Rascheln statt recherchieren
Christian Brönnimann fasst ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts schlecht zusammen.
Seine bravuröse Recherchierleistung besteht darin, dass er die anonymisierten Beteiligten als Familienmitglieder des reichen Russen German Chan identifiziert. Was eine Riesenleistung ist:
«A._______ (nachfolgend: Beschwerdeführer) besitzt die (…) Staatsbürgerschaft und hat seinen Wohnsitz in London. Seit dem Jahr 2017 ist er mit B._______ verheiratet. B._______ ist die Tochter von C._______.
C._______ ist ein russischer Unternehmer und Grossaktionär des Y._______ Konzerns.»
So der Auszug aus einem unlängst publizierten Urteil. Oder auf Deutsch: A ist der Schwiegersohn von Chan, der Grossaktionär der russischen Alfa-Gruppe ist und um das Datum des russischen Einmarschs in die Ukraine herum versuchte, Teile seines in der Schweiz parkierten Vermögens auf Familienangehörige zu überschreiben, bevor ihn Sanktionen ereilten.
Nun sei Chan «gemäss der EU-Sanktionsbehörde eine der einflussreichsten Personen in Russland. Er pflege «enge Beziehungen» zu Präsident Putin. Die beiden erwiesen sich «gegenseitig wichtige Dienste»», zitiert Brönnimann dackelbrav. Da solche Behauptungen auch schon in anderen Fällen nicht stimmten, hätte der Recherchierjournalist von Tamedia hier mal seinen Muskel anspannen können und nachforschen.
Aber wie bei den ausgeschlachteten gestohlenen Geschäftsunterlagen, die in Papers, Leaks und Flops verwandelt werden, ist es viel einfacher, das öffentlich einsehbare Urteil des Bundesgerichts zu referieren.
Allerdings natürlich nur die Teile, die ihm in den Kram passen und die sein Narrativ stützen:
Es geht doch nichts über sauberen Thesenjournalismus, bei dem das Ergebnis der Recherche schon feststeht, bevor sie überhaupt begonnen hat.
Worüber sich der Beschwerdeführer, also der Schwiegersohn Chans, der die Freigabe von eingefrorenen 20 Millionen Dollar fordert, im Einzelnen beschwert, ist Brönnimann schnurzegal, diesen Teil des Urteils zitiert er nicht:
«Der Beschwerdeführer rügt eine mehrfache Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, eine Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren und die überlange Verfahrensdauer. Im Weiteren beanstandet er eine willkürliche Feststellung des Sachverhalts, eine Verletzung der Eigentumsgarantie und der Wirtschaftsfreiheit sowie die willkürliche Anwendung des Embargogesetzes und der Ukraine-Verordnung.»
Tatsächlich stellt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass ihm diverse Verfahrensakten dermassen geschwärzt ausgehändigt wurden, dass ihr Inhalt nicht verwertbar war. Zudem wurden erst auf mehrfaches Insistieren Akten nachgereicht: «Die im Rahmen ihrer Duplik neu eingereichten Akten erklärte sie (die Vorinstanz, Red.) mit zusätzlichen Abklärungen, die sich als notwendig erwiesen hätten.» Oder auf Deutsch: stinkt.
Das sieht auch das Bundesverwaltungsgericht so:
«Durch dieses Versäumnis wurde dem Beschwerdeführer verunmöglicht, sich zum Sachverhalt vorweg zu äussern und in wirksamer Weise an der Erstellung des rechtserheblichen Sachverhalts mitzuwirken. Die Rüge, die Vorinstanz habe die angefochtene Verfügung gestützt auf Informationen erlassen, die sie mit dem Beschwerdeführer nicht geteilt habe, ist somit begründet. Dadurch ist beim Erlass des in die Rechtstellung des Beschwerdeführers eingreifenden Entscheides sein Gehörsanspruch in schwerwiegender Weise verletzt worden.» Wumms.
Nichtsdestotrotz erkannte das Bundesverwaltungsgericht, dass die Beschwerde abgewiesen werde, obwohl der Beschwerdeführer eine Vielzahl von solcher Einreden aufeinandergestapelt hatte.
Nun könnte man sagen, dass das halt die Winkelzüge von Advokaten sind, die sich in den Sold russischer Oligarchen begeben. Allerdings handelt es sich hier um Professor Dr. Peter Nobel, dem ein tadelloser Ruf wie Donnerhall vorauseilt.
Da er diesen zu verlieren hätte, kann man diesen Gerichtsfall nicht so einäugig als versuchte Rettungsmassnahmen eines «Putin-Freunds» und Oligarchen abtun, der sein sicherlich schmutzig erworbenes Geld zu Recht abgenommen bekam.
Dass das Etikett «Putin-Freund» plus der Besitz eines grösseren Vermögens, plus die russische Staatsbürgerschaft dazu ausreichen, die Eigentumsgarantie ausser Kraft zu setzen, dass die Schweiz ungeprüft die oftmals willkürlichen Sanktionsentscheide der EU übernimmt, dass auf jede Überprüfung im Einzelfall, ob der Besitz rechtens ist, verzichtet wird, ist erst der Anfang dieses Skandals.
Was Brönnimann hier abgeliefert hat, erfüllt knapp das Kriterium «gefilterte Auszüge aus einem Gerichtsurteil». Wobei er alles, was ihm nicht in seinen Thesenkram passte, einfach ausblendet.
Ein weiterer Beleg für die von ZACKBUM vorgetragene Anregung, dass das sogenannte «Recherchedesk» problemlos eingespart werden könnte, mit Ausnahme vielleicht des Volontärs. Denn solche Holzschnitzer wie Brönnimann braucht es wirklich nicht.