Auch Katja Oskamp ist nicht zu retten
Wie hangelt man sich an einem berühmten Mann zu Ruhm? So nicht.
Katja Oskamp ist Fusspflegerin und Schriftstellerin. Das muss noch nicht gegen sie sprechen. Sie hat ein paar Werke veröffentlicht, die durchmischte Reaktionen auslösten. «Halbschwimmer» über ihre Jugend in der DDR wurde gelobt, «Hellersdorfer Perle» verrissen.
Man kann wohl sagen, dass sie ausserhalb von Berlin, vielleicht sogar ausserhalb von Berlin-Lichtenberg nicht wirklich bekannt ist. Das will sie nun ändern, mit ihrem neusten Werk «Die vorletzte Frau». Wer keinen eigenen Ruhm gewinnt, kann sich vielleicht in dem eines anderen sonnen, hat sie wohl gedacht.
Also plaudert sie ungeniert aus dem Intimbereich ihrer Beziehung zum Schweizer Schriftsteller Thomas Hürlimann. Das ist so grottenschlecht und widerlich, dass es selbst die normalerweise sanftmütige NZZ in Rage bringt.
Roman Bucheli fängt in seiner Rezension sanft an: «Jeder hat ein Leben zu erzählen. Aber nicht jedes Leben ist gleichermassen interessant für die Öffentlichkeit. Wenn es dabei um Sex geht, ist schon einmal eine gute Voraussetzung erfüllt. … Ganz besonders hilfreich ist schliesslich der Celebrity-Faktor. Je berühmter die Beteiligten sind, desto langweiliger und dürftiger darf ein solches biografisches Süppchen sein.»
Dabei lässt sie kein unappetitlich-intimes Detail aus, wie Bucheli mit zugehaltener Nase schreibt: «Griff die Erzählerin zum Auftakt dem Mann in den Schritt, so setzt sie sich später zwischen seine gespreizten Beine, um mit einer Spritze und brachialer Kraftanwendung seine Harnröhre wieder freizuschiessen, sooft diese sich, was häufig geschieht, verschliesst. Sie schildert diese Szenen fast ebenso genüsslich wie ihre erotischen Rollenspiele, wenn sie in Strapsen in einer Bar auf ihn wartet, bis er als humpelnder alter Mann mit Stock erscheint, ihr ein Halsband umlegt und sie an der Leine wegführt.»
Geht da noch was? Aber sicher: «Allerdings findet sie für jede peinliche Selbstentblössung eine noch peinigendere Blossstellung für ihren Liebhaber. Als sie ihn zum Festakt für die Verleihung der Ehrendoktorwürde in Basel begleitet, muss sie seine Kleidung kontrollieren, bevor sie das Haus verlassen. Er will nicht wissen, ob der Kragen sitzt, sie soll prüfen, «ob man wirklich nichts von der Windelhose sah, die er unter dem Anzug trug».»
Vollends peinlich wird das Werk (und die Autorin) durch die souveräne Reaktion Hürlimanns. Offensichtlich hatte der Ullstein-Verlag, der langsam auch keinen Ruf mehr zu verlieren hat, Schiss, dass es vielleicht juristischen Ärger mit dem hier Entblössten geben könnte. Aber der reagierte sehr souverän:
«Er freue sich, schrieb er in seiner Mail, «dass ich mitspielen darf». Er betrachtet die Literatur als ein Ergebnis der Imaginationskraft, sie ist ihm keine verbissene Wirklichkeitsabschreiberei. Mag das Buch auch von ihm handeln, so ist es doch nicht er selber, der darin abgebildet wird.»
Bucheli lässt am Schluss das Fallbeil fallen und mokiert sich über den Titel des Romans, bzw. er verwendet Hürlimanns souveräne Reaktion für die Vollendung der Hinrichtung:
«Damit pariert er ganz nebenbei auch den infam anmutenden Romantitel «Die vorletzte Frau». Das entspreche einem Muster in ihrem Leben, erklärt die Ich-Erzählerin. Schon einmal folgte nach der Trennung von einem Geliebten auf sie eine weitere, die letzte Frau, ehe der Mann starb. Mit anderen Worten: Tosch steht in ihren Augen mit einem Bein im Grab. Auch diese Hybris der Erzählerin zerlegt Hürlimann im Handstreich: Es ist ein Spiel. Was er, nobel, wie er ist, nicht sagt, aber vielleicht denkt: Es ist ein schlechtes Spiel. Man kann getrost sagen: ein übles.»
«Ich war die Geliebte von», ein uraltes Romangenre, in dem sich unangenehm viele Adabeis tummeln. Manche berichten aufgeregt von einer einzigen Nacht, andere von einem Verhältnis, wieder andere von einer Nebenbeziehung eines berühmten Mannes (seltener einer berühmten Frau). Fast immer ist es peinlich, sorgt allenfalls für flüchtigen Ruhm.
Neuen Schub hat dieses Genre durch die «#metoo»-Bewegung bekommen. Neben völlig zu recht angeprangerten sexuellen Übergriffen wimmelt es auch hier inzwischen von Dichtungen, die kaum etwas mit Wahrheit, dafür viel mit dem Bedürfnis, ins Scheinwerferlicht zu treten, zu tun haben.
Häufig bleiben zwei Opfer zurück. Der Beschuldigte und die Beschuldigerin. Hier ist es ausnahmsweise so, wenn Hürlimann diese öffentlich gemachten Einblicke in sein Intimleben nicht genieren, dass es nur ein Opfer gibt: die Autorin selbst.