mal wieder allen Bescheid sagen. Probleme und Themen aufgreifen, die ihm am Herzen liegen. Auch wenn es ein einsames Herz ist, weil das sonst keinen interessiert.

Aktuell haben wir auf Newsnet einen seltenen Höhepunkt. Neuer Lockdown, komatöse Wirtschaft, drohende Ausgangssperre, Impf-Apartheit, wird der Abschaum bei der Inauguration des neuen US-Präsidenten wieder für Krawall sorgen? Wie geht Russland mit Oppositionellen um?

Was das Publikum beschäftigt, ist Pipifax für den Kommentator

Es mag ja sein, dass das Publikum diese Fragen beschäftigt. Aber wenn sich der Redaktor aus seiner Käfigtierhaltung im Newsroom in die Sphären der Gedankenfreiheit aufschwingt, lässt er solchen Pipifax weit hinter und unter sich:

 

Corona? Mutationen? Ach was, Salome Müller hat eine «neue Seuche» entdeckt. Auch das noch, was droht uns denn nun noch? «Sexistische Kommentare von Männern in der Öffentlichkeit». Jessas, echt jetzt? Ganz neu? Liebe Bauarbeiter, die Zeiten, als italienische Fremdarbeiter etwas südländische Lockerheit in die Schweiz brachten, indem sie ungeniert ihrer Bewunderung für vorbeilaufende Frauen zum Ausdruck brachten, sind vorbei.

Das war wohl auch vor der Geburt von Salome Müller, denn sie beklagt: «Wenn Frauen sich im öffentlichen Raum bewegen, müssen sie damit rechnen, sexistische Kommentare von Männern zu hören. Aggressive Zurufe. Beleidigungen.»

Gibt es Abhilfe?

Ich als Mann kann mich da für meine testosterongetriebenen Geschlechtsgenossen nur schämen. Und versichern, dass ich das noch nie getan habe. Aber wenn wir von Seuchen sprechen: Was ist dann mit der Genderisierung und Vergewaltigung der Sprache durch Sternchen aller Orten und weitere absurde Monstrositäten? Gut, nicht ablenken, zeigt Müller wenigstens Lösungswege auf?

Aber ja: «Erst wenn Männer von anderen Männern gemassregelt werden, wird sich etwas ändern.» Ach was. Also ich finde diese Position beinhaltet eine typische, postkoloniale Arroganz einer weissen Frau. Warum? Nun, in meinem zweiten Heimatland Kuba würde es eine Frau als Beleidigung empfinden, wenn ihre Attraktivität nicht Männer in der Öffentlichkeit würdigten. Würden andere Männer die massregeln, würden sie auf völliges Unverständnis und bösartige Vermutungen stossen.

Zurufe, Beleidigungen, und dann noch von der Arbeit abgehalten werden

Sozusagen in die gleiche Kerbe haut auch der nächste Kommentar: «Wir halten Frauen bewusst vom Arbeiten ab.» Ach was, also ich habe das noch nie getan. Ach so, Raphaela Birrer macht auch nicht mich verantwortlich, sondern «unser Steuersystem». Das setze «aus ideologischen Gründen einen Anreiz für verheiratete Frauen, möglichst wenig zu arbeiten». Das sehen viele Ehemänner auch so, allerdings nicht aus ideologischen Gründen.

Aber Scherz beiseite, würde diese steuerliche Bestrafung für Zweitverdiener abgeschafft, gäbe es bis zu «60’000 zusätzliche Vollzeitstellen», «300’000 Frauen würden ihr Pensum um jeweils 20 Prozent erhöhen», weiss die Autorin. Woher? Nun, natürlich aus «Studien». Zwei Dinge weiss sie aber nicht: Was für einen Sinn würden tausende von neuen Vollzeitstellen machen, wo dank Lockdown die Arbeitslosenzahlen in die Höhe schnellen werden, sobald Kurzarbeitsunterstützung ausgelaufen ist?

Und ob Birrer wohl schon mal vom Hausmann-Modell gehört hat, von Männern, die ihrer Frau den Vortritt in der Karriere lassen? Offenbar ist ihr dieses Modell zu emanzipiert und modern.

Der mächtigste Mann der Welt und der mächtigste Stellvertreter

Michael Meier ist ein Mann. Sehen wir grosszügig über diesen Makel hinweg, denn auch er äussert sich zu einem Thema, das uns alle umtreibt. «Eine neue Allianz zwischen Washington und Rom». Ach was, haben wir da etwas verpasst? Eigentlich nicht, Meier folgt nur den Spuren des «US-Publizisten Andy Roman». Nomen est omen, der sieht eine Vereinigung «politischer und religiöser Macht zu einer gemeinsamen Vision und Mission». In Sachen Klimaschutz, Armutsbekämpfung und Integration von Flüchtlingen. Nur: Andy Roman hat für einen Publizisten erschreckend wenig publiziert.

Aber wunderbar, der zweite Katholik nach Kennedy im Weissen Haus darf nun auch mit höherer Hilfe rechnen. Die Kirche wird ihre tiefen Schatullen öffnen, ihr Milliardenvermögen zur Armutsbekämpfung ausgeben. Klimaschutz spielt sich sowieso in höheren Sphären ab, wo die Kirche die Lufthoheit beansprucht. Und über so Kleinigkeiten wie das Abtreibungsverbot, die Anwendung von Verhütungsmitteln oder sexuelle Aufklärung, da wird man sich schon einigen. Aber eins ist sicher: Die Welt wird eine bessere werden. Gott vergelt’s.

Auch der lebenslange Kämpfer Ziegler darf nicht fehlen

Fehlt da noch etwas? Doch, ja, da fehlt noch Jean Ziegler. Der unermüdliche Kämpfer gegen das Unrecht auf der Welt, der damit trotz aller Kritik an ihm unsere Hochachtung verdient, wendet sich in einem Gastbeitrag an die Tamedia-Leser.

Wortgewaltig wie immer: «Wir müssen helfen, dem Martyrium der Gefangenen der Lager auf den griechischen Inseln ein sofortiges Ende zu bereiten.» Dabei muss Bundesrätin Keller-Sutter an die Tradition der Schweiz erinnert werden: «Ihre Hartherzigkeit ist der humanitären Tradition unseres Landes unwürdig.»

Gut gebrüllt, alter Löwe, dass er damit auch etwas Werbung für sein jüngstes Buch «Die Schande Europas» macht, sei ihm nachgesehen. Nur: auch dieses Schicksal interessiert zur Zeit in Europa kaum jemanden. Leider, lieber Jean.

Wird die Welt nun besser? Leider nein

Sind nun alle wichtigen Themen der Zeit kommentiert, Lösungen aufgezeigt, Forderungen gestellt, kann man sich zurücklehnen und hoffen, dass die Welt sich das zu Herzen nimmt und besser wird? Nun, es muss leider gesagt werden: nein. Denn selbst im gleichen Organ werden all diese wohllöblichen Ansichten konterkariert.

Erst noch von einer Frau. Wäre sie ein Mann, würde sie von Müller mindestens mit Gender-Sternchen beworfen werden. Eher noch mit Binnen-I gepiesackt. Denn Bettina Weber tut etwas, was in jeder anständigen Partnerschaft – ob binär oder non-binär – dazu führen muss, dass der Übeltäter auf dem Sofa schläft: Sie beurteilt eine Frau ausschliesslich nach Äusserlichkeiten!

Geht’s noch, geht’s noch schlimmer? Aber immer: «schlecht angezogene Männer mit Bärten und merkwürdigen Kopfbedeckungen» seien durchs Kapitol gezogen.

Politik ist in erster Linie eine Sache der richtigen Bekleidung

Da hat sie recht, wenn man das Kapitol stürmt, sollte man sich wenigstens anständig kleiden. Trost sucht Weber bei der First Lady. Die sei wenigstens «vermutlich» immer in eine Parfumwolke gehüllt; Thierry Mugler meint Weber zu erschnuppern, an den Füssen der First Lady will sie Louboutins mit «Killer-Absätzen» erspäht haben: «So viel Stiletto im Weissen Haus war noch nie, so viel Designermode auch nicht.»

Da spricht vielleicht der Neid, denn Louboutins, Parfum von Mugler und Designermode ist etwas oberhalb der Gehaltsklasse von Weber. Die zudem hoffentlich Birkenstock und keine Killer-Absätze in der Redaktion trägt.

Melania Trump als Gipfel

Am Schluss versucht Weber, mit einer feministischen Volte wieder Boden gut zu machen: Das Grossartige an Melania Trump sei «ihre trotzige Wenn-ihr-mich-nicht-mögt-ist mir-das-egal-ich-sehe-dafür-besser-aus-Attitüde.» Wie ihre Co-Unterchefredaktorin bei Kamala Harris schwärmt Weber wie ein Backfisch: «das war der Gipfel weiblichen Selbstbewusstseins.»

Man sieht; bevor der ganzen Welt gute Ratschläge gegeben werden: Es gibt zunächst noch viel zu tun bei Tamedia. Sehr viel. Ich bin bekanntlich kein Feminist, aber niemals würde ich eine Frau auf ihr Äusseres reduzieren. Selbst wenn sie eine so merkwürdige Frisur wie Müller hat.

 

 

 

 

 

Redak-Torin* Salome *Müller*In*

Rastlos und übergriffig setzt sie sich für die Sache der Frau ein. Leistet ihr dabei eine Bärinnendienstin.

Zunächst: Ich entschuldige mich Ausdrücklich für das «der» vor Frau, auch beim Genitiv hat der Sprachfeminismus noch Arbeit vor sich.

Aber fangen wir mit einer guten Nachricht an. Wie teilte mir ein aufmerksamer Leser so richtig mit: «Fortschritt. Der Stern wandert.» Natürlich, es handelt sich um einen noch nicht durchfeminisierten, männlichen Leser, der die wunderliche Marotte beobachtet, dass Salome Müller ihre Funktion als gelegentliche Tagi-NL-Autorin dafür missbraucht, vor allem die dafür auch noch bezahlenden Abonnenten (männlich) mit einem fröhlichen «Guten Morgen, liebe Leserinnen*» zu begrüssen.

Mit diesem Genderstern an ungewohntem Ort wolle sie ihren «Respekt» gegenüber all denen bezeugen, die sich nicht in das banal-binäre Raster Männlein/Weiblein pressen lassen wollen. Aber, bei Minerva, wo ist der Respekt geblieben? Die neue Variante lautet: «liebe Leser*innen». Ob das wirklich ein Fortschritt ist?

Der wandernde Stern. Aber der Dutt ist unverrückbar.

Es geht um Menschenrechte, bitte schön

Aber sprechen wir nicht länger von solchem Pipifax (der, maskulin, blöd). Inzwischen geht es der Dame mit dem komischen Wurmfortsatz auf dem Haupt um grössere Dinge. Um nichts weniger als die Menschenrechte.

Kämpferinnen für die Menschenrechte zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie sie in weit entfernten Gegenden einfordern. Das ist auch hier der Fall. Denn gegen die Schweizer Doppelbürgerin Natallia Hersche wurde im fernen Weissrussland ein «wuchtiges Urteil» gefällt. Zweieinhalb Jahre Gefängnis, weil sie dort «für die Einhaltung der Menschenrechte auf die Strasse ging».

Allerdings wurde sie nicht deswegen, sondern wegen «gewalttätigem Widerstand gegen einen Polizisten» (Art. 363, Absatz 2, Strafgesetzbuch) verurteilt. Sie räumte das indirekt auch beim Prozess ein; sie habe Todesangst gehabt und gedacht, wenn sie dem Polizisten seine Sturmhaube vom Kopf reisst und ihm in die Augen schaue, dann würde der sicher Mitleid empfinden und sie laufenlassen.

Wurde sie zum Lächeln gezwungen? Herrsche beim Prozess. (Foto: spring96.org)

Wer sich in der Schweiz gegen eine Verhaftung wehrt, bekommt einen Orden

Da Müller – in Gegensatz zu mir – das ganze Urteil gelesen und verstanden hat, kommt sie ihrerseits zu einem klaren Verdikt: «Es ist ein politisches, ein willkürliches Urteil» gegen eine «zweifache Mutter aus St. Gallen». So unmenschlich geht’s in Lukaschenkos Reich zu und her. Eine Mutter wird von ihren Kindern getrennt, nur weil sie als Doppelbürgerin nach Weissrussland fuhr, um an Demonstrationen teilzunehmen.

Sie soll sich angeblich gegen die Verhaftung gewehrt haben, womit sie natürlich auch nur ein Menschenrecht einforderte. Wenn sich in der Schweiz jemand gegen die Verhaftung wehrt, besonders bei einer illegalen Manifestation, wird er umgehend mit einem Orden für Zivilcourage ausgezeichnet.

Denn, merke auf, die Schweiz sei – im Gegensatz zu Weissrussland – ein «sicherer Rechtsstaat», weiss Staatskundlerin Müller. Es läge mir fern, das Regime in Weissrussland als Rechtsstaat zu bezeichnen. Es ist eine der typischen post-sowjetischen Diktaturen mit einem Häuptling, der seine Halbwertszeit überschritten hat. Aber was empfiehlt denn Müller der Schweiz als rechtsstaatliche Mittel? Diplomatische Betreuung, eventuell Unterstützung, Bezahlung eines Anwalts?

Der Rechtsstaat muss Druck aufsetzen gegen einen Unrechtsstaat

Ach was, Pipifax (männlich, blöd), da muss mit massiveren rechtsstaatlichen Mitteln durchgegriffen werden. «Aussenminister Cassis kann Druck aufsetzen. Oder der Bundesrat baut mit Sanktionen Druck auf.» Welche rechtsstaatlichen Mittel hätte er denn da? «Die Regierung könnte die Konten des weissrussischen Staatsoberhaupts Alexander Lukaschenko und seiner Familie einfrieren und Visa-Beschränkungen erlassen.» Habe die EU schon lange getan, worauf wartet die Schweiz?

Nehmen wir mal spasseshalber an, ein Weissrussin nähme in der Schweiz an einem Plausch des Schwarzen Blocks teil. Ein wenig Sachschaden, ein paar verletzte Bullen, das Übliche halt. Nehmen wir an, sie würde im Rechtsstaat Schweiz dafür verurteilt. Nehmen wir weiter an, Lukaschenko würde deswegen toben, seinen Botschafter einbestellen, mit Sanktionen gegen die Schweiz drohen, Einreiseverbote aussprechen.

Da würde man sicherlich auch bei Müller das Halszäpfchen sehen, so erregt würde sie diese Einmischung, dieses Verhalten eines Unrechtsstaats, diesen eklatanten Verstoss gegen die heilige Gewaltenteilung – und die Menschenrechte – verurteilen.

Was wäre, wenn sich Lukaschenko das trauen würde?

Was masst sich der an, unsere Urteile als politisch und willkürlich zu verunglimpfen. Soll doch lieber mal bei sich aufräumen. Dem sollte man eine Antwort geben, dass er nur noch Sternchen sieht, würde die Sternchen-Feministin vielleicht fordern.

Menschenrechte sind Grundrechte, weiss Müller am Schluss ihres rechtsstaatlich durchaus durchwachsenen Kommentars. «Sie gelten auch für Natallia Hersche.» Wohl auch im Rechtsstaat Schweiz. Aber nicht für Müller, wenn sie fordert, mit unrechten Mitteln ein mögliches Fehlurteil zu bekämpfen.

Kleine Rechtskunde über Doppelbürger (ja, auch Doppelbürgerinnen*)

So nebenbei: Die Doppelbürgerin mit oder ohne Stern kann sich im einen ihrer Heimatstaaten nicht auf die Zugehörigkeit zum andern berufen, sondern ist erst einmal Inländer/In*+#. So viel zum Schutz der Schweizer Staatsbürgerin. Und bei aller Abscheu gegen Lukaschenko: Das Frauenstimmrecht wurde in Belarus, so wie in der gesamten UdSSR, 1917 eingeführt. Im Fall. Aber Feminismus und Logik, nun ja, ich sage nichts mehr, so als Mann.

Die Tages-Anzeigerin*

Schon Karl Kraus wusste: Wer Sprachverbrechen verübt, ist zu allem fähig.

Der «Tages-Anzeiger», früher mal ein stramm progressives und gar nicht mal schlecht gemachtes Blatt, ist heute als Skelett seiner selbst noch ein stramm progressives Blättchen.

Damit die (noch) überlebenden Redaktoren nicht in tiefe Depression verfallen, wenn sie eine Kündigungswelle nach der anderen sehen müssen und sich dazu das dumme Gequatsche der Chefetage anhören, dass das keinesfalls ein inhaltlicher Abbau sei, im Gegenteil: Synergie, Straffung, Blabla, bekommen sie Spielwiesen, auf denen sie sich wenigstens etwas selbstverwirklichen können, schräge Hobbys pflegen, Zeichen setzen, gegen und für.

Ein besonders beliebter Kinderspielplatz ist die Geschlechterfrage. Um da mitspielen zu dürfen, sind die Hürden ganz niedrig gelegt. Frausein reicht. Gender divers reicht auch. Weitere Kenntnisse sind nicht gefragt.

Die deutsche Sprache, das Männerluder

Dann braucht es noch den unbedingten Willen, mal wieder ein Zeichen zu setzen. Wenn die Knie noch wehtun, und die Kehle auch, weil unablässig «black lives matter» gegrölt wurde, was einem das wohlige Gefühl der Schuld, der eingestandenen Schuld auslöste, braucht es ein etwas weniger anstrengendes Fanal.

Da kommt die deutsche Sprache, dieses Männerluder, gerade recht. Schon Legionen von Sprachwissenschaftlern – und Sprachwissenschaftlerinnen – haben leider vergeblich zu erklären versucht, dass zwischen dem grammatikalischen Genus und dem menschlichen Geschlecht eigentlich kein Zusammenhang besteht. Die häufige Pluralbildung im Maskulin ist einfach aus der Sprachgeschichte gewachsen.

Weder die mühsame Verdoppelung, noch der völlig falsche Einsatz des dafür nicht vorgesehenen Partizips Präsens (für nicht sattelfeste weibliche Leser: Sachen wie «Studierende») und erst recht nicht Vergewaltigungen wie ein Binnen-I oder ein Gender-Sternchen bewirken etwas anderes als Übelkeit beim Leser. Und Überdruss.

Ein Fanal gegen das Der

Aber zurück zur ehemaligen Qualitätszeitung Tagi. Gestatten, «Tages-Anzeiger», DER «Tages-Anzeiger». Der sensible Leser spürt: da riecht es schon streng nach Diskriminierung. Nach Ausschluss. Ausgrenzung. Nach schweissiger Männlichkeit. Göttin sei Dank gibt es da den Kinderspielplatz des täglichen Newsletters «Der Morgen». Ich muss wohl nicht nochmal darauf hinweisen: Der Tagi, mit DER Morgen.

So geht das natürlich nicht. Also greift Salome Müller, Redaktorin Meinungen und Debatte, meinungsstark, aber rechtschreibeschwach beherzt ein. Und wie setzt sie nun ein klares Zeichen? Mit ihrer Frisur, von der sich Trump noch eine Scheibe abschneiden könnte? Aber nein, ich werde diesen chauvinistischen Ausrutscher beim nächsten Meeting meiner Sensibilisierungsgruppe «Männer sind Schweine» zur Sprache bringen.

Müller setzt gleich ganz am Anfang ein unübersehbares Zeichen: Sie begrüsst mit einem freundlichen «Guten Morgen» – als wüsste sie nicht, dass Morgen eben maskulin ist – die «liebe Leserinnen*».

Öhm. Und für die bösen Leser kein Grusswort? Und warum zum Teufel (der Teufel, männlich) ist das Gender-Sternchen ganz nach hinten gerutscht? Oder schlichtweg: Was will uns begriffsstutzigen Männern die Redaktorin, diese Torin, damit sagen?

Fragen kostet ja nix

Fragen kostet nix, dachte ein erheiterter, aber doch nicht ganz froher Leser (der Leser, männlich) und fragte nach dem Warum. Wer fragt, dem wird geantwortet. Aber wenn uns das nicht als Ausdruck typisch männlicher Arroganz angekreidet wird: das hätte Müller vielleicht besser sein lassen.

Es gibt Schriftstücke, die kann man nur fassungslos für sich selbst sprechen lassen, auch wenn da der blanke Irrsinn (männlich) tobt:

Packungsbeilage: Vorsicht, hier reihert der Irrsinn

«Ich verstehe Ihre Irritation und will Ihnen gern erklären, was es mit dem Sternchen am Schluss von Leserinnen auf sich hat: Das Sternchen steht für all jene Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen. Dies respektiere ich, indem ich mittels Sternchen auch jene Personen anspreche.

Üblicherweise schreibt man dann: Leser*Innen. So macht man explizit, dass Männer angesprochen werden, dass Frauen angesprochen werden, und dass jene Menschen angesprochen werden, die sich als nonbinär empfinden.

In meinem Newsletter habe ich mir eine Abwandlung erlaubt: eben Leserinnen*. Da in den Medien noch sehr häufig das generische Maskulinum verwendet wird, nehme ich die Gegenposition ein. Ich verwende das generische Femininum. Auch, weil der «Leser» in der «Leserin» schon enthalten, der Leser also mitgemeint ist.»

Wir begrüssen die Überlebenden dieser Zeilen

Ich halte zu Gnaden (die Gnade, weiblich): als mich glaub’s binär empfindender Mann und Liebhaber (der, männlich) der deutschen Sprache (die, weiblich) muss ich sagen: Es gibt weder ein generisches noch ein binäres oder nonbinäres Femininum. Aber es gibt reinen Nonsens (der, maskulin), es gibt Fehler (auch maskulin) und es gibt Sprachverbrechen (das, sächlich). Die schlimmsten sind böse Vergewaltigungen (die, weiblich) für einen angeblich guten Zweck. Egal, ob der als «Gegenposition», «Zeichen setzen», oder als Kampf gegen die angeblich männerdominierte Sprache umschrieben wird.

Das alles ist nicht viel weniger dämlich (nein, das leitet sich nicht von Dame ab) als die widerliche Entschuldigung von Vergewaltigern, dass es das Opfer doch provoziert  habe. Aber hier kann sich das Opfer wenigstens wehren und Bestrafung des Täters veranlassen. Die Sprache hingegen leidet stumm.