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#Wir sind Ukraine!

Corona war gestern, heute grassiert ein Hirn-Virus.

Sich an geliehenem Leid berauschen, ernste Schwere ins luftig-leichte eigene Leben kriegen. «Mit»empfinden, solidarisch sein, mit ernst-getragen betroffener Miene dem russischen Bären gegenübertreten. Indem man #standwithukraine trendet, «Putin-Versteher» basht.

Und so vor dem Brunch, in der warmen Bettkuhle furchtbar kühne Forderungen aufstellt. Nehmen wir exemplarisch René Allemann. Ein Werbefuzzi, Pardon, seine Bude «Branders übersetzt Markenstrategien in Bilder und Storys, in Welten, die erlebbar sind und Vertrauen schaffen».

Er selbst entspricht schon visuell allen Vorurteilen, die man über Werber nur haben kann. Wenn man seinen Flachsinn liest, steigt Übelkeit auf:

Der schöne René Allemann (Screenshot).

«IT’S OUR DUTY IN THE WEST TO DEMAND FROM OUR GOVERMENTS TO HELP UKRAINE NOW»,

textet er in gepflegter Schreibmaschinen-Typo auf Tragisch-Schwarz. In Englisch, damit man das auch in Moskau versteht.

Was sollen denn die Regierungen tun? Eine Flugverbotszone über der Ukraine errichten. Damit sich die Suchoi-Piloten totlachen. Russland vom Überweisungstool Swift ausschliessen, was dann Überweisungen für arme Menschen in Russland aus dem Westen sehr erschwerte, ebenso die Unterstützung von NGO. Den Energiehandel aussetzen, was die europäische Wirtschaft entschieden schwerer träfe als Russland, das auf ein energie- und rohstoffhungriges China zählen kann. Während die USA endlich ihren Fracking-Dreck loswürden. Und schliesslich «UN-Friedenstruppen» entsenden.

Eine Regierung, die diese Forderungen befolgen würde, müsste psychiatrisch untersucht werden. Aber Allemann und all die anderen tief Bewegten, Gerührten und Geschüttelten, denen geht es überhaupt nicht darum, sinnvolle oder realistische Forderungen aufzustellen.

Sie wissen sowieso, dass ihre mit russischem Rohstoff betriebene Gasheizung weiterhin zufriedenstellend ihren Dienst verrichten wird. Und wehe, wenn nicht, dann ginge aber ein ganz anderes Geschrei los.

Neues, Altes, immer Absurdes

Auf eine naheliegende Forderung kommen all diese kühnen Krieger nicht. Weil sie offenbar nicht wissen, dass die Raumstation ISS von den USA und Russland gemeinsam betrieben wird. Das bedeutet, dass russische Versorgungskapseln mit ukrainischen Triebwerken in US-Raketen hochgeschossen werden. Oder mit russischen Raketen, die von einem US-russischen Konglomerat gemanagt werden. Das geht natürlich nicht mehr. Sollen die dort oben doch schauen, dass sie nicht verhungern. Da muss ein Zeichen gesetzt werden! Kein Schub mehr für Russki-Waren! Keine Schweine im Weltall!

Es ist wirklich lustig. Bis zum Zusammenbruch des sozialistischen Lagers schimpfte die Rechte, die Bourgeoisie auf Moskau, warnte vor der roten Gefahr, konnten Sympathiebezeugungen, gar Reisen ins Reich des Bösen ohne weiteres den Job kosten, zumindest gab’s einen Eintrag in die Staatsschutz-Fiche.

Dieses vernagelte Blockdenken wurde nicht nur von Linken, sondern eigentlich von allen über die Nasenspitze hinausdenkenden Menschen kritisiert. Es erledigte sich auch von selbst, als kapitalistische Firmen entdeckten, dass man im Osten prima Geschäfte machen konnte. Sagen wir mal Stadler Rail, so als aktuelles Beispiel. Seither sind die Warnungen vor einer gar nicht mehr so roten Gefahr, vor dem russischen Bären, vor einem kriegslüsternen und nach Weltherrschaft strebenden Kreml in diesen Kreisen leiser geworden.

Aber dauererregte Weltenretter, die diesem edlen Handwerk vor allem auf sozialen Medien nachgehen, lassen die Rettung des Klimas, die Aufarbeitung der Sklaverei, den Kampf gegen die Diskriminierung der Frau und aller non-binären Gender kurzzeitig ruhen. Denn jetzt ist Krieg, das erfordert sofortiges Handeln. Ähm, posten.

Ganz wenige intelligente Stimmen lassen etwas Licht in diese geistige Düsternis, in diese kenntnisleere, aber gesinnungsvolle Betroffenheitsblase:

«Immer wieder faszinierend, wie an einem Tag halb Instahausen postet, dass man bitte keine falschen Informationen und Meinungen einstellen und teilen soll. Und heute sind die ersten Influencer*innen fleissig dabei, ihren Abonnent*innen zu erklären, was in der Ukraine passiert. Wann genau haben sich diese Leute ihr Wissen über einen Konflikt angeeignet, der seit Jahrhunderten existiert und sich zum Krieg ausgeweitet hat? In einer Nacht?»

Diese Frage von Marija Latkovic kann man einfach beantworten. Solche Wellenmacher brauchen gar kein Wissen, erst recht kein vertieftes. Es sind reine Modesurfer. Sind Schlaghosen in, ziehen sie sich weite Ungetüme an. Kommen wieder die Röhrli-Jeans, sieht man sie darin umherstolzieren. Kommt endlich der vegane On-Turnschuh; her damit.

Gesinnungslosigkeit als einzige Gesinnung

Deren einzige Gesinnung besteht darin, dass sie besinnungslos-gesinnungslos sind. An einem Tag verurteilen sie den Rückzug der NATO aus Afghanistan. Am nächsten verurteilen sie den Einmarsch Russlands in der Ukraine. Was würden sie wohl sagen, wenn Russland wieder in Afghanistan einmarschierte? Und die fundamentalistischen Wahnsinnigen wieder von der Macht vertriebe?

Das alles, wie überhaupt jedes Ereignis auf der Welt, stellt kein Problem für diese Meinungsriesen dar. Was trendet, wo geht die Post ab, was ist der korrekte Hashtag, wo darf man dafür sein, ein Zeichen setzen, Solidarität zeigen? Weg mit der Pace-Fahne, her mit der ukrainischen Flagge. Blau-gelb, wunderbar, kann man nix falsch machen. Wo die herkommt? Wer oder was der Kiewer Rus war? Die Rurikiden?

Hä? Also wirklich, in der Schweiz skandierte man 1968 die Namen der beiden tschechoslowakischen Kommunisten Dubcek und Svoboda. Während jedem Schweizer Kommunisten «Moskau einfach» nahegelegt wurde. So blöd sind die Leute damals gewesen. Und haben seither nix dazugelernt.

Geändert hat sich nur, dass dank Sozialen Medien diese Gesinnungsblasen in aller Hässlichkeit aus dem Sumpf der oberflächlich-guten Denkungsart hinaufsteigen und mit üblem Geruch zerplatzen. Denn eines ist sicher: der nächste Anlass, sich furchtbar zu engagieren, geistig zu erigieren, an billigen Schlagwörtern zu onanieren, kommt bestimmt. Oder erinnert sich noch jemand an alle Solidarität mit Afghanistan?

Wie sagte da der Schwarze-Block-Genosse Fabian Molina so richtig, als ZACKBUM ihn fragte, ob der SP-Nationalrat angesichts seiner Forderung, die Schweiz müsse sofort 10’000 afghanische Flüchtlinge aufnehmen, vielleicht auch einen oder zwei beherbergen wolle?

«Sie werden sicher festgestellt haben, dass ich kein Staat bin. Entsprechend kann ich auch niemandem Asyl und Schutz gewähren.»

Aber nun müssten die Afghanen sowieso zusammenrücken, jetzt kommen die Ukrainer.

Sandkasten-Stratege Stefan Schmid, der überflüssige Chefredaktor des «Tagblatt», läuft auch wieder zur Höchstform auf. Putin wird unter seinen Worten im Kreml erschauern: «Putins Regime und seine Helfershelfer sind mit harten Sanktionen zu bestrafen.» Der Verzicht auf ein Subjekt in diesem Satz lässt tief blicken. Der Mann hat Eier in der Hose, was er von der «herumeiernden Schweiz» nicht sagen kann: «Die Haltung der Landesregierung ist – mit Verlaub – feige.» Das ist, mit Verlaub, billiges Maulheldentum eines Etappenhengsts, der im Luftraum über seinem Schreibtisch angestrengt fuchtelt und dazu ein finsteres Gesicht macht. Also eine Lachnummer abzieht.

Wie alle diese Ukraine-Versteher.