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Spaltet den Nebel!

Wie geht’s dem Nebelspalter? Schwer zu sagen. Daher ein Experiment.

Der «Nebelspalter» online ist nun über ein Jahr am Markt. Normalerweise werden schon viel früher Zahlen bekannt gegeben. Resonanz, Single Visitors, Klicks, Page Impression, was auch immer. Aber doch nicht beim Organ, das sich für Transparenz einsetzt: «Wir hassen den Nebel und das Nebulöse.» Ausser bei uns selbst, müsste man ehrlicherweise hinzufügen.

Also kann man nur über Umwege herauszufinden versuchen, wie’s denn so geht. Ein Indiz ist das Inserateaufkommen. Das liegt auch nach einem Jahr bei nahe null. Eine Anpreisung der neuen Tournee von Marco Rima. Wenn dem Mitarbeiter und Quotenbringer der normale Tarif verrechnet wurde, wäre das mehr als unfreundlich. Obwohl der «Nebelspalter» von Advertorials über Sponsoring und Tags so ziemlich jede Werbeform anbietet, war monatelang tote Hose. Seit einiger Zeit verstaubt eine Reihe von Auto-Werbetexten auf der Homepage. Der jüngste von Anfang Februar, immer mit dem gleichen Autor.

Nicht gut.

Nach einem Jahr trennte sich der «Nebelspalter» Knall auf Fall von seinem Geschäftsführer und Werbeakquirierer, von dem man für teures Geld eine Insellösung als CMS eingekauft hatte – und sich damit bis heute völlig von ihm abhängig macht. Über die Qualität der Webseite gibt es vernichtende Urteile von Fachleuten …

Nicht gut.

Die Webseite ist immer noch weitgehend hinter der Bezahlschranke versteckt, obwohl nach einem Jahr nun zum ersten Mal ein Schnupperabo abgeschlossen werden kann. Zudem hat die Webseite diverse Redesigns hinter sich.

Nicht gut.

Unter «Redaktion» sind inklusive Chefredaktor Markus Somm 11 Angestellte aufgeführt. Wir haben alle angefragt, ob sie auch tatsächlich noch für den «Nebelspalter» arbeiten. Unter «ständige Mitarbeiter und Kolumnisten» sind 14 weitere Publizisten aufgereiht. Darunter auch der VR-Präsident Konrad Hummler. Wir haben auch sie angefragt, ob sie tatsächlich für den «Nebelspalter» ständig tätig sind.

Das Ergebnis ist ernüchternd. Von der elfköpfigen Redaktion geruhten nur 3 zu antworten. Einer mit einer Abwesenheitsnotiz, einer, dass er nur noch bis zum 1. Mai dabei sei, und einer, dass er «glaub’s» in diesem Impressum stünde. Von den 14 ständigen Mitarbeitern verfügen schon mal 8 über keine E-Mail-Adresse beim «Nebelspalter», von den übrigen mochten nur Konrad Hummler, Reto Brennwald und Gioia Porlezza ihre Tätigkeit bestätigen. Ein weiterer Mitarbeiter antwortete mit der bangen Bemerkung: «Mal sehen, wie lange noch …»

Nicht gut.

Gerne hätten wir Chefredaktor Markus Somm die Gelegenheit gegeben, sich hier zu einigen Fragen zu äussern. Ob es denn stimme, dass der neue Geschäftsführer, um gleich mal ein Zeichen zu setzen, fast alle festangestellten Mitarbeiter entlassen habe. Wobei sich sein Leistungsausweis auf das Führen einer munzigen Lokal-Onlineplattform beschränkt. Oder wann man zum ersten Mal Zahlen serviert bekommt; Abonnenten, Einnahmen, Ausgaben, Break-even, Finanzflussplanung, Perspektiven. Leider beliess es der sonst immer so um Aufklärung und Transparenz bemühte Somm bei einer sehr knappen Antwort: «kein Kommentar

Nicht gut.

Streitpunkte entfernt

Wenn’s mal fetzt im Schweizer Farbfernsehen, dann werden die Standpunkte rausgeschnitten. Zum Beispiel, wenn sich Reto Brennwald und Markus Somm nicht mehr mögen.

Das Sendegefäss «Standpunkte» wird von diversen Schweizer Medien bespielt. Darunter auch die «Sonntagszeitung». Man kann nicht unbedingt sagen, dass die Diskussionsrunde zum Strassenfeger taugt, aber sie hat auch Vorteile.

Wenn Reto Brennwald der Moderator ist, lässt man sich normalerweise aussprechen, und als alter «Arena»-Hase ist es sich Brennwald gewohnt, die Diskussion laufen zu lassen, aber dann einzugreifen, wenn man sich ineinander verbeisst oder jemand das Wort gar nicht mehr loslassen will.

Also wagte er sich letzten Sonntag an das nicht gerade taufrische Thema «Rahmenabkommen CH – EU: und jetzt?» Zum Austausch bekannter Positionen hatten sich politisch und gendermässig korrekt (wenn man Brennwald als moderierendes Neutrum sieht) der Euro-Turbo (oder müsste man heute Turbine sagen?) FDP-NR Christa Markwalder, sekundiert von Tiana Angelina Moser (GLP-Nationalrätin) als Befürworterinnen und Philip Erzinger, Geschäftsführer der «Allianz Kompass Europa» und als «Stammgast» Markus Somm, Historiker und Autor, versammelt.

Es entwickelte sich schnell ein munterer Schlagabtausch, in dem Markwalder die elder stateswoman zu spielen versuchte, Moser deutlich erhitzt mehrfach von Brennwald das Wort entrungen werde musste, Erzinger beachtlich souverän, sachlich, telegen den ablehnenden Standpunkt seiner Gruppierung zu Gehör brachte, und Somm schon bei seiner ersten Wortmeldung sanft-rabaukig mit schneidender Stimme eingriff.

Munterer Boxkampf, aber mit altbekannten Schlägen

Leider muss man zusammenfassend sagen, fast 60 Minuten, Erkenntnisgewinn nahe null. Man meinte zu sehen, wie bei allen teilnehmenden Profis im Hirn die schon x-mal verwendeten Tonbänder kurz sortiert wurden und dann abgespielt. Auch die üblichen Blutgrätschen – einer redet und macht den Fehler, kurz Luft zu holen, «ich möchte nur noch das sagen», «folgende vier Punkte möchte ich» oder «lassen Sie mich da eine direkte Frage stellen» – wurden von den debattengestählten Teilnehmern mehr oder minder elegant vorgeführt.

Soweit, so gähn. Aber, als der Moderator Somm das nächste Mal das Wort erteilen wollte, sogar eigentlich mit carte blanche und der Bemerkung, dass Somm nun schon länger nicht mehr drangekommen sei, kassierte Brennwald die schnippische Antwort:

«Sie wollen ja gar nicht, dass ich rede»,

mit der Somm am perplexen Moderator vorbei sein Wort an Moser weiterreichte, die sich nicht lange bitten liess.

Daraus wird sich keine wunderbaren Freundschaft entwickeln: Markus Somm (o.), Reto Brennwald.

Bei der Abmoderation und Bedankung wandte sich Brennwald natürlich zuletzt an seinen Stammgast, Schnitt, dann sagte Brennwald «Merci», offenbar auf eine Antwort, die der Zuschauer nicht mitbekam, und während des Abspanns konnte man sehen, wie Somm entgegen jeder Höflichkeitsregel als Einziger aufstand und grusslos hinausmarschierte.

Und tschüss: Markus Somm hat das Gebäude verlassen.

Seit Ueli Maurer mal im «Sonntalk» sogar mitten in der Sendung «kä Luscht» mehr hatte und zum Erstaunen der anderen Teilnehmer grusslos aus dem Bild verschwand, gab es solche Szenen eigentlich nie mehr.

Sozusagen erschwerend kommt hier hinzu, dass Somm deswegen «Stammgast» ist, weil er auch eine regelmässige Kolumne in der SoZ schreibt. Wie’s damit weitergeht, wenn wie angekündigt ab Mitte März sein neues Projekt «Nebelspalter» online geht, wäre auch eine spannende Frage.

Viele Talks werden zwar live aufgezeichnet, also ohne Schnitte, aber nicht gleichzeitig ausgestrahlt

Aber was ist denn hier passiert? Zunächst muss man wissen, dass nicht immer, aber fast Talks nicht live ausgestrahlt werden. Normalerweise nicht, um noch zensurieren zu können, sondern aus ganz pragmatischen Gründen. Zum Beispiel bei der «Arena», damit noch jeder Teilnehmer mit dem Zug nach Hause kommt und sich SRF so Hotelkosten spart.

Verfügbarkeit der Teilnehmer, des Aufnahmestudios und so weiter können auch eine Rolle spielen. Aber man redet dann von «zeitverschoben live». Also die Debatte wird so ausgestrahlt, wie sie aufgenommen wurde. Mit allen Versprechern, ähs oder auch Ausrastern.

Wie nun CH Media enthüllte, habe der Moderator nach der Sendung eine Mail an alle Teilnehmer geschickt, dass eine Szene herausgenommen worden sei, weil Somm und er darin «keine gute Falle» gemacht hätten.

Markwalder benützt natürlich die Gelegenheit, das scharf zu kritisieren und als bekannte Feministin zu fragen, ob das auch gemacht worden wäre, hätten sich zwei Frauen gefetzt. CH Media will zudem gehört haben, dass Somm bei seinem Abgang noch sagte, dass sich Brennwald nun einen neuen Stammgast suchen solle.

Was ist passiert, welche Freundlichkeiten wurden ausgetauscht?

War das ein kalkulierter Eclat? Wer hat die Entscheidung getroffen, hier mit der Schere einzugreifen? So dynamisch-eloquent die beiden Streithähne auch vor Kamera und Mikrophon sind, hier werden sie, höflich formuliert, sehr schmallippig. Somm reagiert nicht auf eine Anfrage, Brennwald verweist an die Medienstelle von Tamedia.

Die waltet ihres Amtes: In der Sendung sei es zu einer kurzen Auseinandersetzung zwischen den beiden gekommen, die «unangemessen» vom eigentlichen Thema abgelenkt hätte, es «wurde entschieden», die «irrelevante Sequenz» zu entfernen. Natürlich als «absoluter Ausnahmefall». Auf die wiederholte Nachfrage, wer das entschieden habe, gab’s keine Auskunft.*

Kam es zu einer wüsten Beschimpfung?

Sicher ist: die beiden müssen ziemlich zur Sache gegangen sein, wenn die Ausstrahlung so stark vom Rest abgelenkt hätte. Wurden Schimpfwörter ausgetauscht? «Nussknackergesicht» gegen «Vollmondfresse»? «Mietmoderator» gegen «Nebelspalter-Clown»? Man weiss es nicht; zu Handgreiflichkeiten kam es offenbar nicht, da beide Herren auch nach der geschnittenen Sequenz nicht derangiert aussahen.

Also müssen wir darauf warten, bis ein ungetreuer Mitarbeiter der Produktionsfirma die Schnipsel nachliefert; kleine Empfehlung: einfach auf YouTube stellen. Oder ZACKBUM.ch schicken.

 

*Anmerkung der Redaktion: Anderthalb Stunden nach Erscheinen des Artikels ging noch eine Stellungnahme von Reto Brennwald ein, der zuvor an die Medienstelle verwiesen hatte: «Die Programmverantwortung liegt bei mir. Da die kurze Auseinandersetzung mit Markus Somm nichts mit dem Thema zu tun hatte, schlug ich vor, sie wegzulassen, womit Markus Somm einverstanden war.» Am Donnerstagmorgen antwortete Markus Somm, dass es nichts zu sagen gebe.