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Wumms: Pietro Supino

Wie man das Management eines Skandals vergeigt.

Die Sympathiewerte von Pietro Supino bei Tamedia, einem Bestandteil der Tx Group, sind überschaubar. Sehr überschaubar. Denn im Wesentlichen verlangt der Big Boss von Tamedia, dass auch die Gazetten die gleiche Rendite wie alles andere in seinem Haus erwirtschaften.

Dass die Ankündigung der Ausschüttung einer Sonderdividende und des Zusammenlegens der Online-Plattformen mit Ringier nicht wirklich dabei half, den Stimmbürger zu überzeugen, angeblich notleidenden Medien-Clans eine Milliarde reinzuschieben? Was soll’s.

Lippenbekenntnisse zur staatstragenden Bedeutung der Medien, während die Redaktionen zu Tode gespart werden? Was soll’s. Gute Stimmung verbreiten, wo nach der Sparrunde vor der Sparrunde ist? Nicht so sein Ding.

Was zum  Canonica-Schlamassel sagen? Auch nicht so sein Ding. Angeblich soll er bei einer eilends einberufenen Mitarbeiterversammlung am Mittwoch gesagt haben, dass das eine ganz dreckige Sache sei, und dass man das Problem längst gelöst und aufgeräumt habe.

Richtig aktiv wurde Supino nur, als CH Media aufgrund anonymer Behauptungen schrieb, er habe seine schützende Hand über Canonica gehalten. Da wurde gleich der Anwalt in Marsch gesetzt, CH Media musste zu Kreuze kriechen, sich entschuldigen und richtigstellen, dass das nicht so gewesen sei.

Das überzeugte die anwesenden Journalisten von Tamedia nicht wirklich. 18 Monate über der Beurteilung von Vorwürfen vergehen lassen, die laut Reglement in 14 Tagen eine Antwort bekommen sollten? Je nun, hat wirklich etwas lange gedauert. Supino selbst wisse sowieso erst seit 2021 von diesem Fall. Wäre auch schon lange genug.

Nun kommt noch dies hinzu. In der neusten Ausgabe der «NZZamSonntag» schreibt Zoe Baches, die für ihre sorgfältigen Recherchen bekannt ist: «In einer E-Mail an die Personalchefin des «Magazins» vom 23. Januar 2015, die dieser Zeitung vorliegt, führt einer der Redaktoren die Vorwürfe gegen Canonica detailliert auf, erwähnt werden hier auch Sexismus, Mobbing und die Hakenkreuze. Laut einer E-Mail kam es zudem zu Gesprächen zum Thema mit der Personalchefin. Ein Redaktor bestätigt dieser Zeitung, sich zum Thema persönlich mit einem damaligen Konzernleitungsmitglied besprochen zu haben.»

Preisfrage: Wenn das so war, 2014 und 2015, dann hat Supino von all dem nichts mitbekommen? Echt?

Zur Frage, ob Roshani den Untersuchungsbericht der Kanzlei Rudin Cantieni zu Gesicht bekommen hat, gibt es zwei sich diametral widersprechende Aussagen. Sie sagt nein, die Tamedia-GL sagt ja. Supino sagt, erst seit 2021 von den Problemen beim «Magazin» gewusst, also von den Vorfällen von 2015 nichts gewusst zu haben. Obwohl damals zudem ein Untersuchungsbericht von Nobel & Hug angefertigt wurde, es drunter und drüber ging beim «Magazin» und eine Reihe von Mitarbeitern kündigte? Obwohl Canonica den Verdacht äusserte, sein E-Mail-Account sei von einem «Magazin»-Redaktor gehackt worden?

Solche unglaublichen Vorgänge drangen nicht bis zum Big Boss des Konzerns vor? Hatte Wichtigeres zu tun? Auf der Coninx-Yacht herumschippern? Sich eine neue Bleibe suchen? Geld zählen?

Saubere Schlammschlacht

Fall Canonica: Das Imperium schlägt zurück.

Anuschka Roshani hat vorgelegt und mit der ihrer Meinung nach toxischen Kultur beim Gutmenschenblatt «Das Magazin» abgerechnet. Im Gegensatz zu früheren Kritiken am Hause Tamedia kann sie ihre Vorwürfe zumindest teilweise belegen.

Zudem schreiben «Spiegel» und NZZ, dass weitere Zeugenaussagen und Dokumente vorlägen, die die Anschuldigungen von Roshani untermauerten. Sie hat zudem ihre Aussagen über Vier-Ohren-Gespräche mit eidesstattlichen Versicherungen untermauert.

Dagegen hat sich die Redaktion des «Magazins» auf eisernes Schweigen verlegt. Keine Reaktion auf die Anfragen von ZACKBUM, sicherlich auch keine Reaktion auf Anfragen anderer Medien. Den Gutmenschen dort hat’s die Sprache verschlagen.

Der «Kommunikationsverantwortliche Tamedia» behauptete noch gestern: «Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes kann Tamedia keine weiteren Angaben machen.» Ausser den maliziösen Bemerkungen, dass sich die Vorwürfe «zu einem grossen Teil nicht bestätigten». Dann setzte Tamedia noch einen drauf: «Eine Mitschuld von Frau Roshani an der für alle Beteiligten schwierigen Situation kann Tamedia weder ausschliessen noch bestätigen.»

Was will uns der Konzern damit sagen? Wohl doch ganz klar: Roshani ist mindestens mitschuldig an diesem Schlamassel.

Eher peinlich wurde es dann bereits einen Tag danach. Da pfiff Tamedia nämlich auf den «Persönlichkeitsschutz» und veröffentlichte eine Kurzfassung des Untersuchungsberichts durch die Kanzlei Rudin Cantieni. Das ist die Anlaufstelle der Wahl für die Plagiatsaffäre an der HSG, den Zuständen bei der Kapo Winterthur, Missbrauchsvorwürfen im Sport, usw.

Natürlich tropfte das Dokument in Windeseile aus dem internen Verteiler an die Öffentlichkeit und kann inzwischen beim «Tages-Anzeiger» eingesehen werden. Begleitet wurde es von der Behauptung: «Die publizistische Leistung der Magazin-Redaktion «war und ist hervorragend»». Die Blattkritik durch ZACKBUM kann das allerdings nicht bestätigen.

Der «Untersuchungsbericht» kommt zu für Roshani verheerenden Schlussfolgerungen:

«Die Vorwürfe waren meist unzureichend belegt. Auch ergaben sich zahlreiche Widersprüche. Der Aufforderung, dazu weitere Beweismittel einzureichen, kam Anuschka Roshani nicht nach. Auch konnte keine Befragung zu den Widersprüchen erfolgen, da sie nach den anfänglichen Befragungen – ohne Vorlage eines Arztzeugnisses – mitteilen liess, dass sie für die weitere Untersuchung nicht mehr zur Verfügung stehe. Auch die befragten Personen bestätigten Anuschka Roshanis Vorwürfe mehrheitlich nicht resp. verneinten sie.
Anushka Roshanis Vorwürfe gegenüber der Arbeitgeberin liessen sich nicht erhärten.»

Ein Untersuchungsbericht, in dem nicht einmal der Name der Hauptbeteiligten immer richtig geschrieben wird? Nun ja. Ein Untersuchungsbericht, in dem maliziös auf eine angeblich «bei den Akten» befindliche «Blindbewerbung vom November 2020» verwiesen wird, mit der sich Roshani auf «Finn Canonicas (nicht zur Disposition stehende) Stelle» beim Verleger beworben habe?

Roshani wird hier also regelrecht runtergebürstet, während bei Canonica lediglich empfohlen wird, er solle doch etwas «Sensibilisieren beim Sprachgebrauch» durchführen, bzw. «Führungsschulungen» machen: «Die Untersuchungspersonen empfehlen in diesem Punkt eine Abmahnung resp. Verwarnung. Insgesamt werden auch Führungscoachings empfohlen.»

Offensichtlich ist aber die Geschäftsleitung von Tamedia diesen Empfehlungen nicht gefolgt, sondern trennte sich sowohl von Canonica wie von Roshani. Warum dann nur?

Ein weiterer Satz im Begleitmail, unterzeichnet von den Geschäftsführern Andreas Schaffner und Mathias Müller von Blumencron, ist interessant: «Wir haben beide Parteien über den Inhalt des Untersuchungsberichtes informiert.» Roshani behauptet demgegenüber, dass ihr dieser Inhalt nicht mitgeteilt worden sei.

Hier haben wir einen klaren Fall: eine der beiden Seiten sagt nicht die Wahrheit.

Zwischenbilanz: trotz der Androhung rechtlicher Schritte hat Roshani bislang nichts von ihren Vorwürfen zurückgenommen.

Tamedia hingegen eiert schon in den ersten zwei Tagen nach der Veröffentlichung der massiven Anschuldigungen. Keine weiteren Informationen «aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes», dann einen Tag später ist’s schon mit dem Schutz vorbei.

Dass sich im Solde von Tamedia stehende Mitarbeiter, während Canonica noch am Gerät war, gegenüber den untersuchenden Anwälten «mehrheitlich» nicht dazu hinreissen liessen, die Vorwürfe zu bestätigen, mag nicht wirklich zu erstaunen. Das Wort «mehrheitlich« deutet aber darauf hin, dass es doch ein, zwei Mutige gegeben hat.

Entscheidend wird nun sein, ob noch weitere Mitarbeiter des «Magazins» die Zivilcourage haben, Roshanis Vorwürfe öffentlich zu bestätigen. Laut ihrer Darstellung müsste es ja genügend Ohrenzeugen geben. Vielleicht hat auch sie selbst noch weitere Beweise im Köcher.

Sollte das geschehen, entwickelt sich aus der Affäre Canonica eine Affäre Tamedia. Dann wäre mit weiteren Rücktritten zu rechnen. Pardon, mindestens ein Mitglied der Geschäftsleitung will dann neue Herausforderungen annehmen …