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Rieter: ein Knäuel gesponnen?

Eine Medienmitteilung über einen Ankauf, business as usual. Aber mit einem Knaller drin.

Rieter übernimmt drei Geschäftszweige von Saurer. Das ist – ausserhalb von sehr interessierten Kreisen – echt gähn. Von sehr überschaubarem Newswert. Aber die Forsetzung der Medienmitteilung überhaupt nicht:

«Im Verlauf der beschriebenen Transaktion kam es zu schwerwiegenden Verletzun­gen der gesetzlichen Treuepflicht, der Pflicht zur Wahrung von Geschäftsgeheim­nissen sowie des Code of Conduct von Rieter durch die beiden Verwaltungsrats­mitglieder Luc Tack und Stefaan Haspeslagh. Sie haben verwaltungsratsinterne Informationen dazu benutzt, von Rieter geführte Verhandlungen durch ein eigenes Angebot zu konkurrenzieren

Die Strafandrohung folgt auf dem Fuss:

«Daher beabsichtigt der Verwaltungsrat der Rieter Holding AG, eine ausserordentliche Generalversammlung einzuberufen, an der seine Mitglieder Luc Tack und Stefaan Haspeslagh abberufen werden sollen.

Zum Schutz der Interessen von Rieter wird der Verwaltungsrat Strafanzeige gegen die beiden Verwaltungsräte einreichen.»

Das nennt man mal Klartext. In der bis 1795 zurückreichenden Geschichte vom Textilmaschinenbauer dürfte es kaum je eine solche öffentliche Mitteilung gegeben haben.

Lange Tradition, wechselhaftes Schicksal.

Denn normalerweise werkelt der Konzern mit über 5000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund einer Milliarde Franken still und leise vor sich hin.

Stefaan Haspeslagh (links) und Luc Tac: Bösewichte?

Übernahmen, Krisen, Erholung, Probleme. Das Übliche in der arg gebeutelten Schweizer Maschinenindustrie halt. Noch im April hing der Himmel voller Geigen mit den beiden neuen VR-Mitgliedern; vor der ordentlichen GV schwärmte der VR-Präsident:

«Rieter heisst den neuen Grossaktionär Picanol willkommen. Luc Tack, Mehrheits­aktionär und CEO von Picanol, ist seit vier Jahren Mitglied des Verwaltungsrats von Rieter. Stefaan Haspeslagh zeichnet sich durch eine breite, internationale Führungserfahrung im Textilumfeld aus und ist in der Industrie sehr gut vernetzt.», erklärte Verwaltungsratspräsident Bernhard Jucker.

Auskünfte werden nur sehr schmallippig erteilt

Inzwischen hört sich das alles entschieden verkniffener an. In einer Telco-Pressekonferenz, die am Montagmorgen angesetzt wurde, hielt man sich bei Rieter sehr bedeckt, was Auskünfte über die beiden in Ungnade gefallenen VR-Mitglieder betrifft. Immerhin, in der PM hiess es noch, eine Strafanzeige werde eingereicht, inzwischen sei das getan worden, antwortet Rieter auf eine Frage von ZACKBUM.

Simple Skizze, im Vergleich zur heutigen Geschäftswelt.

Die beiden angeschuldigten VR seien nun – nach Ausstand auf eigenen Wunsch – wieder bei Meetings dabei, als einer von ihnen im Frühling warmherzig begrüsst wurde, sei das natürlich noch nicht absehbar gewesen.

Keinerlei Auskünfte will Rieter über allfällige Belege oder Beweise erteilen, die seien den Strafverfolgungsbehörden übergeben worden und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Ebenso wenig will Rieter etwas dazu sagen, was sein Grossaktionär, der von diesen beiden Noch-VR vertreten wird, davon hält. Und schliesslich sei auch der Begriff «Unschuldsvermutung» nichts, was Rieter anwenden müsse. Näheres werde dann an der ausserordentlichen GV erklärt, die noch dieses Jahr stattfinden soll und an der dann die beiden VR abgewählt werden sollen.

Wie geht’s nach dem Erstschlag weiter?

Falls sich dafür eine Mehrheit unter den Shareholdern finden wird, muss man hinzufügen. Die Werke von Saurer wurden aus einer Insolvenz herausgekauft, was auch ein Schlaglicht auf die rauen Sitten und Zustände im Maschinenbusiness wirft. Aber bei der Gelegenheit gleich zwei eigene VR öffentlich in die Pfanne zu hauen, das ist schon ein recht einmaliger Vorgang. Zumal die 10 Prozent des Aktienkapitals von Rieter repräsentieren.

Natürlich ziehen sich die Schweizer Medien auch hier am liebsten auf die Ticker-Meldungen von SDA zurück; besser als allenfalls Lücken in den eigenen Kenntnissen über das Funktionieren eines VR preiszugeben …

Für die Rieter-Angestellten ist zu wünschen, dass der VR – immerhin besetzt mit so Schwergewichten wie Peter Spuhler – weiss, was er tut. Das letzte Mal, als ein VR-Präsident die Vertreter eines Grossaktionärs vor die Türe stellte, kam das nicht gut.

So stellt man sich die Zukunft von Rieter vor.

Sunrise-VR-Präsident Peter Kurer wollte nicht als Versager von der Bildfläche verschwinden, sondern sich ein Denkmal setzen, indem er UPC Schweiz aufkaufen wollte. Dagegen war aber sein deutscher Grossaktionär Freenet, mit guten Argumenten. Kurer entledigte sich deren, indem er die Freenet-Vertreter aus dem VR kübelte, möglicher Interessenskonflikt.

Das endete dann unschön. Die Fusions-GV wurde in letzter Sekunde abgesagt, die Fusion auch, Kurer erklärte seinen Rücktritt. Die ganze Übung hatte einen dreistelligen Millionenbetrag gekostet, für nix. Und wenig später verkündete UPC, dass die Firma nun ihrerseits Sunrise schlucken werde.

Natürlich, das war Telekommunikation und nicht das Spinnen von Garnen. Man wird sehen, wie gross die Unterschiede sind.

Picanol weist alle Vorwürfe zurück

Picanol hat sich inzwischen eindeutig mit einer eigenen PM zu Wort gemeldet. Man «bedauere zutiefst» die Mitteilung von Rieter und die angekündigten Schritte. Picanol habe im Rahmen einer langjährigen Zusammenarbeit mit Saurer tatsächlich nach Lösungen für die finanziellen Probleme dieser Einheiten gesucht und eine Kredit von 20 Millionen Euro gesprochen, ohne sich damit allerdings Vorkaufsrechte zu sichern.

Im Gegenteil: «Als er von den finanziellen Problemen bei Saurer erfuhr, hatte Luc Tack auch den CEO von Rieter darüber informiert, dass dies auch eine Chance darstellen könnte, Rieter durch den Erwerb bestimmter Anteile weiter zu stärken. Luc Tack und Stefaan Haspeslagh haben bei der Beratung oder Entscheidungsfindung in dieser Angelegenheit jederzeit die im Rahmen eines möglichen Interessenkonflikts geltenden Governance-Regeln respektiert.»

Hört sich deutlich anders an als die knallharte PM von Rieter. Klarer Fall von: einer von beiden sagt nicht die Wahrheit