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Auf den Kopf gestellt

Problem: ein Vorher-Nachher. Lösung: Kopffüssler. Flatlining reloaded.

Was ist nur mit den Schweizer Werbeagenturen los? Einzige Erklärung: es läuft ein geheimer Wettbewerb, wer einem Auftraggeber die bescheuertste Werbekampagne aufs Auge drücken kann. Ohne dass er mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt wird.

Lange Zeit unerreicht war diese Kampagne auf Platz eins:

Ein Wilhelm Tell mit kaputter Armbrust, auf einem Zeitungsstapel, hinter sich ein Radio, vor sich ein Laptop, in der Hand ein Handy. Ein nicht unwesentlicher Beitrag dazu, dass zum grossen Ingrimm der Verlegerclans die zusätzliche Steuermilliarde an der Urne abgelehnt wurde. Denn wenn man schon die Werbung nicht versteht, wieso soll man dann dafür sein, dass solch unfähigen Medienmanagern viel Geld reingestopft wird?

Die Werbeagenturen Farner und Rod hatten sich zusammengeschlossen, um diese einsame Höchstleistung im Tiefenrekord für unterirdische Werbung zu erbringen. Bravo.

Denn nur gemeinsam war es möglich, die alleine von Rod verantwortete Schwachsinns-Kampagne «So schützen wir uns» noch zu unterbieten.

Der Wettbewerb war lanciert, als Nächster griff Scholz & Friends in den Wettbewerb ein und besetzte die Pole Position. Denn wenn der Bund zahlt, ist nun wirklich alles erlaubt, gibt es nach unten keine Barrieren.

Verständlich, dass das Rod nicht auf sich sitzen lassen konnte. Schliesslich war man zweimal unangefochten auf Platz eins im Wettbewerb «wer macht die grottenschlechteste Werbung aller Zeiten» gelandet. Das zweite Mal allerdings nur mit Hilfe von Farner. Das schrie geradezu nach da capo.

Ausgerechnet das arme SOS Kinderdorf wurde zum nächsten Opfer von Rod. Hier geht es um ein klassisches, banales, schon ewig durchdekliniertes Problem in der Werbung: wie stelle ich ein Vorher-Nachher so dar, dass der Betrachter sofort kapiert, worum es geht? Da es ein uraltes Problem ist, gibt es ein Meer von guten Lösungen. Das geht aber auch anders, sagte sich Rod, man kann’s auch in den Sand setzen, bzw. auf den Kopf stellen.

Allerdings lag die Latte doch ziemlich hoch, bzw. tief. Also musste sich Rod echt anstrengen, um sowohl den Tell, die Covid-Kampagne wie auch die Füsse auf dem Radiator zu überbieten. Aber wenn sich der Werber richtig anstrengt, schafft er das:

Mal ganz langsam. Ja, das ist Maria Walliser, die Ex-Skifahrerin. Und ja, das ist eine Werbung für das SOS Kinderdorf:

Ist nun Walliser in diesem Kinderdorf aufgewachsen und deswegen ein «Ex-Kind»? Stand damals die Welt für sie auf dem Kopf? Oder für diese beiden hier:

Bevor jemand fragt: das sind Michèle und Manuel Burkart. Burkart who? ZACKBUM gesteht: wir wussten auch nicht, dass das unter «Moderatorin/Komiker» läuft. Haben die etwa auch ihre Jugend im SOS Kinderdorf verbracht? Vielleicht verstehen wir das besser, wenn wir das Sujet mal umdrehen:

Öhm. Oder spielt das niedliche Geisslein eine Rolle, die wir nicht durchschauen? Vielleicht ist’s so gemeint:

Verflixt, dann vielleicht im Querformat?

Hm, macht irgendwie visuell mehr Sinn. Oder ist’s Unsinn? Auf jeden Fall muss noch ein Rätsel aufgelöst werden. Nein, Walliser und das Duo «Komikerin/Moderator» (oder so) waren keine SOS-Kinder. Aber Kinder. Capito? Nein? Sacknochmal. Sie waren Kinder. Heute sind sie’s nicht mehr. Dafür setzten sie sich für Kinder ein, die immer noch Kinder sind. Kann doch nicht so schwer sein.

Dank persoenlich.com wissen wir auch, wer das verbrochen hat:

Das sind auch zwei Ex-Kinder, und der Struwwelpeter rechts sieht genauso aus, wie sich ein Möchtegern-Creative Director einen Creative Director vorstellt.

Was kann der zu seiner Verteidigung sagen?

«Obwohl der Zustand des Ex-Kindseins ja auf uns alle zutrifft, hat sich bisher noch niemand von uns als Ex-Kind bezeichnet. Wir haben die Chance ergriffen und glauben, dass wir so maximale Identifikation bei der Zielgruppe erreichen.»

Hä? Nein, das ist doch logisch. Wenn man die Werbekampagne nicht versteht, versteht man dieses Gequatsche auch nicht. Dabei liesse sich das alles einfach zusammenfassen. Die armen Kinder. Das arme SOS Kinderdorf. Mal wieder auf einen reingefallen, dessen Lebensmotto hinter der Sonnenbrille wohl ist: Kann nix. Macht nix.

Paid Content mal anders

Unternehmer plus PR-Bude gegen den «Beobachter». Mal was Neues. Aber nichts Gutes.

Der «Beobachter» ist eine Schweizer Institution. Er betreibt meistens Journalismus, der wehtut. Durch seine Beratungsabteilung gehen ihm die Fallbeispiele nie aus; durch seinen riesigen Abonnentenstamm und die entsprechend hohe Auflage geht er nicht so leicht in die Knie.

Dass die von kritischen Berichten Betroffenen das nicht sonderlich komisch finden, ist verständlich. Zum Standardrepertoire gehört, unter Berufung auf Rufschädigung, Persönlichkeitsverletzung und überhaupt im Rahmen des UWG (Unlauterer Wettbewerb) mit Pech und Schwefel, Tod und Teufel zu drohen.

Ziel ist immer die Löschung eines Artikels, im Idealfall mitsamt Gegendarstellung, Korrektur plus, Sahnehäubchen, Entschuldigung der Redaktion. Beim Ringier-Verlag, der zusammen mit Axel Springer den «Beobachter» herausgibt, gehört das eigentlich zur Routine. Jüngstes Beispiel: der Fall Lachappelle.

Diese Kampfhandlungen beginnen, sobald der Betroffene konfrontiert wird. Also vor Publikation Gelegenheit zur Stellungnahme bekommt. Das ist unabdingbar in der Schweiz, und das ist auch gut so.

Meistens spielt sich viel hinter den Kulissen ab

Damit sind dem Kritisierten die Vorwürfe bekannt, und er kann sich überlegen, was er über ein «alles falsch, gelogen, behalte mir alle Schritte vor» hinaus noch unternehmen kann. Im Ernstfall wird er versuchen, auch mithilfe von (Medien)anwälten die Publikation des Artikels zu verhindern.

Gelingt das nicht, die Kritikpunkte so weit wie möglich abzuschwächen. Gelingt das nicht, wenigstens in einer ausführlichen Stellungnahme alles zurückzuweisen. Erscheint der Artikel, gibt es das Nachtreten mit einer Gegendarstellung sowieso den Versuch, auf dem Rechtsweg an Schadenersatz zu gelangen. Oder das Medium so zu zwingen, von den Kritikpunkten ganz oder teilweise abzurücken.

Passiert ständig, meistens hinter den Kulissen. Denn nicht-veröffentlichte Artikel vermisst niemand – vorausgesetzt, das Störfeuer des Kritisierten war erfolgreich.

Eigentlich wäre ein Artikel über die Praktiken des Krankenkassenvermittlers Swiss Home Finance genau so ein Fall gewesen. «Firmengründer und Geschäftsführer Benard Duzhmani betont: «Ich toleriere keine Unterschriftenfälschungen.»»

Der «Beobachter» stützte sich im Dezember 2020 auf die Aussagen ehemaliger Mitarbeiter plus ihm angeblich zugespielte Videos, dass bei dieser Firma fehlende Kundenunterschriften gefälscht, mit fragwürdigen Methoden möglichst viele Abschlüsse herbeigeprügelt würden. Kaltakquise, Zusammenarbeit mit einem Call Center im Kosovo, via einen Büroleiter mit dubioser Vergangenheit:

«Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die meisten erst Anfang 20, würden durch Firmeninhaber «Beni» Duzhmani und Büroleiter Thomas C. angetrieben, möglichst viele Verträge abzuschliessen. «Pure Sklaventreiberei», sagt dazu ein Ex-Mitarbeiter.»

Schliesslich gebe es bei Abschlüssen von KK-Versicherungen oder einem Wechsel der Krankenkasse satte Kommissionen zu verdienen, merkt der «Beobachter» noch an. Es fand anschliessend anscheinend ein Versuch statt, die Kuh vom Eis zu kriegen – bzw. die Vorwürfe vom Tisch und aus dem Internet. Vergeblich, der «Beobachter» war nicht zu bewegen, etwas zurückzunehmen.

Nach 8 Monaten geht’s plötzlich rund

Nun hätte es die Möglichkeit einer Gegendarstellung oder die Einleitung juristischer Schritte gegeben. Stattdessen geschah ziemlich genau 8 Monate lang – gar nichts. Ausser einem Versuch, ein grosses Inserat mit einer Art Gegendarstellung im «Beobachter» zu platzieren, was der zurückwies.

So macht man das. Macht man das so?

Weniger Skrupel hatten NZZaS und «20 Minuten». Sie brachten beide das Inserat von Duzhmani. Auffällig: es kam ziemlich gestylt daher. War nicht zufällig: dahinter steht die PR-Bude Rod. Ihre Selbstdarstellung lässt keine Frage offen – und kein Auge trocken:

Mehr Klapf für die Kohle.

Bei dieser bezahlten Gegendarstellung ging es vor allem darum, den kosovarischen Hintergrund des Geschäftsführers herauszuarbeiten.

Mehr als die Hälfte des Texts zeichnet seinen Aufstieg in bewegenden Worten. Armes Kind, ass den Zmittag verschämt in einem Park. Dann Einbürgerung, Lehre, Versicherungsberater. Flockig erzählt, «habe Tag und Nacht gearbeitet»; schliesslich sei dadurch Wohlstand entstanden – gleichzeitig hätten die Kunden, weil in der Muttersprache beraten, über die Jahre mehr als 70 Millionen Prämienfranken gespart.

Gemeinsames Nachdenken am 1. August

Eine märchenhafte Story von Integration, Aufstieg, Erfolg, dabei noch menschenfreundlich. Bis dann «im Dezember ein Artikel im «Beobachter» versuchte, einen Teil unseres Erfolgs zunichte zu machen». Der Unternehmer musste 60 Mitarbeiter entlassen, das «brach mir das Herz». Obwohl es «keinen Verdacht, keine Ermittlungen, keinen Prozess, kein Gerichtsurteil, keinen Schuldspruch» gebe.

Schlimmer noch: Duzhmani beschwert sich, dass man ihm aufgrund seiner Herkunft aus dem Kosovo immer wieder zu verstehen gebe, «er sei ein Ausländer, dem man nicht trauen könne». Unter dem Hashtag #secondoaugust ruft er zudem zum gemeinsamen Nachdenken darüber auf; am 1. August. Allerdings reisst darunter nur die gähnende Leere den Mund auf.

Noser ist immer bereit, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Dazu ein seitenfüllendes Porträt von ihm. Professionell gemacht. Inhalt, Anmutung, Abfolge der Argumente, Lebensgeschichte, Fleiss, Integration Erfolg – und dann das. Wohl wegen seiner Herkunft, «wann gehört man als Migrant/in dazu?», fragt er anklagend. Nett von David Schärer, «Gründungspartner» und zuständig für «Amplification» bei Rod, der hier eine «übergeordnete Ebene» sieht, wie er in einem persoenlich.com-Interview erläutert.

Bislang also eine klassische Win-Win-Win-Situation. Duzhmani fordert Gehör und Gerechtigkeit, die «a bigger bang fort he buck» versprechende Agentur erhält als Beifang ein sozialpolitisch geschärftes Image – und persoenlich.com kann die ganze Angelegenheit lang und breit abfeiern.

Sympathische Selbstdarstellung von Rod.

Da fehlt natürlich noch einer im Umzug. Der frischgebackene Chefredaktor des «Beobachter», der sich gleich bei Amtsantritt mit einer neuen Form der Kriegsführung gegen sein Blatt konfrontiert sieht. Dominique Strebel wiederholt in einem grossen Interview bei persoenlich.com, was sein Magazin bereits auf seiner Homepage veröffentlichte.

Der «Beobachter» nimmt Stellung.

Wesentliche Aussage: «Seine Vorwürfe sind haltlos.» Etwas ausführlicher:

«Das Verhalten, das Swiss Home Finance vorgeworfen wird, kann Konsumentinnen und Konsumenten schädigen. Daher besteht ein klares und berechtigtes öffentliches Interesse für eine Berichterstattung – unabhängig davon, ob in dieser Angelegenheit ein juristisches Verfahren läuft oder nicht. Der Beobachter sieht es als eine seiner wichtigen Aufgaben, vor zweifelhaften Unternehmen zu warnen.»

Es ist tatsächlich auffällig, dass in dem Gegenwehr-Inserat so ziemlich alles ausführlich bis sogar langfädig, wenn auch flott, dargestellt wird. Nur eins nicht: eine Widerlegung der Vorwürfe, die der «Beobachter» erhoben hatte. Ob deswegen ein Strafverfahren läuft oder nicht: wurden Unterschriften von Kunden gefälscht oder nicht? Wurden Mitarbeiter, im Provisonsgeschäft üblich, zu möglichst vielen Abschlüssen gedrängt? Welche Rolle spielt das Call Center im Kosovo? Werden zweifelhafte Praktiken verwendet, um Kontaktierte zu einem Abschluss zu bewegen?

Bislang entstand viel Qualm durch verröstetes Geld – aber sonst?

Der «Beobachter» behauptet – bislang unwidersprochen –, über entsprechende Aussagen, Belege, sogar Videos zu verfügen. Hier wird der PR-Text der PR-Agentur ziemlich dünn, das Geschwurbel des für Amplification zuständigen Rod-Mitbegründers auch.

Könnte es sein, dass Duzhmani ziemlich viel Geld dafür ausgegeben hat, um sich selbst nochmals zu schaden? Fehlberaten von einem cleveren Verkäufer, der ihm aber keine KK-Police aufschwatzte, sondern die Gestaltung eines Inserats? Kostenpunkt unbekannt. Alleine die Seite in der NZZaS kostete laut Tarif 24’100 Franken. Kein Pappenstiel, um die Öffentlichkeit auf einen längst vergessenen Artikel aufmerksam zu machen.

Kein Pappenstiel, wenn der «Beobachter» sich dazu animiert fühlen sollte, nochmal nachzulegen. Verblüffend auch: Duzhmani verwendet als Argument, dass gegen seine Firma keinerlei Strafuntersuchung im Gang sei, die Gerichte nicht angerufen wurden. Und man ihn trotzdem kritisiere. Er selbst hat aber bislang auch auf alle ihm möglichen rechtlichen Schritte gegen den «Beobachter» verzichtet. Hat er sich einen Gefallen mit diesem Inserat getan? Hat Rod damit wirklich das Image gesteigert? Oder nicht eher einmal mehr gezeigt, dass PR und Journalismus eigentlich nichts miteinander zu tun haben und PR-Menschen keine Ahnung von Journalismus haben?