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Grenzen

Ist es schlimm, wenn die offene Debatte stirbt?

Israelische Kriegsverbrechen. Heikel, von Antisemitismuskeulen umstellt.

Klimawandel. Heikel, schnell ist man ein Klimaleugner, obwohl das ein selten bescheuerter Ausdruck ist.

Alles, was mit rund 165 verschiedenen Gendern zu tun hat. Schnell ist man ein Sexist und Gegner der Inklusion.

AfD in  Deutschland. Wenn die CDU ihre Programmpunkte übernimmt, ist das gut. Wer das Original dafür lobt, ist ein rechtsradikaler, angebräunter Hetzer.

Und die Grünen. Ist das nicht die opportunistischste, wendehalsigste, für Posten und Machterhalt alle Prinzipien aufgebende Partei, seit dem Zweiten Weltkrieg? Aber immer der moralische Zeigefinger in der Luft.

Asylanten und Immigranten. Wer darauf hinweist, dass sich Europa (und die Schweiz) damit gröbere Probleme geschaffen haben, ist ein Fremdenfeind, ach was, ein Rassist.

Ausufernder Sozialstaat, nicht länger bezahlbare Renten. Sozialdarwinist, hat kein Verständnis für die Armen und Bedürftigen. Wobei doch die Armut, trotz allen Anstrengungen, immer weiter zunimmt, gerade in der reichen Schweiz.

Wer zwischen Trump und Putin nur graduelle Unterschiede sieht, setzt sich gleich zwischen alle Stühle.

Unbezahlbare Schuldentürme der wichtigsten industrialisierten Länder, der geniale Täuschungsbegriff vom Sondervermögen. Schwarzseher, das wird alles durch ein gesteigertes BIP weggeputzt. Oder durch Zölle.

Die Corona-Krise, an der sich dank unfähigen Regierungen Pharmakonzerne und sogar zwei Maskenkids in der Schweiz dumm und krumm verdienten. Allgemeine Aufrüstung, Waffenhersteller auf der ganzen Welt können ihr Glück nicht fassen. Wohl ein Systemkritiker, der so was sagt, hat doch keine Ahnung.

Der Iran wird angeführt von fundamentalistischen Ayatollen; der Bevölkerung kann man nur wünschen, dass die hinweggefegt werden. Saudi-Arabien wird angeführt von einem fundamentalistischen Wahnsinnigen, der auch mal einen Oppositionellen in Einzelteile zerlegen lässt und seit Jahren einen schmutzigen Krieg im Jemen führt.

Moment, Iran ist Bestandteil der Achse des Bösen und der Terrorunterstützer, Saudi-Arabien ist ein Verbündeter des Westens.

Russland ist korrupt und wird autoritär regiert, eine einigermassen freie Presse gibt es nicht. Die Ukraine ist korrupt, wird autoritär regiert und eine einigermassen freie Presse gibt es nicht. Moment, die Russkis sind die Bösen, die Ukrainer die Guten.

Deutschland kennt Informationsfreiheit, aber Sender wie Russia Today oder Sputnik dürfen dort, wie in der ganzen EU, nicht empfangen werden. Will das völlig legale Internetradio Kontrafunk einen Bootsausflug auf dem Bodensee machen, können das linksradikale, gewaltbereite Chaoten verhindern. Keiner protestiert, niemand nimmt Notiz.

Man könnte die Beispiele ad libitum fortsetzen.

Was haben sie alle gemeinsam? Offensichtlich hat das dank Internet unendlich ausufernde Angebot an Informationen nicht dazu geführt, dass die breite Masse, die öffentliche Meinung qualitativ zugelegt hätte. Sich aufgrund leicht und für jeden erhältlicher Fakten, Analysen, Darstellungen eine eigen Meinung bilden möchte.

Im Gegenteil. Es wird immer einfacher, Etiketten anzukleben und durch ständige Wiederholung in die Köpfe zu hämmern. Statt den Kopf dazu zu benützen, wozu er eigentlich da ist, geben sich die meisten damit zufrieden, auf solch einfache und übersichtliche Art die Welt ordnen zu können.

Dass sich immer wieder herausstellt, dass es so einfach eben nicht ist, das vermag keinen Irrgläubigen zu irritieren, der zu wissen meint.

Ist die israelische Armee vielleicht doch nicht ein Hort von guten Friedensbringern? Sind die Werte der USA vielleicht doch nicht segensreich für die ganze Welt? Könnte es wirklich sein, dass die überwältigende Mehrheit aller Staaten die Sanktionen gegen Russland nicht mitträgt? Sind afrikanische Staaten nicht Opfer der Kolonialzeit und postkolonialer Ausbeutung? Sondern werden von ihren eigenen korrupten Diktatorenclans ausgebeutet?

Ging es dem durchschnittlichen Libyer unter Gaddafi, dem durchschnittlichen Iraker unter Hussein, nicht etwa besser als heute, nach der Befreiung von diesen grausamen Diktatoren?

Wer all das liest und ein wenig über diese Fragen nachdenkt, gehört heute bereits zu den happy few, die unter Umständen tatsächlich bereit sind, sich auf die anstrengende Tätigkeit einzulassen, die Welt und die Wirklichkeit verstehen zu wollen.

Orwell lässt grüssen

Moskau feiert, Kiew feiert. Und Gaza wird zerstört und entvölkert.

Massenmedien, die den Anspruch auf Glaubwürdigkeit erheben wollen, sollten ein Mindestmass an Objektivität bewahren. Die es absolut nicht gibt, aber man könnte ja versuchen, sich ihr anzunähern.

Russland begeht den 80. Jahrestag des Sieges über den Hitler-Faschismus. Kein Land der Welt hat wie die verblichene Sowjetunion einen dermassen hohen Blutzoll (mehr als 27 Millionen Tote) und gigantische Zerstörungen durch den Angriffskrieg des Hitler-Faschismus erlitten. Die Westalliierten haben erst 1944 mit der Landung in der Normandie ernsthaft eingegriffen. Aus Furcht, dass die nach Stalingrad siegreiche Rote Armee ganz Europa, mindestens das ganze Deutsche Reich erobern könnten.

Winston Churchill, nie um ein offenes Wort verlegen, meinte nach dem Sieg: «Vielleicht haben wir das falsche Schwein geschlachtet.» Das war auch die Hoffnung der Soldateska um den Kriegsverbrecher Graf von Stauffenberg, die Hitler vergeblich aus dem Weg räumen wollte, um einen Separatfrieden mit dem Westen auszuhandeln, um dann gemeinsam die UdSSR zu vernichten.

Dass Präsident Putin den Jahrestag dazu missbraucht, den Überfall auf die Ukraine zu rechtfertigen, kann als Propagandagedöns denunziert werden. Es ist genauso dummes Gequatsche wie die Ankündigung Präsident Trumps, den Ukrainekrieg am ersten Tag, allenfalls nach 100 Tagen zu beenden.

Die westlichen Staatschefs glänzten in Moskau durch Abwesenheit, knirschend musste eingestanden werden, dass dennoch viele Führer grosser Staaten in Moskau anwesend waren, in erster Linie Chinas Präsident Xi.

Die Anwesenheit eines Vertreters der EU in Moskau wurde im Rahmen der Meinungsfreiheit und der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten hingegen harsch kritisiert.

Respektvolles Gedenken an die unvorstellbaren Opfer der Sowjetunion ist eine Sache. Das kurz erwähnen, um dann auf Putin einzuprügeln, ist eine andere, unerträgliche.

Der US-Regisseur und Oscar-Preisträger Oliver Stone lässt sich von «Russia Today» zitieren: «Vor Journalisten äusserte er seine Empörung über Geschichtsrevisionismus und russophobe Politik in der Europäischen Union. «Ich finde das echt krass und bin echt schockiert, aber es passiert».» Damit hat er, anwesend in Moskau, den Bereich des Erwähnbaren in den westlichen Mainstreammedien verlassen.

Dafür gaben sich an der Gedenkfeier in Kiew die wichtigsten Vertreter der EU ein Stelldichein. Deutschland, England, Frankreich, auch Polen, waren mit Präsident und Ministerpräsidenten anwesend. Dabei waren grosse Teile der ukrainischen Bevölkerung Helfershelfer des Faschismus, halfen willig dabei, Hunderttausende von Juden zu deportieren oder gleich vor Ort umzubringen.  Der Kriegsverbrecher Stepan Bandera wird bis heute im Westen der Ukraine mit Denkmälern und Heldenverehrung gewürdigt. Die Asow-Brigaden, eine kriminelle ukrainische Soldateska, halten sein Andenken und seine Ideologie weiter hoch.

Die Teilnahme russischer Vertreter an den peinlichen, kleinen Gedenkveranstaltungen in Deutschland (der 8. Mai ist nichtmal ein allgemeiner Feiertag) ist unerwünscht. Als Ausdruck höchster Toleranz werden die Denkmäler zur Erinnerung an den heldenhaften Kampf der UdSSR (noch) nicht geschleift. Kann aber noch kommen.

Die DDR feierte den 8. Mai als Tag der Befreiung, die wiedervereinigte BRD wenn schon als Tag der Niederlage.

Zudem ist die israelische Regierung rund um den zur Fahndung ausgeschriebenen mutmasslichen Kriegsverbrecher Netanyahu finster entschlossen, die letzten Reste der Infrastruktur im Gazastreifen zu zerstören. Seit Längerem werden keine Hilfslieferungen mehr nach Gaza durchgelassen. Die Bevölkerung sollte sich am besten in Luft auflösen – oder einfach  krepieren. Frauen, Kinder, Alte, das ist der israelischen Soldateska so egal wie zuvor der Hamas.

Auch das ist natürlich eine nicht ausgewogene Darstellung dieser Ereignisse. Aber Moskaus Siegesparade als reine «Propagandashow» zu denunzieren, über Kiew hingegen wohlwollend zu berichten, beim Völkermord im Gazastreifen so distanziert wie möglich der Berichterstatterpflicht nachzugehen, das hat nichts mehr mit geldwerten Leistungen zu tun.

Der Konsument würde gerne dafür bezahlen, in einer aus den Fugen geratenen Welt Orientierungshilfe, Einordnung zu bekommen. Für diese Hilfestellung wären viele gerne bereit, Abonnements zu unterhalten, die inzwischen auch nicht mehr ganz billig sind.

Obwohl seit Jahren das Prinzip herrscht: weniger Angebot für höhere Preise.

Stattdessen:

«Protzparade, wie Putin seinen Krieg rechtfertigt, Kriegspropaganda, Moskau schränkt das Internet ein, insgesamt 29 ausländische Staats- und Regierungschefs sollen russischen Staatsmedien zufolge an der Parade teilnehmen».

Oder gleich, auch «Die Zeit» zerstört ihr Renommee: «Die Erinnerung an den Weltkrieg muss eine Mahnung sein, Russland bei seinem Angriff auf die Ukraine zu stoppen.» Oder der «Spiegel»: «Ein Aussteiger berichtet, wie Putin die Geschichte missbraucht».

Dagegen Schalmeien bei der Beschreibung des Propaganda-Events in Kiew.

Schön, gibt es die Papstwahl. Da rücken die Verbrechen der israelischen Regierung im Gazastreifen, die allen Regeln des Völkerrechts widersprechenden Angriffe auf Syrien und den Libanon in den Hintergrund. Man stelle sich vor, Russland würde nicht nur in der Ukraine einen Krieg führen, sondern auch noch willkürlich umliegende Staaten bombardieren und attackieren.

Die Journaille würde sich nicht mehr einkriegen. Aus Furcht, mit der Antisemitismus-Keule erschlagen zu werden, wagt es kaum einer, an Israels völlig illegalen, menschenverachtenden Militäroperationen Kritik zu üben.

Dafür gibt es einen Stellvertreterkrieg um den European Song Contest in Basel. Soll Israel daran teilnehmen? Nemo, der Vorjahressieger, und viele andere Kunstschaffende haben sich dagegen ausgesprochen, die Veranstalter halten unverbrüchlich daran fest. Statt Friede, Freude, Eierkuchen, bereitet sich die Stadt auf Ausschreitungen und üble Zusammenstösse vor.

Natürlich sind alle Solidaritätsadressen an die verbrecherische Hamas verächtlich und zeugen von völliger Verspeiltheit. Aber dass Events, die Multimillionen von Zuschauern haben, ein Geschenk für alle sind, für ihre Anliegen einzutreten, kann wohl nicht überraschen.

Liest man hier Einordnung, Reflexion? «So tobt Basel», schreibt die bz doppeldeutig. Denn es steht ja auch noch die Meisterfeier an. Hier wird mal wieder «unabdingbare Verteidigung des Existenzrechts Israels» und «from the river to the sea» aufeinanderprallen. Natürlich unversöhnlich, und sicherlich auch gewalttätig.

Bemühen sich da die Medien, die Gründe für das Verhalten beider Antagonisten ihren Konsumenten verständlich zu machen? Die Frage stellen, heisst, sie zu beantworten.

 

Feiges Filmfestival

Was für ein Wackelpudding ist Christian Jungen.

Es gibt einen Dokumentarfilm über «Russians at War». Festivaldirektor Jungen hatte noch vor Kurzen getönt: «Filme sollen zu Diskussionen anregen. Und wir verstehen diesen Film als Antikriegsfilm.»

Die russisch-kanadische Filmemacherin Anastasia Trofimova hatte während sieben Monaten russische Soldaten im Ukrainekrieg begleitet. Sie sagt, es handle sich dabei um eine menschliche Momentaufnahme von Soldaten, die sich in einem sinnlosen Krieg befinden; sie selbst verurteile die Invasion als ungerecht und illegal.

Der Streifen war bereits an den Internationalen Filmfestspielen von Venedig gezeigt worden – ohne Zwischenfälle. In Toronto war seine Vorführung allerdings zunächst wegen Drohungen abgesagt worden.

Am Zurich Film Festival (ZFF) laufen zudem zwei Dokumentarfilme, die die ukrainische Seite zeigen. Alleine die unverschämte Intervention eines Sprechers der ukrainischen Regierung hätte in einem Land, in dem Meinungsfreiheit hochgehalten wird, scharfe Zurückweisung erfahren müssen:

«Wir fordern die Organisatoren des ZFF dringend auf, die Reputation des Festivals nicht durch die Aufführung von «Russians at War» zu ruinieren. Das ist ein Propagandafilm, der Kriegsverbrechen weisswäscht. Wirkliche Russen sind Invasoren, Kriegsverbrecher und Vergewaltiger. Das zu überdecken macht jeden zum Komplizen.»

Dagegen hielt zunächst der pseudomutige Jungen, dass er sich auf ein «veritables Filmfest mit Substanz und Glamour» freue. Wer sich den Trailer der Dokumentation anschaut, sieht, dass es sich um alles andere als einen Jubel-Propagandafilm handelt. Er zeigt etwas, was ukrainischen Kriegsgurgeln und ihren dümmlichen Apologeten in der Schweiz nicht in den Kram passt: russische Soldaten als Menschen.

Am Donnerstagabend dann die Kehrtwende: «Die Sicherheit unseres Publikums, der Gäste, Partner und Mitarbeitenden steht für das ZFF an oberster Stelle.» Daher wird die Aufführung abgesagt, die angekündigte Podiumsdiskussion mit der Regisseurin, zu der auch der ukrainische Botschafter in der Schweiz eingeladen wurde, ebenfalls. Die Regisseurin wird nicht in die Schweiz reisen.

Das heisst also, dass die Leitung des ZFF einknickt, wenn Antidemokraten und Feinde der Meinungsfreiheit nur genug Lärm machen. Da hierzulande niemand den Film gesehen hat, kann keiner sich eine Meinung darüber bilden, ob es russische Propaganda sei oder nicht. Aber das ist nicht einmal entscheidend.

Entscheidend ist: in Russland und in der Ukraine herrscht Zensur. Kann von Meinungsfreiheit und freier Meinungsbildung keine Rede sein, werden oppositionelle Meinungen unterdrückt, auch mit drakonischen Mitteln. So hat das ukrainische Kulturministerium die Regisseurin Trofimova zu «einer Bedrohung der nationalen Sicherheit» erklärt. Echt jetzt?

In der Schweiz ist das anders. Im Gegensatz zur EU kann man hier auch Russia Today weiterhin empfangen, und das ist gut so. Wer mündige Staatsbürger für so blöd hält, dass sie sich von russischer Staatspropaganda einseifen liessen, sägt an den Fundamenten einer freien Gesellschaft. Wer einen Dokumentarfilm als «russische Propaganda» kritisiert, wie das auch Schweizer Journalisten tun, ohne ihn gesehen zu haben, ist ein Dummkopf und sollte die Lizenz zum Schreiben verlieren. Das wäre mal eine sinnvolle Zensur.

Immerhin schreibt die NZZ, deren Abgesandter nach Venedig den Film offenbar gesehen hat: «Dass sich das ZFF mithin gezwungen sah, die Filmvorführung zu streichen, ist erschreckend.»

Schon der ukrainische Botschafter in Deutschland benahm sich dermassen unmöglich, dass er von seinem Posten abberufen werden musste. Was sich hier die ukrainische Regierung erlaubt, ist ebenfalls unerhört und müsste sowohl vom ZFF wie auch von der Zürcher Regierung genauso scharf beantwortet werden.

Jungen ist es gelungen, den Ruf des ZFF mit leichter Hand zu ruinieren. An der Einladung eines Roman Polanski wird festgehalten, aber ein Dokumentarfilm wird zensiert, wenn genügend Rüpel dagegen protestieren, wenn es gar Drohungen gibt? Überlässt man also dem Pöbel die Entscheidung, was wir anschauen dürfen und was nicht?

Diese Drohungen richten sich nicht in erster Linie gegen das ZFF. Sondern gegen die Meinungsfreiheit. Feige einzuknicken, das ist unehrenhaft, unanständig und desavouiert Jungen als Windfahne ohne Rückgrat.

Nach dieser erbärmlichen Vorstellung müsste er eigentlich seinen Rücktritt erklären. Was er aber nicht tun wird. Das Publikum sollte sie eigentlich mit Buhrufen und Pfiffen quittieren und unter Protest den Saal verlassen. Was es auch nicht tun wird, denn dabei könnte man ja das Cüpli verschütten oder den Auftritt auf dem grünen Teppich versauen. Anstatt sich im Glanz von Hollywoodstars zu sonnen, sollte die Stadtpräsidentin Corine Mauch und jeder Politiker, der sich am ZFF rumtreibt, seine Missbilligung ausdrücken. Was keiner tun wird.

Und wo bleibt der Protest der mutigen Mannen (und Frauen) von Tamedia, vom «Blick», von CH Media?

Erbärmlich.

Medienfreiheit nach SP-Art

Russia Today veröffentlicht trübselige Artikel. SP-NR Priska Seiler Graf reagiert trübselig.

Gleich vier Fachkräfte warf Tamedia in die Schlacht. Arielle Peterhans, Christian Brönnimann, Markus Häfliger und David Sarasin empörten sich gemeinsam: «Kampagne auf «Russia Today»: «Schweiz will Russland bombardieren» – Putins Staats­sender verstärkt Propaganda».

Das ist nicht falsch; ein Vollamok publiziert Meldungen wie «Schweiz will russische Städte bombardieren lassen». Die absurde Herleitung:

«Nur 24 Stunden nach dem Ukraine «Friedensgipfel» präsentiert die Schweiz einen kontroversen Vorschlag, der der Ukraine ermöglichen soll, russische Städte zu bombardieren. Diese Idee wurde von Priska Seiler Graf, der Präsidentin der schweizerischen Sicherheitspolitischen Kommission, initiiert. Es ist an der Zeit, Russland die militärische Stärke der Schweiz zu zeigen, meint die Zürcherin.»

Geschmackvoll wird Seiler diverse Male abgebildet, eine Bildlegende zu einer Fotomontage: «Überschminkte Kriegstreiberin: Die Eidgenossenschaft in der Kriegspandemie, betrunken im Kriegsrausch

Das ist nun dermassen bescheuert, dass wohl niemand ernsthaft ein Gefahrenpotenzial darin erkennen kann. Niemand? Die SP-Frau sieht das etwas anders:

«Auch Seiler Graf hält die Meinungsäusserungsfreiheit für wichtig, «aber was RT macht, ist keine freie Meinungsäusserung, sondern übelste Propaganda». Die Artikel seien «so perfide konstruiert, dass viele Schweizerinnen und Schweizer das offenbar glauben»

Sätze, die mit «ist wichtig, muss unbedingt gewahrt bleiben» beginnen, um dann in ein Aber abzurutschen, das ist ebenfalls leicht durchschaubare Demagogie. Und das soll ein «perfide konstruierter Artikel» sein? Für die, die’s noch nicht kapiert haben, wird Seiler Graf auf Tamedia noch deutlicher: sie findet, «die russische Propaganda habe inzwischen ein derart ungesundes Ausmass angenommen, dass die Schweiz ein Verbot von RT zumindest prüfen müsse».

Zumindest prüfen, daraus macht dann Haudrauf Philipp Gut in der WeWo gleich:

Nein, will sie nicht. Mit solchen Übertreibungen, inklusive der dummen Frage, wann sie denn ein Verbot von SRF fordern werde, tut Gut der Seriosität und Glaubwürdigkeit der WeWo auch keinen Gefallen.

Selbstverständlich ist das Verbot von «Russia Today» und anderen russischen Organen in der EU hanebüchen. Es ist noch schlimmer, nämlich dumm. Dass Seiler Graf diesem Gedanken zumindest nähertritt, ist ebenfalls dumm. Dass die WeWo eine Prüfung gleich zur Forderung hochschraubt, ebenfalls.

Dass Tamedia, das Hauptquartier der Anti-Trump-Berichterstattung (mit spärlichen eigenen und viel geliehenen Kräften aus München), sich über üble Propaganda von «Russia Today» erregt, statt mal den eigenen Laden aufzuräumen, na ja.

Hier gibt’s offenbar nur Verlierer. ein Trauerspiel.

Russenpolka

Wenn «Russia Today» den Bär tanzen lässt.

Propaganda will gekonnt sein. Dass der Westen auf diesem Gebiet Russland haushoch überlegen ist, hat ZACKBUM bereits dargestellt. Nun ein Beispiel, wie idiotisch dagegen russische Propaganda daherkommt.

Allerdings: immerhin kann man in der Schweiz die Webseite von «Russia Today» aufrufen; im EU-Raum wird sie – peinlich für unsere angebliche Meinungsfreiheit – zensiert. Obwohl es wirkungsvoller wäre, sie ungehindert ihren Nonsens verbreiten zu lassen.

Da wird um eine eher mit einer Holzhammer-KI erstellte Montage herum Unsinn behauptet:

Das entspricht zwar dem Gesetz von Le Bon, dass je dreister eine Lüge ist, desto eher werde sie geglaubt. Allerdings sollte eine solche Lüge auch den Hauch eines Belegs haben: «Es ist offiziell: Die pro-NATO und pro-Kiew Schweizer Regierung hat still und heimlich beschlossen, welche Zeitungen künftig gelesen werden dürfen und welche nicht.»

Vertrauenserweckender Autor ist «Szene isch Züri». Dieser Schwachkopf ist auch für Storys verantwortlich wie diese hier:

Der «Beweis»: «Diese Idee wurde von Priska Seiler Graf, der Präsidentin der schweizerischen Sicherheitspolitischen Kommission, initiiert. Es ist an der Zeit, Russland die militärische Stärke der Schweiz zu zeigen, meint die Zürcherin.»

Aber zurück zur Meinungszensur. Da geht’s im wilden Geholper weiter: «Offenbar haben ukrainische Propagandisten das Ruder übernommen: Im Namen des Demokratie-Schutzes plant die Schweiz rigorose Pressekontrollen und die Unterdrückung abweichender Meinungen.»

Anlass dieser wilden Behauptungen ist eine Medienmitteilung des Bundesrats über «Beeinflussungsaktivitäten und Desinformation». Hier werden einige Beispiele angeführt, am lustigsten ein Fake Inserat des Bundes, auf dem jedem Denunzianten eine Belohnung von 200 Franken versprochen wird, der meldet, wenn ein Nachbar seine Wohnung auf über 19 Grad heize. Immerhin 80 tapfere Eidgenossen riefen an …

Blöd für RT, dass es in diesem Bericht heisst: «Im Bereich Sanktionen hat die Schweiz namentlich diejenigen der EU vom 1. März 2022 gegen RT und Sputnik – wichtige staatsnahe russische Nachrichtenportale im Ausland – nicht übernommen. Auch wenn es sich bei diesen Kanälen um Werkzeuge der gezielten russischen Propaganda und Desinformation handelt, ist der Bundesrat der Meinung, dass es wirksamer sei, unwahren und schädlichen Äusserungen mit Fakten zu begegnen, anstatt sie zu verbieten. Die Reichweite dieser Medien in der Schweiz gilt als gering

Eigentlich zeigt diese Stellungnahme des Bundesrats das Gegenteil von dem, was RT behauptet: «Zurzeit existieren in der Schweiz keine Strukturen mit dem Ziel, umfassend systematische Beeinflussung
im Informationsraum zu erkennen, ihre Absicht und Urheberschaft zu ermitteln und gegebenenfalls da-
rauf zu reagieren.»

Reiner Schwachsinn steht tatsächlich auf RT: «Der Bundesrat empfiehlt dabei wärmstens nur noch SP- und Ukraine-freundliche Medien wie den Tages-Anzeiger und die Tagesschau des Schweizer Fernsehens.»

Damit nicht genug: «Auch Posts in sozialen Medien sollen ab dem 1. August entfernt werden, wenn sie der woken pro-NATO Regierung missfallen.»

Und weiter im wilden Verschwörungstaumel: «Die neueste Furzidee aus Bern ist, dass die Schweizer Regierung eine Fake-News-App auf deinem iPhone installieren will, die all deine Aktivitäten überwacht und mitliest, was du konsumierst – von Medien bis zu WhatsApp-Chats.»

Immerhin gefällt das selbst einem Kommentator auf RT nicht wirklich: «Der Artikel liest sich nicht nur grottenschlecht, er ist es auch inhaltlich. Gewöhnlich sind die fett geschriebenen Sätze Zitate. Hier werden Zitate suggeriert, die keine sind

Das beruhigt insofern, dass offenbar nicht alle RT-Leser über einen Hohlraum verfügen, wo bei anderen das Hirn sitzt.

Offensichtlich ist RT darüber erzürnt, dass die Schweizer Regierung zwar keinen Anlass für Zensur sieht, das aber auch damit begründet, dass RT und «Sputnik» nur geringe Reichweiten hätten. Das haben sich diese Kanäle allerdings selbst zuzuschreiben.

Eigentlich, in früheren Zeiten, wäre der Schmierfink hinter «Szene isch Züri» nach Moskau beordert worden, wo man ihm als westlichen Agenten einen Schauprozess gemacht hätte – mit anschliessendem bösem Ende. Denn es ist leider wahr: mit solchem Schwachsinn erweist sich die russische Propaganda einen Bärendienst. Selbst wenn dort gelegentlich bedenkenswerte Artikel erscheinen, werden die durch solchen Quatsch unglaubwürdig gemacht.

Und es ist für den «Tages-Anzeiger» ein Leichtes, sich darüber lustig zu machen. Obwohl das Blatt nicht nur in Gestalt ihres Auslandchefs ohne Ausland (Wagenknecht und Köppel als «willige Helfer Putins») schwere Schlagseite mitsamt Denunziantentum hat.

 

Hello, Mr. President

«Moskau hatte recht». Seltener Satz in den westlichen Medien.

Gelassen aussprechen tut ihn, Überraschung, die «Weltwoche». Also sie lässt ihn aussprechen. Von Wladimir Kornilow, der das – nächste Überraschung – bei «Russia Today» tat, dem «staatlich finanzierten Online-Portal», wie die WeWo immerhin anmerkt.

Thema ist die Enthüllung der «New York Times», dass die CIA in der Ukraine seit vielen Jahren geheime Basen unterhält: «In einem umfassend recherchierten Artikel berichteten die Journalisten, wie in der Ukraine mindestens zwölf geheime Stützpunkte an der Grenze zu Russland aufgebaut wurden und immer noch betrieben werden, um Spezialoperationen gegen Russland zu führen.»

Da kann sich Kornilow in aller journalistischen Objektivität eines Jubelschreis nicht enthalten: «Und all das fiel mit dem beispiellosen Geheul der westlichen Eliten anlässlich des zweiten Jahrestags des Beginns der russischen Militäroperation zusammen. Kaum war der einstimmige Chor verstummt, der Russland einer «unprovozierten Aggression gegen einen Nachbarstaat» beschuldigte, da bestätigte eine der einflussreichsten Zeitungen der USA all jene Argumente, mit denen Russlands Präsident unsere Aktionen begründete.»

Unsere Aktion? Mit Verlaub, der russische Präsident gab als Ziel der kurzfristigen, mit der schnellen Einnahme Kiews endenden militärischen Spezialoperation an, dass damit die Ukraine «entnazifiziert» werden solle. Aber so ist das halt mit Präsidenten, was geht die nach zwei Jahren verlustreichem und brutalem Krieg ihr dummes Geschwätz von früher an.

Richtig lustig ist aber, dass Kornilow in seinem Triumphgeheul ein kleines, aber nicht unwichtiges Detail gar nicht auffällt. Ein solcher Artikel wäre in Russland undenkbar. Unmöglich, nicht vorstellbar. Selbst wenn sanftere Kritik geäussert wird oder kleinere Skandale innerhalb der ungeheuerlichen Korruption des Kleptokratenregimes von Putin aufgedeckt werden, bezahlen das russische Journalisten nicht zu selten mit dem Leben.

Aber in diesem Sinne ist es eine gute Idee der WeWo, diesen Propaganda-Schwafler zu dokumentieren. Sein Beitrag zeigt das ganze Elend einer gelenkten, zensierten Presse. Allerdings ist es auch kein Ruhmesblatt der deutschsprachigen Medien, dass sie diese Enthüllung der NYT auf kleinem Feuer kochen, weil sie unangenehm in ihre Gesinnungsblase sticht.

Aber das Grundproblem russischer Propaganda bleibt bestehen. Man kann einen Überfall nicht schönschwätzen. Die USA in Vietnam, im Irak und in Afghanistan. Und an unzähligen weiteren Orten der Welt. Die alten Kolonialmächte Frankreich und England und Belgien und die Niederlande bis heute in Schwarzafrika oder im fernen Osten.

Imperiale Mächte denken imperial und nicht in ihren Landesgrenzen. Aber immerhin gibt es seit den «Pentagon Papers» (das war noch eine Enthüllung) in westlichen Medien eine Tradition, dass die Medien immer mal wieder ihrer Aufgabe nachgehen, den Mächtigen auf die Finger zu klopfen. Ähnliches ist von Organen wie «Neues Deutschland» bis «Prawda» nicht bekannt.

Wie hältst du’s mit der Zensur?

Was geht – und was gar nicht geht.

In den Verfassungen gibt es weltweit zum Thema Zensur wohlklingende Worte. So das deutsche Grundgesetz, Artikel 5: «Eine Zensur findet nicht statt.» In den USA regelt das der Erste Zusatzartikel zur Verfassung: «Der Kongress soll kein Gesetz erlassen, das die Einführung einer Staatsreligion zum Gegenstand hat, die freie Religionsausübung verbietet, die Rede- oder Pressefreiheit oder das Recht des Volkes einschränkt, sich friedlich zu versammeln und die Regierung durch Petition um Abstellung von Missständen zu ersuchen.»

Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO legt fest: «Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäusserung; dieses Recht schliesst die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.»

Kurz und knackig die Formulierung in der Schweizer Bundesverfassung: «Zensur ist verboten.»

Heisst das nun, dass die Meinungsfreiheit grenzenlos ist? Nein, keine Freiheit darf grenzenlos sein, dann wird sie zur Willkür. Natürlich ist die Verbreitung von Kinderpornographie nicht durch die freie Meinungsäusserung gedeckt. Natürlich gibt es weitere Äusserungen, die strafbewehrt und daher verboten sind. Das ist kein Widerspruch zum Verbot der Zensur oder der möglichst umfangreichen Meinungsfreiheit.

Wie alle Freiheitsrechte ist in Schönwewtterperioden und bei Sonntagsreden das Bekenntnis zur Meinungsfreiheit und die Ablehnung von Zensur wohlfeil. Nun hat aber die EU beschlossen, die beiden russischen staatsnahen Sender «Russia Today» (RT) und «Sputnik» zu verbieten. Ein eklatanter Verfassungsbruch, nicht nur in Deutschland. Nicht begründbar.

Nun hat die Schweiz im Prinzip beschlossen, die EU-Sanktionen zu übernehmen. Gilt das auch für diese Zensurmassnahme? Erschreckend ist, dass darüber offenbar im Bundesrat Meinungsverschiedenheiten herrschen. So ist es erwiesen, dass die Bundesrätinnen Amherd und Sommaruga einem solchen Verbot zustimmen wollen oder zumindest wohlwollend gegenüberstehen. Hingegen spricht sich BR Parmelin strikt dagegen aus.

Glücklicherweise hat sich inzwischen die Vernunft durchgesetzt. Die Schweiz übernimmt auch das vierte Sanktionspaket der EU – mit Ausnahme dieser Zensurmassnahme.

Solange das noch nicht zensuriert wird: Das sind gleich zwei Skandale. Dass sich sogar Bundesräte um die Schweizer Verfassung foutieren, das ist ungeheuerlich und kann nicht oft genug angeprangert werden.

Ein gleichgrosser Skandal ist, dass diese Haltung von den Schweizer Medien kommentarlos berichtet wird. So als ginge es um eine Meinungsverschiedenheit über die Neuordnung des Aktenrundlaufs im Bundesarchiv. Dabei geschieht hier etwas, was nicht geht. Was in einem Rechtsstaat ein Unding ist.

Das macht die Schweiz natürlich nicht zu einem zweiten Russland oder China. Es ist ja im Rahmen der Meinungsfreiheit nicht verboten, über ein Verbot von Medienplattformen zu diskutieren. Aber Bundesräte sind dafür, die Medien schweigen? Das beelendet.

«Zensur ist verboten»

Steht so in der Bundesverfassung. Sieht BR Amherd anders.

Russland, der Zensurstaat, verbietet ausländische Berichterstattung und verbannt sogar die sozialen Medien aus seinem Internet. So grausam geht es in Putins Reich zu. Die armen Russen, einseitig informiert, verführt, kennen nicht die Segnungen des freien Westens. Wo sich jeder überall informieren darf.

Nun ja.

In der EU wurden die beiden russischen Medien «Russia Today» (RT) und «Sputnik» – verboten. Sie betrieben eine «systematische Manipulation von Informationen» und stellten sogar eine Bedrohung für die innere Sicherheit dar, behauptet die EU-Kommission. Davor muss sie nun die armen EU-Bürger schützen, diese Trottel, die sich sonst von der russischen Propaganda einlullen lassen würden.

In der Schweiz ist das etwas schwieriger, denn es gibt eben diese Bundesverfassung und darin diesen Artikel, der Zensur verbietet. Blöd aber auch. Dabei beteiligt sich die Schweiz doch sonst an allen EU-Sanktionen und friert Russengelder en masse ein. Auch hier ist die EU vorbildlich: RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan beteilige sich nach Brüsseler Angaben an einem «Desinformationskrieg» und darf nicht mehr in die EU einreisen, zudem wurde ihr Vermögen in der Union eingefroren.

So macht man das in lupenreinen, freiheitlichen Demokratien. Da kann die Schweiz doch nicht abseits stehen, oder? Swisscom, Sunrise und Salt haben die beiden Sender bereits aus ihren Programmen genommen. Wieso, aufgrund welcher gesetzlicher Grundlage? Ach, nö, einfach so.

Wehrhafte Verteidigungsministerin

Aber man kann diese Propagandaschleudern dennoch weiter in der Schweiz empfangen. Diese Willi Wühlers, entsprungen aus den Fantasien des Zivilverteidigungsbüchleins aus dem Kalten Krieg.

Bundesrat Guy Parmelin lehne ein Verbot der Staatssender ab, berichtet Tamedia. Das sei unverhältnismässig und ein Eingriff in die Medienlandschaft und die Meinungsäusserungsfreiheit. Typisch SVP halt, diese Putin-Versteher.

Wehrhafter ist unsere Verteidigungsministerin Viola Amherd. Sie befürwortet ein Verbot: «Nach konsequenter Übernahme der EU-Sanktionen durch die Schweiz wäre das Abseitsstehen in dieser wichtigen Frage unverständlich», so das Verteidigungsdepartement auf Anfrage des «Tages-Anzeigers».

Noch wilder ist die Behauptung, das sei erlaubt, weil es bei den russischen Staatssendern nicht um Meinungsfreiheit und -Vielfalt gehe. Schliesslich seien diese Medien nicht unabhängig, sondern von Moskau gesteuerte und finanzierte Propagandainstrumente, fasst der Tagi die Argumente des VBS zusammen.

Also: Zensur ist verboten. Ausser, sie ist erlaubt. Weil die Schweiz sonst abseits stehen würde. Sender zuliesse, denen es nicht um Meinungsfreiheit gehe. So wie sie in allen anderen Schweizer Medien gepflegt wird.

Nicht schlecht. Eine Bundesrätin will gegen die Bundesverfassung verstossen. Eine Verteidigungsministerin will unser Grundgesetz angreifen und besiegen. Und die freiheitlichen Meinungsblätter finden nichts weiter dran auszusetzen. Wie erbärmlich, oder sagten wir das schon.

 

 

 

Russen-Zensur

Schreckliches Russland, freier Westen. Echt jetzt?

«Russia Today» (RT) ist ein russischer Staatssender. Seine Selbsteinschätzung: «RT DE ist ein Medium, dessen Blick auf die Entwicklungen in Deutschland, Europa und der Welt durch Pragmatismus, Kompetenz und gesunden Menschenverstand geprägt ist», mögen nicht viele teilen.

Der dysfunktionalen EU fiel es aber ein, die weitere Ausstrahlung von«Russia Today» und von «Sputnik» schlicht zu verbieten.

Das verkündete Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission. Das ist, so mehr oder minder, die europäische Regierung, und von der Leyen war gar nicht als Kandidatin angetreten, wurde aber dennoch gewählt.

Das alles führt offenbar zu bedauerlichen rechtsstaatlichen Verwirrungen. Denn man mag von RT und Konsorten halten, was man will: In einem Rechtsstaat braucht es entsprechende Gesetze, die ein solches Verbot legitimieren. Es kann in erster Linie nicht sein, dass eine Regierungspräsidentin selbstherrlich und ohne Verweis auf die gesetzliche Basis ihres Handelns verkündet, dass ein Sender einfach verboten wird.

Der Vizepräsident fügte noch hinzu, diese Sender stellten «eine erhebliche und unmittelbare Bedrohung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Union dar.» Echt jetzt? Würde der Randgruppen-Sender RT, den ja nur fanatische Russland-Fans ernst nehmen können, tatsächlich Ordnung und Sicherheit innerhalb der EU bedrohen? Womit? Mit seinen Sendungen? Echt jetzt?

Mindestens so kläglich wie dieses Verbot war die Reaktion der übrigen Massenmedien in Deutschland. Knappe Meldung, kein Kommentar. Die grossartige westliche Medienfreiheit, eines der wichtigsten Assets im Direktvergleich mit autoritären Staaten? Gesetzliche Regeln bilden die Grundlagen für das Handeln der Regierung, zweiter wichtiger Unterschied zu Russland oder China?

Gesetzliche Grundlagen für Entscheide? Ach was

Nun, das ist die EU; schön, dass die Schweiz nicht Mitglied ist und autark und souverän entscheiden kann, was sie ihren Eidgenossen zumutet. Es steht zu vermuten, dass RT hierzulande keine erhebliche Bedrohung der Ordnung und Sicherheit darstellt. Also kann man ihn als freier Schweizer doch frei empfangen?

Leider nein, so weit geht dann die Freiheit doch nicht mehr. Denn was der EU billig ist, ist der Schweiz, die ja die Sanktionen unbesehen übernimmt, billiger. Also ist hierzulande auch Mattscheibe. Aber nicht nur das. «Swisscom» und «Salt» haben beschlossen, den Sender aus ihrem Angebot zu nehmen. Aufgrund welcher gesetzlichen Grundlagen? Keine vorhanden.

Ist es lebenswichtig, sich mit der Sicht der russischen Regierung, genauer des Kreml-Herrschers Wladimir Putin, beschallen zu lassen? Natürlich nicht, wer das tut, ist selber schuld. Sollte man aber in der freien Schweiz die Möglichkeit haben, das zu tun? Solange RT nicht klar gegen gesetzliche Bestimmungen verstösst, sollte das doch möglich sein.

«Die Swisscom hat aufgrund der ausserordentlichen Situation entschieden, Russia Today per sofort und bis auf weiteres nicht mehr auszustrahlen», lässt sich eine Sprecherin bei CH Media zitieren.

Natürlich herrschen deswegen in der Schweiz keine russischen Zustände. Natürlich sind in der Schweiz weiterhin kritische Recherchen möglich. Natürlich gibt es in der Schweiz weiterhin ein breites Informationsangebot. Natürlich kann man mit ein wenig Geschick weiterhin RT live verfolgen. Natürlich interessiert das eigentlich fast keinen.

Aber das nassforsche Vorgehen einer unter merkwürdigen Umständen ins Amt gewählten Präsidentin, die kommentarlose Übernahme durch Schweizer TV-Anbieter, das völlige Fehlen einer rechtlichen Grundlage für diese Entscheidungen, das ist leicht beunruhigend. Nein, das ist sehr beunruhigend.

 

 

 

 

 

Das erste Opfer des Kriegs

Nein, das ist nicht die Wahrheit. Weil es immer nur Wahrheiten gibt.

Das erste Opfer eines Kriegs ist die Bereitschaft zur Nachdenklichkeit. Ist der Verlust der Einsicht, dass niemand die Weisheit mit Löffeln gefressen hat. Stattdessen ist der Wettbewerb eröffnet: wer formuliert mit möglichst wenig Kenntnissen eine möglichst starke Meinung?

Dabei gibt es bislang nur eine unumstössliche Tatsache: Es ist ein durch nichts zu rechtfertigender Angriffskrieg. Es ist keine präventive Verteidigung. Es ist keine Aktion zur Entnazifizierung und auch nicht zur Verhinderung eines Genozids.

Sonst aber ist es alles, was Grossmächte halt ab und an so tun. Was die USA samt ihren westlichen Verbündeten in Vietnam, in Afghanistan, im Irak und in den Gebieten des sogenannten arabischen Frühlings taten und tun. Es ist das, was die europäsichen Verbündeten und die NATO insgesamt in Jugoslawien taten. Einen völkerrechtswidrigen Krieg zu führen nämlich, der nicht zuletzt in der völlig illegalen Abspaltung des Kosovo von Serbien endete, begleitet von Massakern allerorten.

Das macht die serbische Regierung nicht zu einer Versammlung von Chorknaben, genauso wenig wie die ukrainische. Noch 2014 gab es die Beteiligung von Neofaschisten an der ukrainischen Regierung, bis heute spielt das Regiment Asow, dem ukrainischen Innenministerium unterstellt und voller bewaffneter Neofaschisten, eine unrühmliche Rolle.

Die armen, uninformierten Russen

Weit verbreitet ist das Bedauern, dass die russische Bevölkerung leider nur von staatlich gelenkten Medien beschallt werde, was natürlich die Zustimmungswerte für Diktator Putin erkläre. Das ist ein typisches Beispiel für fehlende Fähigkeit zur Differenzierung.

Es ist grundsätzlich richtig, dass beispielsweise der auch auf Deutsch erhältliche Sender «Russia Today» die Karikatur eines nach journalistischen Prinzipien arbeitenden Newsverarbeiters ist. Die russischen TV-Programme, die grossen russischen Zeitungen, unbrauchbar. Aber: dank Internet kann sich jeder Russe, etwas Gelenkigkeit vorausgesetzt, beliebig informieren, aus allen erhältlichen Nachrichtenquellen der Welt.

Was die Schweizer Mainstream-Medien bieten, unterscheidet sich nicht gross von der disqualifizierenden Berichterstattung über die Pandemie. Repetitive Schwarzweiss-Malerei, oberflächliches Gehampel, verzweifelte Suche nach «Experten», die die Angst vor einem Atomkrieg zerstreuen sollen.

Jeder Schweizer kann sich aus allen alternativen Nachrichtenquellen der Welt bedienen. Wer sich die Zeit nehmen will, ein wenig Gegengift gegen den Mainstream aufzunehmen, dem sei ein schon älterer Artikel empfohlen.

Man bedauert, dass viele dieser warnenden Stimmen für immer verstummt sind. Unter den hier aufgeführten nur ein Zitat:

«Wir, die Unterzeichner, glauben, dass eine weitere NATO-Osterweiterung die Sicherheit unserer Alliierten gefährden und die Stabilität in Europa erschüttern könnte. Es besteht für die europäischen Nachbarn keine Bedrohung durch Russland.»

Welcher russlandhörige Kurzdenker hat denn das formuliert? Nun, es handelte sich um niemand geringeren als den für den Vietnamkrieg verantwortlichen ehemaligen US-Verteidigungsminister Robert McNamara.

Oder ein Zitat des Kriegsverbrechers und Kältesten aller kalten Krieger, Henry Kissinger: «Um zu überleben und sich zu entwickeln, darf die Ukraine Niemandes Vorposten sein. Vielmehr sollte sie eine Brücke zwischen beiden Seiten darstellen. … Dabei sollten wir uns um Versöhnung bemühen, und nicht um eine Dominanz einer der Fraktionen. … Die Dämonisierung von Wladimir Putin ist keine Politik. Sie ist ein Alibi für die Abwesenheit von Politik

Und der Elder Statesman Helmut Schmidt liess ebenfalls keinen Zweifel an seiner Meinung über eine mögliche Aufnahme der Ukraine in die EU und die NATO: «Das ist Größenwahn, wir haben dort nichts zu suchen.»

Jeder kann sich irren. Nur der «Experte» nicht

Natürlich können sich auch alle diese Herren irren. Darum geht es aber gar nicht. Es geht darum, dass in den Mainstreammedien, in der sogenannten freien Presse des Westens, in den von drei Medienclans beherrschten Tageszeitungen der Schweiz keine einzige Stimme Gehör findet, die sich um etwas Differenzierung bemüht.

Stattdessen geht die verzweifelte Suche nach Russland-Erklärern weiter. Genauer nach Figuren, die wie gewünscht in den Echo-Chor der Putin-Verdammer einstimmen. Neuster Versuch von «Blick TV»: Ulrich Schmid. Der HSG-Professor fantasiert von einem möglichen Zusammenbruch des Regimes und analysiert mit unglaublichen prognostischen Fähigkeiten: «Ich könnte mir vorstellen, dass die Einschüchterung massiver wird

Der Mann mit der Glaskugel: Zukunftsseher Ulrich Schmid.

Für solche Erkenntnisse sind wir echt dankbar, denn dafür muss man Slawistik studiert haben.