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Aneignung der Aneignung

Es gibt noch so viel zu denunzieren.

Das Ausgrenzen hat sich eingebürgert. Dabei wird angeeignet, was nicht niet- und nagelfest ist. Weisse tragen Rasta-Locken. Das ist pfui, sehr pfui.

Das hingegen ist Carola Rackete. Eine Lichtgestalt für alle Menschenfreunde und Befürworter offener Grenzen. Ein Held. Sogar eine Heldin. Nur: sie trägt Rasta. Und ist weiss. Ist halt kompliziert.

Es soll angeblich über 160 verschiedene Gender geben. Da hat’s der heutige Jugendliche nicht leicht, die zu ihm passende Orientierung zu finden. Aber schön, dass ein Gang aufs Einwohnermeldeamt genügt, und schon kann man mit einem neuen Geschlecht herumspazieren. Diskriminierend ist allerdings, dass die Wahlmöglichkeiten sehr beschränkt sind.

Allerdings: wenn ein Mann eine Frau sein will, ist das nicht auch übergriffig? Eine nicht nur kulturelle Aneignung? Dann wäre ja Cis gut, Trans schlecht. Dabei sollte es doch umgekehrt sein. Es ist kompliziert.

Selbstverständlich reichen gegenwärtige Diskriminierungen, Ausgrenzungen und Unterdrückungen nicht aus, um das Leidensbedürfnis verwöhnter weisser Kids zu befriedigen. Es gibt ja noch eine ganze Latte, einen Kübelwagen voll historischer Schuld. Alleine die Sklaverei bietet ein unerschöpfliches Reservoir für schuldbeladenes, niedergedrücktes Wehklagen. Auf die Knie und «Black lives matter» grölen.

Aber zählen dann weisse Leben nicht? Und sind Neger, pfuibäh, sind Schwarze, würg, sind Persons of Colour, nun ja, sind so gelesene Menschen (endlich, so stimmt’s) denn alle gleich? Schon rein farblich? Oder unterscheidet sich ein Schwarzer aus Afrika von einem in den USA? Und wie steht es mit den Asiaten? Zählen deren Leben auch weniger? Es ist kompliziert.

Der Modeausdruck der Stunde lautet: Ich fühle mich unwohl. Hört man diesen Satz, sollte man sofort diese Gesellschaft verlassen. Alles andere wäre von Übel.

Dann gibt es Frauen, die sich tatsächlich als Frauen lesen lassen. Einfach so. Ihnen eröffnen sich ganz neue, ungenannte Karrieremöglichkeiten. Beförderung nicht mehr nach Kompetenz, sondern nach Genital. Wer hätte gedacht, dass das Tragen eines Pimmels von Nachteil sein kann? Noch so kampffeministisches Geschrei, die konsequente Anwendung des Gender-Sterns, die kräftige Kritik an patriarchalen Strukturen und an Männerherrschaft – nutzt nix. Das Einzige, was hülfe, wäre umoperieren. Aber wäre das nicht wieder eine Aneignung? Es ist kompliziert.

Zum ganzen Elend kommt noch hinzu, dass die überwältigende Mehrheit der Gesellschaft ausgegrenzt wird. Diskriminiert, exkludiert, ignoriert. Was ein weiterer Skandal ist. Denn wer kümmert sich inzwischen noch um die Rechte der sogenannten Normalen? Wer kämpft für den heterosexuellen Mann mit Hang zu Familienleben und Biertrinken? Gibt es neben der diskriminierten Minderheit nicht sachlogisch auch eine diskriminierte Mehrheit? Die doch auch ihre Rechte hat?

Nehmen wir nur den Kampfplatz Redaktion. Hier der konservativ gekleidete Mann, der niemals auf die Idee käme, die Fingernägel zu lackieren. Nicht, weil er das als übergriffig empfände. Sondern schlichtweg peinlich. Er ist heterosexuell, leicht übergewichtig, höflich, betritt vor der Begleiterin das Lokal, hält ihr beim Abgang die Türe auf, vergisst nicht, ihr den Stuhl zurechtzurücken und deutet mindestens ein Aufstehen an, wenn sie mal wieder das Näschen pudern muss. Er ist pünktlich, zuverlässig, besucht fleissig Weiterbildungskurse, hat Bestnoten in den jährlichen Assessments, sagt immer Verständliches, wenn er gefragt wird, wo er sich in fünf Jahren sehe.

Dort die Frau. Sie ist sich nicht sicher, ob sie sich als non-binär definieren soll. Sie verweigert sich dem männlichen Schönheitsideal und der Körperpflege. Sie kümmert sich um die Gratis-Abgabe von Tampons und Binden, besteht auf Schonung während ihrer Tage, bricht auch schnell in Tränen aus, wenn männlicherseits ein schwachsinniger Themenvorschlag von ihr kritisiert wird. Sie entdeckt allerorten sprachlichen Sexismus und verfasst längliche kritische Schreiben dazu. Das schränkt ihre eigentliche Tätigkeit, das Verfassen von Artikeln, natürlich ein. Schafft sie es dennoch einmal, ist sie tödlich beleidigt, wenn ihre Schilderung des feministischen Kampfkollektivs «Zusammen Monden» als Schulaufsatzgekritzel ohne Relevanz kritisiert – und dennoch veröffentlicht wird.

Aber eigentlich weiss sie: das spielt alles keine Rolle. Auch nicht, dass sie wochenlang keine Zeile absondert, weil sie gerade im Kampf um die Errichtung eines «Safe Space» auf der Redaktion engagiert ist. Ihr Kampfruf «hier ist kein sicherer Ort für Frauen» erschallt durchs Grossraumbüro. Sie ist siegessicher, nachdem sie die Installation einer genderneutralen Toilette durchgesetzt hat und damit drohte, dass das erst der Anfang sei.

Geht es um die Beförderung auf die nächste Hierarchiestufe, ist völlig klar, wer gewinnt.

Das ist ein neues, weites Feld der Diskriminierung. Die Diskriminierung des Normalen. Die Diskriminierung der Kompetenz. Der Vernunft. Des gesunden Menschenverstands. Hier gilt es, sich neu zu engagieren. Klimakleben war gestern, heute ist Kampf fürs Überleben des Normalen. Mit allen Mitteln. Auch mit den Waffen einer Frau. Oder der Körperkraft des Mannes.