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Wumms: Thomas Weyres

So geht modernes Medienmanagement bei Tamedia.

Die Ankündigungen sind immer grandios. Im Januar 2024 verkündete das ungeliebte Stiefkind von TX: «Tamedia engagiert Thomas Weyres als Design Director.»

Dann das übliche Bullshit-Bingo-Blabla: «Tamedia-Titel stärken … neuen Visual Desk leiten … Nutzerfreundlichkeit weiterentwickeln … strategische Prozesse zur Schärfung der visuellen Markenidentität …»

Und natürlich freuten sich alle wie Honigkuchenpferde. Thomas Weyres: «freue mich sehr». Regula Marti, CPO von Tamedia: «Es freut uns sehr …». Und schliesslich Raphaela Birrer, Chefredaktorin des «Tages-Anzeiger»: «Wir freuen uns …»

Aber nach der Vorfreude folgt meistens die Schadenfreude. Denn in den wenigen Monaten seines Wirkens richtete Weyres den Online-Auftritt von Tamedia dermassen zu und hin, dass die Leser im Chor aufjaulten. Bild rechts, Text links, drunter viel Weissraum. Den entscheidenden Platz ganz oben auf der Homepage verschenkt. Rubriken-Wirrwar. Aufdringliche Werbung. Merkwürdige, grau umrahmte Themenboxen. Sich wiederholende Artikel in verschiedenen Rubriken. Manchmal fehlen nicht unwichtige Gefässe wie Wirtschaft. Gut, «Kultur» hat beim Tagi nicht mal mehr die Funktion eines Feigenblatts; hier besteht gigantisches Sparpotenzial bei der Payroll.

Ach, und der neue Visual Desk blieb eine Fata Morgana, die niemand jemals gesehen hat; war halt auch nur so eine Idee von überforderten Managern, die mit hohlem Wortgeklingel intellektuelle Leere ausfüllen möchten.

So, und nachdem Weyres sich etwas ausgetobt hatte, zog er selbst die Reissleine und verduftete schon wieder. In gepflegtem Englisch, das ist man sich als AD (oder schlichtweg «Designer», wie er sich nennt) doch schuldig, verkündete er gerade seinen Abflug:

«Good bye Zurich.» Nachdem er ständig zwischen Berlin und Zürich gependelt sei, habe er «aus persönlichen Gründen» beschlossen, seine Position als Design Director aufzugeben. Vielleicht, weil auf der Redaktion so wenig Leute Englisch beherrschen.

Das nennt man mal einen unheimlich schwachen Abgang. Rund 9 Monate am Gerät, ein Redesign in den Sand gesetzt, sonst nichts Auffälliges geleistet, sicherlich auf Spesen ständig nach Berlin und zurück geflogen (wenn das die Klimaschützer bei Tamedia gewusst hätten), und schon Schnauze voll.

Mikael Krogerus, der ansonsten zu Personellem verkniffen schweigt, wenn er mal Rückgrat zeigen sollte, salbadert als Kommentar: «Man sieht sich immer dreimal im Leben.» Den Vogel schiesst aber mal wieder Kerstin Hasse ab: «Es sind noch lang nicht all unsere Projekte verwirklicht. Und noch lang nicht alle Biere getrunken.» Die denkt auch immer nur ans eine …

Zum Totlachen ist auch die offizielle Reaktion von Tamedia. Schliesslich hat das Unternehmen – logo – einen «Newsroom», wo wichtige Medienmitteilungen platziert werden. Zum Beispiel «Erfolgreicher Start für Swiss Ad Impact». Das will der Journalist natürlich wissen. Aber unter dem Datum 13. November steht nur: «Offenes Rennen bei Autobahnausbau und Efas …», was ja nun auch nicht brennend interessiert. Der Design Director verpisst sich nach kurzer Zeit? Ach, lieber totschweigen.

Was das wieder gekostet hat, so neben allen dringend nötigen Sparmassnahmen. Eigentlich sollten die beiden Weiber, die seinen Zugang bejubelt haben, nun als Strafaufgabe seinen Abgang begründen müssen. Aber Lobhudeleien werden immer gerne raustrompetet, die lange Reihe des eigenen Versagens wird hingegen mit vornehmem Schweigen übergangen.

Hinzu kommt zumindest bei Birrer noch eine Allergie gegen Kritik. Denn dass die Chefredaktion höchstselbst ein Schreibverbot gegen ZACKBUM-Redaktor René Zeyer ausspricht, ist dermassen sackschwach, dass man sich nicht vorstellen mag, wie unterwürfig der Tonfall innerhalb der Redaktion sein muss. Dabei hat die Chefredaktion einen gewichtigen Abgang zu verzeichnen; dermassen erleichtert, könnte sie doch inzwischen souveräner mit Kritik umgehen.

Zum Beispiel mit dieser: was tut eigentlich ein Chief Product Officer so den ganzen Tag, wenn er nicht gerade einen Zugang bejubelt und einen Abgang verschweigt? Was tut eigentlich eine Chefredaktorin den ganzen Tag, wenn der Leser gegen ein verunglücktes neues Online-Design tobt? Einen verunglückten Kommentar im Nachhinein zu den US-Wahlen schreiben, das kann doch nicht abendfüllend sein.

Ein Bravo gebührt allerdings Weyres. Der hat sich völlig zu Recht gesagt: take the money and run. And fly.

Die blödeste Werbung ever

Dagegen war selbst das bereits gespülte «Blick»-Logo mit Regenrohr hervorragend.

Der Migros geht es schlecht. Zu lange haben zu viele Versager in der Chefetage Hunderte von Millionen mit absurden Expansionsversuchen ins Ausland verpulvert. Dutti drehte sich im Grab, Arnold schöbe die Augenbrauen drohend nach unten, wenn sie sähen, was diese Pfeifen aus ihrem schönen, sozialen, genialen Unternehmen gemacht haben.

Aber jetzt, Wunder über Wunder, besinnt man sich darauf, dass Migros in erster Linie Waren verkauft. Haushalt, Küche, Lebensmittel. Unklar, wie viele Millionen an Berater bezahlt wurde, um zu dieser umwerfenden Erkenntnis zu kommen. Aber das ist nicht alles. Den Chefs wurde auch eingeflösst, dass es nicht reicht, sich Denner zu schnappen. Es gäbe da noch andere Discounter im Markt, die heissen, ähm, so neue Namen kann man sich ja nicht gleich merken, die heissen Lidl und Aldi.

Dagegen muss etwas getan werden. Richtige Erkenntnis. Nur was? Ha, einfach, die Preise müssen runter. Damit kommt Migros zwar ihrem eigenen Denner in die Quere, und «gut und günstig» können die beiden deutschen Harddiscounter nun wie die Weltmeister. Aber gut, lieber eine Fehlentscheidung als gar keine.

Wenn schon, denn schon, Dafür braucht es, logo, auch eine Werbekampagne. Dafür wurde wohl ein Pitch veranstaltet, mit der Massgabe: wer präsentiert die bescheuertste, unverständlichste, hässlichste Werbekampagne aller Zeiten? Der Sieger ist:

Lebensmittel versinken in undefinierbaren Untergründen, vielleicht in Sumpfgebieten? Eine Gurke macht auf Titanic, Apfel und Tomate verlieren ihren Unterleib. Kann man das noch steigern?

«Frisch gesenkt»? Hä? Nun fiel die Publikumsreaktion ungefähr so aus wie bei Tamedias verunglücktem Redesign. Denn eigentlich ist die Bildaussage, dass es bei der Migros nur noch Teile von Lebensmitteln gibt. Aber im Gegensatz zu Tamedia reagierte Migros immerhin mit Selbstironie:

Man sinke halt auf das Preisniveau der Discounter, wird dieser Scherz aufgelöst. Denn auch bei der Migros geht es turbulent zu und her – wie bei Tamedia. Auch bei der Migros sind absolute Stümper am Werk, um etwas Neues zu kommunizieren – wie bei Tamedia. Aber immerhin, die Cover des Magazins sind anhaltend selbstironisch:

Es kommt noch besser:

Spätestens hier schüttelt es Patrice Siegrist und seine Gang der Sprachvergewaltiger,  und er muss das Magazin sofort abbestellen. Die gendern nicht richtig! Dabei hat doch Salome Müller die Leser nicht nur mit ihren Schulaufsätzen gequält, sondern auch mit ihrem NL-Gruss «Liebe LeserInnen*» zur Weissglut gebracht.

Aber was macht das «Migros Magazin»? Solche Titel:

Unverständlich, wieso dieses Magazin noch mehr Leser als Tamedia hat. Dabei fühlt sich doch (fast) jeder mit diesem «du» ausgeschlossen. Und selbst wenn nicht, bei «Trickbetrüger» verabschieden sich die Leser!*Innen* massenhaft. Denn es müsste natürlich «Trick!Inbetrüg*erinnen*» heissen. Wenn schon muss auch der männliche Trick gegendert werden.

Aber das ist eine andere Baustelle. Denn all diese Selbstironie ändert nichts daran, dass die von allen Discountern (schlecht) abgekupferte Werbekampagne «Frisch gesenkt», eigentlich «frech versenkt» heissen müsste. Denn hier werden viele, sehr viele Werbefranken schlichtweg zum Fenster rausgeschmissen. Verröstet. Verjubelt. Versenkt.

Ri-hi-hi-design

Vernichtende Leserreaktion auf das verunglückte Redesign bei Tamedia.

Sicher ist der Leser ein Gewohnheitstier und steht allem Neuen misstrauisch gegenüber. Aber eine dermassen einhellige Ablehnung, ein Verriss einer neuen Online-Gestaltung ist dann doch beeindruckend. Die Kommentare schwellen an, und abgesehen von zwei, drei positiven Rückmeldungen ist der Grundtenor glasklar: so ein Scheiss.

Auch hier zeigt Tamedia, was Amateurliga beim Moderieren ist:

Also ein erster Kommentar wurde spurlos gespült. Aber der nächste, der darauf hinweist, wird publiziert. Grossartig.

So verschenkt Tamedia den wertvollen Platz ganz oben.

Beim Tagi hat Oberchefredaktorin Raphaela Birrer ihr tiefes Schweigen unterbrochen und das neue Design angepriesen. Vielleicht hätte sie aber den Leser nicht um seine Meinung fragen sollen, denn die ist eindeutig. Natürlich wurde das neue Design für alle Kopfsalatblätter übernommen. Aber bei der BaZ verzichtet man schlichtweg darauf, dem Leser etwas Hilfestellung zu geben. Nimm’s oder lass es, scheint hier die Devise zu sein.

In der «Berner Zeitung» übernimmt Wolf Röcken die Ankündigung «Willkommen bei der neuen «Berner Zeitung»». Der Berner ist bekanntlich langsamer als der Zürcher. Während hier der Kommentar-Bär tobt, haben sich nur eine Handvoll Kommentatoren auf die BZ verirrt. Auch hier ist die Meinung, mit einer einzigen Ausnahme, klar: «mehr Übersicht? Sie belieben zu Scherzen Herr Röcken! Werde wohl mein Digital-Abo nicht mehr verlängern.»

Allerdings hat Tamedia die Gelegenheit benutzt, am gleichen Tag noch eine andere Meldung zu platzieren, die noch skandalöser als das neue Design ist. Es würden nun lediglich 17 Redaktoren entlassen; neun in der Deutschschweiz, acht in der Romandie.

Wieso Skandal, das ist doch eine gute Nachricht, oder? Für die Nicht-Entlassenen sicher, sonst nein. Da wird ein Jahr lang über einer neuen Strategie gebrütet, dann wird ein faules Ei gelegt. Die publizistische Leiter nach unten Simon Bärtschi bezieht kräftig Prügel, weil er die Ankündigung von 90 Entlassungen (plus 200 Drucker, wohlgemerkt) mit der Behauptung verbindet, das sei eine Weichenstellung für mehr Qualität.

Man könnte annehmen, dass Jessica Peppel-Schulz lange hat rechnen lassen, bis es unausweichlich klar schien, dass 90 Nasen entlassen werden müssen. Dann aber schon mal Entwarnung; ach, 55 Rausschmisse reichen auch. Und nun, nachdem man die Redaktion über einen Monat auf kleinem Feuer röstete, die völlige Entwarnung: sind dann bloss 17.

Wer dermassen fahrlässig mit den Zahlen in einem so sensiblen Bereich jongliert, wie kompetent ist der dann überhaupt bei Zahlen? Und bei allem anderen?

Die stetige Schrumpfung der Zahl der Entlassungen sei unter anderem auch der Tatsache zu verdanken, dass es zahlreiche «freiwillige Abgänge» gegeben habe. Mit anderen Worten: seitdem das Tandem Peppel-Schulz und Bärtschi die völlig verunglückte «strategische Weichenstellung» verkündete, hat jeder, der auf dem freien Markt noch eine Chance sieht, das Weite gesucht. Also nicht die Schlechtesten. Und der Exodus ist noch lange nicht zu Ende. ZACKBUM weiss mehr, sagt es aber nicht.

Wenn man insgesamt so fachkundig wie bei dem Gaga-Redesign ist, das ja visueller Ausdruck der «strategischen Neuausrichtung» sein soll, dann gute Nacht.

Normalerweise geht einer solchen visuellen Veränderung ein ausführliches Testing voraus. Zielgruppenorientierte Umfragen, plus jede Menge A/B-Tests. Wenn die durchgeführt wurden, wie kann es dann sein, dass die Leserschaft, repräsentiert durch tobende Kommentatoren, den Neuauftritt so massiv ablehnt?

Das führt zum düsteren Verdacht, dass eine solche Markforschung gar nicht stattfand. Sondern das Design aus Deutschland, die Programmierung aus Belgrad und das Reinreden der Ober-Chefredaktion genügte sich selbst.

Dabei hätte man nur einen Blick auf die Webseite der NZZ werfen müssen. Die hat nämlich all die Probleme, unter denen der Neuauftritt von Tamedia leidet, längst gelöst. Nur wäre ein copy/paste natürlich zu peinlich gewesen. Aber immer noch besser als gewollt, aber nicht gekonnt:

Eigentlich ist es typisch Journalismus. Dass das Gericht dem Gast und nicht dem Koch schmecken muss, das hat sich hier noch nicht herumgesprochen. Jeder Anbieter eines Produkts macht umfangreiche Markttests, wenn er daran etwas verändern will. Angefangen bei der Frage, ob das überhaupt nötig ist. Dann wird getestet, ob die neue Verpackung auf Zustimmung oder Ablehnung stösst. Kein zurechnungsfähiger Verkäufer würde sagen, wenn die Ablehnung einhellig ist: pah, gewöhnt euch dran, oder lasst’s halt, ist mir doch egal.

Publizistische Spitzenkräfte sagen das aber. Das hat mehrere Gründe. Kein Mitglied der Chefetage auf Zeitungsebene bei Tamedia hat auch nur die geringste Ahnung von Marketing oder Verkaufe. Der Redaktor noch viel weniger, der will dem Leser einfach seine Meinung und Weltsicht aufs Auge drücken. Und CEO Peppel-Schulz hat auch noch nie in dieser Liga gespielt.

Aber da gäbe es noch einen weiter oben, der eine Notbremsung hätte vornehmen sollen. Aber Pietro Supinos Problem ist: er muss von schwachen Figuren umgeben sein. Nur so fällt weniger auf, wie inkompetent er selbst ist. Oder aber, das wäre ihm zuzutrauen, seine Absicht ist eine ganz andere.

Indem er Tamedia inhaltlich verludern lässt, zusieht, wie der einzige kompetente Chefredaktor seiner Redaktion beraubt wird, dieses Krüppel-Redesign durchwinkt, beschleunigt er den Niedergang dieses Profitcenters innerhalb von TX, das nur minimalen Gewinn erwirtschaftet. Je schneller es bergab geht, desto schneller kann Supino mit dem Ausdruck höchsten Bedauerns verkünden, dass TX leider nicht mehr in der Lage sei, seine gesellschaftlich bedeutende Funktion als Vierte Gewalt weiter auszuüben.

Das täte nun wirklich weh, aber alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Also Ende Gelände für Tagi & Co., so sorry. Dann wischt er sich ein paar Krokodilstränen ab, lässt sich in seine Villa kutschieren und öffnet eine Flasche Krug. Oder zwei.

Re-he-he-design

Der Tagi macht mal wieder alles noch schlimmer.

Hat das Qualitätsorgan etwa auf die wiederholte Kritik von ZACKBUM gehört und deshalb das Gerümpelturnier seiner Webseite umgerümpelt? Das war allerdings keine gute Idee.

Auf jeden Fall vermeldet Raphaela Birrer, Chefredaktorin:

Wichtigstes Ziel: «Damit wurden Übersicht und Leserlichkeit verbessert.» Erstaunt nimm man zur Kenntnis, wie viele Mitarbeiter der Tagi noch hat. Oder sollte man sagen: zu viele Köche verderben den Brei?

Oder sollte man sagen: was die NZZ besser vormachte, macht nun der Tagi schlechter nach? Im Wesentlichen heisst es nun scrollen, scrollen, scrollen. Als hätte man noch nie von responsive design gehört, kommt die Webseite auf dem Desktop, dem Laptop, dem Tablet und dem Smartphone eigentlich immer gleich daher.

Gab es vorher x verschiedene Darstellungsformen, gilt nun: Titel und Lead oben, grosses Bild drunter. Oder Titel und Lead links, Foto rechts. Oder das Gleiche zweimal nebeneinander. Oder auf dem Smartphone alles in Einerkolonne.

Oder (fast) das Gleiche untereinander:

Nur der Podcast wurde offensichtlich nicht angetastet:

Auch bei den «spektakulären Spionagefällen in der Schweiz» herrscht noch die gute, alte Wimmelbild-Atmosphäre. Aber trotz allen Werbebemühungen schafft es das Werk einfach nicht in die Bestsellerliste.

Bei den vier angepriesenen Videos flimmert es dem Leser zusätzlich vor den Augen, weil die unablässig laufen. So in den Niederungen der Webseite, wo auch weiterhin die geflopte Kochserie untergebracht ist, kommt dann wieder der flotte Vierer, vier Storys nebeneinander, gehäuft zum Einsatz. Oder der Dreier.

Aber vielleicht reichte die Workforce nicht aus, um alles zu renovieren.

Auf jeden Fall verabschiedet sich Birrer, die zu diesem Thema ihr Schweigegelöbnis bricht, obwohl eigentlich alle ein klares Wort zum grossen Rausschmeissen erwarten, mit dieser Ankündigung: «Wir sind sehr gespannt, wie der neue «Tages-Anzeiger» bei Ihnen ankommt.»

Nun, da kann der Leser Abhilfe schaffen. Und seine Meinung ist fast einhellig: schlecht kommt er an, ganz schlecht.

Der Leser schimpft wie ein Rohrspatz. Unter den ersten 75 Kommentaren hat es fast keine positiven. Und ob die einsamen zwei ganz spontan da reinrutschten? Ansonsten wird kräftig Dampf abgelassen:

«Das neue ReDesign ist absolut misslungen! Wie kann so etwas nur passieren?  … Mir gefällt es nicht, es gibt viel zu viel weisse Flächen, die reinste Platzverschwendung … Das App-Layout auf dem Desktop ist das Letzte … Katastrophal für jemanden, der sich auf einem Laptop-Bildschirm gerne einen schnellen Überblick verschaffen möchte. Aber klar, so lässt sich der Leistungsabbau besser kaschieren … In der PC-Ansicht ist auf einer Seite gefühlt 10% Bild, 5% Text und 85% weisse Fläche. Was soll das? … Nicht gut, einfach zu wenig Übersicht. Nicht User freundlich … Gibt’s den Tagi nun gratis ? Für mich als Abonnenten in dieser Form nicht mehr tragbar … Absolute Katastrophe … Wieder ein haufen Geld zum Fenster rausgeworfen … Das neue Design ist unmöglich …   Ich bin schwer enttäuscht … Das neue Design ist milde gesagt ein Flop.»

Und so weiter, und so fort. Die zwei einsamen positiven Kommentare riechen streng nach verzweifelt bestellt.

Tja, was macht man in einem solchen Fall? Routine. Man sagt, dass Veränderungen zuerst immer Verunsicherung und Kritik auslösen. Dann sagt man, dass man sehr dankbar für das Feedback sei und schnurstracks gewichtige Verbesserungen durchgeführt habe. Dann sagt man nichts mehr und denkt: scheiss auf die Lesermeinung. 35 Nasen, die an diesem missglückten Redesign mitarbeiteten, können sich doch nicht irren.

Allerdings: Was beim Online-Auftritt eines Newsorgans im Design zu lösen ist, ist doch ganz einfach. Wie bringt man vor allem ganz oben möglichst viele Info-Angebote an den Leser, ohne dass es nervt. Und wie koppelt man Bild und Text. Da muss man das Rad nicht neu erfinden, es gibt x gelungene Versuche. Ein Blick auf nzz.ch hätte eigentlich gereicht. Aber richtig plagiieren, das will halt auch gelernt sein.

Oder aber – das wäre allerdings für das IQ-Level der Führungsfiguren bei Tamedia zu genial –, diese Scroll-Orgie soll mehr Leser dazu verleiten, zur Printausgabe zurückzukehren.

Es ist allerdings anzunehmen, dass Birrer nun wieder in ihr tiefes Schweigen zurückfällt. Und es gibt ja keine Kerstin Hasse mehr, die wenigstens mit Ess-Selfies oder feministischen Kampfansagen von diesem Desaster ablenken kann.

 

Alles neu oder alles Pfusch?

Statt viele Worte über ein leicht verändertes Logo zu verschwenden: wie wäre es mit Inhalt?

«Blick» hat sich mal wieder ein Redesign gegönnt. Grosse Worte, kleiner Effekt. Dabei wäre es doch viel sinnvoller, inhaltlich mehr Gas zu geben. Denn die Verpackung ist das eine, Mindere. Der Inhalt ist das andere, Grössere.

Wo allerdings Form und Inhalt unangenehm zusammenfinden, ist bei der unseligen Idee des waagerechten Sliders. Also durch Scrollen nach rechts kommen noch mehr Storys zum Vorschein. Selbst auf dem grossen Bildschirm eines Desktops sieht das bescheuert aus:

Im Mäusekino eines Smartphones, neben dem Tablet die häufigste Quelle, sieht’s noch schlimmer aus.

Das nächste Thema ist die Gewichtung. Sicherlich ist der Versuch von Stefan Raab, sich wieder ins Scheinwerferlicht zurückzuboxen, eine Meldung wert. Aber gleich vier, davon eine aus alter Gewohnheit doppelt?

So interessant, dass man es immer wieder lesen darf?

Dann ist der Ratgeber, der Lebenshelfer sicherlich eine wichtige Rubrik im Boulevard, auch wenn der «Blick» gar kein Boulevard mehr sein darf. Aber so?

Am Zapfen? Scherz beiseite, der Leser mag es immer sehr, wenn er für richtig dumm und unfähig gehalten wird. Das Gefühl wird nur übertroffen, wenn banale Ratgeber hinter der Bezahlschranke verborgen sind:

Echt gemein ist es, den nächsten Ratgeber ebenfalls nur dem Publikum angedeihen zu lassen, das hinter die Bezahlschranke sieht:

Was wohl nicht dazugehört: sich aufregen, wenn man ungefragt geduzt wird.

Trotz mehrfachem Durchscrollen ist es ZACKBUM allerdings nicht gelungen, eine einzige originelle, flott geschriebene, interessante Story zu finden. Stattdessen Flachheiten wie «Jetzt redet der Flusskreuzfahrt-Chef». Oder, immerhin unter «Das Beste von Blick+»: «Sogar Bill Gates mag die kuscheligen Tüechli aus Glarus.» Allerdings versteckt sich das bei «Blick+» hinter der Bezahlschranke, diese Top-Story.

Nun stammt sie allerdings nicht von der Top-Redaktion des «Blick», sondern aus der «Schweizer Illustrierte». Es ist nur rezykliert. Daher können Sparsame den Artikel auch gratis lesen. So erfährt man auch, was «Blick+» dem Leser vorenthält, wer denn die drei prominenten Tüechli-Träger auf dem Foto sind.

Das ist nun wirklich eine neue Dimension der Qualität. Ein Artikel wird aus einem anderen Organ des Ringier-Konzerns übernommen. Wo er gratis von jedem angeschaut werden kann. Beim «Blick» wird er dann hinter die Bezahlschranke verfrachtet und frech als «Das Beste von Blick+» angepriesen. Dabei ist dann allerdings unterwegs so eine Kleinigkeit wie eine Bildlegende verloren gegangen.

Ein neuer Höhepunkt in der Leserverarsche.

Aber dafür ist das Logo nun aus seiner Box befreit worden. Jedenfalls online:

Im Gegensatz zum Print:

Einmal Rot auf Weiss, einmal Weiss auf Rot. Das schärft den Wiedererkennungswert ungemein. Allerdings kennt ZACKBUM kein anderes Logo eines Massenprodukts, das in zwei verschiedenen Varianten daherkommt.

Aber dummen Verlagsmanagern schwatzen redegewandte Werbefuzzis jeden Schrott auf. Das gelang ja auch schon dem «Star-Werber», der nicht daran gehindert wurde, ein Regenrohr ins «Blick»-Logo zu pflanzen. Aber immerhin, das ist schon wieder weg.

Werber-Geschnatter

Armer «Blick». Kaum rebranded, wird er – rebranded.

Eigentlich sind die Veränderungen minimal und marginal. Das Logo wurde wieder ans Original angenähert, nachdem ihm ein «Star-Werber» ein Regenrohr in Form eines l verpasst hatte. Das c, etwas für Feinschmecker, ist wieder etwas eckiger am Schluss der Rundung geworden, und das ganze eine Spur mehr bold. Damit dürfte schon ein hübscher Batzen in den Ausguss geflossen sein.

Aber damit ist Brandpulse natürlich noch nicht am Ende der Kunst. Denn dank Digitaltechnik kann das nun «durchdekliniert» werden:

Wobei auch vor absurden Visualisierungen nicht zurückgeschreckt wird:

Aber viel wichtiger als diese (wenigen) Taten sind natürlich viele Worte. Das typische Werbefuzzi-Gequatsche.

«Im Vordergrund stand der Anspruch, die Medienmarke Blick zu modernisieren und gleichzeitig zu homogenisieren, die qualitative Wahrnehmung zu steigern und die Marke moderner, attraktiver und frischer zu machen – ganz im Sinne von: Raus aus alten Mustern, rein in neue Formen.»

«Strategiephase … Brand Assessment … mit dem Farbanteil spielt … aus der bisherigen Box herausgenommen … Neu erscheint es auf einer weissen Bühne und verkörpert in seiner Modernität Frische und Impact.»

ZACKBUM-Leser winseln um Gnade? Nein, da müsst ihr durch: «Die für Marketingaktivitäten und Eigenwerbung eingesetzte Imagery fokussiert auf den Menschen.» Und einer geht noch: «Generell lag der Fokus auf digitalen Lösungen inklusive Motion-Designs

Natürlich muss auch der «Chief Commercial Officer» Max Buder Begeisterung heucheln: «Der neue Markenauftritt von Blick, entwickelt in enger Zusammenarbeit mit Brandpulse, setzt ein starkes Zeichen für unsere Zukunft. Er verbindet Tradition mit Innovation und unterstreicht unsere Position als führende Stimme in der Schweizer Medienlandschaft.»

Nun ist es allerdings so, dass im Print das Logo keineswegs aus seiner Box befreit ist:

Wir kommen zum herausfordernden Intelligenztest, wer findet alle Unterschiede? Der Vorher-nachher-Vergleich:

Gehen wir doch vier Jahre zurück:

Und zurück:

Und? Eindeutiger Befund: das Logo vom «Star-Weber» Frank Bodin ist mit Abstand das am meisten verunglückte. Das neuste ist wieder back to the roots, wie der Werber banglishen würde. Allerdings verzichtet es auf den eckigen i-Punkt, der zwar besser ist, aber dessen Wiederverwendung die Frage aufwerfen würde, wieso man dann nicht einfach das alte Logo eins zu eins genommen hätte, kostenfrei.

Allerdings gibt es in dieser schönen, neuen Werberwelt ein kleines Problem. Denn solche Redesigns machen zwar Werber für Werber und präsentieren sie vor völlig überforderten Managern, die froh sind, wenn sie an der richtigen Stelle der Präsentation «ach ja» sagen dürfen.

Aber eigentlich ist die Übung für die Leser gedacht, obwohl meist nicht viel an die Leser gedacht wird.

Und da machte der «Blick» den Fehler, seine Leser online um ihre Meinung zu bitten. Darauf wurde er zugeschüttet mit Schimpferei. Unübersichtlich, verwirrlich, zu viel Werbung, bitte zurück. Nach einer Schrecksekunde, in der sich die Kommentarspalte mit schimpfenden Rohrspatzen füllte, griff die Redaktion beherzt ein und spülte die meisten kritischen Kommentare.

Nach der Devise: Eure Meinung interessiert uns. Aber nur, wenn sie unsere Meinung ist.

Bei dieser neusten Übung wurde sinnlos ein Haufen Kohle verbraten, die besser für bessere Inhalte ausgegeben worden wäre. Aber wer kaum Inhalt hat, muss halt ständig an der Form rumschrauben, um einen beschäftigten Eindruck zu machen. Man will sich nicht vorstellen, wie lange die «Strategiephase» dauerte, wie viele «Strategieworkshops» stattfanden, welche Mengen an Kaffee, Chai Latte mit Hafermilch, veganen Sushis und (niemals, aber man darf ja vermuten) verbotenen Substanzen verbraucht wurden.

Damit das Logo «aus der bisherigen Box herausgenommen» wurde – um dann wieder in die bisherige Box gesteckt zu werden. Auf die Idee muss man erst mal kommen, die ist natürlich eine Box voll Geld wert.

«Die Ostschweiz» in neuem Kleid

Da müssen wir drunterschauen. Wir lernen von Hartmeier: ein Bravo ohne Tritt.

Natürlich, wir sind da Partei, absolut. Der Chefredaktor von «Die Ostschweiz» beehrt uns gelegentlich mit seinen Texten, René Zeyer schreibt eher häufiger – wie es halt seine Unart ist – in der «Ostschweiz». Nur: im Gegensatz zu vielen anderen Medien fliesst hier kein Geld für ein Lob.

Denn «Die Ostschweiz» gibt es nun knapp drei Jahre, und nach dieser Ewigkeit im Internet war es langsam Zeit für ein Refresh, einen Relaunch, ein Redesign. Oder auf Deutsch: formale Verbesserungen. Denn das Internet hat – neben vielen Nachteilen – den Vorteil, dass das Userverhalten so gnadenlos gemessen werden kann, wie das bei Print bis heute nicht möglich ist.

Im Prinzip könnte jeder Plattformbetreiber harmlose Leser mit einem Anruf erschrecken: «Sagen Sie mal, Herr Müller, wieso sind Sie nach der Hälfte des Artikels gerade ausgestiegen? Sonst interessiert Sie doch das Thema «neue Rotlichtbars» noch mehr als Pierin Vincenz?»

Schlimmer oder besser: in diesem Fall eindeutig

Auf jeden Fall muss man gelegentlich die Ergebnisse von Google Analytics und anderen Messfühlern zusammenstellen und sich überlegen, wie man sie umsetzt. Das kann fürchterlich in die Hose gehen – oder rundum gelingen. Letzteres ist eher selten, deshalb hat sich die «Ostschweiz»-Crew damit schon das erste Lob verdient.

Im Vergleich zu vorher kommt die Homepage, und da entscheidet sich ja die Schlacht um die Aufmerksamkeit der User, aufgeräumter, ruhiger, edler, besser strukturiert und deutlicher auf Eigenleistungen fokussiert daher. Auch das Problem, dass Illustration und Bebilderung eine Kunst für sich ist, wurde viel besser gelöst als vorher. Denn aktuelle und gute Bilder kosten etwas, Gratis-Symbolbilder können funktionieren, müssen aber nicht.

Dem Desktöppler, Grafiker, Art Director, Internetdesigner oder wie das bei der «Ostschweiz» immer heisst, muss ein Extra-Kränzlein gewunden werden. Denn nicht allzu selten neigen diese Kreativen, vor allem, wenn sie inklusive Unterwäsche nur schwarz gekleidet sind, zu künstlerischem Anspruch, die vom Art Directors Club gerade als rattenscharf erklärte Schrift oder Flips wie Senkrechte Titel, wackelige Lead-Zeilen oder merkwürdige Bildausschnitte als unverzichtbar zu erklären.

Die Form folgt der Funktion

Hier wurde aber strikt der guten, alten Regel nachgelebt: form follows function. Oder wie sagte Helmut Markwort so richtig, der mit «Focus» die erste gelungene Konkurrenz zum «Spiegel» auf die Rampe schob: «Fakten, Fakten, Fakten. Und an den Leser denken.» Natürlich sah er das als in der Wolle gefärbter CSU-Anhänger mit den Fakten nicht ganz so streng. Aber Leserfreundlichkeit war sein Erfolgsrezept, als andere Organe noch meinten: Wenn das der Leser nicht kapiert, dann ist er halt zu blöd und soll erst mal die Matur nachholen.

Und, nicht ganz unwichtig, der Inhalt der gelifteten, aber nicht mit Botox behandelten «Ostschweiz»? Da muss der Lobsänger etwas zurückhaltend werden, denn Eigenlob ist ihm nicht nur peinlich, sondern auch unangenehm. Aber Stefan Millius, der zusammen mit Marcel Baumgartner die Ostschweizer Medien AG und «Die Ostschweiz» schmeisst, dabei auf eine ganz, ganz schlanke Infrastruktur und ganz, ganz wenige Mitarbeiter zählend, hat bewiesen, dass er nicht ein Meister der Kurzstrecke ist. Sondern ein Marathonläufer.

Beide haben bewiesen, dass die Idee, angesichts der Einheitssosse aus dem Hause CH Media verträgt es sicherlich eine zweite Newsquelle, ein Volltreffer ist. Strenge Fokussierung auf die Ostschweiz und das Lokale, weitgehender Verzicht auf die Schweiz, Europa oder gleich die Welt einordnende Kommentare (ich darf das ein wenig, aber einen Hofnarren verträgt’s überall), schnellste Reflexe, wenn etwas passiert, eine gute Portion Humor und Schreibkraft, dazu der ehrliche Wunsch, «Die Ostschweiz» zu dem zu machen, was die grossen Konzerne nur behaupten: eine Plattform für divergierende Meinungen, das ist das ganze Erfolgsgeheimnis.

Dazu keine Gesinnungsbettelei nach der Devise «wir schreiben doch, was Euch gefällt, also gebt uns Batzeli dafür», der Mut, gegen den Strom und auch mal am Rande der rechtlichen Todeszone zu schwimmen, das macht die Sache rund.

Daraus entwickelte sich ein Luxusproblem

Das – und Corona – hat der «Ostschweiz» allerdings ein Luxusproblem eingebrockt. Sie wird schon längst nicht mehr nur in der Ostschweiz gelesen. Sie wird längst nicht mehr als unbedeutend und vernachlässigbar diskriminiert.

Woran man das merkt? Nun, eine persönliche Anekdote zum Abschluss des Jubels: das merkt man zum Beispiel daran, wenn man einen etwas unfreundlichen Vergleich zwischen Raiffeisen, Vincenz, UBS und Axel Weber publiziert – und anschliessend drei Anwälte auf der Matte stehen. Am Schluss sogar Markus Diethelm, der grosse Chief Legal der Grossbank, das amtsälteste GL-Mitglied, der sich aktuell darum kümmert, in Frankreich vielleicht doch noch eine Strafzahlung von 4,5 Milliarden Euro gegen die UBS abzuwenden.

Dafür hat er auch Zeit, nachdem er höchstpersönlich und telefonisch eine Übereinkunft erzielte, was aus der ursprünglichen Fassung des Artikels unbedingt raus müsse. Er weiss halt, wie man Prioritäten setzt.

Schreibt so weiter, da merkt man den Dialekt nicht

Den Machern der «Ostschweiz», und damit natürlich auch der ganzen Ostschweiz, wünscht man weiter viel Kraft, Spass und quirliges Wirbeln. Damit sie weiterhin jeden Tag beweisen, dass mehr als hundert Mitarbeiter – wie noch beim «Tagblatt», und nicht nur dort – bloss quantitativ die Nase vorne haben. Qualitativ aber unter «ferner liefen» auftauchen.

Ach, übrigens: «Die Ostschweiz» erfreut sich im Monat an rund 400’000 Single Visitors und so etwa 600’000 Visits. Damit ist ihre Einschaltquote bereits knapp halb so hoch wie beim «Tagblatt». Von 0 auf 50 in nur drei Jahren. Chapeau.