Schlagwortarchiv für: Rubel

Rollt der Rubel oder nicht?

Pleite oder rosige Zukunft für Russland. Was darf’s denn sein – oder wohl oder doch.

Väterchen Stalin hätte versucht, auch dieses Problem in seiner Holzhackerdialektik abzuhandeln. Er hätte angehoben: Wie verhält es sich mit dem Rubel? Dann hätte er die Frage mittels Dreisprung-Dialektik und historischem Materialismus beantwortet.

Wir wollen ihn nicht nachahmen, aber einfache Tatsachen bleiben eigentlich einfach. Was allerdings den meisten Journalisten nicht wirklich auffällt. Denn die sind mehrheitlich der Auffassung, dass Russland demnächst Staatsbankrott erklären müsse. Oder aber einen Default einräumen, also das Nichtbedienen von Schulden.

Naturgemäss sieht das Russland etwas anders. Wie schaut’s denn nun aus? Beginnen wir bei den Tatsachen, über die noch Einigkeit herrscht. Die Staatsverschuldung Russlands hat im Prozentbereich eine Null weniger als die der meisten westlichen Staaten. Sie beträgt, immer vorausgesetzt, man kann russischen Statistiken vertrauen, rund 14 Prozent des BIP. Das ist ziemlich super.

Russland verfügt über Devisenreserven von 640 Milliarden Dollar. Das wäre auch ziemlich super. Aber hier wird’s schon tricky. Wie der Name sagt, sind das Devisen, keine Rubel. Und der Herr des Dollar sind die USA. Also hat die russische Notenbank, wie alle anderen Banken der Welt, ihre Dollarreserven nicht in Form von Cash im Tresor, sondern sie sind bei Korrespondenzbanken im Ausland gelagert.

Meins ist meins – oder eben nicht

Normalerweise ist das kein Problem, denn es ist ja unbestritten, dass der russische Staat der legitime Besitzer dieses Geldbergs ist. Aber es gibt leider auch im Kapitalismus illegale Verhaltensweisen. Nehmen wir als Beispiel die Devisenreserven von Afghanistan. Die belaufen sich auf rund 7 Milliarden Dollar. Genauer: beliefen sich. Denn nach der neuerlichen Machtergreifung der fundamentalistischen Wahnsinnigen in Kabul froren die USA diese Gelder zunächst ein.

Um anschliessend die Hälfte (!) zurückzugeben und die andere Hälfte einzusacken. Für Entschädigungen von Opfern des islamistischen Terrors. Ist das legal? Natürlich nicht. Ist das legitim? Noch viel weniger. Kann man etwas dagegen tun? Nein, denn niemand kann die USA zu irgend etwas zwingen, nicht mal dazu, sich an internationales Recht und die primitivsten Regeln des Umgangs mit Besitz zu halten.

Ähnlich verhält es sich nun mit den 640 Milliarden Dollar Russlands. Denn nicht nur die Vermögenswerte von reichen Russen werden in Wildwestmanier arretiert. Sondern auch die Reserven der russischen Notenbank. Gleichzeitig bleibt es weiterhin erlaubt, dass Russland für die Erlöse von Rohstofflieferungen, in erster Linie fossile Brennstoffe, die erhaltenen Devisen auch ausgeben kann. Denn sonst würde das Land ja gratis liefern.

Russland ist allerdings – wie die USA – Besitzer einer Währung. Der Rubel hat natürlich nicht die Bedeutung, die die Weltwährung Dollar hat, mit der bis heute über 60 Prozent aller weltweiten Zahlungen abgerechnet werden.

Woher kommt die Sonderstellung des Dollar?

Dazu muss man kurz in die Geschichte zurückgehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg etablierten die USA den Dollar als Weltwährung. Als vertrauensbildende Massnahme koppelten sie ihn fix an Gold und versprachen, das Papiergeld jederzeit auf Verlangen in Gold umzutauschen. 1973 wurde das nach seinem Gründungsort Bretton Woods genannte System aufgegeben. Der Vietnamkrieg verschlang dermassen viele Ressourcen, dass die USA nicht mehr länger den Goldumtausch garantieren konnten.

Das bedeutete auch, dass es keine fixen Wechselkurse mehr gab und der Dollar in der Folge zu einem unaufhaltsamen Niedergang im relativen Wert zu anderen Währungen überging. An die Stelle des Golddollars trat dann der sogenannte Petrodollar. Die USA vereinbarten mit den damals bedeutendsten arabischen Erdölländern, dass die den Handel ausschliesslich in Dollar abwickelten – gegen die Zusicherung militärischer Unterstützung durch die USA.

Seither wurden alle Länder oder Diktaturen streng bestraft, die aus diesem System ausbrechen wollten. Die blutigsten Beispiele sind der Irak und Libyen. Auch der Iran fakturiert nicht in Dollar und ist dafür strengen Sanktionen ausgesetzt. Abgesehen von seinem Irrwitz-Projekt, sich in Besitz von Atomwaffen zu setzen.

Wie verhält es sich nun mit russischen Deviseneinnahmen?

Nehmen wir zur Illustration den Umweg über den Euro, um zu erklären, ob Russland demnächst pleite geht oder nicht. Solange die Lieferungen noch fliessen, zahlen die EU-Staaten in Euro. Auch die landen aber nicht physisch in den Tresoren der russischen Notenbank. Sie ist zwar legal und formell Besitzer, darf die auch im Westen ausgeben – aber auch die EU könnte jederzeit beschliessen: was bei reichen Russen Brauch ist, wenden wir auch hier an. Das Geld ist nicht weg, aber beschlagnahmt.

Also verlangte Russland die Bezahlung in Rubel. Das bedeutet konkret, dass die EU mit ihren Euro Rubel kaufen müsste. Das nähme die Gefahr von den Einnahmen, dass sie beschlagnahmt werden könnten. Um aber im Westen einzukaufen, muss Russland seine Rubel wieder in Devisen wechseln. Gleiches Spiel. Einziger Vorteil: mit diesen Käufen wird der Rubel-Wechselkurs gestärkt. Nachdem er kurzzeitig ins Bodenlose sank, bewegt er sich heutzutage wieder auf Vorkriegsniveau.

Bleiben die beiden Fragen: bringt das Russland was? Wird es nun die Staatspleite erklären müssen oder nicht? Formal ist’s einfach: sagen wir, Russland muss per Ende April einen Kredit über 100 Millionen Dollar bedienen. Normalerweise werden noch 30 Tage eingeräumt, und wenn dann die Kohle nicht auf dem Konto des Gläubigers liegt, ist der Schuldner im Default, Pleite.

Das heisst, dass Russland aus eigenen Reserven oder mit eingetauschten Rubel 100 Millionen Dollar aufbringen muss. Es kann die entsprechende Menge Rubel in Dollar wechseln. Oder Euro. Oder jede andere konvertible Währung, von der es Reserven hat. Oder aber, die älteste Reservewährung der Welt, indem es Gold verkauft.

Russland ist noch lange nicht pleite. Ausser …

Dazu sollte Russland noch eine ganze Weile in der Lage sein, also ist ein Staatsbankrott eher ausgeschlossen. Ausser, Russland dreht den Spiess um und sagt: da der Westen unsere Devisen beschlagnahmt hat, zahlen wir nun in der Währung, die uns gehört. In Rubel. Ist dann euer Problem, wie ihr die in westliche Devisen wechselt. Schliesslich ist der Rubel ja konvertibel, hat also einen Marktpreis bei euch.  Und wenn ihr den nicht akzeptiert? Dann gehen wir halt zu einem Zwischenhändler. Zum Beispiel China.

Wie verhält es sich mit dem Rubel? So verhält es sich mit dem Rubel, hätte Väterchen Stalin geschlossen.

Dilemma banal

Gas und Öl gegen Rubel? Einfach erklärt.

Die meisten Medien sind nicht in der Lage, ein einfaches Dilemma einfach zu erklären. Die EU (und auch die Schweiz) ist zu fast 50 Prozent von russischen Gaslieferungen abhängig.

Während scharfe und schärfste Sanktionen verhängt werden, die armen Russen keine Luxusprodukte aus dem Westen mehr kaufen dürfen und die Vermögenswerte vieler reicher Russen im Westen beschlagnahmt werden, zahlt die EU brav und pünktlich die Gaslieferungen.

Das sind keine Peanuts, wir sprechen hier von rund 660 Millionen Euro oder Franken. Täglich. Nun befürchtet Russland, dass diese Devisen plötzlich auch von Sanktionen betroffen sein könnten. Nach der Devise: bitte sehr, hier die heutigen 660 Mio. Aber ausgeben dürft ihr sie nicht, sorry.

Das hiesse dann faktisch, dass Russland Gas gratis geliefert hätte. Auch wenn die EU das Gegenteil behauptet: die Beschlagnahmungen, auch die Restriktionen gegenüber der Russischen Notenbank, belegen, dass es mit Eigentumsgarantie und Rechtsstaat nicht allzu weit her ist, wenn es um Russland geht.

Also verlangt Russland, dass ab Freitag seine Rohstofflieferungen in Rubel bezahlt werden. Denn so wie die EU Herr des Euros ist, beherrscht Russland den Rubel. Das löste das Problem der Enteignung. Es bleibt aber das Problem, was sich Russland mit Rubel kaufen kann. Denn wer will im Westen schon diese Währung haben.

Die Auswirkungen eines Lieferstopps wären unüberschaubar

Aber das grössere Problem ist, dass die EU angekündigt hat, keinesfalls in Rubel, sondern weiterhin in Euro zu zahlen. Das entspräche auch den abgeschlossenen Verträgen. Wenn nun beide Seiten hart bleiben (und man hat sich in einen Clinch begeben, aus dem man ohne Gesichtsverlust nur schwer rauskommt), dann bedeutet das, dass Russland die EU-Zahlungen nicht akzeptiert und deshalb den Gashahn zudreht.

Das wiederum hätte unübersehbare Auswirkungen auf die Wirtschaft der EU-Staaten. Eine Substitution der Hälfte des Gasverbrauchs ist auf die Schnelle nicht machbar. Fachleute sprechen von zwei Jahren.

Was wären die Auswirkungen? Industriell würde Chemie, Stahl- und Metallverarbeitung leiden, auch Düngemittelproduktion. Angesichts der hohen Vernetzung hätten solche Ausfälle flächendeckende Auswirkungen. In Deutschland ist die sogenannte Bundesnetzagentur dafür zuständig, die Zuteilung in Mangelsituationen zu regeln. Nach einem geheimen Schlüssel würden zuerst gewisse Industrieteile leiden, Privathaushalte nur im verschärften Fall, und ganz zuletzt sind Krankenhäuser oder Altersheime dran.

Deutschland verfügt über Gasspeicher; die sind allerdings nur zu 26 Prozent gefüllt und werden privat betrieben. Die Schweiz verfügt über keine Gaslager. Das sogenannte Pflichtlager soll für 4,5 Monate reichen; statt Erdgas wird hier aber Heizöl extra leicht gelagert.

Die Auswirkungen sind sehr komplex

Die Schweiz importiert 47 Prozent ihres Gasverbrauchs aus Russland. Genauer aus EU-Staaten. Rund 15 Prozent der verbrauchten Energie in der Schweiz wird aus Erdgas gewonnen. Am direktesten merken das Privathaushalte, die mit Gas beheizt werden.

Aber auch hier wären die Auswirkungen eines Lieferstopps komplexer. Denn die Schweiz muss in den Wintermonaten Strom importieren, der wird teilweise ebenfalls mit Gaskraftwerken hergestellt. Elektrizität macht 27 Prozent der verbrauchten Energie aus, auf Platz eins steht Erdöl mit 44 Prozent.

Das ist noch nicht alles. Russland ist weltweit der grösste Exporteur von Weizen, die Ukraine folgt hinter Frankreich auf Platz fünf. Für die Herstellung von Nahrungsmitteln ist Dünger unabdingbar. Kanada, USA, Russland und Belarus bilden ein Oligopol, das diesen Markt dominiert. Weniger Weizen, weniger Dünger: explodierende Nahrungsmittelpreise, eine Katastrophe für die Dritte Welt.

Hungersnöte in Gesellschaften, die zuvor mehr oder minder die Ernährung breiter Bevölkerungsschichten zu bezahlbaren Preisen garantieren konnten: das beinhaltet Sprengstoff, kann mit Leichtigkeit zu Unruhen, Bürgerkriegen, Explosionen, Umstürzen führen.

Die militärische Katastrophe in der Ukraine ist nur die Spitze des Eisbergs. Dass damit das Verhältnis zwischen dem Westen und Russland auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zerrüttet ist, ist ebenfalls ein bedeutender Kollateralschaden.

Die dramatische Abhängigkeit der EU (und auch der Schweiz) von russischem Erdgas rächt sich nun. Eine Eskalation – keine Zahlungen in Rubel, kein Erdgas mehr – hätte dramatische wirtschaftliche Auswirkungen im Westen wie in Russland selbst.

Nahrungsmittelknappheit und damit verbunden Hungerrevolten würden die Länder der Dritten Welt in ihrer Entwicklung um Jahre zurückwerfen.

Der militärische Angriff ist kein singuläres Ereignis

Also alles in allem ein unüberschaubares Desaster. Der Waffengang gegen einen souveränen Staat, der keinerlei Angriffshandlungen plante, ist ein Verbrechen. Es bricht das Völkerrecht und der Aggressor begibt sich damit ausserhalb der Weltgemeinschaft. Gleichzeitig sind das Machtdemonstrationen, wie sie Imperien lieben.

Daher ist dieser Krieg keinesfalls singulär. Erinnert sei nur an die völkerrechtswidrige und verbrecherische Invasion des Iraks, unter dem Fake-Vorwurf, dort würden Massenvernichtungswaffen hergestellt und Terroristen beherbergt. Oder an die Attacken der NATO während des Zerfalls von Jugoslawien. Ohne UNO-Mandat und mit dramatischen Verlusten unter der Zivilbevölkerung.

Das ist keine Auf- oder Abrechnung. Aktuelle Verbrechen wiegen immer schwerer als vergangene. Es soll nur dazu dienen, dass im Westen nicht zu aufdringlich mit dem moralischen Zeigefinger gewackelt werden sollte. Machtpolitik ist Machtpolitik und grauslich, amoralisch, menschenverachtend. Immer und überall.

Kleine Geldkunde

Wo sind die Spezialisten, die einfache Geldthemen verstehen?

Präsident Putin hat angekündigt, dass er die Bezahlung seiner Gas- und Öllieferungen auf Rubel umstellen wird. Da gibt es ein paar technische Details zu beachten; den VO und den INN oder KIO Code. Das beherrscht noch der überlebende Bürogummi in unseren Banken.

Aber wie steht es denn mit dem Verständnis, was das genau bedeutet? Da wird viel heisse Luft gebacken. Zunächst: Wann soll das in Kraft treten? Laut Putin haben die Handelspartner eine Woche Zeit, sich auf die neuen Zahlungsbedingungen einzustellen.

Von welchen Summen sprechen wir? Nehmen wir die EU -Staaten und das Gas. Hier schwanken die Zahlungen zwischen 200 und 800 Millionen Euro. Pro Tag. Laut Gasprom wurden im Januar 2022 – also vor Beginn des Überfalls auf die Ukraine – 58 Prozent des Gasexports in Euro fakturiert. 39 Prozent in US-Dollar und 3 Prozent in englischen Pfund.

Im Gegensatz zu den USA hat sich die EU noch nicht darauf verständigt, ihrerseits auf den Import von russischem Gas oder Öl zu verzichten. Zu gross sind die Abhängigkeiten und die Befürchtung schwerer Nebenwirkungen auf die eigenen Volkswirtschaften.

Was wären die Folgen einer Umstellung auf Rubel?

Was passiert also, wenn statt zum Beispiel 500 Millionen Euro täglich der entsprechende Betrag in Rubel bezahlt würde? Der Käufer müsste sich die entsprechende Menge Rubel besorgen, das ginge nur bei der CBR, der russischen Zentralbank. Eigentlich unterliegt die ja strengen Sanktionen, wobei allerdings Gas- und Ölgeschäfte (sowie weitere Rohstoffe) davon ausgenommen sind.

Eine offensichtliche Nebenwirkung der Ankündigung ist, dass der Rubelkurs im Vergleich zu den westlichen Währungen einen Sprung nach oben machte, nachdem er zuvor gewaltig abgesackt war.

Die Ankündigung der Umstellung ist natürlich eine Folge der westlichen Politik, Guthaben von russischen Privatpersonen, Firmen und auch des Staates in US-Dollar oder Euro einzufrieren. Das bedeutet, dass beispielsweise ein grösserer Teil der russischen Devisenreserven von schätzungsweise 630 Milliarden Dollar nicht verfügbar sind.

In erster Linie die USA zeichnen sich hier durch eine besonders ruppige Politik aus. So hatte die afghanische Notenbank nach der neuerlichen Machtübernahme der Fundamentalisten in Kabul rund 7 Milliarden Dollar Guthaben in den USA. Die wurden sofort arretiert, anschliessend wurde der neuen afghanischen Regierung lediglich die Hälfte ausgehändigt. Die andere Hälfte soll für Schadenersatzzahlungen an durch terroristische Akte Geschädigte ausgegeben werden. Reines Raubrittertum.

Währung ist egal, Kaufkraft entscheidet

Obwohl es weiterhin Ausnahmebewilligungen für Devisenzahlungen für Rohstoffe gibt, fürchtet Russland natürlich, dass in einem nächsten Schritt auch diese beschlagnahmt werden könnten. Dann hätte das Land die Rohstoffe sozusagen umsonst geliefert.

Viel wichtiger als die Frage, ob in Rubel oder Devisen fakturiert wird – oder ob das einen Vertragsbruch darstellt, wenn die Zahlungswährung dort definiert wurde –, ist die Frage, was sich Russland mit diesen Devisen kaufen kann.

Denn im Westen kann Russland nur schlecht mit Rubeln zahlen. Ob sich Putin also in Rubel, Dollar oder Euro bezahlen lässt, ist weniger wichtig als die Frage, was man Russland damit im Westen kaufen lässt.

Wenn’s im Portemonnaie richtig schmerzt …

Statt grosses Geschrei über den mehr symbolischen Akt der Umstellung anzustimmen, könnte man, wenn man Russland wirklich in den Schraubstock nehmen will, zwei Dinge unternehmen. Man könnte den Ankauf dieser Rohstoffe herunterfahren. Das ist nicht von einem Tag auf den anderen möglich. Und vor allem: das wird weit mehr als die 100 Franken kosten, die Ex-Bundesrätin Leuthard mal postulierte, als es um den Ausstieg aus der Atomenergie ging.

Auch wenn Umfragen ergeben, dass eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung gewillt wäre, die Folgen eines Verzichts auf russisches Gas (fast 50 Prozent der Importe) auf sich zu nehmen: verbales Bekenntnis und schmerzliche Auswirkungen aufs Portemonnaie – das sind immer noch zwei verschiedene Dinge.

Dagegen könnte man strenge Restriktionen aufstellen, welche Waren von Russland im Westen gekauft werden dürfen. Das ist sofort umsetzbar. Natürlich gäbe es Umgehungsversuche, Zwischenhändler, Firmen wie die von Marc Rich, der als Middle Man Handelsbeziehungen zwischen Todfeinden möglich machte oder Beihilfe dazu leistete, dass beispielsweise das Apartheit-Südafrika weiterhin seinen Ölbedarf decken konnte.

Aber heutzutage sind Big Data kein Problem mehr, sind die Möglichkeiten, Geld- und Warenflüsse zu kontrollieren, viel weiter entwickelt. Schon alleine das Verbot, Ersatzteile für westliche Flugzeuge nach Russland zu liefern, hat zum Fast-Grounding der Aeroflot geführt. Ein gezielter Masterplan solcher Verbote wäre wohl die effizienteste Waffe, um der russische Wirtschaft schwer zu schaden.

Restriktionen bei erlaubten Käufen sind die Waffe

Da geht es nicht um Pipifax wie Luxusprodukte auf der neusten Sanktionsliste. Sondern um eine Sammlung strategisch überlebenswichtiger Güter. Denn sowohl eine Volkswirtschaft wie auch nur schon die Versorgung der Bevölkerung mit dem Lebensnotwendigen, das sind komplizierte und sehr störungsanfällige Mechanismen. Wenn also Russland sagt, dass den Kreml die westlichen Sanktionen nicht kratzen und die auch keine grossen oder schädlichen Auswirkungen hätten, ist das brandschwarz gelogen.

Ein solches Kaufverbot ist auch die einzig sinnvolle Waffe. Denn jedem vernünftigen Menschen – abgesehen von Kriegsgurgeln und Schreihälsen auch in Schweizer Medien – ist es klar, dass die Ukraine es nicht wert ist, einen atomaren Weltkrieg zu riskieren. Das ist bitter für die Ukrainer, aber Geopolitik war noch nie ein Ponyhof.

Die Ukraine ist nicht Mitglied des westlichen Militärbündnisses. Also sind alle Forderungen nach dem Errichten einer No-Fly-Zone, gar dem Entsenden von «Friedenstruppen» unsinnig, gar gefährlich. Eine UN-Friedensmission wird es nicht geben, dank Vetorecht Russlands. Eine nicht von der UN sanktionierte militärische Intervention wie in Ex-Jugoslawien erst recht nicht.

Denn in welchem Zustand sich die russische Armee auch immer befindet, das Land verfügt über die grösste Atomstreitmacht der Welt. Nassforsch zu postulieren, dass man sich davon doch nicht zu sehr beeindrucken lassen sollte, ist grobfahrlässig und unverantwortlich.

Wenn man nicht mit militärischen Mitteln reagieren kann, bleiben nur wirtschaftliche. Denn auch ein Krieg hat seine Ökonomie. Er kostet. Den Verteidiger wie auch den Angreifer. Das Leid der ukrainischen Bevölkerung kann nicht mit Geld aufgewogen werden. Aber man kann die täglichen Kosten für Russland mitsamt allen Kollateralschäden in schwindelerregende Höhen treiben.

Selbst wenn es der Kreml-Regierung gelingen sollte, sich auf Umwegen weiterhin westliche Produkte und Waren zu besorgen: die Transaktionskosten steigen bei einer strikten Sanktionspolitik in den Himmel. Und China ist bei Weitem noch nicht in der Lage, alle diese Produkte zu substituieren.

Also ist das ganze Geschrei um Rubel oder Dollar, Vertragsbruch oder Lieferstopp, nur eine Nebelpetarde, gezündet vom Kreml. Und in ihr irren nun mal wieder all die Spezialisten und Koryphäen herum und produzieren ihrerseits Wortwolken und Analysequalm.