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War da was?

Dank der Roten Armee gibt es ein freies Europa und die Schweiz. Na und?

Der Hitler-Stalin-Pakt konnte den Beginn des Zweiten Welthriegs nur hinauszögern. Stalin verrechnete sich allerdings, was Hitlers Entschlossenheit betraf, einen Zweitfrontenkrieg zu riskieren und am 22. Juni 1941 mit dem «Unternehmen Barbarossa» den Versuch zu unternehmen, den Bolschewismus zu zerstören.

Obwohl der seine Partei NSDAP genannt hatte, war Hitler ein strammer Antikommunist und sah in dieser Ideologie – neben den Juden – den grössten Feind seiner Allmachtsgelüste. Der Krieg gegen die UdSSR war, entgegen aller anderslautenden Geschichtsumschreibungen, von Anfang an als Vernichtungsfeldzug geplant. Für die Bevölkerung in den eroberten Gebieten waren keinerlei Vorkehrungen fürs längerfristige Überleben getroffen worden.

Sie sollte durch Zwangsarbeit vernichtet werden, um Platz für den deutschen Herrenmenschen zu schaffen. In diese Verbrechen ist auch die deutsche Wehrmacht zutiefst verwickelt, was alle Behauptungen Lügen straft, dass das deutsche Heer halt Befehlen gehorcht und im Übrigen von der Judenvernichtung nichts mitbekommen habe.

Stalin schlug alle Warnungen seiner Spione in den Wind, die sogar, wie Richard Sorge aus Tokio, den genauen Zeitpunkt des Überfalls gemeldet hatten. Das sei gegnerische Propaganda zur Verwirrung von Dummköpfen, befand Stalin.

Das führte zu Beginn des Überfalls zu ungeheuerlichen Verlusten bei der Roten Armee, von der Zivilbevölkerung ganz zu schweigen. In einigen Teilen der UdSSR begrüssten Teile der Bevölkerung zudem die Nazis als Befreier von Stalins Joch, und Antisemitismus samt Pogromen war dort zuvor auch nicht unbekannt.

Widerstand unter ungeheuerlichen Verlusten

Erst vor Moskau, vor Leningrad und vor allem vor Stalingrad gelang es den Sowjets, unter unvorstellbaren Verlusten den deutschen Vormarsch zu stoppen. Was sie bei der Rückeroberung der von deutschen besetzten Gebiete sahen, erklärt das Verhalten sowjetischer Soldaten, als es ihnen gelang die Grenzen des Deutschen Reichs zu überschreiten.

Glücklicherweise war der Gröfaz, der grösste Feldherr* aller Zeiten, ein unfähiger Heerführer. Der Überfall hatte viel zu spät begonnen, bald schon versanken die deutschen Truppen im Herbstschlamm, anschliessend litten sie unter dem strengen russischen Winter, auf den sie nicht vorbereitet waren, da der Gröfaz gehofft hatte, mit der Sowjetunion ähnlich schnell wie mit Frankreich fertigzuwerden.

Es gibt die Generation 90 Prozent in der UdSSR, nur zehn Prozent überlebten als Soldaten den deutschen Überfall. Insgesamt hatte die Sowjetunion rund 10 Millionen Tote in der Armee und 15 Millionen unter der Zivilbevölkerung erlitten. Bis heute gibt es keine russische Familie, die nicht den Verlust eines engen Verwandten durch die Nazis zu beklagen hätte.

Die Feiern zum «Grossen Vaterländischen Krieg», wie ihn Stalin propagandistisch geschickt nannte, sind ein Erinnern an die letzte und unbestreitbare Grosstat der UdSSR. Obwohl sie nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Einflussphäre auf ganz Osteuropa ausdehnte, zur Atommacht wurde, als erste mit der Eroberung des Weltraums begann, fing gleichzeitig ihr unaufhaltsamer Niedergang an.

Der Sieger wird zum Verlierer

Nicht nur die gewaltigen Zerstörungen durch das Wüten der deutschen Barbaren, auch eine untaugliche Wirtschaftspolitik und die kostspielige militärische Aufrüstung leiteten den Zusammenbruch ein; Anfang der 90er-Jahre löste sich die UdSSR auf. Immerhin ohne durch einen Atomkrieg die Welt mit in den Abgrund zu reissen.

Auch wenn heute das Ereignis von Putin propagandistisch benützt wird. der Grund für die Feier sollte jedem Respekt und Hochachtung abnötigen.

Jedem? Die NZZ berichtet in ihrer Printausgabe kein Wort davon. Eine Gedenkfeier auf dem Friedhof Hörnli in Riehen kann nur unter starkem Polizeischutz stattfinden. Der «Tages-Anzeiger» konzentriert sich weiterhin auf die Ukraine. Der «Blick» referiert lediglich Putins Aussagen zum Ukrainekrieg. CH Media titelt: «Putins perverse Parade» – wenn die Alliteration über den Verstand siegt. «watson» wiederum interviewt einen unparteiischen ukrainischen Propaganda-Experten.

Alles in allem: kläglich, schändlich, respektlos und geschichtsvergessen. Also nichts Neues.

*Nach Leserhinweis korrigiert.

Die Ukraine gedenkt

Die Medien strotzen dabei vor Geschichtsvergessenheit.

Die jüngere Geschichte der Ukraine ist voller Widersprüche und Leiden. Sie wurde 1922 als Bestandteil der UdSSR gegründet. Anschliessend litt sie fürchterlich unter Stalin. Ein Grund, um die deutschen Faschisten als Befreier zu begrüssen, als die Wehrmacht 1941 die Sowjetunion überfiel.

Die Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) kämpfte schon zuvor gegen die Sowjetunion, auch Pogrome gegen Juden begannen nicht erst nach der deutschen Invasion. Aber danach meldeten sich viele Ukrainer freiwillig als Hilfspolizisten und beteilgten sich am Massenmord an Juden.

Babyn Jar, wo der grösste Massenmord der Wehrmacht an Juden auf ukrainischem Gebiet stattfand, ist ein Tal in der Nähe der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Auch daran waren ukrainische Hilfspolizisten beteiligt.

Das Staatsgebiet der heutigen Ukraine wurde 1944 durch die Rote Armee von der deutschen Wehrmacht befreit. Viele ukrainische Kollaborateure flüchteten danach nach Deutschland oder allgemein in den Westen.

Als Symbolfigur für diese Beteiligung an Untaten des Naziregimes gilt bis heute Stepan Bandera. Wegen seiner Beteiligung an Massenerschiessungen und Pogromen wurde er in der Sowjetunion in Abwesenheit zum Tode verurteilt und 1959 von einem KGB-Agenten in seinem Exil in München getötet.

Gespaltene Ukraine

Der Osten der Ukraine, der keinesfalls so eng mit den Faschisten kollaborierte, führte einen Partisanenkrieg gegen die Nazis, dem sich andere Teile der Ukraine erst dann anschlossen, als es offenkundig wurde, dass die Herrschaft der Deutschen keinesfalls eine Befreiung von Stalins Joch darstellte, sondern seine Ersetzung durch ein neues Unrechtsregime.

Aber im Westen der Ukraine wird Bandera bis heute als Nationalheld mit Denkmälern geehrt.

Das alles macht den Überfall Russlands um keinen Deut besser und liefert keine Rechtfertigung dafür. Wer aber diesen Teil der Geschichte der Ukraine ausblendet, ebenso wie die Tatsache, dass die Feier des Sieges im Zweiten Weltkrieg über Hitler-Deutschland für Russland bedeutet, dass das von keinem anderen Land der Welt mit so grossen Opfern errungen wurde, der betreibt Geschichtsklitterung.

Natürlich ist der Slogan der Entnazifizierung der Ukraine reine Kriegspropaganda. Aber nicht völlig aus der Luft gegriffen, denn auch heute noch sympathisieren nicht nur militärische Hilfstruppen der Ukraine, sondern auch politische Parteien ideologisch eng mit dem Faschismus. Dass Selenskij seinerseits die russischen Truppen mit Faschisten gleichsetzt, ist nur propagandistisch zu verstehen.

Beflecktes Gedenken

Dieser übersteigerte Nationalismus und Patriotismus, gepaart mit Antisemitismus, widerspiegelt das Denken eines nicht geringen Prozentsatzes der ukrainischen Bevölkerung. Auch die Ukraine hat sich nicht aus eigenen Kräften vom Joch der Nazis befreit, sondern das erledigte die Rote Armee unter ungeheuerlichen Opfern.

Dass nun die Nachfolgeorganisation der Roten Armee als Invasor auftritt, ist beelendend. Das befleckt das Angedenken an die 25 Millionen Tote, die der Überfall Hitler-Deutschlands forderte – und die Rückeroberung der von den Deutschen besetzten und zerstörten Gebiete. Es war klar und unvermeidlich, dass die Rote Armee erst nach der Eroberung Berlins und der totalen Kapitulation Deutschlands den Krieg beendete.

Es war ebenfalls unvermeidlich, dass die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, nicht zuletzt in einer Konferenz, die auf der Krim stattfand, Nachkriegseuropa unter sich aufteilten. Sie vermieden damit eine Fortsetzung des Zweiten Weltkriegs.

Nicht nur die Widerstandsgruppe um Graf Stauffenberg liebäugelte mit dem Gedanken, einen Separatfrieden mit dem Westen auszuhandeln – um dann mit gemeinsamen Kräften nochmals die UdSSR zu überfallen. Diesem Plan stand Hitler im Weg, deshalb sollte er beseitigt werden, nicht etwas als Ausdruck eines Protests gegen den Faschismus und seine Untaten, an denen Stauffenberg tatkräftig teilgenommen hatte.

Steinbruch Geschichte

Geschichte ist nichts Statisches oder Feststehendes. Sie wird immer wieder umgeschrieben, natürlich von den Siegern. Aber nicht nur die Ukraine zeigt, dass einseitiger Triumphalismus, gar das Ausrufen des Endes der Geschichte fatale Folgen haben kann. Wer geschichtliche Faktoren ausblendet, weil sie ihm nicht in sein Narrativ passen, lernt nichts aus der Geschichte und ist häufig dazu verurteilt, sie zu wiederholen.

Natürlich hat der ukrainische Präsident Selenskij alles Recht der Welt, sich mit allen Mitteln gegen die russische Invasion zu wehren, und propagandistisch erledigt er einen exzellenten Job, persönlicher Mut ist ihm auch nicht abzusprechen.

Dass er korrupt ist, über bedeutende Besitztümer im Ausland verfügt, wie man spätestens seit den Pandora Papers weiss, schmälert das nicht. Auch nicht, dass sein Wahlsieg von einem ukrainischen Oligarchen ermöglicht wurde, der damit Probleme löste, die ihn ins Exil ins Ausland gezwungen hatten. Auch nicht, dass in der Ukraine die gleiche Medienzensur herrscht wie in Russland.

Aber all das komplettiert die Beschreibung dieser Person. Genauso wie die erwähnten Aspekte der ukrainischen Geschichte hilft ein differenziertes Bild bei einer differenzierten Betrachtung. Beim Verständnis und beim Vermeiden von Irrtümern.