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Wumms: Emmanuel Todd

Der Historiker sagt den Sieg Russlands voraus.

Damit fliegt ihm natürlich der scharfe Wind des Mainstreams ins Gesicht. Aber bevor man zu sehr über ihn schäumt: als Todd 1976 den bevorstehenden Zusammenbruch der Sowjetunion intellektuell antizipierte, keifte ihn der Mainstream auch nieder.

Abgesehen davon sagt er in einem Interview mit der NZZ einige bedenkenswerte Dinge über den aktuelle Zustand des Journalismus.

«Ich habe meine eigene Theorie über den Untergang des Journalismus.

Und die lautet?

Es gab in den Anfängen ein pluralistisches System mit vielfältigen Positionen, was wiederum die Pluralität der Information garantierte. Dann verschwanden alle Ideologien, und der Journalismus mit Kleinbuchstaben verwandelte sich in einen Journalismus mit Grossbuchstaben, der sich selber wichtiger nahm als die politischen Positionen. Die Zeitungen wurden austauschbar.

Der Journalismus trägt sehr stark zu der Unfähigkeit im Westen bei, den Ukraine-Krieg nüchtern zu betrachten.

Journalisten nehmen für sich in Anspruch, was Sie als Historiker behaupten: Man trägt Fakten zusammen und deutet sie.

Journalisten ohne Geschichtsbewusstsein wie mein Vater haben keine Vorstellungen mehr, wie die Geschichte gedeutet werden soll, darum sind sich alle Journalisten ähnlich geworden mit ihren wenigen schlichten Ideen. Es überrascht nicht, dass der Journalismus mit Grossbuchstaben im Westen zum Krieg aufruft. Der Journalismus ist eine kriegstreibende Kraft geworden. Eine kriegstreibende Kraft bedeutet für die Menschheit nichts Gutes.»

Solche Zeilen wird allerdings die NZZ-Kriegsgurgel Häsler in seiner Oberst-Uniform kaltlächelnd überlesen. Dennoch sind sie sehr wahr.

Roman Bucheli ehrt es, dass er Todd kräftig in die Zange genommen hat und mit kritischen Fragen bombardiert, denn natürlich ist er mit verschiedenen Thesen im neuen Buch des Historikers nicht einverstanden.

Erst so entsteht ein spannendes und für den Leser gewinnbringendes Gespräch. Was das Gesülze beispielsweise im Weichspülerinterview des Tagi mit Michel Friedman doppelt unerträglich macht.