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Schlammlawine

Tamedia nimmt sich «Auf1» zur Brust.

Es ist immer hilfreich, wenn der Leser schon durch Titel und Lead eingestimmt wird auf das, was er erwarten darf:

Falls er dennoch Zweifel haben sollte, hilft eine knackige Karikatur. Alles klar: «Rechtsextreme und Impfskeptiker» wollen in die Schweiz expandieren und zudem auch gleich «eine Revolution». Oder anders dargestellt: eine üble braune Schlammlawine ergiesst sich aus dem TV wie eine Überschwemmung.

Gleich drei Tamedia-Schreibkräfte braucht es, um den in Österreich beheimateten Internet-TV-Sender «Auf1» fertigzumachen. Anielle Peterhans hat sich von der Volontärin zur «Reporterin beim Nationalen Recherchedesk Tamedia» hochgearbeitet. Nicole Fäs existiert schlichtweg nicht im Impressum, vielleicht hat sich Nicolas Fäs dieses leicht durchschaubare Pseudonym zugelegt – oder das Geschlecht gewechselt. Adrian Panholzer ist «stellvertretender Leiter des Videoteams». Das hat nun unbestreitbar mit bewegten Bildern zu tun, womit er sicherlich qualifiziert für diese Hinrichtung ist.

Es geht um «Auf1» mit Chefredaktor Stefan Magnet, der Onlinesender sei «zum Leitmedium für Verschwörungsideologien im deutschsprachigen Raum geworden», wissen die drei. Schlimmer noch: «Auf1 berichtet von der Corona-Impfung als «Gen-Experiment», von «Bolschewisten» und «Globalisten» – eine Bezeichnung, die von extremen Rechten als antisemitischer Code genutzt wird.»

Womit alle Schreckensbegriffe zusammen wären. Es wird noch schrecklicher: «Jetzt will Magnet neu auch ein Studio in der Schweiz und in Italien eröffnen.» Wie es sich im Qualitätsjournalismus gehört, wurde Magnet die Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Jedoch: «Einen ausführlichen Fragenkatalog – etwa zu seinen journalistischen Standards – lässt er jedoch unbeantwortet. Was die Frage nach seinen Beziehungen in die Schweiz aufwirft. Und: Welche Regeln eigentlich im Netz gelten

Wieso das Nichtbeantworten eines Fragenkatalogs diese Fragen aufwerfe – das muss das süsse Geheimnis dieser drei Logikgenies bleiben.

Da er sich nicht äussern will, wird als Quelle das «Investigativnetzwerk Correctiv» bemüht. Das «schrieb im April, Stefan Magnets eigene Verbindungen zur Rechten und zur extremen Rechten seien «umfassend dokumentiert»». Das ist nun lustig, denn «Correctiv» selbst steht ständig in der Kritik – wegen schlampigen Recherchen, einseitigen Darstellungen und nötigen Korrekturen an den angeblichen Korrekturen. Ausgerechnet so eine Plattform gegen einen «Extremisten-Sender» anzuführen, nun ja.

Die drei von der Ideologietankstelle Tamedia haben auch die Gesprächspartner von «Auf1» durchforstet – und haben den Gottseibeiuns jedes anständigen Tamedia-Mitarbeiters gefunden: «Sogar Alt-SVP-Bundesrat Christoph Blocher trat im August 2022 bei Auf1 auf und sprach über seine Neutralitätsinitiative. Er sagte im Interview, die Schweiz werde durch die Übernahme der Sanktionen gegen Russland «in den Krieg gezogen», und Brüssel habe zu viel Macht in Bern. Auf Anfrage dieser Redaktion sagt er, er könne sich an dieses Interview nicht mehr erinnern. Jedoch gebe er allen ein Interview, ohne dass er sich mit dem Sender identifizieren müsse – «selbst dem ‹Tages-Anzeiger›»

Es wird aber noch lustiger. Die folgende Kritik könnte auch durchaus eine Selbstkritik sein: «Zwar teilen Alternativmedien nur selten komplett frei erfundene Nachrichten. Dafür legen sie aber die Fakten nach ihrem Geschmack aus, verknüpfen diese mit Spekulationen und verbreiten einzelne Verschwörungserzählungen.» ZACKBUM will Tamedia nun nicht unterstellen, es verbreite Verschwörungstheorien. Aber das Auslegen von Fakten nach Gusto ist dem Organ sicher nicht ganz fremd.

Auch die Auswahl des «Fachmanns» ist bezeichnend für Tamedia. Zu Wort kommt «Martin Steiger, ein Anwalt für Recht im digitalen Raum». Der Beirat von «Netzcourage» schwieg vornehm, als der Gründerin und Geschäftsführerin dieser Plattform für den Kampf gegen Hass im Internet nachgewiesen wurde, dass sie selbst hasserfüllt an einer Kampagne gegen eine unliebsame Journalistin beteiligt war. Aber hier ist er in seinem Element. Er «beobachtet einen zunehmenden Einfluss von Alternativmedien in der Schweiz. «Auch weil hierzulande die SVP als etablierte Partei immer gern mal wieder gegen die etablierten ‹Mainstream-Medien› Stimmung macht. Das stärkt die alternativen Angebote zusätzlich.»»

Wunderbar, damit wäre eine Verbindung zwischen dieser braunen Schlammlawine und der SVP hergestellt. Dann arbeitet Anwalt Steiger mit Unterstellungen: «Die Vorgehensweise dieser Medien sei sehr geschickt. «Sie kommen pseudoseriös daher, bewirtschaften aber bei näherem Hinsehen die immer gleichen Themen mit fragwürdigen bis haltlosen Argumenten.» Sie formulierten ambivalent, arbeiteten mit Anspielungen oder stellten Behauptungen als Fakten in den Raum – «ihnen wirklich rechtlich etwas vorwerfen kann man normalerweise aber nicht», sagt Martin Steiger.»

Genau diese Methode wendet er hier selbst an, was aber weder ihm noch den drei Koryphäen von Tamedia auffällt.

ZACKBUM hat sich (noch) keine Meinung zu «Auf1» gebildet. Eine oberflächliche Visionierung des Angebots löste nicht unbedingt Begeisterung aus. Jeder Leser oder Zuschauer sollte sich selbst ein Bild machen, wenn es ihn danach gelüstet.

Was aber Tamedia hier abgeliefert hat, ist eine Seite Schlamm. Vorverurteilung, Behauptungen, gestützt auf trübe Quellen. Es ist die Karikatur der Aufgabe eines Qualitätsmediums. Dem Leser die Grundlagen für ein eigenes Urteil liefern. Zum Beispiel erklären, wieso dieser Sender offenbar eine zunehmende Einschaltquote hat. Weil sich Aluhutträger, Verschwörungstheoretiker und Rechtsextreme ungehemmt vermehren? Oder vielleicht, weil die Mainstream-Medien, inklusive Tamedia, immer mehr zweifeln lassen, ob sie ihrem Informationsauftrag wirklich mit der gebotenen Professionalität nachgehen?

Statt eine solche voreingenommene Hinrichtung zu schreiben, die an dem TV-Sender nun kein einziges gutes Haar lässt, ihn in Bausch und Bogen niedermacht: wie wäre es mal mit einem Sprutz Selbstreflexion, wie ein solches Schlammbad beim Leser ankommt, der nicht von vornherein zur Gesinnungsbubble der Autoren gehört?

Es ist immer wieder und unermüdlich die gleiche Idiotie. Zur FDP und zur SVP «FCK NZI» sagen, jede Position rechts von der eigenen als faschistisch denunzieren, Trump, die AfD und alles Rechte wegschreiben wollen – statt sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen, wieso diese Exponenten und Parteien solchen Zulauf haben –, das nützt doch nichts. Im Gegenteil, wer so argumentenfrei angerempelt wird, erweckt Neugier, bekommt Zulauf.

Dabei gäbe es an «Auf1» sicherlich inhaltlich einiges zu kritisieren. Aber dafür müsste man sich eben etwas vertiefen und argumentieren. Das sind die beiden Schwachstellen der Qualitätsjournalisten von Tamedia.

Tagi-Qualität, Part II

Wenn demonstriert wird, gerät das Qualitätsmedium aus dem Tritt.

Am Samstag war hübsch was los in Zürich. Mehrere unbewilligte Demonstrationszüge marschierten durch die Stadt, es gab Gewalt gegen Sachen und Personen.

Da wäre man froh, wenn der «Tages-Anzeiger» das Geschehen einordnen und berichtend erklären würde. Stattdessen gibt der Tagi dem SP-Nationalrat Fabian Molina Gelegenheit, sich mal wieder öffentlich zum Deppen zu machen.

Aber das kann man noch als Beitrag zur unfreiwilligen Demontage durchgehen lassen. Etwas schräger wird’s bei der übrigen Berichterstattung. So kündigte das Blatt an, dass kommenden Samstag «Massnahmengegner und Rechtsextreme in Oerlikon auf die Strasse gehen».

Obwohl auch das sicherlich in der unerbittlichen Qualitätskontrolle von mindestens für Nasen gelesen wurde (kicher), musste der Tagi flugs ein «Korrekt» einrücken:

«Die Organisation (der Veranstaltung, Red.) legt Wert darauf, dass an ihrer Kundgebung weder Rechts-noch Linksextreme willkommen seien, und diese an der Demo – wenn nötig – weggewiesen würden.»

Peinlich, aber typisch. Gleich zwei Redaktoren wirft der Tagi in die Schlacht, um zu erklären,  «wie es zum Zürcher Kampf zwischen Antifaschisten und Neonazis kam».

Kampf, Antifaschisten, Neonazis? Schauen wir uns den Artikel kurz genauer an. Da haben wir die einen: «Später ziehen Tausende schwarz gekleidete Antifaschisten in zwei unterschiedlichen Demonstrationszügen durch das Limmatquai beziehungsweise das Langstrassenquartier. Ein kleiner, militanter Teil von ihnen sucht die Konfrontation mit Neonazis sowie der Polizei und randaliert.»

Auf einem Auge blind

Und die anderen: «Ein weiterer Demonstrationszug von sogenannten Corona-Massnahmen-Gegnern will am Limmatquai demonstrieren. Sie hatten all die Demonstrationszüge – von denen keiner bewilligt war – ausgelöst. Ob sich unter ihnen Neonazis befinden, ist nicht bekannt.»

Es bleibt dem Redaktionsgeheimnis unterstellt, wieso die einen «sogenannte» sind und die Chaoten und Krawallanten von links zwar den Namen Antifaschismus usurpiert haben, und geschichtsvergessen «no pasarán» grölen, während sie schwarzgekleidet wie Mussolinis Faschisten durch Zürich randalieren, kein «sogenannt» verliehen bekommen, obwohl sie nun wirklich nicht mal sogenannte Antifaschisten sind.

So nebenbei, obwohl die spanischer Republik im verzweifelten Kampf gegen die Faschisten die Losung «no pasarán» ausgab, wurde sie am Schluss besiegt. Wie ein Leichentuch senkte sich dann für Jahrzehnte der Franco-Faschismus über das Land. Ist es wirklich sinnvoll, die Losung eines Kampfes aufzunehmen, der mit einer bitteren Niederlage endete? Aber wer diesen Unsinn plakatiert, sich schwer anzieht und behauptet, gegen die «Faschisten» in Zürich zu kämpfen, hat sowieso einen an der Waffel.

Aber es wird noch peinlicher: «Die Junge Tat stehe auch in einem engen Kontakt mit sogenannten Identitären in Österreich, Belgien und Deutschland, zitiert das Onlinemagazin «republik» die Recherchegruppe Antifa Bern», zitiert das Qualitätsorgan Tagi eine dunkle Quelle, die sich ihrerseits auf eine noch dunklere Quelle bezieht.

Wir verstehen das richtig: statt eigene Recherchen anzustellen, quotet das Qualitätsorgan Tagi die Fake-News-Schleuder «Republik», die sich wiederum auf die «Antifa Bern» berzieht, eine nur auf Twitter existierende Blödeltruppe, ungefähr so seriös wie das «Megafon».

Geldwerte Schlussfolgerungen?

Wie lautet dann der analytische Schluss, welche Wirkkraft entfaltet hohe journalistische Kunst, die unbedingt wenn nicht mit einer Milliarde, dann doch mit ein paar hundert Franken fürs Abo honoriert werden sollte?

«Klar ist aber: Sowohl Neonazis als auch Antifaschisten werden versuchen, die Demonstrationen am vergangenen Samstag zu nutzen und weitere Menschen für ihre Anliegen zu gewinnen. Ob ihnen das – auch angesichts des nahenden Endes der Pandemie – gelingt, wird sich zeigen

Das ist klar wie Klosbrühe, wie man sagt. Klar wie banal. Klar wie blöd. Und «wird sich zeigen»? Das ist der Standardersatz für «Ich habe doch keine Ahnung und wage nicht mal eine Prognose

Also mal im Ernst, liebe Tagi-Journalisten, wollt Ihr wirklich so überdeutlich zeigen, dass ihr keinen Rappen wert seid und so was von überflüssig?

Toll ist auch eine damit nicht in Zusammenhang stehende Leistung. Der Jung-Redaktor Kevin Brühlmann, hatte sich an ein Porträt einer Kandidatin für den Stadtrat gewagt.

Die FDP-Kandidatin ist eine Frau – und jüdischen Glaubens. Der Journalist weiss, dass der ja nach der politischen Ausrichtung des Blatts im besten Fall Entschuldigungen serviert werden. Das passte also in diesem Fall jemandem ziemlich massiv nicht. Katastrophen-Sacha mischte sich ein und erklärt den Tagi kurzerhand zum «Stürmer an der Weststrasse», nach dessen Hauptquartier.

Alleine diese völlig überzogene Reaktion hätte Grund genug sein sollen, Fakten und Hypothesen genau zu untersuchen. Finde hier statt …