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Ist Polen verloren?

Die ganz objektive Berichterstattung über die Wahlen.

Das deutsche Nachrichtenmagazin «Spiegel» ist erschüttert: «Das liberale Europa steht der Herausforderung durch Populisten planlos gegenüber. So erschütternd wie der Wahlsieg des nationalkonservativen Präsidentschaftskandidaten Karol Nawrocki ist die Hilflosigkeit seiner Gegner.»

Bis knapp vor Schluss sah es noch gut aus für Rafał Trzaskowski. Der erklärte sich bereits nach den ersten Hochrechnungen zum Sieger und stimmte Triumphgesänge an. Aber dann, oh je, schwang Karol Nawrocki obenaus. Und erklärte sich zu Recht zum Sieger der polnischen Präsidentschaftswahlen.

Tamedia gratulierte ihm so zum Wahlsieg: «Er prügelte sich als Hooligan, kennt Neonazis – und ist jetzt Polens Präsident». Oder so: «Die Wahl des PiS-Kandidaten zum polnischen Präsidenten ist ein Bekenntnis zu hemmungslosem Rechtspopulismus.»

Eine Viktoria Grossmann ordnet ein, einer der Lieblingsausdrücke für hemmungslosen Gesinnungsjournalismus:

«Alle Anzeichen stehen dafür, dass die PiS-Partei mit ihren teils rechtsextremen Ansichten, ihren nationalistischen Parolen, ihren blanken Lügen über die EU oder auch Leute, die sich gern eine Regenbogenflagge an die Kleidung heften, noch weiter nach rechts rückt. Dass sie nun, zusätzlich zu ihrer verrohten Sprache, auch noch jegliche bürgerlichen Sitten fahren lässt.»

Sie sieht eine so grosse Gefahr durch den demokratisch gewählten Präsidenten Polens, dass sie gleich an höchster Stelle eine Forderung deponiert: «Die europäischen Partner können und sollten der polnischen Regierung helfen, wenn sie an einem verlässlichen Partner interessiert sind.»

Früher nannte man das Einmischung in innere Angelegenheiten.

Vielleicht wäre es der Mühe wert gewesen, dem Leser zu erklären, wieso eigentlich eine knappe Mehrheit der polnischen Stimmbürger diesen Kandidaten gewählt hat. Da wird es dann sehr, sehr dünn bei Grossmann: «Seine Wähler hat das nicht abgeschreckt – nein, es hat sie regelrecht angezogen.»

Stattdessen widmet sie sich sorgenvoll der Fehler, die die Regierung Tusk begangen haben soll. Und gibt auch ihr einen guten Rat mit auf den Weg, das wäre doch einen Versuch wert: «einen Plan haben und selbstbewusst auch umsetzen, ohne auf die nächsten Wahlen und den Angstgegner zu schielen. Tusk und seiner Regierung bleiben dafür jetzt etwas mehr als zwei Jahre Zeit.»

Die aktuelle Berichterstattung überlässt das Haus der Qualitätsmedien dann wieder den Newstickern wie dpa.

Grossmann ist Korrespondentin der «Süddeutschen Zeitung» in Warschau. Mangels eigener Kompetenz übernimmt der Kopfblattsalat an der Werdstrasse ihre Meinung ungefiltert. Obwohl sich alleine aus historischer Sicht der deutsche Blickwinkel auf Polen vom schweizerischen durchaus unterscheidet.

Wie tief der Graben ist, belegt der Kommentar, den der Chef des deutschen Politik-Magazins «Monitor» absonderte. Der gebührenfinanzierte und zu Objektivität verpflichtete Georg Restle schnödete auf X: „Das Wahlergebnis in Polen ist eine Katastrophe: Für Demokratie und Rechtsstaat in Polen.» Als ihm ein Kommentator Kontra gab, das sei das Ergebnis einer demokratischen Wahl, legte er gleich noch die Nazikeule drauf: «Auch der Sieg der Nazis in Deutschland war das Ergebnis einer Wahl und deren Folgen. Demokratie ist mehr als nur ein Verfahren.»

Demokratie ist für Restle offensichtlich ein «Verfahren», das nur ordnungsgemäss abläuft, wenn es ihm genehme Resultate zeitigt.

Aber was soll’s, der zahlende Leser (der Artikel ist hinter der Abo-Schranke verstaut) wird’s schon schlucken. Könnte aber ein Irrtum sein.

Denn vielleicht interessiert den, eine geldwerte Gegenleistung zu kriegen. Zum Beispiel einen Erklärungsversuch, wieso mehr als die Hälfte der Polen diesen Präsidenten gewählt hat – obwohl doch der andere viel besser gewesen wäre, laut fast einhelliger Meinung der Massenmedien.

Nun hat sich also eine Mehrheit der Polen zu «hemmungslosem Rechtspopulismus» bekannt, mit diesem erschütternden Wahlsieg. Warum? Nun, vielleicht weil sie so sind, oder schlichtweg doof. Halt wie die Amis, die auch aus Blödheit Trump gewählt haben, die Italiener mit ihrer Meloni, die Ungarn mit Orban, die Niederländer mit Wilders, die Franzosen mit Le Pen, die Deutschen mit der AfD.

Ach, und wohl auch die Schweizer mit der SVP, aber die ist dann nicht ganz so hemmungslos rechtspopulistisch, oder nur manchmal.

Früher, ja früher, gab es mal das journalistische Prinzip, dass Berichterstattung von Meinung so gut wie möglich getrennt sein sollte. Berichterstattung setzt allerdings Kompetenz voraus, Sachkenntnis, die Fähigkeit, zu analysieren, dem Leser Erkenntnisgewinn zu verschaffen.

Daran mangelt es immer mehr, umso hemmungsloser werden diese Lücken durch Meinung, Besserwisserei und arrogantes Erteilen von unverlangten Ratschlägen ersetzt.

Das ist natürlich erlaubt. Aber dafür noch Geld zu verlangen, das hat auch etwas Hemmungsloses, ja Zügelloses. Eigentlich Sinnloses. Denn wer will solchen Journalisten schon gegen Bezahlung bei der Bauchnabelschau und dem Äussern ihres Unwohlseins zuschauen. Populistisch ist es allerdings nicht, denn solchen Medien laufen die Leute in Scharen weg.