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Auf Sparflamme

Saure Gurkenzeit war gestern, heute wird gespart.

Exemplarisch geht der Blöd-«Blick» voran:

Oh, Pardon, das ist eine andere Form von Leserverarschung. Wir meinen natürlich das hier:

Denn jetzt geht’s los. Denn auch in den Verrichtungsboxen im Newsroom bei Ringier hat man gemerkt: es wird kühler draussen. Also her mit den Tipps:

«Tagsüber genügen 18 bis 20 Grad locker. Im Schlafzimmer kann man auch mit 14 Grad nächtigen. Kuschliges Pyjama und eine dicke Decke vorausgesetzt.»

Wen’s da noch nicht genügend fröstelt: «Heizkörper dürfen nicht verdeckt werden. … Mit einem Vierkantschlüssel die Heizung entlüften. … Wer das WC statt 22 Grad auf 16 Grad heizt, der spart in diesem Bereich 36 Prozent der Heizkosten.» Das gibt dem schönen Wort vom «Arsch abfrieren» eine ganz neue Bedeutung.

Aber damit ist «Blick» noch nicht ausgeschossen: «Wer die Fensterläden auch in der dunklen Jahreszeit schliesst, der spart zünftig. … Legen Sie ein Tür-Kissen unten an die Haus- oder Balkontür und beseitigen Sie so ein Wärmeleck. Nützt das nichts, dann ersetzen sie die Türe.»

Nützt die Höflichkeitsform nichts, dann ersetzen wir sie halt.

Eher ironisch berichtet hingegen nau.ch über das Thema: «Neun Angestellte des Bundes beantworten die Fragen der Bevölkerung zum Energiesparen. Pro Tag melden sich aber nicht einmal ein Dutzend Personen.» Es werde aber auch schon kräftig gemotzt und geneidet: «Sauer aufgestossen ist manchen Anrufern, dass sie womöglich in ihrem Alltag eingeschränkt werden, während die Schaufenster von Geschäften weiterhin beleuchtet werden.»

Das St. Galler «Tagblatt» vermeldet hingegen mit wichtiger Miene: «Der Regierungsrat des Kantons Thurgau hat entschieden, dass der Kanton der Energiespar-Alliance des Bundes beitritt.»

Schon einen Schritt weiter ist Olten, wie das dortige Tagblatt vermeldet: «Auch die Stadt Olten möchte im kommenden Winterhalbjahr Energie sparen: Aus diesem Grund hat der Stadtrat entschieden, dass die Raumtemperatur in den Schulhäusern wie auch in den Räumlichkeiten der Stadtverwaltung und der städtischen Institutionen wie Museen und Bibliotheken auf 20 Grad beschränkt wird. »

Wieso denn warme 20 Grad? «20 Minuten» berichtet: «Energiesparmassnahmen: In Schaffhauser Schulzimmern wird nur noch auf 19 Grad geheizt.» Da geht doch noch was. Richtig, CH Media verlautbart aus Bern: «Die Temperatur in kantonalen Mehrzweckhallen und Werkstätten soll künftig höchstens 17 Grad erreichen, jene in Lager und Garagen maximal sieben Grad.» Da friert’s bei Lager schon mal glatt das n ab.

Nochmal zurück nach Schaffhausen: «Ferner hat der Regierungsrat in Absprache mit der Baudirektion des Kantons Zürich ­beschlossen, die Rheinfall-Beleuchtung ab sofort abzuschalten.»

Eher auf die leichte Schulter nimmt «watson» die ganze Thematik und berichtet über «saure Aufstosser» beim Münchner Oktoberfest: «Wenn ihr nur halb so viel Energie in Erneuerbare gesteckt hättet wie ins Saufen…»

In der Schweiz hingegen trägt jeder sein Scherflein zum Sparen bei, wie die «Aargauer Zeitung» bemerkt: «So zum Beispiel Boswil. «Alles, was wir tun können, um Strom zu sparen, setzen wir um», sagt Gemeindeammann Michael Weber. Nebst dem Verzicht auf Weihnachtsbeleuchtung wird in öffentlichen Gebäuden Boswils die Raumtemperatur gesenkt. Geräte werden nicht mehr im Standby-Modus laufengelassen und auch entlang der Strassen wird gespart.»

ZACKBUM findet: Heizen und Beleuchten wird sowieso und allgemein überschätzt. Das sind doch alles faule Schweizer Kompromisse. Wer Putin richtig ärgern will, muss ganz aufs Heizen und auf Stromverbrauch verzichten. Schliesslich hat die Menschheit Hunderttausende von Jahren so überlebt, bis ein ganz schlauer Kopf das Lagerfeuer erfunden hat.

Knüppel aus dem Sack

Vorsicht. Hier können Gerüchte verbreitet werden. Ist strafbar.

Schon mal etwas vom «Bundesgesetz über die wirtschaftliche Landesversorgung» gehört? Wäre nicht schlecht, denn bekanntlich schützt Unwissenheit vor Strafe nicht. Der Zweckartikel kommt recht harmlos daher: «Dieses Gesetz regelt Massnahmen zur Sicherstellung der Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selber zu begegnen vermag.»

Es regelt zunächst sinnvolle Vorbereitungshandlungen wie das Anlegen von Pflichtlagern oder die Berechtigung des Bundesrats, in allen möglichen Formen in die Lagerung, Verteilung oder Preisgestaltung von lebenswichtigen Produkten einzugreifen.

Richtig spannend wird es ab Kapitel 7: «Strafbestimmungen». Da heisst es zum Beispiel in Artikel 54:

«Wer in Zeiten einer unmittelbar drohenden oder bereits bestehenden schweren Mangellage vorsätzlich und in der Absicht, sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, unwahre oder entstellende Behauptungen über geltende oder bevorstehende Massnahmen auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Landesversorgung äussert oder verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.»

Auch Artikel 49 «Widerhandlungen gegen Massnahmen» oder 50 «Verletzung der Auskunftspflicht» haben es in sich. Widerhandlungen können «mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen» geahndet werden. Zum Beispiel:  wer «trotz Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels eine Verfügung nicht befolgt, die sich auf dieses Gesetz oder darauf beruhende Ausführungsbestimmungen stützt».

Das heisst auf Deutsch: Sollte der Bundesrat tatsächlich verfügen, dass die Raumtemperatur nicht über 17 Grad geheizt werden darf, Saunen oder Heizstrahler ausser Betrieb zu nehmen sind, und jemand käme auf die Idee, das vorsätzlich zu ignorieren, kann er im Knast landen. Ob auch schon ein Vollbad dafür reicht, müsste im Einzelfall geprüft werden.

Man mag sich nun fragen, wie denn kontrolliert wird, ob ein «Heiz-Sünder» («Blick») sich nicht den Hintern anfrieren will, sondern wohlige 23 Grad im Wohnzimmer befürwortet. Da käme dann eine der ältesten Geisseln der Menschheit ins Spiel: der Denunziant. Denn keiner zu klein, Kontrolleur zu sein. Ob aus Sozialneid, aus Rechthaberei, in der Befolgung von Ordnung und Gesetz, der Mensch neigt dazu, eifrig das Einhalten von Vorschriften zu kontrollieren.

Nun mag der liberal gestimmte Mitbürger einwenden, dass es doch seine Privatangelegenheit sei, was sich innerhalb seiner vier Wände abspiele. Ob er dort eingemümmelt in zwei Pullover, Handschuhe und dreifachen Satz Wollsocken ein Zeichen für den Frieden setzen will. Oder sich lieber leichtbekleidet auf dem Fell vor dem knisternden Cheminée hinfläzt, in wohligen 23 Grad. Um dann die auf 80 Grad vorgeheizte Sauna im Keller zu benützen. Anschliessend einen Tee zubereitet, ohne dass ein Deckel den Wassertopf beim Kochen verschliesst. Und aus Bequemlichkeit lässt dieser Sünder auch noch überall das Licht brennen.

Damit stünde er allerdings bereits mit einem Bein im Gefängnis. Oder müsste neben einer gesalzenen Energierechnung auch noch mit einer empfindlichen Busse (Tagessätze bis Fr. 3000.-) rechnen. Aber mindestens so schlimm wird die soziale Ächtung. Wahrscheinlich wird ein alter Begriff neubelebt werden: Kalter Krieg. Wann werden wir die ersten Plakate sehen: «Hier wohnt ein Energie-Frevler»? Die anonyme Schmiererei an der Haustüre: «Sie Putin-Freund, Sie Heiz-Sünder»?

Müssen bedauernswerte Gesetzesbrecher mit einem Schild auf der Brust herumlaufen: «Ich habe zu heiss geduscht und schäme mich»? Kommt die Polizei auf Anzeige des lieben Nachbarn und sichert Beweismittel, dass die Badewanne tatsächlich gefüllt wurde? Der Deckel zwar neben dem Topf liegt, aber keine Spuren erkennbar sind, dass er auch auf dem Topf war? Gibt das verräterische Geräusch eines Föns schon Anlass zu einer Hausdurchsuchung? Zeigt das geeichte Polizeithermometer mehr als 17 Grad? Wird bei 17,1 noch ein Auge zugedrückt?

Lachhaft? Uns wird das Lachen noch vergehen. Schon alleine die pseudoreligiösen Begriffe Sünder und Frevler sind immer ein ganz schlechtes Zeichen. Ein Sünder verstösst nicht einfach gegen Gesetze. Er überschreitet Gebote, die von überirdischer Allmacht erlassen wurden. Ein Frevel ist eine Schandtat gegen etwas Heiliges, nicht etwa eine lässliche Sünde.