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Hello, Mr. President

«Moskau hatte recht». Seltener Satz in den westlichen Medien.

Gelassen aussprechen tut ihn, Überraschung, die «Weltwoche». Also sie lässt ihn aussprechen. Von Wladimir Kornilow, der das – nächste Überraschung – bei «Russia Today» tat, dem «staatlich finanzierten Online-Portal», wie die WeWo immerhin anmerkt.

Thema ist die Enthüllung der «New York Times», dass die CIA in der Ukraine seit vielen Jahren geheime Basen unterhält: «In einem umfassend recherchierten Artikel berichteten die Journalisten, wie in der Ukraine mindestens zwölf geheime Stützpunkte an der Grenze zu Russland aufgebaut wurden und immer noch betrieben werden, um Spezialoperationen gegen Russland zu führen.»

Da kann sich Kornilow in aller journalistischen Objektivität eines Jubelschreis nicht enthalten: «Und all das fiel mit dem beispiellosen Geheul der westlichen Eliten anlässlich des zweiten Jahrestags des Beginns der russischen Militäroperation zusammen. Kaum war der einstimmige Chor verstummt, der Russland einer «unprovozierten Aggression gegen einen Nachbarstaat» beschuldigte, da bestätigte eine der einflussreichsten Zeitungen der USA all jene Argumente, mit denen Russlands Präsident unsere Aktionen begründete.»

Unsere Aktion? Mit Verlaub, der russische Präsident gab als Ziel der kurzfristigen, mit der schnellen Einnahme Kiews endenden militärischen Spezialoperation an, dass damit die Ukraine «entnazifiziert» werden solle. Aber so ist das halt mit Präsidenten, was geht die nach zwei Jahren verlustreichem und brutalem Krieg ihr dummes Geschwätz von früher an.

Richtig lustig ist aber, dass Kornilow in seinem Triumphgeheul ein kleines, aber nicht unwichtiges Detail gar nicht auffällt. Ein solcher Artikel wäre in Russland undenkbar. Unmöglich, nicht vorstellbar. Selbst wenn sanftere Kritik geäussert wird oder kleinere Skandale innerhalb der ungeheuerlichen Korruption des Kleptokratenregimes von Putin aufgedeckt werden, bezahlen das russische Journalisten nicht zu selten mit dem Leben.

Aber in diesem Sinne ist es eine gute Idee der WeWo, diesen Propaganda-Schwafler zu dokumentieren. Sein Beitrag zeigt das ganze Elend einer gelenkten, zensierten Presse. Allerdings ist es auch kein Ruhmesblatt der deutschsprachigen Medien, dass sie diese Enthüllung der NYT auf kleinem Feuer kochen, weil sie unangenehm in ihre Gesinnungsblase sticht.

Aber das Grundproblem russischer Propaganda bleibt bestehen. Man kann einen Überfall nicht schönschwätzen. Die USA in Vietnam, im Irak und in Afghanistan. Und an unzähligen weiteren Orten der Welt. Die alten Kolonialmächte Frankreich und England und Belgien und die Niederlande bis heute in Schwarzafrika oder im fernen Osten.

Imperiale Mächte denken imperial und nicht in ihren Landesgrenzen. Aber immerhin gibt es seit den «Pentagon Papers» (das war noch eine Enthüllung) in westlichen Medien eine Tradition, dass die Medien immer mal wieder ihrer Aufgabe nachgehen, den Mächtigen auf die Finger zu klopfen. Ähnliches ist von Organen wie «Neues Deutschland» bis «Prawda» nicht bekannt.

Wie hältst du’s mit der Zensur?

Was geht – und was gar nicht geht.

In den Verfassungen gibt es weltweit zum Thema Zensur wohlklingende Worte. So das deutsche Grundgesetz, Artikel 5: «Eine Zensur findet nicht statt.» In den USA regelt das der Erste Zusatzartikel zur Verfassung: «Der Kongress soll kein Gesetz erlassen, das die Einführung einer Staatsreligion zum Gegenstand hat, die freie Religionsausübung verbietet, die Rede- oder Pressefreiheit oder das Recht des Volkes einschränkt, sich friedlich zu versammeln und die Regierung durch Petition um Abstellung von Missständen zu ersuchen.»

Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO legt fest: «Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäusserung; dieses Recht schliesst die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.»

Kurz und knackig die Formulierung in der Schweizer Bundesverfassung: «Zensur ist verboten.»

Heisst das nun, dass die Meinungsfreiheit grenzenlos ist? Nein, keine Freiheit darf grenzenlos sein, dann wird sie zur Willkür. Natürlich ist die Verbreitung von Kinderpornographie nicht durch die freie Meinungsäusserung gedeckt. Natürlich gibt es weitere Äusserungen, die strafbewehrt und daher verboten sind. Das ist kein Widerspruch zum Verbot der Zensur oder der möglichst umfangreichen Meinungsfreiheit.

Wie alle Freiheitsrechte ist in Schönwewtterperioden und bei Sonntagsreden das Bekenntnis zur Meinungsfreiheit und die Ablehnung von Zensur wohlfeil. Nun hat aber die EU beschlossen, die beiden russischen staatsnahen Sender «Russia Today» (RT) und «Sputnik» zu verbieten. Ein eklatanter Verfassungsbruch, nicht nur in Deutschland. Nicht begründbar.

Nun hat die Schweiz im Prinzip beschlossen, die EU-Sanktionen zu übernehmen. Gilt das auch für diese Zensurmassnahme? Erschreckend ist, dass darüber offenbar im Bundesrat Meinungsverschiedenheiten herrschen. So ist es erwiesen, dass die Bundesrätinnen Amherd und Sommaruga einem solchen Verbot zustimmen wollen oder zumindest wohlwollend gegenüberstehen. Hingegen spricht sich BR Parmelin strikt dagegen aus.

Glücklicherweise hat sich inzwischen die Vernunft durchgesetzt. Die Schweiz übernimmt auch das vierte Sanktionspaket der EU – mit Ausnahme dieser Zensurmassnahme.

Solange das noch nicht zensuriert wird: Das sind gleich zwei Skandale. Dass sich sogar Bundesräte um die Schweizer Verfassung foutieren, das ist ungeheuerlich und kann nicht oft genug angeprangert werden.

Ein gleichgrosser Skandal ist, dass diese Haltung von den Schweizer Medien kommentarlos berichtet wird. So als ginge es um eine Meinungsverschiedenheit über die Neuordnung des Aktenrundlaufs im Bundesarchiv. Dabei geschieht hier etwas, was nicht geht. Was in einem Rechtsstaat ein Unding ist.

Das macht die Schweiz natürlich nicht zu einem zweiten Russland oder China. Es ist ja im Rahmen der Meinungsfreiheit nicht verboten, über ein Verbot von Medienplattformen zu diskutieren. Aber Bundesräte sind dafür, die Medien schweigen? Das beelendet.

«Zensur ist verboten»

Steht so in der Bundesverfassung. Sieht BR Amherd anders.

Russland, der Zensurstaat, verbietet ausländische Berichterstattung und verbannt sogar die sozialen Medien aus seinem Internet. So grausam geht es in Putins Reich zu. Die armen Russen, einseitig informiert, verführt, kennen nicht die Segnungen des freien Westens. Wo sich jeder überall informieren darf.

Nun ja.

In der EU wurden die beiden russischen Medien «Russia Today» (RT) und «Sputnik» – verboten. Sie betrieben eine «systematische Manipulation von Informationen» und stellten sogar eine Bedrohung für die innere Sicherheit dar, behauptet die EU-Kommission. Davor muss sie nun die armen EU-Bürger schützen, diese Trottel, die sich sonst von der russischen Propaganda einlullen lassen würden.

In der Schweiz ist das etwas schwieriger, denn es gibt eben diese Bundesverfassung und darin diesen Artikel, der Zensur verbietet. Blöd aber auch. Dabei beteiligt sich die Schweiz doch sonst an allen EU-Sanktionen und friert Russengelder en masse ein. Auch hier ist die EU vorbildlich: RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan beteilige sich nach Brüsseler Angaben an einem «Desinformationskrieg» und darf nicht mehr in die EU einreisen, zudem wurde ihr Vermögen in der Union eingefroren.

So macht man das in lupenreinen, freiheitlichen Demokratien. Da kann die Schweiz doch nicht abseits stehen, oder? Swisscom, Sunrise und Salt haben die beiden Sender bereits aus ihren Programmen genommen. Wieso, aufgrund welcher gesetzlicher Grundlage? Ach, nö, einfach so.

Wehrhafte Verteidigungsministerin

Aber man kann diese Propagandaschleudern dennoch weiter in der Schweiz empfangen. Diese Willi Wühlers, entsprungen aus den Fantasien des Zivilverteidigungsbüchleins aus dem Kalten Krieg.

Bundesrat Guy Parmelin lehne ein Verbot der Staatssender ab, berichtet Tamedia. Das sei unverhältnismässig und ein Eingriff in die Medienlandschaft und die Meinungsäusserungsfreiheit. Typisch SVP halt, diese Putin-Versteher.

Wehrhafter ist unsere Verteidigungsministerin Viola Amherd. Sie befürwortet ein Verbot: «Nach konsequenter Übernahme der EU-Sanktionen durch die Schweiz wäre das Abseitsstehen in dieser wichtigen Frage unverständlich», so das Verteidigungsdepartement auf Anfrage des «Tages-Anzeigers».

Noch wilder ist die Behauptung, das sei erlaubt, weil es bei den russischen Staatssendern nicht um Meinungsfreiheit und -Vielfalt gehe. Schliesslich seien diese Medien nicht unabhängig, sondern von Moskau gesteuerte und finanzierte Propagandainstrumente, fasst der Tagi die Argumente des VBS zusammen.

Also: Zensur ist verboten. Ausser, sie ist erlaubt. Weil die Schweiz sonst abseits stehen würde. Sender zuliesse, denen es nicht um Meinungsfreiheit gehe. So wie sie in allen anderen Schweizer Medien gepflegt wird.

Nicht schlecht. Eine Bundesrätin will gegen die Bundesverfassung verstossen. Eine Verteidigungsministerin will unser Grundgesetz angreifen und besiegen. Und die freiheitlichen Meinungsblätter finden nichts weiter dran auszusetzen. Wie erbärmlich, oder sagten wir das schon.

 

 

 

Russen-Zensur

Schreckliches Russland, freier Westen. Echt jetzt?

«Russia Today» (RT) ist ein russischer Staatssender. Seine Selbsteinschätzung: «RT DE ist ein Medium, dessen Blick auf die Entwicklungen in Deutschland, Europa und der Welt durch Pragmatismus, Kompetenz und gesunden Menschenverstand geprägt ist», mögen nicht viele teilen.

Der dysfunktionalen EU fiel es aber ein, die weitere Ausstrahlung von«Russia Today» und von «Sputnik» schlicht zu verbieten.

Das verkündete Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission. Das ist, so mehr oder minder, die europäische Regierung, und von der Leyen war gar nicht als Kandidatin angetreten, wurde aber dennoch gewählt.

Das alles führt offenbar zu bedauerlichen rechtsstaatlichen Verwirrungen. Denn man mag von RT und Konsorten halten, was man will: In einem Rechtsstaat braucht es entsprechende Gesetze, die ein solches Verbot legitimieren. Es kann in erster Linie nicht sein, dass eine Regierungspräsidentin selbstherrlich und ohne Verweis auf die gesetzliche Basis ihres Handelns verkündet, dass ein Sender einfach verboten wird.

Der Vizepräsident fügte noch hinzu, diese Sender stellten «eine erhebliche und unmittelbare Bedrohung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Union dar.» Echt jetzt? Würde der Randgruppen-Sender RT, den ja nur fanatische Russland-Fans ernst nehmen können, tatsächlich Ordnung und Sicherheit innerhalb der EU bedrohen? Womit? Mit seinen Sendungen? Echt jetzt?

Mindestens so kläglich wie dieses Verbot war die Reaktion der übrigen Massenmedien in Deutschland. Knappe Meldung, kein Kommentar. Die grossartige westliche Medienfreiheit, eines der wichtigsten Assets im Direktvergleich mit autoritären Staaten? Gesetzliche Regeln bilden die Grundlagen für das Handeln der Regierung, zweiter wichtiger Unterschied zu Russland oder China?

Gesetzliche Grundlagen für Entscheide? Ach was

Nun, das ist die EU; schön, dass die Schweiz nicht Mitglied ist und autark und souverän entscheiden kann, was sie ihren Eidgenossen zumutet. Es steht zu vermuten, dass RT hierzulande keine erhebliche Bedrohung der Ordnung und Sicherheit darstellt. Also kann man ihn als freier Schweizer doch frei empfangen?

Leider nein, so weit geht dann die Freiheit doch nicht mehr. Denn was der EU billig ist, ist der Schweiz, die ja die Sanktionen unbesehen übernimmt, billiger. Also ist hierzulande auch Mattscheibe. Aber nicht nur das. «Swisscom» und «Salt» haben beschlossen, den Sender aus ihrem Angebot zu nehmen. Aufgrund welcher gesetzlichen Grundlagen? Keine vorhanden.

Ist es lebenswichtig, sich mit der Sicht der russischen Regierung, genauer des Kreml-Herrschers Wladimir Putin, beschallen zu lassen? Natürlich nicht, wer das tut, ist selber schuld. Sollte man aber in der freien Schweiz die Möglichkeit haben, das zu tun? Solange RT nicht klar gegen gesetzliche Bestimmungen verstösst, sollte das doch möglich sein.

«Die Swisscom hat aufgrund der ausserordentlichen Situation entschieden, Russia Today per sofort und bis auf weiteres nicht mehr auszustrahlen», lässt sich eine Sprecherin bei CH Media zitieren.

Natürlich herrschen deswegen in der Schweiz keine russischen Zustände. Natürlich sind in der Schweiz weiterhin kritische Recherchen möglich. Natürlich gibt es in der Schweiz weiterhin ein breites Informationsangebot. Natürlich kann man mit ein wenig Geschick weiterhin RT live verfolgen. Natürlich interessiert das eigentlich fast keinen.

Aber das nassforsche Vorgehen einer unter merkwürdigen Umständen ins Amt gewählten Präsidentin, die kommentarlose Übernahme durch Schweizer TV-Anbieter, das völlige Fehlen einer rechtlichen Grundlage für diese Entscheidungen, das ist leicht beunruhigend. Nein, das ist sehr beunruhigend.

 

 

 

 

 

Das erste Opfer des Kriegs

Nein, das ist nicht die Wahrheit. Weil es immer nur Wahrheiten gibt.

Das erste Opfer eines Kriegs ist die Bereitschaft zur Nachdenklichkeit. Ist der Verlust der Einsicht, dass niemand die Weisheit mit Löffeln gefressen hat. Stattdessen ist der Wettbewerb eröffnet: wer formuliert mit möglichst wenig Kenntnissen eine möglichst starke Meinung?

Dabei gibt es bislang nur eine unumstössliche Tatsache: Es ist ein durch nichts zu rechtfertigender Angriffskrieg. Es ist keine präventive Verteidigung. Es ist keine Aktion zur Entnazifizierung und auch nicht zur Verhinderung eines Genozids.

Sonst aber ist es alles, was Grossmächte halt ab und an so tun. Was die USA samt ihren westlichen Verbündeten in Vietnam, in Afghanistan, im Irak und in den Gebieten des sogenannten arabischen Frühlings taten und tun. Es ist das, was die europäsichen Verbündeten und die NATO insgesamt in Jugoslawien taten. Einen völkerrechtswidrigen Krieg zu führen nämlich, der nicht zuletzt in der völlig illegalen Abspaltung des Kosovo von Serbien endete, begleitet von Massakern allerorten.

Das macht die serbische Regierung nicht zu einer Versammlung von Chorknaben, genauso wenig wie die ukrainische. Noch 2014 gab es die Beteiligung von Neofaschisten an der ukrainischen Regierung, bis heute spielt das Regiment Asow, dem ukrainischen Innenministerium unterstellt und voller bewaffneter Neofaschisten, eine unrühmliche Rolle.

Die armen, uninformierten Russen

Weit verbreitet ist das Bedauern, dass die russische Bevölkerung leider nur von staatlich gelenkten Medien beschallt werde, was natürlich die Zustimmungswerte für Diktator Putin erkläre. Das ist ein typisches Beispiel für fehlende Fähigkeit zur Differenzierung.

Es ist grundsätzlich richtig, dass beispielsweise der auch auf Deutsch erhältliche Sender «Russia Today» die Karikatur eines nach journalistischen Prinzipien arbeitenden Newsverarbeiters ist. Die russischen TV-Programme, die grossen russischen Zeitungen, unbrauchbar. Aber: dank Internet kann sich jeder Russe, etwas Gelenkigkeit vorausgesetzt, beliebig informieren, aus allen erhältlichen Nachrichtenquellen der Welt.

Was die Schweizer Mainstream-Medien bieten, unterscheidet sich nicht gross von der disqualifizierenden Berichterstattung über die Pandemie. Repetitive Schwarzweiss-Malerei, oberflächliches Gehampel, verzweifelte Suche nach «Experten», die die Angst vor einem Atomkrieg zerstreuen sollen.

Jeder Schweizer kann sich aus allen alternativen Nachrichtenquellen der Welt bedienen. Wer sich die Zeit nehmen will, ein wenig Gegengift gegen den Mainstream aufzunehmen, dem sei ein schon älterer Artikel empfohlen.

Man bedauert, dass viele dieser warnenden Stimmen für immer verstummt sind. Unter den hier aufgeführten nur ein Zitat:

«Wir, die Unterzeichner, glauben, dass eine weitere NATO-Osterweiterung die Sicherheit unserer Alliierten gefährden und die Stabilität in Europa erschüttern könnte. Es besteht für die europäischen Nachbarn keine Bedrohung durch Russland.»

Welcher russlandhörige Kurzdenker hat denn das formuliert? Nun, es handelte sich um niemand geringeren als den für den Vietnamkrieg verantwortlichen ehemaligen US-Verteidigungsminister Robert McNamara.

Oder ein Zitat des Kriegsverbrechers und Kältesten aller kalten Krieger, Henry Kissinger: «Um zu überleben und sich zu entwickeln, darf die Ukraine Niemandes Vorposten sein. Vielmehr sollte sie eine Brücke zwischen beiden Seiten darstellen. … Dabei sollten wir uns um Versöhnung bemühen, und nicht um eine Dominanz einer der Fraktionen. … Die Dämonisierung von Wladimir Putin ist keine Politik. Sie ist ein Alibi für die Abwesenheit von Politik

Und der Elder Statesman Helmut Schmidt liess ebenfalls keinen Zweifel an seiner Meinung über eine mögliche Aufnahme der Ukraine in die EU und die NATO: «Das ist Größenwahn, wir haben dort nichts zu suchen.»

Jeder kann sich irren. Nur der «Experte» nicht

Natürlich können sich auch alle diese Herren irren. Darum geht es aber gar nicht. Es geht darum, dass in den Mainstreammedien, in der sogenannten freien Presse des Westens, in den von drei Medienclans beherrschten Tageszeitungen der Schweiz keine einzige Stimme Gehör findet, die sich um etwas Differenzierung bemüht.

Stattdessen geht die verzweifelte Suche nach Russland-Erklärern weiter. Genauer nach Figuren, die wie gewünscht in den Echo-Chor der Putin-Verdammer einstimmen. Neuster Versuch von «Blick TV»: Ulrich Schmid. Der HSG-Professor fantasiert von einem möglichen Zusammenbruch des Regimes und analysiert mit unglaublichen prognostischen Fähigkeiten: «Ich könnte mir vorstellen, dass die Einschüchterung massiver wird

Der Mann mit der Glaskugel: Zukunftsseher Ulrich Schmid.

Für solche Erkenntnisse sind wir echt dankbar, denn dafür muss man Slawistik studiert haben.

Presseleichen

Die «Deutsche Welle» wird in Moskau rausgeworfen. Zensur, Skandal, typisch.

Die Deutsche Welle (DW) ist das Pendant zu Swissinfo. Sie wurde 1953 gegründet und ist Teil der ARD. Alleine in Deutschland arbeiten rund 3000 Medienschaffende für die DW. Sie unterhält Büros in vielen Staaten der Welt.

Dazu gehörte bis gestern auch Moskau. Das russische Aussenministerium gab bekannt, dass DW ihr Büro in Moskau schliessen muss, seine Mitarbeiter die Akkreditierung verlieren und die Übertragung in Russland auf allen Kanälen gestoppt wird.

Dagegen erhob sich allenthalben grosses Geschrei; Zensur, das sei «in keiner Weise hinnehmbar», keifte die Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Sie fügte hinzu, dass es sich im Fall von «Russia Today» (RT) um eine «völlig andere Situation» handle.

Am Mittwoch hat eine für Sendelizenzen zuständige deutsche Behörde herausgefunden, dass dem deutschen Programm von RT die «erforderliche medienrechtliche Zulassung» fehle. Und daher die Verbreitung des RT-Kanals im Geltungsbereich deutscher Gesetze vollständig verboten sei.

Glückliche Schweiz, hier kann man sowohl die DW wie auch RT weiterhin frei empfangen. Daher kann sich jeder ein Bild machen, welche Meinungen und Positionen über diese beiden Kanäle transportiert werden.

Gesetzliche Rahmenbedingungen

Natürlich sind sowohl die DW wie auch RT regierungsnah, um es sanft auszudrücken. Die deutschsprachige Ausgabe von RT sendet seit 2014 und verfügt über ein TV-Studio in Berlin. Bis Februar 2022 gab es dagegen keinerlei Zulassungsbedenken.

In Russland gibt es seit 2012 ein Gesetz, dass sich aus dem Ausland mitfinanzierte NGO speziell registrieren lassen müssen und diese Finanzquellen auch öffentlich machen. Das wird vielfach als Zensurmassnahme kritisiert.

RT existiert auch in den USA und sendet dort seit 2010 aus einem Studio nahe von Washington Programme in englischer Sprache. In den USA gibt es den «Foreign Agents Registration Act». Geboren in den Propagandakämpfen gegen das Dritte Reich und beibehalten im Kalten Krieg, existiert FARA bis heute und schreibt vor, «dass Personen, die in den USA politisch für ausländische Rechtspersonen tätig sind, diese Tätigkeit anmelden, dokumentieren und genehmigen lassen müssen».

2017 wurde RT (USA) dazu gezwungen, sich diesem Gesetz zu unterwerfen; seit 2018 kann RT nicht mehr im Kabelnetz empfangen werden.

Wer schon einmal versucht hat, ein Journalistenvisum für das Land of the Free zu bekommen, weiss, dass das keine kleine Unternehmung ist. Deshalb reisen bis heute die meisten Journalisten ohne ein. Das ist allerdings auch nicht risikolos.

Als es das noch gab, war es schöner Brauch, dass der Fotograf vor dem Reporter versuchte, die Immigration zu überwinden. Im blödesten Fall wurde er gefilzt und inquisitorisch gefragt, wieso er denn ein ganzes Arsenal an Fotoausrüstung mit sich führe. Standardantwort war, dass er ein begisterter Vogelfotograf sei. Brachte dann allerdings die Personenkontrolle einen Presseausweis oder einschlägige Dateien auf dem Computer zum Vorschein, konnte der Fotograf gleich wieder die Heimreise antreten.

Die Pressefreiheit liegt allenthalben auf dem Seziertisch

Das alles soll natürlich nicht ein billiges «die auch» sein. Der Streit um RT und DW beweist aber einmal mehr, dass es mit der ungehinderten Tätigkeit der Presse weltweit nicht zum Besten steht. Der alte Satz, dass im Krieg die Wahrheit zuerst stirbt, gilt inzwischen auch für oberflächlich friedliche Auseinandersetzungen.

In kriegerischen Konflikten ist es schon seit Jahren Brauch, dass sogenannte «embedded Journalists», also eingebettete Reporter, das zu sehen bekommen, was den jeweiligen Militärs passt.

Im grossartigen US-Film «Wag the Dog» gibt es die geniale Szene, wo sich die Berater eines US-Präsidenten darüber unterhalten, wie dessen absinkende Umfragewerte gedreht werden könnten. «Ich hab’s», sagt der eine, «wir sind im Krieg.» – «Ach ja» erwidert der andere, «das wüsste ich aber. Gegen wen denn?» – «Daran arbeite ich noch» sagt der erste.

Der deutsche Altkanzler meldet sich zu Wort

Hintergrund für diese Propaganda-Kriege mit gegenseitigen Zensurvorwürfen ist das besondere Verhältnis zwischen Deutschland und Russland. Insbesondere wegen der Erdgaspipeline «Nordstream 2». Die ist gegen den erbitterten Widerstand der USA fertiggestellt worden und eigentlich einsatzbereit.

Den deutsche Altkanzler Gerhard Schröder verbindet eine Männerfreundschaft mit dem russischen Präsidenten Putin, den er schon mal als «lupenreinen Demokraten» bezeichnete, was ihm seither als Zitat nachläuft. Zudem ist Schröder gegen gutes Geld im Aufsichtsrat von russischen Staatsfirmen vertreten. Währenddessen duckt sich der neue deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz weg, was den Ukraine-Konflikt betrifft.

In all diesem Schlamassel ist weder die Verweigerung der Ausstrahlung von RT in Deutschland, noch die Schliessung des DW-Büros in Moskau ein Beitrag zur Pressefreiheit. Wobei man der Gerechtigkeit halber sagen muss, dass Deutschland diesen Kriegsschauplatz eröffnete.

Schreibende Sparmassnahme

Kaum etwas ist so billig wie ein pensionierter, aber immer noch mitteilungswilliger Journalist.

Leider ist billig oft auch wertlos. Besonders schön zeigt sich dieses Elend in der aktuellen Ausgabe der «NZZ am Sonntag». Die ersten drei Seiten des Bundes «Hintergrund» sind für Meinungen reserviert.

Vorne dürfen die Redaktoren selbst, auf der nächsten Seite wird nicht zu selten einem Gastkommentator das Wort erteilt. Und in einem knappen Streifen wird das abgefüllt, was früher mal eine kompetente Medienkritik war, betreut von einem erfahrenen und langjährigen Redaktor, einer Koryphäe.

Andere Zeiten, aber nicht bessere

Die Zeiten ändern sich, leider nicht immer zum Besseren. Ein Zusammenprall von Licht und Elend ist hier zu beklagen. Als Gastkommentator macht sich der Professor der Uni St Gallen, Caspar Hirschi, ein paar intelligente Gedanken zur Frage, wieso eigentlich in der Schweiz keine blutigen Revolten mehr stattfinden. Er beginnt mit der guten Feststellung:

«Man kann nur verurteilen, was man verstanden hat. … Es ist die Voraussetzung dafür, dass man auch jenen gerecht wird, die man ins Unrecht setzt.»

Wo dieser Grundsatz nicht gelte, herrsche «Willkür», resümiert Hirschi.

Als abschreckendes Beispiel führt er den bekennenden Wutmoderator Sandro Brotz von der «Arena» an. Seine Überlegungen sind wissenswert:

«Es folgte eine Schaltung nach Einsiedeln, wo ein bärtiger Mann im weissen Chutteli eine Krumme paffte und ruhig der Fragen harrte, die da kommen mochten. Nur: Es kamen kaum Fragen. Erst forderte Brotz den Treichler auf, sich von den Krawallbrüdern auf dem Bundesplatz zu distanzieren, dann geisselte er die Ausschreitungen als «undemokratisch» und «unschweizerisch», schliesslich warf er ihm vor, den Rechtsstaat zu missachten und das Land zu spalten. Sandro Brotz inszenierte ein Verhör samt Verurteilung. Er wollte nichts verstehen und hatte nichts verstanden. Das Ganze hatte den absurden Effekt, dass der Interviewte die präzisierenden Nachfragen stellte und der Interviewer wie ein Spalter wirkte.»

Natürlich kannte Hirschi den Inhalt der Spalte rechts von seinen Ausführungen nicht, selbstverständlich hätte er dazu auch nicht Stellung nehmen dürfen. Obwohl sich das Beispiel mindestens so gut wie Brotz eignet, um zu exemplifizieren, was passiert, wenn verurteilt wird, ohne verstehen zu wollen, wie willkürlich absurde Schlüsse gezogen werden.

Was mal Medienkritik war, ist nur noch Flachsinn

Denn hier fährt Felix E. Müller die einstmals angesehene «Medienkritik» bei der NZZ gegen die Wand. Der langjährige Chefredaktor der NZZaS hat inzwischen viel Zeit und ist mitteilungsbedürftig, da pensioniert. Eine schlechte Mischung.

Er hat ein These, dann biegt er die Realität zu ihr hin. Eine üble Masche. Seine These: Putin beeinflusse «die hiesige Politik». Der krumme Weg zum angeblichen Beweis: Es gibt den TV-Sender «Russia Today». Natürlich so regierungstreu wie die SRG in der Schweiz. Seine deutsche Variante wurde vor Kurzem von YouTube gesperrt.

Putins Fake News Schleuder.

Denn, so schliesst der kalte Krieger Müller messerscharf: «Für das Ziel, den Westen zu desta­bilisieren, kam Corona wie gerufen. RT Deutsch etablierte sich sofort als Plattform für die Verbreitung von Fake-News über das Virus.»

Seit den Zeiten des «Zivilverteidigungsbüchleins» und den Warnungen vor dem subversiven Treiben eines «Willi Wühler» hörte man solchen Unsinn nicht mehr. Nächster wackeliger Schritt in der Beweisführung: die schädlichen Auswirkungen der «Destabilisierung» sehe man in den «Kommentarspalten» von «Weltwoche», «Nebelspalter» und – erstaunlich – «20 Minuten».

Deutsch, aber Propaganda für Putin.

Eine blecherne Pointe nach kurzer Strecke

Nun ist der Platz für diese Kolumne sehr beschränkt, ist’s der Autor auch, muss er schleunigst zur krachenden Schlusspointe kommen: Es liesse sich «mit nur geringer Zuspitzung» nämlich sagen, dass

«die Freiheitstrychler in ihrer herzhaften Naivität dazu beitragen, hierzulande die Botschaft des Kremls lautstark zu verbreiten, und damit helfen, im Sinne Putins auch die schweizerische Regierung zu schwächen».

Echt jetzt? Wirklich wahr? Ein paar urchige Bauern mit umgehängten Kuhglocken verbreiten naiv nicht nur die Botschaft des Kreml, sie schwächen gar unsere Landesregierung und bekommen nächstens von Putin persönlich den Lenin-Orden verliehen?

Wird man das auf der stolzen Brust der Treichler sehen?

Wohl nur der Platzmangel hielt Müller davon ab, mit der im Kalten Krieg üblichen Aufforderung zu enden: «Moskau einfach!» Vielleicht könnte die NZZaS auch noch etwas am Qualitätsmanagement arbeiten. Oder einfach Pensionäre in den wohlverdienten Ruhestand entlassen. Ruhe im Sinn von schweigen.